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Sforza zum dritten Mal in Kaiserslautern – der nordische „Gegenentwurf“ zum FC Bayern

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Sforza zum dritten Mal in Kaiserslautern – der nordische „Gegenentwurf“ zum FC Bayern

Sforza zum dritten Mal in Kaiserslautern – der nordische „Gegenentwurf“ zum FC Bayern – der Fußball-Torhüter: ein Verrückter?

Arminia Bielefeld – Werder Bremen 3:0

Jens Kirschnek (SZ 13.8.) berichtet vom Erfolgsrezept der Bielfelder Arminia beim 3:0 über Werder Bremen. „Diese funktionierende Spielweise ist schnell beschrieben: ein kompakter Defensivverbund, der nur wenig Chancen des Gegners zulässt, davor wendige Angreifer wie Wichniarek, Vata und Brinkmann, die ihre direkten Kontrahenten permanent in Zweikämpfe verwickeln. Weil sich die Bremer Abwehrspieler darin als ungeschickt erwiesen, hatten sie bereits nach 20 Minuten drei Verwarnungen gesammelt, am Ende stand Werder mit neun Leuten auf dem Platz. Und da ist noch etwas, was das Spiel der Arminen auszeichnet: eine beachtliche Effizienz bei Standardsituationen. Niemand hat im letzten Jahr in der Zweiten Liga mehr Tore nach Ecken und Freistößen erzielt als die Bielefelder (…) Gegen Bremen wurden die Standards konsequent eingesetzt: So resultierte das 1:0 aus einer Hereingabe von Dammeier, beim 3:0 in der Nachspielzeit schoss der eingewechselte Porcello einen 20-Meter-Freistoß gleich direkt ins Tor. Es ein Faustpfand, dass die Arminia einsetzen kann, auch wenn es spielerisch mal nicht läuft, eine Option, die mehr als jede andere helfen könnte, die Klasse zu sichern. Denn nur darum geht es natürlich für den Aufsteiger: den Klassenerhalt.“

Roland Zorn (FAZ 13.8.) über die Ostwestfalen. „Die Konkurrenz wird sich spätestens seit Sonntag auch vor diesem zunächst eher leichtgewichtig eingeschätzten Bundesliga-Rückkehrer in acht nehmen. Dazu hat der Rekordaufsteiger zu viele spezielle Qualitäten: Kopfballstarke Athleten wie Reinhardt oder Dabrowski sind immer dann zur Stelle, wenn Dammeiers angeschnittene Freistöße Torgefahr heraufbeschwören; Techniker und Trickser wie die Konterstürmer Vata, Brinkmann und Wichniarek suchen die Zweikämpfe und provozieren ihre Gegenspieler oft zu Fouls; dazu kommen ein in der vergangenen Zweitligasaison gewachsener Teamgeist und ein beachtliches Maß an taktischer Disziplin, die schwierige Situationen überstehen helfen.“

Hamburger SV – Hannover 96 2:1

Zum Spiel des Aufsteigers Hannover 96 beim 1:2 in Hamburg lesen wir bei Jörg Marwedel (SZ 13.8.). „Als Schiedsrichter Albrecht die Partie abpfiff, war an den schnöden Zahlen (2:1 für den HSV) nicht mehr zu erkennen, dass der Aufsteiger den großen Nord-Rivalen lange Zeit beherrscht, bis acht Minuten vor dem Ende 1:0 geführt und in der ersten Halbzeit eine eindrucksvolle Demonstration Rangnickscher Fußballschule abgeliefert hatte. Markenzeichen: Herzblut, sicheres Kurzpassspiel und geschickte Konter (…) Sie können es also, die Neulinge, von denen erst zwei Spieler Bundesliga-Erfahrung sammelten (…) Dies war der Knackpunkt: Während die 96er dem hohen Anfangstempo Tribut zollten, erhöhten die zunächst so ratlosen Hamburger mit den eingewechselten Antar und Ledesma anstelle der schwachen Außen Rahn und Kitzbichler die Schlagzahl derart, dass (Trainer, of) Rangnick zerknirscht eingestehen musste, sein Team habe in der zweiten Halbzeit „keine Entlastung mehr zustande gebracht“.“

Weiteres

Raimund Witkop Frank Heike (FAS 11.8.) skizzieren das Vereinsprofil des Hamburger SV. „Tradition kann man nicht kaufen. Aber für Tradition kann man sich auch nichts kaufen. Es ist ein Phänomen, dass ein tief in sportlicher Mittelmäßigkeit steckender Klub mehr Dauerkarten, mehr Logen, mehr Geschäftssitze verkauft als jemals zuvor. Beim HSV ist der Star das Stadion, wer gegen wen unten spielt, erscheint fast egal (…) Warum gelingt in der reichen Millionenstadt Hamburg kein Gegenentwurf zu Bayern München? Die Gelegenheit war da. In den siebziger Jahren trieb der begnadete Selbstdarsteller und Marketingfachmann Peter Krohn den Verein als Präsident in die Modernisierung. Unter Krohn, den noch heute jeder Hamburger über Dreißig mit bonbonrosa Trikots und einem schrillen Ritt auf Elefanten verbindet, wurde der biedere Verein zu einem schillernden Unternehmen. Im Hinblick auf Fußball als Teil der Showbranche war er seiner Zeit voraus (…) Der Verein aus der damals (Anfang der 80er, of) größten deutschen Stadt war da, wo er hingehörte, und hatte in Bayern München den natürlichen Feind aus dem Süden gefunden. Warum der HSV aus dieser Ära der Trainer-Helden Branko Zebec und Ernst Happel nicht das Kapital geschlagen hat, sich langfristig in der europäischen Spitze zu etablieren, bleibt ein Rätsel (…) Der HSV hat bei der wirtschaftlichen Zweiteilung der Fußballwelt in eine Sonnenseite und ein Schattenreich in den neunziger Jahren den Anschluss längst verloren. Fatalerweise wirken aber die Ansprüche aus der Erfolgsära bis heute fort.“

Über den überraschend hohen 4:0-Auftakterfolg Eintracht Frankfurts gegen den FC. St. Pauli schreibt Thomas Kilchenstein (FR 13.8.). „Natürlich ist Willi Reimann nach dem beeindruckenden Auftakterfolg von allerlei Leuten gefragt worden, wohin es denn laufen soll, laufen kann in dieser Saison mit Eintracht Frankfurt. Gesichertes Mittelfeld etwa. Oder doch nur Klassenerhalt, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Sparmann tief stapelt. Kann man doch eigentlich nicht verkaufen, nicht dann, wenn ein Bundesliga-Absteiger wie der FC St. Pauli, der in der vergangenen Runde in der ersten Klasse keine einzige Schlappe in dieser Höhe kassieren musste, gerade mit 4:0 abgewatscht wurde, „auseinander genommen“, wie Willi Reimann dann zufrieden sagte. Muss da nicht vielleicht doch das Saisonziel ein klein wenig nach oben korrigiert werden? Es ist gut, dass es in Frankfurt derzeit ein paar Männer gibt, die den Ball flach halten wollen. Reimann zum Beispiel, der Trainer.“

Uwe Marx (FAZ 13.8.) kommentiert das zweite Comeback Sforzas auf dem Betzenberg. „Natürlich sieht es auf den ersten Blick so aus, als habe der 1. FC Kaiserslautern nichts anderes getan, als einen neuen Spieler zu verpflichten. Aber das täuscht. Es geht in diesen Tagen nicht nur um Fußball bei den Pfälzern, also soll Ciriaco Sforza mehr sein als eine Verstärkung auf sportlichem Gebiet. Dem Schweizer gefällt das. Er ist schon zum zweiten Mal auf den Betzenberg zurückgekehrt und nutzt seine Vorstellung am Montag Mittag zunächst zu einer Art politischen Verteidigungsrede für Vorstand, Aufsichtsrat und Trainer des Vereins (siehe auch hier). Seine demonstrative Entschlossenheit gehört zum Kalkül dieser mutigen Verpflichtung. Hier ist einer, der Verantwortung übernehmen will und dem – wichtiger noch – von ganz oben Verantwortung übertragen wurde.“

Markus Völker (taz 10.8.) meint zur Finanzkrise im Fußball. „Erste Symptome zeigten sich in der letzten Saison in den Ligen Italiens und Spaniens: Spielergehälter schraubten sich in stratosphärische Höhen, die Schulden der Vereine bisweilen auch. Vor einem Jahr noch herrschte bei Europas Topklubs ein merkantiler Eifer, der das Treiben an der Warenterminbörse in den Schatten stellte. Das ging freilich nur gut, solange Geld in Strömen floss, vor allem vom Fernsehen. Als es bei den Medienunternehmen den Bach runterging, in Deutschland der Kirch-Konzern Insolvenz anmelden musste, war auch der fröhliche neue Fußballmarkt am Ende. Er hatte zwar keine Illusionen verkauft wie so manches Unternehmen. Aber die Klubs, das legte die Krise schnell offen, hatten unsauber gewirtschaftet. Sie waren dem Trugschluss erlegen, dem Fußball stünden unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Die Vorfreude auf Fernsehmillionen machte die Klubbosse unvorsichtig. Sie verbuchten Einnahmen, die erst 2006 fließen sollten. Virtuelles Geld. Die Spieler indes wollen bare Münze, Monat für Monat.“

Der ehemalige Profi Yves Eigenrauch (taz 10.8.) verteidigt seine Zunft. „Das Spiel ist doch wie ein Wochenmarkt, auf dem ich meine Waren anpreisen kann. Dort ist auch gute und sehr gute, ebenso wie weniger gute bis gar mindere Qualität zu finden. Natürlich versuchen Menschen auszureizen, wie hoch sie mit dem Preis gehen können. Das ist schade, allerdings eben nicht allein im Fußballsport üblich. Wer kann denn schon von sich behaupten, dass er auf Dinge, die er haben könnte, freiwillig verzichtet? (…) Im Fußball gibt es genauso viele bzw. genauso wenig Menschen, die als gierig einzustufen wären, wie in der übrigen Gesellschaft, auch wenn es als Fußballer ungleich schwieriger ist, bei all den Einflüssen und Schulterklopfern den Überblick zu behalten. Damit meine ich nicht zuletzt auch den Überblick über die eigenen Verhaltensweisen.“

Über die Aufgaben eines Torhüters schreibt Simon Osterwalder (NZZ 10.8.). „Die publizistische Nachbearbeitung des Dramas um den Fußball-Ikarus Oliver Kahn hat das allenthalben kolportierte Vorurteil über verrückte Torhüter wieder einmal schonungslos ausgesprochen. So hieß es just in der lähmenden Fassungslosigkeit, welche die entscheidende Szene des heurigen WM-Finals ausgelöst hat, der verrückte Mann sei nun wieder unter uns, nachdem er der Sonne wohl durch mirakulöse Paraden zu nahe geraten sei. Oder man diagnostizierte an anderer Stelle, Kahn wäre ob seinem Patzer auf der Stelle verrückt geworden, wenn er es nicht schon längst wäre. Diese summarische Psychoanalyse wurde mit der nicht weniger klischierten Erkenntnis unterlegt, ein Torhüter müsse eben verrückt sein, da er sonst unweigerlich vom schmalen Grat zwischen Held und Versager ins Verderben stürze. Was hat es aber mit dieser Verrücktheit tatsächlich auf sich? (…) Die Torhüter greifen für die Zuschauenden wie grelle Blitze ins Spielgeschehen ein. Da diese Blitze von den Zuschauern (und Mitspielern) als finale Abschlüsse von Angriffsbemühungen in äußerst konzentrierter Weise wahrgenommen werden, wirken auch Torhüterflops verrückter, lies verwirrter, als ebenso schwerwiegende Fehler von Feldspielern. Um dieser Pein zu entkommen, will ein Torhüter jeden kleinsten Fehler vermeiden. Er wird dabei nie glücklichen Zufällen vertrauen, sondern jede seiner Handlungen aktiv bestimmen wollen. Zu exponiert ist seine Stellung in der Mannschaft, zu hoch sind die an ihn gestellten Ansprüche, nach denen er Vertrauen vermitteln, zugleich aber auch Abschreckung verbreiten soll. Diese Aufgaben kulminieren in der Suggestion der Unbezwingbarkeit, der maschinellen oder gar fabelhaften Präzision oder eben: in der mitreißenden Verrücktheit (im Sinne von absonderlich, auffällig, ungewöhnlich und nicht alltäglich sein). Solche (Selbst-)Ansprüche bewirken einen enormen Leistungsdruck, der den Torhüter zusätzlich zu seiner optischen Separation in eine psychische Isolation drängt. Lässt sich ein Torhüter deswegen verrückt (im Sinne von verwirrt) machen, d. h. werden seine Aktionen zu oft von Umständen des Zufalls, des (Un-)Glücks geprägt, wird der sorgsam aufgebaute Mythos der Unbezwingbarkeit schnell zu Staub und Asche.“

Zur Begeisterung des Publikums bei den Münchner Leichtathletik-Europameisterschaften lesen wir bei Jörg Hahn (FAZ 12.8.). „In Deutschland findet seit Monaten ein faszinierendes Staffelrennen der Sportarten statt. Der kollektive Jubel um die Olympiamannschaft bei den Winterspielen in Salt Lake City stand am Anfang. Von den Fußballspielern ist der Stab weitergereicht worden an die Schwimmer. Nun waren die Leichtathleten an der Reihe, demnächst folgen die Volleyballspielerinnen. Wo auch immer eine deutsche Nationalmannschaft im Einsatz ist, gewinnt sie – jede auf ihre Art, die Herzen der Menschen. Großveranstaltungen werden hierzulande auf kaum noch erklärliche Weise zu immensen Publikumserfolgen. Fast scheint es so, als hätte der olympische Geist dieses Land gepackt – schon lange bevor auch nur der nationale Kandidat für die Olympiabewerbung 2012 herausgepickt wird.“

Dahingegen wirft Thomas Hahn (SZ 13.8.) ein. „Natürlich, das Medaillenzählen ist nicht fein, und der Ansatz einer so genannten sanften Leichtathletik, in der nicht nur Siege zählen, klingt viel romantischer als der ewige Anspruch, zu den Besten zu gehören. In der Wirklichkeit allerdings zählt die Romantik wenig. In der Wirklichkeit sind die Verbände des modernen Leistungssports mehr denn je darauf angewiesen, mit Siegen Argumente für sich zu sammeln. München hat es doch gezeigt: Das ganze Glück der 54.000 brach erst in den Momenten über den Sportlern zusammen, in denen sie zu Gold sprinteten. Auch als Fernsehzuschauer – wer will das leugnen – hat man doch immer nur darauf gewartet, dass ein Landsmann die Fäuste in die Luft riss. Und war die Schwimm-EM vor zwei Wochen in Berlin nicht auch deswegen so beeindruckend, weil der Gastgeber zehn Heimsiege feiern konnte? Siege sind Ansporn für die Jugend, steigern den Stellenwert einer Sportart, vor allem sichern sie die Zukunft, weil sie denMedien immer Anlass geben hinzuschauen. Und deshalb lohnt es sich schon, sehr genau zu beobachten, wie sich die Gewinnquoten entwickeln. Und da beobachtet man: Sie werden geringer.“

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