Ballschrank
Das DFB-Pokal-Viertelfinale
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| Donnerstag, 25. März 2004
Das DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem FC Bayern München (3:5 nE) hatte ein Nachspiel. Wieder einmal stand der Schiedsrichter im Mittelpunkt der Kritik. Auch darin zog der FCK nach Meinung von Öffentlichkeit und Rechtssprechung den kürzeren.
„Endlich mal ein neuer Eintrag fürs kleine Wörterbuch der Verliererrhetorik: Man hat aufs falsche Tor geschossen“ schreibt Christian Eichler (FAZ 02.02) bezüglich des verbalen Ausrutschers von „Schnodderschnauze Basler“ (Jan Christian Müller in FR 31.01.), der mit seinem FCK beim Pokalspiel gegen den FC Bayern (30.01.) unterlegen war. „Früher Selbstdarsteller an der Säbener Straße, heute Provinzschauspieler auf der Heimatbühne Kaiserslautern“ (Roland Zorn in FAZ 01.02.), hatte Basler Schiedsrichter Jansen als „Hosenscheißer“ bezeichnet, nachdem dieser entschieden hatte, das Elfmeterschießen vor dem Gästeblock und nicht vor der Fankurve der Heimmannschaft austragen zu lassen. Konkret warf ihm der Spieler vor laufender Kamera vor, sich darin von Bayern-Manager Uli Hoeneß beeinflussen lassen gehabt zu haben. Der Unparteiische hatte im Nachhinein seine Entscheidung mit Sicherheitsapekten begründet. Durchaus nachvollziehbar, denn während des Spiels warfen die Fans des FCK immer wieder Gegenstände in Richtung Bayern-Gehäuse. Zorn sieht in dieser Debatte „die Krönung im Streit um Nichtigkeiten“. Schließlich war das Spiel selbst von vielen kindischen Nickligkeiten beiderseits auf und um das Spielfeld herum geprägt.
Baslers Aussage ist einerseits als „verbales Ablenkungsritual“ (Eichler) von sportlicher Niederlage zu bezeichnen. Völlig irrelevant schien die Angelegenheit aus Sicht der späteren Sieger andererseits nicht gewesen zu sein, sonst wäre Hoeneß nicht unmittelbar nach dem Abpfiff erregt aufs Spielfeld gerannt, um dem Unparteiischen nahezulegen, die Wahl des Tores auszulosen. Dessen letztendliche Entscheidung – die Regeln sehen hierfür keinen Münzwurf vor – hat sicherlich kaum Einfluss auf das Endergebnis genommen. Der vorliegende Fall erinnert vielmehr an das Ringen um die besten Plätze in einer Dorfkirche. Obwohl man von der ersten Reihe aus weder besser sieht noch hört, ist sie der beliebteste Platz. Warum? In der Sitz- spiegelt sich die Hackordnung. Man signalisiert anderen seine Vorrangsstellung. „Wenn der FC Bayern etwas will, dann wird das auch so gemacht. Der FC Bayern entscheidet im deutschen Fußball alles. Alle haben sie Angst vorm FC Bayern“ (Basler). Ähnlich kritisch hat das einmal Michael Horeni (FAZ 25.05.01) formuliert: „Heute sind im deutschen Fußball, in der Bundesliga wie im Deutschen Fußball-Bund, kaum mehr wichtige Entscheidungen gegen die Interessen des FC Bayern möglich.“
Immer wieder werden diese Vorwürfe indizienhaft gestützt. Klaus Smentek (kicker 04.02.) beispielsweise spricht vom „Bayern-Bonus“ und vergleicht den Fall mit dem verbalen Angriff des Bayern-Kapitäns Effenberg gegen Schiedsrichter-Assistent Trautmann im Pokal-Achtelfinale nur wenige Tage zuvor. Das Wort „Arschloch“ sei nachweislich gefallen. Jedoch wolle sich keiner mehr daran erinnern, wodurch eine Bestrafung verhindert wurde. Dahingegen kam Basler um eine Geldbuße nicht herum. In der letzten Saison durfte sich Bayern-Stürmer Carsten Jancker nach seinem Tor gegen Widersacher Leverkusen eine hässliche Szene gegenüber Bayer-Trainer Berti Vogts erlauben, mit der er sich für dessen Handlungen aus vergangenen Bundestrainertagen rächen wollte. Außerdem, so fragt Müller, „was hat der [Hoeneß, of] eigentlich mitten auf dem Spielfeld zu suchen?“ Auch diese Regelwidrigkeit blieb unbestraft, ganz im Gegensatz zum geradezu nichtigen Ausbruch Jürgen Röbers, Ex-Trainer von Hertha Berlin, welcher kürzlich auf die Tribüne verwiesen wurde, weil er einen Ball auf den Boden geworfen hatte. Man denke zudem an den rechtlichen Umgang mit Schiedsrichterschelten seitens der Funktionäre. Während Friedhelm Funkel, damals (Saison 00/01) Trainer von Abstiegskandidat Hansa Rostock, für eine nachvollziehbare und gemäßigte Kritik an der Spielleitung eine Geldstrafe zu leisten hatte, blieben die in ihrer Form einzigartigen und sachlich zweifelhaften Attacken Hoeneß´ einige Wochen später ungesühnt. Die DFB-Verantwortlichen rührten keinen Finger, als der Bayern-Manager Schiedsrichter Strampe nach dem Spiel in Dortmund geradezu bedrohte und Spieler der gegnerischen Mannschaft diffamierte. Zuguterletzt verstießen die Münchner bei ihren diesjährigen Transferaktionen wiederholt gegen Auflagen des DFB; unbehelligt von den verantwortlichen Rechtsausschüssen, die – wenn einzelne Vertreter ausnahmsweise Bedenken zu äußern wagten – von Hoeneß abgekanzelt werden durften. Außerhalb des Spielfelds wird offensichtlich zweierlei Maß angelegt.
Menschliches Miteinander unterliegt allgemeingültigen Regeln und provoziert universelle Verhaltensweisen; sei es in der Politik, im Büro, in Familie oder Freundeskreis, nicht zuletzt auch im Sport. Hierarchien bilden sich zwangsläufig aus, und dominante Akteure sind in der Lage, ihre Position auszunutzen. Wenn sie drohen, schimpfen und beleidigen, hat das eine ganz besondere Wirkung. Mit ihnen darf man es sich nämlich nicht ohne Weiteres verscherzen. Wenn sie über Macht, Geld, Medienzugang und eine folgsame Schar verfügen, riskiert man in einer Auseinandersetzung mit ihnen einen verheerenden Prestigeschaden. Daher können sie es sich erlauben, ihre Interessen auf solche Weise durchzusetzen; meist auf Kosten anderer. In diesem Zusammenhang sind Wutausbrüche und Gebärden nicht ausschließlich als unkontrollierte Emotionen zu deuten, sondern als Instrument, sowohl dem Gegenüber als auch Dritten eigene Macht zu demonstrieren: `Mit mir legst du dich besser nicht an!´ Wenn sich hingegen „Kleine“ in dieser Strategie versuchen, werden sie belächelt oder bestraft. Sie heißt man schlechte Verlierer und Jammerlappen. Dies kann im Einzelfall ebenso ungerecht und vorschnell hergeleitet sein wie der Vorwurf, die „Großen“ hätten wieder mal profitiert. „Wenn man verliert, dann sieht immer alles anders aus“ (Eichler).
Mario Baslers Auftritt wurde in der Öffentlichkeit nicht nur ob seines beleidigenden Tonfalls kritisch wahrgenommen, sondern als obligatorische Verschwörungstheorie des Verlierers gedeutet. Doch er war nicht der einzige, der an diesem Abend dem Schiedsrichter schlechte Leistung attestierte. Uli Hoeneß diktierte nach Ablauf der 90 Minuten (also vor der Verlängerung) einem ZDF-Reporter in gewohnter Drohmanier, was er von der Spielleitung gehalten hatte: Zwei eindeutige Feldverweise hätten dem FCK ausgesprochen werden müssen, womit er erstens eine exklusive Wahrheit vertrat und zweitens den Ellenbogencheck seitens des Bayern-Keepers Kahn großzügig übersah. Über diese Aussagen war jedoch nichts zu lesen.
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