Nachschuss
Cashmore, Ellis – Making sense of sports
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| Donnerstag, 25. März 2004
„Making sense of sports“ ist der programmatische Titel eines Buches von Ellis Cashmore, das inzwischen zu den Standardwerken der angloamerikanischen Sportsoziologie zählt und nun in einer dritten, neu überarbeiteten Auflage vorliegt. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen bleibt für Cashmore an jeder Stelle die Frage nach der Anziehungskraft und Faszination, die der Sport auf uns ausübt. Wer also einigermaßen befriedigende Antworten auf die Frage sucht, warum sich Milliarden von Menschen über fünf Wochen 64 Spiele im Fernsehen anschauen, in deren Verlauf 22 überbezahlte Athleten um den Besitz eines Lederballs ringen, dürfte von diesem Buch nicht enttäuscht werden. Ganz ohne Zweifel ist die Bedeutung des Sports in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in kultureller, sozialer als auch in ökonomischer Hinsicht angewachsen. Im Rahmen dieses Prozesses sind allerdings ebenfalls vermehrt komplexe gesellschaftliche Probleme und Widersprüche im Feld des Sports wirksam geworden. Stichwörter wie Gewalt, Rassismus, Chauvinismus, Drogenkonsum oder Korruption gehören so heute ganz selbstverständlich zum Diskurs des professionellen Spitzensports, dessen Transformation in eine von Sportlern, Medienanbietern, Clubeigentümern, Sportartikelherstellern und Sponsoren getragene Unterhaltungsindustrie gleichzeitig scheinbar unaufhaltsam voranschreitet. Auf der sozialwissenschaftlich orientierten Suche nach den Sinngebungen und Bedeutungshorizonten des Sports in heutigen Konsumkulturen legt Ellis Cashmore, der nach Lehrtätigkeiten an den Universitäten von Massachusetts, Tampa, Washington und Hongkong inzwischen Professor für „Kultur, Medien und Sport“ an der Staffordshire University in England ist, einen multidisziplinären Ansatz vor und versucht diesen auf zahlreiche aktuelle sportbezogene Themenfelder und Ereignisse anzuwenden. Diese Vorgehensweise wird von Ellis Cashmore (Seite 3) selbst wie folgt beschrieben: „None of what follows denies the validity of the views of the fans, the athletes, the sports journalists, nor indeed the cynics. I will integrate as many different perspectives as necessary in the attempt to make sport comprehensive as an enduring, universal phenomenon“. Bei der Lektüre des Bandes überraschen dann in der Tat die breitangelegte Argumentation (von der Anthropologie und Biologie über die Psychologie bis zu Geschichtswissenschaft) und die Vielfalt der Fragestellungen (u.a.: Haben Linkshänder im Sport Vorteile? Welche Sportart ist die härteste? Warum bekennen sich nicht mehr Sportler zu ihrer Homosexualität? Was macht wetten im Sport so attraktiv?). Cashmore beschäftigt sich im Einzelnen eingehend mit der historischen Entwicklung des Sports, der Rolle der Evolution, dem menschlichen Körper (als biologische und soziale Tatsache), diskutiert vorliegende Theorien über den Sport sowie die Benachteiligung von Frauen im Sport, den Rassismus, die Gewalt- und die Dopingproblematik. Die letzten Kapitel widmen sich dann den Wechselbeziehungen von Sport und Medien, der zunehmenden Kommerzialisierung und Globalisierung des Sports (u.a. am Beispiel von Rupert Murdoch und von Nike) sowie den Verflechtungen von Sport und Politik („same rules, different game“). Ein Ausblick auf die Zukunftsperspektiven des Showsports rundet den gelungenen Gesamteindruck des Bandes ab.
Abschließend bleibt zu hoffen, dass sich endlich ein Verlag findet, der das für (selbst-) kritische Sportfans sowie für Studierende der Kultur-, Medien-, Sozial- und Sportwissenschaften überaus anregende Buch ins Deutsche übersetzt.
Jürgen Schwier
Cashmore, Ellis (2001), Making sense of sports. 3rd Edition. London, New York: Routledge (ca. 29,- ).
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