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Ballschrank

Der erste Antistar

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Der erste Antistar

Sehr lesenswert! Holger Gertz (SZ 16.8.) über den verstorbenen Rahn. „Rahns 3:2 war das wichtigste Tor in der deutschen Fußballgeschichte, weil es in seiner Bedeutung weit hinaus reicht über die Kreidelinien, von denen so ein Fußballfeld begrenzt wird. Die elf Spieler mit ihren hageren Nachkriegsgesichtern waren echte Helden, für die Ewigkeit, nicht Helden von heute, Helden für einen Tag namens Alexander oder Daniel Küblböck. Vielleicht war dieses Spiel zu groß für die, die damals gespielt haben; ganz einfache Männer wie der gelernte Elektriker Helmut Rahn, Männer, die von einem Tag auf den anderen befördert wurden, zu Weltmeistern, Symbolen, Legenden. Fritz Walter, der Kapitän, schreibt in seinen Erinnerungen über den Morgen nach dem großen Spiel: „Und nun sitzen wir im Frühstücksraum. Eine Nacht liegt zwischen gestern und heute. Aber es gehört wohl mehr als eine Nacht dazu, sich in die neue Lage hineinzufinden.“ Nicht alle haben sich hineingefunden. Manche versuchten sich als Tankstellenbesitzer oder mit einer Lottoannahmestelle, Helmut Rahn hatte einen Autohandel, nachdem er als einer der wenigen Helden noch in der 1963 gegründeten Bundesliga gespielt hatte, im blau-weißen Trikot des Meidericher SV, das schon damals ziemlich spannte, weil er einen guten Teil seines Körpergewichts in Bauchhöhe mit sich herumtrug. Rahn hat früher die Geschichte von seinem Tor in der Kneipe erzählt, wieder und wieder. „Helmut, erzähl mich dat Tor“, baten die anderen, und dann predigte Rahn mit glasigen Augen, aber vielleicht ist man irgendwann seiner eigenen Geschichte überdrüssig, jedenfalls dann, wenn sie nur aus einer Pille besteht, die man auf die Schippe nimmt, sich vorlegt, ins Tor schießt, aus dem Hintergrund. Sein Tor mag die deutsche Geschichte verändert haben, in erster Linie hat es ihn verändert. Früher, das sagen alle, die ihn näher kannten, war er der Kumpel, ein Spaßmacher, der – nochmal Fritz Walter in seinen Erinnerungen – bei der WM’54 im Mannschaftsquartier „vom Balkon aus seine geliebte Essener Marktfrau imitiert: ‚Prima schnittfeste Tomaten heute, Leute! Kauft die prima Oma-Lutsch-Birnen.’“ Später trank er viel, kam wegen Trunkenheit am Steuer sogar ein paar Tage ins Gefängnis; Journalisten schnüffelten in seinem Privatleben und schmückten die Storys von seiner Trinkfreude aus; Trainer wie Rudi Gutendorf erzählten kaum glaubhafte Schnurren. Dass er vor einem Spitzenspiel locker einen halben Kasten Bier vernichtet habe, auf dem Platz aber bester Mann gewesen sei. Fußball ist so ein Machogeschäft, der Alkohol wird nicht als Ausdruck eines Lebensproblems verstanden, sondern ist Teil des Bildes von einem echten Kerl, der voll im Leben steht. Wie es wirklich war, hat er nicht mitgeteilt. Gegen ein Image, das einem angeklebt wird, hilft der härteste Schuss nicht. Sie nannten ihn „Boss“, und so konsequent wie ein Boss ist, auf dem Feld, wenn er den Ball ins Tor treibt, so konsequent war er später, als es darum ging, sich von der Welt abzuschotten. Helmut Rahn, einer der ersten Fußballstars der Bundesrepublik, war auch so was wie der erste Antistar. Was aus dem Spiel damals geworden wäre, ohne ihn? Er hat nicht nur das 3:2 geschossen, auch vorher das 2:2. Es hätte kein Wunder von Bern gegeben ohne ihn, er ist nicht einfach ein Teil der Legende, er ist deren Herzkammer. Es ist ein bisschen wie bei Gerd Müller, dem großen Stürmer der Siebziger, auch ein zunehmend stiller Mensch, der zwischendurch zu viel getrunken hat und neben der Lichtgestalt Beckenbauer inzwischen zur Randfigur geworden ist. Immerhin hat Franz Beckenbauer über Müller einmal das einzig Wahre gesagt: „Ohne ihn würden wir alle immer noch in unserem alten Holzhäusl sitzen.““

Ein weiterer Nachruf auf Rahn und Emmerich von Christian Thomas (FR 15.8.). „Wenn in der weiten Welt des Fußballs, die man sich nicht großzügig genug vorstellen kann, einer Religion Vertrauen geschenkt wird, dann dem Aberglauben. Denn nicht nur zaghaft blüht er im Gemüt der Fans, der Liebhaber und Verrückten, vielmehr amtiert er unbezwingbar. An ihm kommt keiner vorbei – und gestern erst recht nicht. Denn gestern starben mit Helmut Rahn und Lothar Emmerich gleich zwei Helden aus den Kindertagen des Fußballs. Zwei noch echte Kohlenpottkinder, zu ihrer Zeit zwei Könige in ihrem Reich, auf der Außenbahn (…) Zwei Stürmer. Bei beiden durfte der Fußballbetrachter zu einem romantischen (und nicht klassischen) Liebhaber des Fußballs werden. Denn mit Rahn und Emmerich fand das Experiment Eingang in die Arena. Sie mochte sogar ein Hexenkessel sein – und doch gab es in der großen Zeit der beiden Augenblicke, in denen der Boss oder Emma ihren Kapricen nachgingen, zum Segen ihrer jeweiligen Anhänger, den Ruhm ihrer Mannschaften mehrend, auch wenn sie sich dabei bewusst abseits der ausgetretenen Bahnen der Systemtheorien ihrer jeweiligen Trainer wussten, obwohl doch die Außenlinie staubte. Zwei Außen. Zwei vollkommen unterschiedliche Typen. Rahn, der Einzelgänger auf dem Feld. Seine Genialität war von einem starren Beharrungswillen geprägt, der die Individualität über alles stellte. Rahn war die Spielernatur, die sich nur dann, wenn sie dazu eine Neigung verspürte, ins Spielsystem zwängen ließ. Emma dagegen brauchte den Nebenmann. König der Torschützen wurde er an der Seite von Siggi Held, und nur im Kollektiv mit ihm gelangen ihm seine Heldentaten – vor allem der Europapokaltriumph 1966 mit Borussia Dortmund. Die englische Presse nannte beide die terrible twins, als die turmhohen Favoriten, West Ham und Liverpool, den Kürzeren gezogen hatten. Dass beide, Emmerich nach seiner Zeit bei Borussia Dortmund, und Rahn bereits als Profi beim Meidericher SV, auch den Abstieg kennen gelernt haben, der eine nicht nur den sportlichen, sondern auch den existentiellen, scheint noch einmal die Bestätigung für solche Fußballerbiographien, die im Umfeld von Zeche und Hochofen ihren Karriereanfang nahmen. Dem von schierer Maloche beschädigten Leben war eine Lust am Spielen abgetrotzt, und so groß das Talent auch war, so zäh schien doch ein Milieu an den Fersen gerade derjenigen zu kleben, die sich davon frei machen wollten (…) Sie waren, da mache man sich nichts vor, Straßenfußballer. Also von Kindesbeinen an kompromisslose Wesen, für die, ob nun im engen Hinterhof oder vor einem grauen Garagentor, jede Unterbrechung ihres unbändigen Spieltriebs die Störung einer kleinen Ewigkeit bedeutete. Und schon deshalb, Aberglaube hin oder her, sind wir sicher, dass beide, Emma und der Boss, der eine mit 62 Jahren, der andere mit 73 Jahren, gestern in die ewigen Jagdgründe der Außenstürmer eingegangen sind. Dort gibt es nichts als herrliche Spielwiesen, ganz bestimmt.“

Auszüge aus einem SZ-Interview mit Sönke Wortmann (Regisseur der „Helden von Bern“)

SZ: Herr Wortmann, könnten Sie Schillers „Glocke“ genau so flüssig rezitieren wie die Passage aus Herbert Zimmermanns Radio-Reportage von Helmut Rahns 3:2 gegen Ungarn? SW: Von der „Glocke“ würde ich nicht einmal mehr zwei Zeilen zusammenkriegen. „Die Glocke“ habe ich auch nicht verfilmt, Zimmermann hingegen habe ich hunderte Male gehört, vor dem Film dutzende Male, und jetzt, durch Schnitt und Mischung, immer hin und zurück, kann ich das fast auswendig.

SZ: Die Engländer haben in einer Studie behauptet, dass bei den Deutschen Schiller, Goethe und die Rahn-Reportage fast auf einer Stufe stehen.

SW: Das wundert mich nicht. Fußball ist Massenunterhaltung, es ist ja auch leichter zugänglich als Goethe, und das Ereignis war wirklich prägend: Die Leute, die es im Radio oder im Fernsehen erlebt haben, wurden davon so umgehauen wie später nur noch vom Kennedy-Mord. Jeder weiß, wo er damals war. Ich weiß, wo ich war, als Schalke vor zwei Jahren doch nicht Meister wurde, aber das ist nicht zu vergleichen.

SZ: Wann sind Sie selbst der Reportage und damit Rahn erstmals begegnet?

SW: Als ich sieben oder acht Jahre alt war, aber da habe ich die Bedeutung nicht verstanden. Die sozialpolitische Wichtigkeit habe ich erst mit 17, 18 überrissen, in meiner linksradikalen Zeit – und da fand ich es natürlich Scheiße. Nicht den sportlichen Erfolg, sondern den ganzen Taumel danach.

SZ: Sie haben Ende der Siebziger Ihr Geld als Fußballer verdient. Haben Sie von einem Leben wie dem Rahns geträumt, oder wussten Sie, dass Sie da nie hinkommen würden?

SW: Das war mir bald klar. Deshalb habe ich auch ziemlich früh mit dem Fußball aufgehört.

SZ: Aber Sie haben das entscheidende Tor zum Zweitliga-Aufstieg der SpVgg Erkenschwick erzielt.

SW: Das war aber auch mein einziges Tor in der gesamten Saison. Das war eines meiner schönsten Erlebnisse, immerhin vor 8000 Zuschauern: Eben war der Ball noch am Fuß, dann ist er im Netz. Unmöglich, das sofort zu kapieren.

SZ: Die Legende sagt auch, dass Rahn erst viel später, beim Anhören von Herbert Zimmermanns Reportage, klar wurde, was er da vollbracht hatte.

SW: Er soll vor Rührung geheult haben. Das ist es ja: Wenn mir das schon so einen Kick gegeben hat in der Amateur-Oberliga, wie muss es dann sein, wenn man Weltmeister wird? Die Fußballer, mit denen ich wegen des Films geredet habe, haben bestätigt, dass sie das alles nicht direkt begriffen haben. Rudi Völler hat gesagt: „Deutsche Meister werden jährlich neu gekürt – aber Weltmeister bleibt man sein Leben lang. Und dementsprechend wurden Fritz Walter und Helmut Rahn auch behandelt.

SZ: Rahn wirkt im Film wie die sympathischere Variante von Mario Basler.

SW: Das ist ein Kompliment für Basler, auch wenn ich den ganz gut leiden kann. Ich hatte ja zweimal das Vergnügen, gegen Basler in Wohltätigkeitsspielen antreten zu dürfen – und in der Halbzeitpause rauchte der erst mal eine. Rahn und er waren sicher wesensverwandt: Typ schlampiges Genie.

An solchen Tagen ist das Ruhrgebiet wie zu Emmas großen Tagen: sehr, sehr sentimental. Und von großer Wucht

Einblicke in ein Dortmunder Seelenleben von Freddie Röckenhaus (SZ 16.8.). „Flutlichtspiel in London, viel zu spät abends. Kleine Jungs wie wir standen damals auf dem heimischen Sofa, mit roten Wangen, und starrten in den Schwarzweiß-Fernseher. Europacup-Halbfinale 1966, noch zwei Minuten zu spielen, 1:0 für den Favoriten (und Titelverteidiger) West Ham. Und dann kam Emma, so wie wir ihn kannten. Oder kennen wollten. 88. Minute: Vorlage Held, Torschütze Emmerich. 90.Minute: Vorlage Held, Torschütze Emmerich. 2:1 für den BVB. Seitdem gab es keine anderen Helden mehr. Held und Emmerich, für die Presse in England waren sie nur noch „the terrible twins“, die schrecklichen Zwillinge. Und Emmerich war zu der Zeit so überlebensgroß für kleine Fußballer in Dortmund, dass man sich beim Kick auf der alten Bunkerwiese nicht mal mehr traute zu sagen: „Ich bin jetzt Emma!“ Ebenso gut hätte einer sagen können: „Ich bin der liebe Gott.“ Wir konnten damals nicht wissen, dass der Bergmannssohn Emmerich immer auf dem Boden geblieben ist (…) Emmerich wurde zweimal Torschützenkönig, und er kanonierte weiter. Er traf 135 Mal in 183 Spielen für die Borussia. Eine Trefferquote, die nie wieder ein Stürmer in Dortmund schaffte. Doch während die berühmte Generation des damals neuen Rivalen FC Bayern, Beckenbauer, Müller oder Maier, den unaufhaltsamen Aufstieg der Münchner begründete, zerfiel das Dortmunder Team. Der amateurhafte Vorstand des BVB schaffte den Kurswechsel ins aufkommende Profitum nicht. Selbst Stars wie Emmerich und Held ließ man gehen. Emma tingelte noch zwölf Jahre in Belgien, Österreich, später in der 2. und 3. und 4. Liga, bei Klubs wie Eintracht Bad Kreuznach oder Schweinfurt 05 – bis 1981. Das hat ihm im Vergleich zu heute nicht das große Geld eingebracht – aber „man muss nehmen, was man kriegen kann“, hat sich Emma gesagt. Die Doppelhochzeit von Sigi und Emma (die zwei Freundinnen aus Helds Geburtsort Marktheidenfeld heirateten) wurde deshalb als erste „Promi-Trauung“ exklusiv an eine Illustrierte verkauft. Dortmunds größtes Idol war stets einer, den jeder mochte. Er hat nach seinen Wanderjahren eifrig für die Traditionsmannschaft des BVB gekickt. Aber ein wenig hängt doch die Aura des Vergeblichen, des Unvollendeten über Emmerichs Laufbahn. Außer einem Pokalsieg und dem Europacup-Triumph von 1966 hat Emmerich nie große Titel gewonnen. Seine Ära war die des Übergangs vom Halbprofi zum Big Business. Zu jener Zeit war Dortmund noch grau vom Kohlenstaub – und einer, der von hier kam, musste ein Verlierer bleiben. Emma und seine Kameraden haben dennoch den Mythos BVB erst geschaffen, den die heutige Generation als „Marke BVB“ nutzen kann. Ohne Typen wie Emmerich wäre Borussia heute möglicherweise ein Klub wie viele andere. An diesem Samstag werden deshalb viel mehr Tränen als Schweiß fließen. An solchen Tagen ist das Ruhrgebiet wie zu Emmas großen Tagen: sehr, sehr sentimental. Und von großer Wucht.“

(15.8.)

Die traurigen Ereignisse des gestrigen Tages veranlassen die Chronisten dazu, den Ball ruhen lassen: Die Nationalspieler Helmut Rahn und Lothar Emmerich verstarben nach langem Leiden. Die FAZ verneigt sich vor zwei Charakteren: „Die beiden, der eine eine deutsche Fußball-Ikone, der andere ein Fußball-Idol im Revier, verkörperten glaubwürdig und volksnah die heutzutage rare Spezies des mit sich und seinen Möglichkeiten im reinen gebliebenen Athleten.“ Auch alle anderen Zeitungen würdigen Rahn und Emmerich mit Nachrufen. Die FR begrüßt den Weltmeister Rahn in den Göttertempel: „Sein Name und seine Tore am 4. Juli 1954 stehen als Monolith in der Erinnerung der Deutschen. Er bleibt eine Ikone.“ Die taz erklärt die Bedeutung von Rahns Berner Siegtor hemdsärmelig: „Es war der dritte Treffer, welcher ihm Freibier bis ans Ende seiner Tage und wohl auch künftig im Fußballerhimmel garantierte.“ Die FR bedankt sich bei Emmerich: „Es gibt den Rittberger, den Kempa-Trick und den Gienger-Salto. Und es gibt so etwas wie das Emmerich-Tor, den Kunstschuss entlang der Linie und der Grenze der physikalischen Gesetze.“

Beide sind vor allem berühmt geworden durch ein Tor

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 15.8.) resümiert einen schwarzen Tag des deutschen Fußballs. „An ein und demselben Tag schafft der Tod Fakten. Die Fußballwelt nimmt Abschied von Helmut Rahn und Lothar Emmerich. In der Erinnerung sind den beiden Kindern des Ruhrpotts längst Denkmäler gesetzt. Rahn wie Emmerich waren Stürmer, beide sind vor allem berühmt geworden durch ein Tor, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Der Boß und Emma wurden nie zu Lichtgestalten des Fußballs, weil sie Fußball gearbeitet und nicht zelebriert haben. Zwei Typen, Rahn mehr noch als Emmerich, die als unangepaßt galten. Wenn es damals schon das Wort von der Ich-AG gegeben hätte, es wäre auf Helmut Rahn gemünzt worden. Der Gegenentwurf zum feinsinnigen, sensiblen Fritz Walter. Der Spielführer der WM von 1954 hat versucht, mäßigend auf den Boß einzuwirken, der Chef Sepp Herberger hat ihn zu disziplinieren verstanden, ohne das in Rahn lodernde Feuer zu ersticken. Im Herbst kommt Das Wunder von Bern, der Spielfilm des Regisseurs Sönke Wortmann über den deutschen WM-Triumph, in die Kinos. Die Premiere ist für den 16. Oktober nicht zufällig in Essen angesetzt. Der Ort war gedacht als Hommage an den Essener Helmut Rahn, um den sich die Rahmenhandlung über die kleinen Freuden und Rebellionen im Nachkriegs-Deutschland rankt. Da werden ein Typ und eine Zeit lebendig, die via Film nicht zuletzt auch eine Generation ansprechen, die heute so alt ist wie Helmut Rahn und seine Fangemeinde damals. Nach der Vorpremiere am Mittwoch in einem Frankfurter Lichtspielhaus haben Wortmann und Teamchef Rudi Völler noch darüber nachgedacht, wie Rahn am 16. Oktober aus seiner Stube zu locken sei. Schon am Donnerstag sind alle von der Realität eingeholt worden.“

Helden ihrer Zeit und gleichzeitig Opfer ihrer Heldentaten

Martin Hägele (NZZ 15.8.) vergleicht. „Mit den zwölf Jahren Altersunterschied verkörperten die zwei Figuren zwei unterschiedliche Generationen. Helmut Rahn hatte mit dem Siegestor im WM-Final 1954 in Bern einer ganzen Nation verlorenen Stolz zurückgegeben. Über die Folgen dieses Treffers am 4.Juli 1954 kurz nach halb sechs im Wankdorfstadion von Bern sind Bücher geschrieben worden und unendlich viele Essays, und immer enden sie mit der These, dass jener Schuss, den Rahn mit seinem „linken Schluffen“ – so nannte er seinen linken Fuss – in die linke untere Torecke des ungarischen Tores placiert hat, die Menschen neun Jahre nach dem Weltkrieg aus ihrer inneren Kriegsgefangenschaft befreite. Die Deutschen waren nicht mehr die Parias der Völkerfamilie. Sie waren Fussball-Weltmeister, und alle sagten von sich: „Wir sind wieder wer.“ In Lothar Emmerichs Geschichte lassen sich keine gesellschaftspolitischen Auswirkungen hineininterpretieren. Und im Gegensatz zu Rahn kamen die Tore von „Emma“ aus dem Fernseher. Auch „Emmas“ Schussbein besass einen Namen. Es hiess „linke Klebe“ und bewirkte, dass in der Saison 1965/66 zum ersten Mal eine Bundesliga- Mannschaft einen Europacup gewann. Im Sog dieses Erfolgs spielte sich die deutsche Nationalmannschaft zwei Monate später ins WM-Endspiel. Es gibt genügend Experten und Mitspieler, die behaupten, Deutschland hätte diesen Titel gewonnen, wenn der Bundestrainer an diesem Tag Emmerich nicht aufgestellt hätte. Doch Helmut Schön war kein Gegner für die „Bild-Zeitung“, die den Torjäger von Borussia Dortmund in Form eines Volksbegehrens in die Nationalelf gepusht hatte. Tatsache ist aber auch, dass Beckenbauer, Haller, Overath und Co. kaum bis London gekommen wären ohne den verrückten Kerl auf der linken Aussenbahn. Ohne „Emmas“ Tor gegen Spanien, als der Ball fast von der linken Cornerfahne ins rechte Tordreieck flog. Rahn und Emmerich waren Helden ihrer Zeit und gleichzeitig Opfer ihrer Heldentaten. Jahrelang hat sich „der Boss“ jeden Abend in den Kneipen feiern lassen und zu jeder Menge Pils die Geschichte von Bern erzählt. Und „Emma“ musste, wo immer er sass, zum tausendsten Mal schildern, wie er damals in Sheffield (es war in Birmingham, of) den „Hammer“ ausgepackt hat für diesen Moment des Wahnsinns und das spektakulärste Tor der WM- Geschichte. Und wie er zuvor Siegfried Held beim Einwurf zugerufen hatte: „Gib mich die Kirsche“. Irgendwie glaubte Emmerich, dass er in diesem Spiel immer die Gesetze ausser Kraft setzen könne.“

Unsterbliches Tor, unsterbliche Prosa

Im Feuilleton der FAZ (15.8.) lesen wir. „In seinem zweitberühmtesten Gedicht – das berühmteste heißt ottos mops – hatte der vor drei Jahren verstorbene Ernst Jandl die Meinung, man könne lechts und rinks nicht velwechsern, als einen großen illtum bezeichnet. Jandls zweitberühmtestes Gedicht heißt lichtung – es bezieht seine sprachliche Unwiderstehlichkeit und seine kritische Scharfsicht aus der ganz simplen, deshalb hochartistischen Vertauschung der Buchstaben r und l. Die Gültigkeit von Jandls lichtungs-Versen ist so universal wie der zweite Satz eines jeden Asterix-Heftes: Ganz Gallien ist besetzt. Aber wie es bei Asterix ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf gibt, das die Ausnahme von der allgemeingültigen Regel bildet, so kennt der deutsche Fußball zwei legendäre Gestalten, bei denen es trotz sehr vieler sonstiger Parallelen ganz unmöglich ist, rechts und links zu verwechseln: Helmut (R)ahn und (L)othar Emmerich (…) Der Ball fällt mich vor die Füße, jenau auf‘m Rechten . . . Ich . . . zieh dann die Kirsche schnell von‘n rechten auf‘n linken Fuß . . . Ich zieh‘ ab mit dem linken Fuß, und dat jibt so‘n richtig jefährlichen Aufsetzer. Und wat dann passiert is‘, dat wißt ihr ja. Unsterbliches Tor, unsterbliche Prosa. Philologisch betrachtet, ist sie auch das Vorbild für jenen Spruch, der Emma wie kein anderer charakterisiert: Siggi, gib‘ mich die Kirsche! lautet er, den er wahlweise immer auch mit dem Namen eines anderen Edelgewächses adelte: Ich hab‘ nie lange gefackelt, die Kartoffel immer sofort auf die Bude geballert. Ob Kirsche, ob Kartoffel – die Kugel war jedenfalls im Netz. Gewiß, das 3:2, das der Boß in der 84. Minute im Wankdorfstadion erzielte, war weltbewegender, weil es das Wunder von Bern ermöglichte. Aber auch Emmas 1:1 von 1966 erfüllt das Kriterium, das Stefan Zweig schon 1927 für die Sternstunden der Menschheit reklamierte: Was ansonsten gemächlich und nebeneinander abläuft, komprimiert sich in einen einzigen Augenblick, der alles bestimmt und alles entscheidet. Die Unverwechselbaren sind und bleiben auch darin vereint.

Fußball ist Märchenstoff. Manchmal siegt sogar das Gute

Der Tagesspiegel druckt einen Abschnitt aus Jürgen Leinemanns Buch „Sepp Herberger – Ein Leben, eine Legende. „„Herberger hatte mit Berni Klodt von Schalke 04 und Helmut Rahn von Rot-Weiß Essen zwei gute Rechtsaußen im Aufgebot, und er entschied sich im ersten WM-Spiel gegen die Türkei für Klodt. Für den dynamischen und eigenwilligen Helmut Rahn war das eine Demütigung gewesen, die er gerade dadurch bestätigt fand, dass er im nächsten Spiel dabei war – denn das war die Schonelf, die 3:8 gegen Ungarn verlor. Nach diesem Spiel war er restlos sauer. Er habe einen Tapetenwechsel gebraucht, erzählte er seinem späteren Mannschaftskollegen Willi Schulz, sei aus dem Trainingslager geschlichen und habe in einer Bar seinen Kummer heruntergespült. Als es draußen hell wurde, machte er sich mit gemischten Gefühlen auf den Rückweg. Sein Zimmerkumpel Fritz Walter lag wach im Bett und löste Kreuzworträtsel. Rahn: „Ich fühlte, dass Seppl Herberger längst über meinen Ausflug informiert war, und begann, meine Koffer zu packen. Für mich war klar: Der Chef schickt mich sofort nach Hause.“ Und dann kam Herberger, der in der Tat Bescheid wusste, aber partout nichts merken wollte. Er sagte nur: „Junge, bitte fertig machen zum Training.“ Kein Wort über Rahns Alkoholfahne oder über den nächtlichen Spaziergang. Der sonst so sittenstrenge Bundestrainer hatte eine stille Vorliebe für den lustvollen Menschen aus dem Pott, der ihn offenbar an jenen eigenwilligen jungen Spieler erinnerte, der er selbst einmal gewesen war. Noch wusste Rahn nicht, dass Herberger plante, ihn im Spiel gegen Jugoslawien aufzustellen (…) Natürlich setzte Herberger Rahn dann ein. Als es lange, allzu lange, beim 1:0 blieb gegen Jugoslawien und der deutsche Sieg auf Messers Schneide stand, ging der Trainer an die Linie, um den Boss an sein Versprechen zu erinnern, dem jugoslawischen Torwart Beara „ein Ding“ in die Maschen zu hauen. Herberger rief ihm zu: „Helmut, wo bleibt denn das versprochene Tor?“ Und Rahn zog los und antwortete mit einem „Kapitalschuss“, den Herberger nur als „schwarzen Strich“ wahrnahm – „und hinten hat das Netz gezappelt“. Fußball ist Märchenstoff. Manchmal siegt sogar das Gute.“

Erik Eggers (FR 15.8.). „Wie oft wohl geschieht es im Leben eines Menschen, dass man sich selbst zu Tränen rührt? Dass man der eigenen Leistung wegen um Fassung ringt? Eine solch seltsam intime Begegnung erlebte Helmut Rahn. Ein paar Tage erst waren vergangen nach dem glorreichen Wunder von Bern, und die Mannschaft um Kapitän Fritz Walter hatte just eine triumphale Rückkehr nach Deutschland hinter sich, da saß der Rechtsaußen der Weltmeister-Elf bei Bekannten in München. Dort hörte er zum ersten Mal jene Aufnahme, die sich bei jedem, der sie mitverfolgte, tief in das Gedächtnis einbrannte und die Rahn in einem Moment zum Mythos machte: Die Tonbandaufnahme des dramatischen Endspiels, die Schilderung des alles entscheidenden Tors. Während die Stimme des Rundfunkreporters sich vor Begeisterung beinahe überschlug, hat der Ghostwriter in Rahns Autobiografie diesen kuriosen Zustand versucht zu beschreiben, saß ich still in meinem Sessel. Langsam kullerten mir Tränen die Backen herunter. Ich schämte mich nicht. So war das also gewesen! So dramatisch! So großartig! So überwältigend! Und ich hatte dabei sein dürfen! Als wenn er nur Randfigur gewesen wäre! Er, der doch in dem bedeutendsten Spiel deutscher Fußballgeschichte die Hauptrolle übernommen hatte (…) Wie oft mag er sich deswegen an den letzten Morgen in der Schweiz zurückgesehnt haben? Damals stand er, nach durchfeierter Nacht, auf dem Balkon seines Zimmers, und wie so oft parodierte er mit voller Lautstärke seine Lieblingsfigur, eine deftige Marktschreierin aus Essen. Fritz Walter hatte vor Lachen Tränen in den Augen. Diese unbeschwerten Zeiten aber kamen nie wieder. In den letzten Jahren hatte er sich rar gemacht. Doch jeder, der damals am Radio oder an den schwarz-weißen TV-Geräten das Finale verfolgt hatte, behielt den Schützen des entscheidenden Tors von Bern in Erinnerung. Sein Name und seine Tore am 4. Juli 1954 stehen als Monolith in der Erinnerung der Deutschen. Er bleibt eine Ikone.“

Meister der positiven Improvisation

Matti Lieske (taz 15.8.) deutet deutsche Fußball-Geschichte um. „Als klügster Winkelzug Sepp Herbergers bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 gilt gemeinhin die Entsendung eines Reserveteams zum Vorrundenspiel gegen Ungarn, das prompt mit 3:8 verloren ging. Damit sei das Wunderteam der Magyaren in Sicherheit gewiegt worden, so dass die Deutschen im Endspiel von Bern dann ihren sensationellen 3:2-Sieg aus dem Hut zaubern konnten. Eine hübsche Legende, aber kompletter Unsinn. In Wahrheit war es Herbergers genialster Geistesblitz, den unerschütterlich optimistischen Helmut Rahn seinem grüblerischen Kapitän Fritz Walter als Zimmergenossen zuzugesellen. Schon dass der Chef den Boss, wie Rahn allenthalben genannt wurde, überhaupt mitnahm in die Schweiz, darf als psychotherapeutische Glanzleistung betrachtet werden. Schließlich musste Herberger mit der Nominierung des trinkfreudigen und lebenslustigen Stürmers aus Essen einen gewaltigen Sprung über seinen Schatten vollführen. Nur kurz zuvor hatte der disziplinversessene Bundestrainer, seit 1936 für die Geschicke der Nationalmannschaft zuständig, einen Konkurrenten Rahns um die Rechtsaußenposition aus dem Kader verbannt, weil der es gewagt hatte, beim gemeinsamen Mittagessen ein Bier zu bestellen. Die Entscheidung, ausgerechnet Helmut Rahn, der nie einen Hehl aus seiner Zuneigung zum Gerstensaft machte, in die Schweiz mitzunehmen, zeigt, dass Herberger klug genug war, eines noch mehr zu schätzen als Disziplin: Gewinnen. Ohne Rahn wäre der viel gerühmte Geist von Spiez ein sehr trauriger gewesen. Der fidele Stürmer jedoch möbelte nicht nur den zu Melancholie und Selbstzweifeln neigenden Fritz Walter nachhaltig auf, sondern hob die Stimmung der im Quartier am Thuner See kasernierten Mannschaft mit seinen nicht immer von gehobenem Niveau geprägten, aber befreienden Späßen. Mal ließ er einen Schwarm dicker Motten im Zimmer schlummerwilliger Kollegen frei, mal sorgte er mit seiner Marktschreier-Parodie für Erheiterung. Auf der Fahrt zum Finale empfahl er Fritz Walter, bei Gewinn der Seitenwahl dafür zu sorgen, dass man mit der Sonne im Rücken spiele. Es nieselte seit Stunden, alles lachte, die Verkrampfung, vor allem beim Kapitän, war gelöst. Dass Rahn dann auch noch die entscheidenden Tore schoss, war eine willkommene Zugabe, mit der Herberger so nicht gerechnet hatte. Helmut Rahn musste sich seinen Platz im WM-Team nämlich erst mühsam erspielen. In der Vorrunde kam er nur beim ominösen Debakel gegen Ungarn zum Zug, beim folgenden wichtigen Spiel gegen die Türkei saß er wieder draußen. Dann merkte jedoch Herberger, dass dem Spiel seines Teams etwas fehlte, was nur der Boss liefern konnte: jene Unberechenbarkeit, die Rahn als Meister der positiven Improvisation (Herberger) nicht nur privat, sondern auch auf dem Platz an den Tag legte. Mit einem Tor gegen Jugoslawien führte sich der schussgewaltige Außen ein, beim 6:1 im Halbfinale gegen Österreich hielt er sich vornehm zurück, im Finale war er dann an allen drei Treffern beteiligt. Seine scharfe Eingabe führte zum ersten Treffer durch Morlock, das 2:2 schoss er mit fulminantem Rechtsschuss, aber es war der dritte Treffer, welcher ihm Freibier bis ans Ende seiner Tage und wohl auch künftig im Fußballerhimmel garantierte.“

Christian Eichler (FAZ 15.8.). „Als vorweggenommene Souveränität der Bundesrepublik deutete 1985 die Bundeszentrale für politische Bildung den Sieg von 1954. Die Fußballer sahen das simpler. Als Kapitän Fritz Walter mit dem Weltpokal ankam, fragte er seine Mannschaft: Alles klar? Sie antwortete: Alles klar, Fritz. Und dann stimmte einer an, nach Rahns beliebter Imitation einer Essener Marktfrau: Leute, kauft goldgelbe Bananen, billig, beste Qualität. Mit Helmut Rahn endet auch die Zeit, in der Fußball noch so frisch und einfach sein konnte.“

Stimmen zu Rahns Tod FR

Ein Nachruf auf Lothar Emmerich von Stefan Hermanns (Tsp 15.8.). „Es gibt zwei Bilder von Lothar Emmerich, die einem sofort in den Sinn kommen. Das erste zeigt ihn wild jubelnd. Beide Arme hat er hoch gerissen, und es scheint, als laufe Emmerich demonstrativ auf den Fotografen zu. Es ist der 24. August 1963, der erste Spieltag der neu gegründeten Fußball-Bundesliga, die erste Minute des Spiels Bremen gegen Dortmund. Emmerich hat den Ball in die Mitte gepasst, Timo Konietzka aus sieben Metern das erste Tor der Bundesligageschichte erzielt. Es gibt kein Bild von diesem Tor, nur vom Moment danach: vom jubelnden Emmerich. Auf dem zweiten Bild ist der Linksaußen eine Randfigur – und doch mittendrin. Es ist das Viertelfinale der WM 1966 in England, die 39. Minute im Villa-Park von Birmingham. Die Deutschen liegen 0:1 gegen Spanien zurück. Emmerich steht fast an der Torauslinie. Von dort hat er mit dem linken Fuß aufs spanische Tor geschossen. Torhüter Jose Angel Iribar fliegt waagerecht durch die Luft, aber der Ball landet genau unter der Latte, Deutschland gewinnt 2:1. „Ein Jahrhunderttor“ hat man den Treffer genannt, eins, wie es später auch Marco van Basten im EM-Finale 1988 erzielt hat. Lothar Emmerich hat in seiner Karriere nur fünf Länderspiele bestritten. Ein großer Fußballer ist er trotzdem gewesen.“

Reinhard Sogl (FR 15.8.). „Es gibt den Rittberger, den Kempa-Trick und den Gienger-Salto. Und es gibt so etwas wie das Emmerich-Tor, den Kunstschuss entlang der Linie und der Grenze der physikalischen Gesetze. 20. Juli 1966, Birmingham, Deutschland – Spanien, 39. Minute: Lothar Emmerich, für dessen ersten WM-Einsatz sich der spätere 2:1-Siegtorschütze Uwe Seeler stark gemacht hatte, erhält den Ball nach Einwurf seines kongenialen Dortmunder Sturmpartners Siegfried Held, fackelt nicht lange und drischt das Leder (ja, damals gab’s das noch) praktisch von der Auslinie an Spaniens Torhüter Iribar vorbei ins Dreieck. Es war der Treffer des Turniers, trotz oder gerade wegen des viel diskutierten Wembley-Tors (das 3:2 durch Geoff Hurst für die Engländer im Finale gegen Deutschland), das ja gar keins war (musste noch mal gesagt werden). Es irrt, wer glaubt, Lothar Emmerich habe nur draufgehalten. Ich kriegte die Kugel etwa zwei Meter von der Außenlinie auf den linken Schlappen. Dann habe ich abgezogen und den Ball über den linken Spann abrutschen lassen, erinnerte sich der Mann, den Bundeskanzler Schröder vor Jahresfrist im Berliner Tagesspiegel als seinen ganz persönlichen WM-Helden bezeichnet hatte, weil der einen jener unvergesslichen Momente geschaffen habe, für die wir den Fußball so lieben. Schröder sah die Tugenden Leidenschaft, Spielfreude und das Toreschießen verkörpert von dem nur fünfmaligen Nationalspieler, der sein linkes Ding von Birmingham als Leistung von Kopf und Bauch interpretierte: Ich habe nicht einfach draufgeknallt, sondern instinktiv die Lage gepeilt und den richtigen Winkel gewählt.“

Jederzeit ein Mann von der Basis dieses von den Massen geliebten Sports

Roland Zorn (FAZ 15.8.). „Die beiden, der eine eine deutsche Fußball-Ikone, der andere ein Fußball-Idol im Revier, verkörperten glaubwürdig und volksnah die heutzutage rare Spezies des mit sich und seinen Möglichkeiten im reinen gebliebenen Athleten. Mag sich der Hallodri Rahn auch ein paar alkoholische Eskapaden während seiner Laufbahn geleistet haben, so blieb der eigenwillige, nicht immer mannschaftsdienlich handelnde Außenstürmer doch jederzeit ein Mann von der Basis dieses von den Massen geliebten Sports. Rahn spielte vierzigmal für Deutschland, schoß dabei 21 Tore – vier während der WM 1954, sechs bei der WM 1958 in Schweden –, verhalf seinem Heimatverein Rot-Weiß Essen 1955 zur deutschen Meisterschaft und trug mit acht Treffern seinen Teil zum zweiten Platz des Meidericher SV im Gründerjahr der nun vierzig Jahre alten Bundesliga bei. Rahn gebührte zudem die zweifelhafte Ehre, als erster Bundesliga-Vertragsspieler am vierten Spieltag der Saison 1963/64 nach einem groben Foul vom Platz gestellt worden zu sein. Eigentlich aber war der Boß ein liebenswertes Enfant terrible, einer, der nicht viel Aufhebens von sich machte. Dabei war oft genug er es, der seinen ungleich sensibleren Zimmergenossen in der Nationalmannschaft, Fritz Walter, immer wieder aufmunterte. Walters Geniestreiche bereitete Rahn so manches Mal mit seiner unkomplizierten Haltung – wo ist das Problem? – vor. Auch deshalb hatte Herberger einen Narren an dem Essener Solisten gefressen.“

Zwei Mal im Ballschrank gekramt: zum Tode Fritz Walters (17.6.2002)

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