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Der Vergleich zwischen der DFL und dem FC Bayern und die Debatte um die DFL-Pressemitteilung

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Der Vergleich zwischen der DFL und dem FC Bayern und die Debatte um die DFL-Pressemitteilung

„Was für ein herrlicher Friedensschluss“, kommentiert die SZ ironisch die Auseinandersetzungen zwischen den Verantwortlichen des FC Bayern München und der Deutschen Fußball Liga (DFL), nach dem sich diese auf einen auf Einklang abgestimmten Vergleich geeinigt hatten, um die Akte „Kirch/Bayern“ zu erledigen. Die Presseerklärung der DFL, worin namentlich Bayern-Manager Uli Hoeneß „moralische Verwerflichkeit“ vorgeworfen wird, werten die Beobachter aus Funk, Fernsehen und Print unisono als Nachtreten sowie als kleingeistige Strategie, eigene Machtlosigkeit zu kaschieren: die Rache des Kanalarbeiters sozusagen. In der Tat mangelt es der Vorgehensweise des „angeschlagenen Spargeltarzan DFL“ (FR) an jeglicher Souveränität. Zudem wirken die Worte hölzern belehrend und in der wissentlichen Vermutung gewählt, dass den Gutmenschen Uli Hoeneß – nach eigenen (!) Angaben einer der sozialsten Menschen, die er selbst kenne – nichts so sehr trifft wie der Vorwurf, die Solidarregeln des Gebens und Nehmens zu Gunsten von Eigeninteressen verletzt zu haben.

Heftig reagieren die verständlicherweise verärgerten Münchner, wobei der Wutanfall von Hoeneß noch aussteht und minütlich zu erwarten ist. „Von führenden Fußballrepräsentanten darf man mehr Selbstkontrolle und Verstand erwarten als vom enttäuschten Fußballfan auf der Tribüne“, kommentiert die FAZ die rhetorischen Klimmzüge des „Außenministers“ Rummenigge, der bayerischen Rückzug aus allen Ämtern und Verpflichtungen androhte.

Erneut sichtbar wurden in diesem Zusammenhang die asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen dem Ligaprimus und der DFL, deren Existenzberechtigung inzwischen zurecht angezweifelt wird. Denn traurigerweise haben die Ligavertreter durch ihren Stich ins Wespennest den sündigen Bayern den Weg in die Opferposition freigemacht und die Agenda abgeändert. Folglich findet derzeit keine Diskussion darüber statt, ob die vereinbarte Summe von drei Millionen Euro dem Vergehen angemessen ist. Aus der Politik ist man beispielsweise andere Strafmaße gewöhnt. Im gestrigen DSF-Stammtisch „Doppelpass“ erregten sich im Gegensatz zu den geladenen Journalisten lediglich die per Telefon zugeschalteten Fernsehzuschauer über den ursprünglichen Streitgegenstand: den millionenschweren Geheimvertrag zwischen Kirch Media und Bayern München , dessen juristische Aufarbeitung im Anschluss an diesen Theaterdonner der Öffentlichkeit für immer verwehrt bleiben wird.

Heimstatt der Oberheuler

Matti Lieske (taz 14.4.) kritisiert die Reaktionen der Münchner. “Jede Woche dieselbe Heulerei, maulte Bernd Hollerbach, der einzige Bundesligaprofi, der aufgrund eines Geheimvertrages mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) die Lizenz zum ungehemmten Einsatz seiner Ellenbogen besitzt. Er meinte im Übrigen seine Gegenspieler, die unverständlicherweise gebrochene Nasen, zertrümmerte Jochbeine und geplatzte Augenbrauen längst nicht so schätzen wie der wild gewordene Handfeger (Ex-Schalke-Coach Frank Neubarth) vom Hamburger SV (…) Vor allem trifft Hollerbachs Diagnose aber auf Bayern München zu, traditionelle Heimstatt der Oberheuler und Turbo-Handfeger. Manager Uli Hoeneß etwa zog nach dem 0:1 gegen Werder ein Gesicht, als habe ihm gerade jemand drei Millionen Euro aus dem Portemonnaie stibitzt. Es wären aber nicht die Bayern, wenn sie es nicht schaffen würden, aufsteigende Zähren unmittelbar in offene Wut zu verwandeln. Impertinent nannte Vizepräsident Rummenigge eine Presseerklärung der DFL, die den Geheimvertrag des FC Bayern mit Kirch als moralisch verwerflich bezeichnete. Schließlich komme ein Vergleich, wie ihn die Münchner mit der DFL schlossen, einer Befriedigung gleich. Dass es Rummenigge mit Befriedigung erfüllt, wenn die Bayern als Strafe für einen moralisch verwerflichen Vertrag, der ihnen 20 Millionen Euro brachte, bloß 3 Millionen zahlen müssen, leuchtet ein. Es bleiben ja 17 Millionen, die in dieser Saison zum Beispiel dafür sorgten, dass Leverkusen unten steht und Bayern oben.“

Bauerntrick

Klaus Hoeltzenbein (SZ 14.4.) kritisiert die Pressemitteilung der DFL. „Das Fax, in dem der Vergleich mit dem FC Bayern verkündet wurde, landete am Samstag kurz vor elf in den Redaktionen, etwa zu der Zeit, zu der Rostock als Segelkandidat für die Olympischen Spiele 2012 ausgewählt wurde. Im Fußball heißt so etwas Bauerntrick: darauf zu spekulieren, dass der Gegner blöd ist. Dass die Verkündung von der Fülle der Ereignisse überlagert werde, vom Olympia-Entscheid für Leipzig, vom 0:1 der Bayern gegen Bremen, einem umstrittenen Elfmeter oder üblen Foul in der Bundesliga ab 15.30 Uhr. Das Dumme an einem solchen Bauerntrick ist nur, dass er sich, wenn misslungen, in der Folge gegen den Urheber wendet. In diesem Falle dadurch, dass die DFL und die Bayern sich zwar auf eine Vergleichssumme, nicht aber auf eine einvernehmliche Erklärung einigen konnten. So sind künftige Debatten befeuert – werden die Bayern alles versuchen, ihren Manager Uli Hoeneß von dem im DFL-Fax erhobenen Vorwurf zu befreien, er habe bei Zeichnung des Geheimvertrages mit der Kirch-Mediengruppe „moralisch verwerflich“ gehandelt. Da hat die DFL billig und kräftig hinterher getreten. Bitter zudem, wenn sich die Moral gegen die Prediger wendet. Wenn diese sich fragen lassen müssen, warum sie den Vorschlag des FC Bayern ablehnten, die Vergleichssumme komplett an karitative Einrichtungen zu überweisen. Dies wäre eine Geste von hohem Wert gewesen. Stattdessen ist eine Portionierung der zynischen Art zu deuten: 500.000 Euro für notleidende Kinder im Irak, 2,5 Millionen zur Verfügung der DFL. Von diesem Geld darf angenommen werden, dass es über Umwege auf prall gefüllten Spielerkonten landet.“

Imageverlust gegenüber Wirtschaft und Industrie

“Es wäre so einfach gewesen, den Konfliktherd Geheimvertrag zu löschen“, kritisiert Peter Heß (FAZ 14.4.) alle Beteiligten. “Es war richtig, die selbstfixierten Bayern an allgemeine Verhaltensmaßregeln zu erinnern – vor der Einigung. Das Nachschlagen nach dem Kompromiß aber ist stillos, ungeschickt und schädlich. Daß die Bayern akzeptierten, nicht die ganze Summe einer karitativen Einrichtung zu spenden, sondern den Löwenanteil von 2,5 Millionen Euro an die DFL zu zahlen, kommt doch einem Schuldeingeständnis gleich – was wollte die DFL noch? Ob der Vergleich angemessen ist, entzieht sich der Beurteilung all derjenigen, die den Inhalt des Vertrages zwischen der Kirch-Gruppe und Bayern München nicht kennen. Aber wenn die DFL dieser Einigung zustimmt, dann sollte sie den Vertragspartner nachträglich nicht mehr schlecht machen (…) Die Reaktionen der meisten Bayern-Größen auf die DFL-Pressemitteilung dienen allerdings auch nicht dem deutschen Fußball. Die Führung des deutschen Vereinsfußballs gibt im Moment in Gänze ein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit ab. Sollten sich die Umgangsformen nicht normalisieren, droht ein Imageverlust gegenüber Wirtschaft und Industrie, der noch schmerzhaft werden könnte. Weniger für die Bayern als Marktführer. Aber kleinere Klubs sind auf ein positives Umfeld, auf ein professionelles Auftreten der Liga angewiesen, wenn sie in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession Sponsorengelder auftreiben wollen.“

Zusehends selbstherrlicher gerierenden Münchner

Jan Christian Müller (FR 14.4.) auch. “Die Mehrzahl der 36 Liga-Mitglieder erwartete, dass die Bayern empfindlich bestraft werden, und legte Wert darauf, dass zumindest ein Teil der vom Branchenführer heimlich vereinnahmten Millionen aus dem Hause Kirch zurückfließt. Die sich zusehends selbstherrlicher gerierenden Münchner mussten also überzeugt werden, für ihr doppelbödiges Spiel eine angemessene, für den großen Rest der Kleinen mindestens halbwegs akzeptable Summe zu bezahlen. Beiden Seiten war ja klar: Ein Rechtsstreit hätte nur Verlierer hinterlassen. Die in alle Wohnstuben gelieferte Konfrontation im Gerichtssaal – dieses Szenario galt es dringend zu vermeiden, zumal jetzt, da sich nirgends ein Sender findet, der bereit ist, für Bundesliga-Fußball in ähnlichen Dimensionen zu investieren wie Kirch in der Vergangenheit. Gleichzeitig musste der angeschlagene Spargeltarzan DFL Stärke zeigen, musste gegen den Mächtigsten im Bunde Farbe bekennen, sich für die Schwächeren einsetzen. Das Dilemma aber ist offenkundig: Die wichtigste Marke im deutschen Fußball, der FC Bayern München, wurde gezielt beschädigt, um sicherzustellen, dass viele der 35 anderen nicht künftig die Gefolgschaft verweigern. Dass das mächtigste Mitglied darüber verstimmt ist und nach der aggressiven Mitteilung der DFL zurückschlug, überrascht niemanden. Austeilen liegt ihm nunmal mehr als einstecken. Doch gilt, was zur schützenswerten Marke FCB zu sagen wäre, sinngemäß auch umgekehrt: Weiterer Flurschaden bei der DFL hilft in Wahrheit keinem. Auch nicht den empfindlichen Bayern.“

Fachlich fundiertes Urteil von Nebenerwerbs-Kolumnist Beckenbauer

Wolfgang Hettfleisch (FR 14.4.) hält die Reaktionen der Bayern für überzogen. „Statt anlässlich des geschlossenen Vergleichs artig Nettigkeiten gen Frankfurt zu schicken, spuckten die Bayern-Bosse Gift und Galle. Grund war ein schmuckloses Blatt Papier unterm Liga-Logo: die Stellungnahme der DFL zur Einigung mit dem Branchenprimus. Darin erläutert die DFL-Geschäftsführung den Vergleich mit den Münchnern, die sich den selbst verschuldeten Ärger um die vertrauliche Vorzugsbehandlung durch Kirch gegen eine Zahlung von drei Millionen Euro (500.000 für irakische Kinder, die unter dem Krieg und dessen Folgen leiden; 2,5 Millionen an die Liga, die an der Kirch-Krise und deren Folgen laboriert) vom Hals schaffen können. Soweit die Theorie. Doch der Schrieb aus der DFL-Zentrale im Frankfurter Stadtwald erwies sich als Sprengstoff. Dümmer kann man eine Presseerklärung nicht formulieren, lautete das fachlich fundierte Urteil von Nebenerwerbs-Kolumnist und Italien-Fan Beckenbauer (…) Tatsächlich lässt die DFL-Mitteilung an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Darin ist von einem vorlagepflichtigen Geheimvertrag ebenso die Rede wie davon, dass der FC Bayern das Solidaritätsprinzip der gesamten Liga durch Gestaltungsmissbrauch missachtet und somit gegen die im Sport unverzichtbare Fairness verstoßen habe. Starker Tobak, auch wenn die Reaktionen aus der bayerischen Landeshauptstadt weniger spontan waren, als es auf den ersten Blick schien. Das Bayern-Management war laut Hackmann bei Abschluss des Vergleichs davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die DFL ihren Standpunkt darlegen wird. Wie auch immer. Sollte es die Absicht der Verantwortlichen von Bayern München gewesen sein, die Aufmerksamkeit vom fragwürdigen Kirch-Deal ab- und aufs grundsätzliche, nicht selten gespannte Verhältnis zwischen Clubs und Frankfurter Liga-Machern hinzulenken, so könnte die Strategie aufgehen. Was haben die geschafft, außer ein Logo zu kreieren?, polemisierte Rummenigge gestern gegen die im Juli 2001 gegründete DFL, deren Existenz die Clubs, wie der Bayern-Vorstandsvorsitzende nicht vergaß hinzuzufügen, eine Stange Geld koste. Die Gegenseite will kein Öl in die Flammen gießen. Weder DFL-Sprecher Tom Bender, noch der bei den Bayern ungeliebte Geschäftsführer Bruchhagen mochte die Angriffe aus München gestern kommentieren. Dennoch kann sich der Streit zur Machtprobe auswachsen. Gegen oder gar ohne den FC Bayern wird die Liga nicht prosperieren.“

Hintergrund SZ

FR-Interview mit Karl-Heinz Rummenigge (genannt: „Der Außenminister“)

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