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DFB-Auswahl in Schottland

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für DFB-Auswahl in Schottland

Anlässlich des bevorstehenden EM-Qualifikationsspiels der DFB-Auswahl in Schottland widmet die deutsche Fußballöffentlichkeit viel Aufmerksamkeit dem schottischen Trainer Vogts sowie dem schwierigen Verhältnis, das sie über acht lange Jahre hinweg (1990-98) zu ihrem damaligen Nationaltrainer entwickelte. Ob in Interviews, Kommentaren oder Portraits: Nach wie vor erscheint Berti uns Zeitungslesern klein und bissig. Auch fast fünf Jahre nach seinem Abschied aus dem höchsten Amt Fußballdeutschlands redet er mit Journalisten (nun auch mit schottischen) jederzeit aus der defensiven Haltung eines „Kläffers“ heraus. Ernst genommen wird er nicht, obwohl kein anderer Nationaltrainer hierzulande eine derart gute Bilanz aufweist wie Vogts – weder vor noch nach ihm.

Selbst Lob an seine Adresse wirkt angestrengt, Komplimente oft vergiftet. Der Berliner Tagesspiegel hat in seiner heutigen Ausgabe zehn prominente Fürsprecher des Ex-Nationaltrainers ausfindig gemacht, darunter die ehemaligen Mitstreiter Günter Netzer und Jupp Heynckes, Spieler wie Fredi Bobic und Dieter Eilts, die unter Vogts Europameister wurden und nicht zuletzt Ottmar Hitzfeld. Der Grundtenor überrascht. Dass Vogts als fachlich kompetent gilt ist nicht neu, zumal mit diesem Urteil immer die Abwertung unterschwellig mitschwang, er habe Führungsschwächen. Wie teilt eine Lehrerin einem Schüler nach dem Diktat dessen Rechtschreibschwäche besonders effekt- und genussvoll mit? Sie betont seine schöne Handschrift. Genau die geradezu öffentlich bekannten Defizite Vogts´ „im menschlichen Bereich“ bestreiten nun die Befragten und bescheinigen ihm „eine ausgezeichnete Ansprache an jeden Spieler“ (Eilts). „Berti ist als Trainer ein lockerer, immer gut aufgelegter Typ“ (Bobic).

Von Michael Ballack („Unter Vogts habe ich die schlimmste Phase meiner Karriere erlebt“) und Bernd Schneider („Es ist ja kein Geheimnis, dass wir nicht so gut klargekommen sind miteinander“) hört man anderes. Schließlich erlebten sie unter dem Korschenbroicher Vereinstrainer keine guten Zeiten in Leverkusen. Über die „Abrechnung mit Berti“ (Bild) ist diese Woche daher viel geschrieben worden. Allein, an die vermeintliche Brisanz mag man nicht glauben.

„Der Hype“, wie die FAZ diese Debatte überzogen bezeichnet, „droht den Blick auf das sportlich Wesentliche zu verstellen.“ Kann die DFB-Auswahl ihre Alltagsaufgaben nach den asiatischen Festtagen im letzten Jahr endlich bewältigen? Von Teamchef Rudi Völler als „Spiel des Jahres“ bezeichnet, erwartet man in der Frankfurter Redaktion einen „Tauglichkeitstest“ für die „Jugendbewegung“. Ein Hinweis auf den rasch gewachsenen Stellenwert der Jung-Nationalspieler Freier, Friedrich, Hinkel Co., die neue pflegeleichte Generation der „Anti-Baslers“ (FTD).

Ein Haufen Bravherzen an Bord

„Es ist eine komplett neue Generation, die sich aufmacht in Richtung WM 2006“, schreibt Christof Kneer (BLZ 6.6.) vor dem Abflug der DFB-Auswahl nach Schottland. „Es trifft sich, dass die Terminplaner Deutschlands selbst ernanntes Länderspiel des Jahres ausgerechnet ans Ende jener Woche postiert haben, in der mit Mario Basler einer der letzten schrägen Vögel von der großen Bühne geflattert ist. Nie hat man die Alten und die Jungen so schön gegeneinander schneiden können wie in diesen Tagen. Er werde der Liga fehlen, hat Basler noch schnell als Vermächtnis hinterlassen, aber die Liga ist sich da nicht so sicher. Es ist ein klarer neuer Trend, dass es jetzt die Anti-Baslers richten sollen. Man wird fürs Erste ohne Stinkefinger auskommen müssen und ohne Pizza-Affären. Vor ein paar Jahren hätte der eine oder andere Spieler vor einer solch brisanten Begegnung, bei der die Tabellenführung in der Qualifikationsgruppe ausgespielt wird, vielleicht noch ein paar ungehobelte Sätze an die schottischen Bravehearts (tapfere Herzen) adressiert. Aber als Teamchef Rudi Völler am aufbrach, hatte er einen Haufen Bravherzen an Bord (…) Man wird es wohl nicht erleben, dass einer von diesen Jungen eine stichelnde Bemerkung über Berti Vogts loswird, aber wahrscheinlich kann man die neue Generation nicht ohne Vogts verstehen. Sie hatten alle ihr Vogts-Erlebnis. Als Jugendliche saßen sie vor dem Fernseher und hörten, wie die Nation spöttisch lachte, wenn Andy Brehme interviewt wurde oder Loddarmaddäus oder Berti Vogts. Wir haben das natürlich alles mit bekommen, sagt Andreas Hinkel. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass die Kinder der ran-Generation jetzt, da sie selbst Protagonisten geworden sind, der ran-Generation nichts mehr geben. Wir sind ziemlich pflegeleicht, aber für die Medien sicher manchmal uninteressant, sagt der Berliner Friedrich. Dem medienkritischen Teamchef dürfte dieser Charakterzug ziemlich gut gefallen. Bis zur WM hatte es Völler im Zweifelsfall immer eher mit den Alten gehalten, und nun muss man feststellen, dass die Verjüngungskur nach dem Weltchampionat in Asien radikaler ausgefallen ist als man das dem Teamchef zugetraut hatte. Instinktiv scheint er zu spüren, dass er dieser neuen, realistischen Generation trauen kann.“

Nicht Mediendompteur, sondern Missionar

Christian Eichler (FAZ 6.6.) skizziert die Bedeutung des Spiels für Berti Vogts. „Ein Spiel wie jedes andere? Diesen schönen Vorsatz widerlegt Vogts mit jeder Miene, jeder Geste, jedem Ton, wenn er von damals erzählt, von drei Jahrzehnten als Spieler, Jugendcoach, Cheftrainer beim DFB bis zur Vertreibung aus dem Paradies 1998. All das, auch die Kämpfe mit der Presse, erklärt er für bewältigt. Und tut das doch mit dem Ton dessen, der immer noch auf verdiente Anerkennung wartet. Ich werde nie ein Buch schreiben, sagt er geheimnisvoll. Aber wenn: Was da alles drinstünde . . . Der Halbsatz klingt aus, als ließe er die Welt am liebsten doch gern wissen, wofür die drei Pünktchen stehen, damit sie ihn endlich verstünde. Das ungeschriebene Buch müßte natürlich in Mönchengladbach beginnen. Wenn er davon erzählt, taucht zwischen den Zeilen ein unsichtbarer Dritter auf: Günter Netzer, jener Liebling von Trainer Weisweiler, der, so der Grundton der Erzählung, seine Allüren lebte, während Vogts harte Arbeit leistete; und der am Samstag in Glasgow als ARD-Experte das Werk des ewigen Berti wie gewohnt mit leiser Ironie bemäkeln wird. Vogts kontert nicht ohne Wonne mit der These, daß die spielerisch brillante EM-Elf von 1972, Netzers Elf, nie die WM 1974 hätte gewinnen können – die gewann Deutschland ohne Netzer, aber mit Vogts als Wadenbeißer des großen Johan Cruyff. Auch den ewigen Vergleich mit Beckenbauer wurde Vogts nie los, in acht Jahren als Bundestrainer. In Schottland aber gab es nie einen Beckenbauer oder Netzer, nie die große Leichtigkeit des Spiels, nur knorrige, bissige Typen wie Vogts selbst. Mußte das nicht das richtige Feld für ihn, den Basispädagogen, sein, eines, das zu beackern dalag wie einst die brachliegende deutsche Nachwuchsarbeit? Das Feld für die Trainerrolle des Berti Vogts: nicht Mediendompteur, sondern Missionar. Eine echte Aufgabe.“

Philipp Selldorf (SZ 6.6.). „Vor einem Jahr, als die Nationalelf in Sapporo bei der WM die bedauernswerte Elf Saudi-Arabiens auseinander nahm, saß Tobias Rau mit Freunden in einem Garten in der Nähe von Wolfsburg, wo er beim VfL als Profi angestellt war. Es gab Würstchen vom Grill, und alle haben die Hymne mitgesungen. Exakt ein Jahr später sitzt Rau im offiziellen Freizeitlook der Nationalspieler – Shorts und DFB-Trikot – vor dem feinen Hotel Ritz Carlton, in dem die Nationalmannschaft bis zu ihrer Abreise nach Glasgow residierte, und er räsoniert, dass ihm dieses unbeschwerte Vergnügen künftig versagt bleiben werde. „Schade“, sagt er, „ich habe mir die Länderspiele immer gern mit meinen Freunden angeguckt – das geht jetzt leider nicht mehr.“ Nicht nur weil Rau ab Juli in München-Grünwald wohnt, wo er Nachbar seiner neuen Mitspieler Giovane Elber und Oliver Kahn und seines neuen Trainers Ottmar Hitzfeld sein wird. Sondern weil er selbst zu den Länderspielen ausrücken muss. Auf seiner linken Abwehrseite ist Rau im Nationalteam mehr oder weniger konkurrenzlos, solange Christian Ziege nicht einsatzfähig ist. Und das Deutschland-Lied kennt er ohnehin auswendig. Rau hat seine Fortschritte als Profi mit Marsraketenantrieb zurückgelegt.“

SpOn-Portrait Michael Ballack

FR-Interview mit Arne Friedrich

(5.6.)

Themen: die Rolle Oliver Kahns im DFB-Team – das gestörte Verhältnis zwischen Vogts und den Deutschen, insbesondere Bernd Schneider

Michael Horeni (FAZ 5.6.) befasst sich mit Rolle und aktuellem Gemütszustand Oliver Kahns. “Es wurden ein paar Sprüche von Lothar Matthäus hervorgekramt, der auf dem Boulevard die Ungerechtigkeit beklagte, daß er als Kapitän längst abgesägt worden wäre, wenn er sich solche Sperenzchen wie Kahn erlaubt hätte, und es im übrigen ohnehin nicht schlecht wäre, wenn Michael Ballack als Kapitän als verlängerter Arm des Trainers auftrete. Das Geplapper des Kollegen von gestern war Kahn dann doch zuviel: „Ich habe mal gelesen: Was stört es die Eiche, wenn sich eine Sau daran reibt.“ Der rauhe Umgangston unter Kapitänen der deutschen Nationalmannschaft paßte so gar nicht zu Kahns freundlich-versöhnlichen Habitus vor dem vielbeschworenen „wichtigsten Länderspiel des Jahres“ gegen die Schotten von Berti Vogts (…) Die Begegnung in Glasgow ist für den großen Star der vergangenen WM vielmehr ein willkommener Abschluß einer Saison, die Kahn trotz privater Turbulenzen der allerersten Promi-Kategorie zwei Titel einbrachte. Doch sportlich kam er als Torwart kein Stück voran. „Es hat sehr, sehr wenige Möglichkeiten für mich gegeben, meinen Standard zu zeigen. Ich brauche einfach die internationale Bühne“, sagte Kahn, der nach einer Umfrage unter den Bundesligaspielern in der gerade beendete Spielzeit nicht einmal mehr als bester deutscher Torhüter angesehen wird. Da rangiert Simon Jentzsch vom TSV München 1860 sogar recht deutlich vor ihm. Tatsächlich erkennen manche Spieler erste, wenn auch noch haarfeine Risse im Gefüge. Die Veränderung im Verhalten Kahns, der seine Rolle als integrierender Kapitän angesichts seines durcheinandergeratenen Lebens immer weniger auszufüllen verstand, werden ebenso aufmerksam registriert wie der vom Torwart gelebte Wertewandel. Nur laut sagen mag das keiner. Der Titan des letzten Sommers, soviel ist jedoch sicher, steht auch in der Nationalmannschaft unter kritischer Beobachtung.“

Schau’ her, ich bin nicht lange da. Dafür bin ich umso schöner.

Über die vermeintliche Brisanz des bevorstehenden Qualifikationsspiels der DFB-Auswahl in Schottland heißt es bei Philipp Selldorf (SZ 5.6.). „Wieder werden die Leute vor die Wahl gestellt, was sie von Berti Vogts, dem Idol der siebziger und dem Prügelknaben der neunziger Jahre, eigentlich halten sollen. Der Reporter des Wochenblatts Sport-Bild etwa hat sich vor dem Aufeinandertreffen der schottischen und der deutschen Nationalmannschaft bemüht, von Vogts – den er schon lange kennt – ein freundliches Bild zu zeichnen. Er hat ihn auf der Insel besucht und gemeinsam mit dem schottischen Nationaltrainer die Freuden des Frühlings genossen. Vogts sagte ihm dann: „Jedes Blümchen hier scheint zu rufen: ‚Schau’ her, ich bin nicht lange da. Dafür bin ich umso schöner.‘“ Ein netter Satz. Würde Rudi Völler ihn sprechen, würden seine vielen, vielen Anhänger ihn dafür noch mehr verehren: Seht, eine sanfte Seele mit Sinn für Poesie ist er auch noch! Bei Vogts gerät die Reaktion allenfalls zum mitleidigen Lächeln. Ach, Berti… Denn es bleibt wohl sein Schicksal, dass er in Deutschland nicht als der Trainer wahrgenommen wird, der die Nationalelf 1996 zum Europameistertitel geführt hat, sondern als der Mann, der mit der Nationalmannschaft bei zwei Weltmeisterschaften im Viertelfinale gescheitert ist. Nicht seine phänomenale Bilanz mit dem DFB-Team – in 102 Spielen als Bundestrainer musste er nur zehn Niederlagen hinnehmen – prägt sein Bild, sondern das 1:2 gegen Bulgarien 1994 und das 0:3 gegen Kroatien 1998 (typisch: im damals besten deutschen WM-Spiel). „Mir tut er immer ein bisschen leid“, sagt der Angreifer Fredi Bobic, der unter Vogts einige Länderspiele bestritten hat, „im Endeffekt war es doch immer so: Wenn wir verloren haben, dann war in der Öffentlichkeit nur er schuld.““

Freunde werden sie nicht mehr

Christof Kneer (FTD 5.6.) beleuchtet das gestörte Verhältnis zwischen Bernd Schneider und Berti Vogts. “Manchmal gibt es das, dass ein Mensch zwei Sprachen gleichzeitig spricht. Das ist eine ziemliche Kunst, weil es ja nicht darum geht, die Sprachen nacheinander zu sprechen. Echte Künstler können so etwas parallel, und ganz besondere Sprachbegabungen schaffen es sogar, in den unterschiedlichen Sprachen auch noch unterschiedliche Dinge zu sagen. Es ist bislang nicht bekannt gewesen, dass der Fußballspieler Bernd Schneider in dieser seltenen Disziplin zu den führenden Kräften gehört. Man kann ihm täglich dabei zuschauen, wie er zwei Sprachen parallel spricht. Das Besondere daran ist, dass er eine Sprache mit dem Mund spricht und die andere mit dem Gesicht. Man kann ihn zum Beispiel danach fragen, wann ihm letztmals die Lust auf seinen Sport abhanden gekommen ist. „Öhm, also, wenn es so schlecht läuft wie mit Leverkusen in der Rückrunde, dann grübelt man schon“, antwortet dann sein Mund. Sein Gesicht dagegen sagt: „Keine Lust hatte ich von November 2000 bis Mai 2001 – als Berti Vogts in Leverkusen Trainer war.“ Freunde werden sie nicht mehr, Schneider und Berti Vogts, der deutsche Trainer der schottischen Auswahl. „Es ist ja kein Geheimnis, dass wir nicht so gut klargekommen sind miteinander“, sagt sein Mund vorsichtig. Sein Gesicht sagt lieber nichts, er hat es unter Kontrolle jetzt.“

(4.6.)

Themen: die gemeinsame Vergangenheit von Ballack und Vogts (“Unter Vogts habe ich die schlimmste Phase meiner Karriere erlebt”) – Handelsware Bernd Schneider – bodenständiger Miroslav Klose (Ich bin einer, der wo Tore macht”)

Unter Vogts habe ich die schlimmste Phase meiner Karriere erlebt

Michael Horeni (FAZ 4.6.) schildert den Konflikt zwischen Ballack und Vogts zu Leverkusener Zeiten. “Weltstar, Anführer, Torjäger: Der Mittelfeldspieler macht alles – nur nicht die Überschriften in der Bild-Zeitung. Ballack: Abrechnung mit Berti stand dort, und deswegen mußte sich der ehemalige Leverkusener am Dienstag fragen lassen, ob die Partie gegen seinen ehemaligen Trainer Rache oder Revanche für ihn sei. Die Schlagzeile habe ich nicht gemacht, sagte Ballack, der sich viel lieber als Spielmacher denn als Boulevardmann präsentiert. Gesagt hatte er nur, und das wiederholte er im Namen aller Leverkusener Profis von gestern nur zu gerne: Gegen Berti müssen ich und die anderen uns nicht besonders motivieren. Ich weiß nicht, warum das eine Abrechnung sein soll? Ist es in der Zeitung tatsächlich nicht gewesen, könnte es auf dem Platz aber noch werden. Denn den besonderen Reiz dieser ganz speziellen Begegnung unter ohnehin außergewöhnlichen Umständen am kommenden Samstag in Glasgow will Ballack auch gar nicht unterschlagen. Es wird keine schmutzige Wäsche gewaschen, aber man braucht auch nicht zu verheimlichen, daß einige Leverkusener Probleme mit ihm hatten. Als Vogts im November 2000 für ein halbes Jahr den Chef in Leverkusen spielte, mußte sich die damalige Lokalgröße Ballack noch vom prominenten Trainer öffentlich rüffeln lassen: Ein Ballack muß sich hinterfragen, ob er genug Leistung bringt. Inzwischen aber redet Vogts ganz anders. Ich denke, im Moment ist Ballack der beste europäische Mittelfeldspieler, der beste offensive Mittelfeldakteur, pries der Trainer der Schotten Völlers Kronjuwel am Dienstag. Umgekehrt bemühte sich Ballack um eine kritische, aber differenzierte Würdigung seines ehemaligen Übungsleiters. Berti Vogts hat große fachliche Kenntnisse, sagt der Münchner Double-Sieger, im Umgang mit den Spielern war er aber nicht einfach, da hatte er seine Probleme. Begebenheiten, die zur saftigen Illustrierung beitragen würden und das deutsch-deutsche Duell noch weiter anheizen könnten, hat Ballack zwar noch genau im Kopf, verkneift sie sich aber: Das sind Sachen, die intern bleiben, sagt er, aber die Zusammenarbeit war von Anfang an schwierig. Kollege Bernd Schneider, der bei Vogts damals überhaupt keine Rolle spielte, legte sportfachlich gerne nach: Unter Vogts habe ich die schlimmste Phase meiner Karriere erlebt. Da hat Fußball keinen Spaß mehr gemacht.“

Zur Position Vogts´ in Schottland heißt es bei Oliver Trust (Tsp 4.6.). “Seit 14 Monaten ist er ihr Trainer. Nennt mich ,McBerti‘, so seine Aufforderung zu Dienstbeginn im Mutterland des Whiskys. Nun sitzt er auf dem Plüschsofa und trinkt Espresso. Die Schotten fühlen sich an den Rand gedrängt. Alles wird von England aus gesteuert. Vogts ist tief in die Seele der Schotten eingetaucht. Auch ihn haben sie an den Rand gedrängt, in Deutschland. Es ist eine Mischung aus Verbitterung und dem Bekenntnis, dass ich mich wohl fühle hier. Warum sein Image in der Heimat so schlecht ist, darüber zerbricht er sich nach 102 Länderspielen, zwölf Niederlagen und dem EM-Titel 1996 immer noch den Kopf. Ich habe meine Steuern bezahlt, keine Kinder entführt und keine Drogen genommen. Er steht auf und geht zum Mittagessen mit der Mannschaft. Komm gleich wieder, sagt er. Er will sehen, ob sie wieder Rührei, Bohnen und Toast essen. Auch die neue Ernährung kam mit ihm. Als er zurückkehrt, erwacht der Ehrgeiz. Man sollte sich von unseren Ergebnissen nicht blenden lassen, sagt er. Wir können die Deutschen schlagen, es wird hart, aber wir können es. Nach dem 0:2 gegen Österreich und dem 1:1 gegen Neuseeland klingt das, als pfeife er unverdrossen in den dunklen Wald. Sie haben sich an ihn gewöhnen müssen. An zweimal Training am Tag und an seine Planungen. Frauenfußball, U 21, die Rainer Bonhof betreut, der Jugendbereich und die Nationalmannschaft. Er legt Konzepte vor und sitzt morgens um acht im Büro über dem Scottish Football Museum direkt im Hampden Park, in dem der Ball aus der legendären Partie von 1928 gegen England liegt. Die Schotten gewannen 5:1. Doch gute Ergebnisse gab es lange nicht mehr.“

Liebend gern möchte er die weite Fußballwelt kennen lernen

Philipp Selldorf (SZ 4.6.) schreibt über die ungewisse Zukunft Bernd Schneiders. „Schneider weiß nicht so recht, wie und was ihm geschehen wird, wenn er nach den Länderspielen in die Sommerferien geht. „Man muss es nehmen wie es kommt“, sagt er, „man kann‘s nicht ändern.“ Leverkusen braucht Geld, um das nach einem katastrophalen Jahr fixierte Sparziel zu erreichen – 25 Millionen Euro –, und Schneider weiß: „Die, die Bayer gehen lassen will, bringen kein Geld.“ Er dagegen könnte dem Klub Millionen auf dem Transfermarkt eintragen, weshalb er sich dieser Tage im Trainingsquartier der Nationalelf vorkommt, als habe man ihm ein Schild auf die Stirn geklebt, auf dem steht: „Zu verkaufen, Preis Verhandlungssache.“ Mitgefühl wäre übertrieben. Bernd Schneider spielt zwar gern in Leverkusen, aber liebend gern möchte er auch die weite Fußballwelt kennen lernen. „Spanien, Italien oder England kann ich mir vorstellen“, sagt er, was bedeutet: Hoffentlich klappt‘s. Auch mit 29 hat er noch Träume vom Fußballspielen. Schließlich ist Bernd Schneider ein Profi mit ästhetischen Ansprüchen und einer liebevollen Beziehung zum Ball, und deswegen ist ihm vor allem dieser Eindruck der Ohnmacht hängen geblieben: „Eine absolut bittere Erfahrung“ war es ihm, als die Bayer-Elf den Auftrag erhielt, den Wettkampf in der Champions League einzustellen. „Da will man gegen die Besten Europas spielen, und dann wird gesagt: ‚Wir konzentrieren uns da nicht mehr drauf.‘ Das einfach herzuschenken, das hat mir sehr wehgetan“, erzählt Schneider. Doch wieder gilt: „Aber wir Spieler dürfen da nicht mitentscheiden.“ Einmal immerhin hat er frei von jeden Einflüssen handeln können in dieser für ihn unschönen Saison, und als Lohn erhielt er Lob und Respekt wie selten vorher. Da gab er dem Fernsehfußballrichter Udo Lattek kontra, nachdem der behauptet hatte, Schneider habe einen Feldverweis provoziert, um sich den Abstiegskampf mit Bayer zu ersparen. Der Leverkusener konterte den Vorwurf in einem Interview („Schreiben Sie das!“) mit dem Hinweis auf Latteks Trinkgewohnheiten, und der Effekt war einfach fabelhaft: „Nach der WM hatte ich viele Schulterklopfer, aber nach der Geschichte mit Lattek waren es ähnlich viele.““

Du bist einer von uns

Anno Hecker (FAZ 4.6.) porträtiert den bodenständigen Torjäger aus Kaiserslautern. „Man hört es. Ich bin einer, der wo Tore macht, der aber auch viel für die Mannschaft arbeiten tut. So spricht Miroslav Klose. Die Pfälzer haben den gebürtigen Polen mit dem singenden Tonfall der Region und französischer Kindergartenerfahrung eingenordet: Der Mirek ist einer von uns, erklärt dessen ehemaliger Jugendtrainer Erich Berndt. Der hat spielend die Sprache gelernt und im gleichen Moment Freunde gewonnen. Fürs Leben. Immer mal wieder schaut der Fußball-Nationalspieler und Stürmer des 1. FC Kaiserslautern bei den alten Kumpels vorbei, wenn sie in der Bezirksliga den Ball rollen lassen. Bei Kickern, mit denen er noch vor ein paar Jahren in der siebten Spielklasse des Deutschen Fußball-Bundes über den Sportplatz der SG Blaubach-Diedelkopf jagte. Auf der Suche nach dem Absprung ins Profigeschäft: Ich habe immer davon geträumt, aber ich habe nicht daran geglaubt, sagt Klose. Er sitzt im Presseraum des FCK. An der Wand hängt ein Bild von ihm. Er fährt die Stationen seiner Karriere ab: Bezirksliga, Regionalliga, Bundesliga, Weltmeisterschaft, eine Traumreise in nur vier Jahren. Klose schüttelt den Kopf. Man darf den Boden nicht unter den Füßen verlieren, sagt der sprunggewaltige Kopfballspezialist. Jetzt, da er sich mit seinen Toren das Tor zur Welt geöffnet hat, setzt er auf Seßhaftigkeit. Klose, knapp 25 Jahre alt, hat sich ein Haus in Blaubach-Diedelkopf gebaut. Und nach dem Pokalfinale am Samstag en passant erklärt, weiter für Kaiserslautern zu spielen. Die Pfalz jauchzt. Super, daß du bleibst und nicht dem Geld erliegst. Das nenn‘ ich Charakter. Die elektronische Post bringt Klose in diesen Tagen ständig auf den neuesten Stand der Besitzverhältnisse: Du bist eben einer von uns.“

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