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DFB-Pokal

Zwei Mannschaften in der Bredouille

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Zwei Mannschaften in der Bredouille

Wie attraktiv der innerhalb der letzten Jahre bedauerlicherweise abgewertete Pokalwettbewerb ist, haben ausnahmslos alle Partien der zurückliegenden Viertelfinalrunde bewiesen.

Bei den jeweils im Elfmeterschießen siegreichen Leverkusenern und Kaiserslauterern beobachtete die FAZ „die Sanierungsbemühungen zweier Mannschaften, die weiter in der Bredouille sind“. Der Kasse des wirtschaftlich angeschlagenen 1. FC Kaiserslautern wird der Einzug ins Halbfinale sicherlich gut tun, aber „die ganz großen Schlachten werden derzeit in Kaiserslautern nicht auf dem Rasen geschlagen“ (SZ). Auf den Vorstandsvorsitzenden des FCK wartet eine Ochsentour, will er den hoch verschuldeten und Rechtsstreit mit Behörden erwartenden Klub tatsächlich sanieren. Wohl eine Aufgabe zum Fortlaufen, wie sich auch ARD-Moderator Delling gedacht haben musste, als er während der im TV-Studio durchgeführten Auslosung zur nächsten Runde den auf dem Monitor Zugeschalteten fragte: „Herr Jäggi, bist Du noch da?“ Zwar bemerkt die taz zum glückhaften Erfolg des letztjährigen Champions-League-Finalisten: „Unterhaching wäre für Bayer in der Tat ein guter Ort, um als Phönix aus der Asche zu steigen“ und erinnert an die vermeintliche Symbolhaftigkeit desjenigen Ortes, an dem die Werkself vor knapp drei Jahren sensationellerweise ihre erste Meisterschaft verspielte. Dahingegen lehnt sich die SZ weit aus dem Fenster:„Wenn Leverkusen in Bochum verliert, wird Toppmöller entlassen. Das ist so“, lesen wir dort ungewöhnlich prognosensicher über die Zukunft des Bayer-Coaches. Auch der Tagesspiegel erkennt: „Leverkusens Trainer Toppmöller steht vor dem Aus – auch wenn Manager Calmund das Gegenteil beteuert“

„Dem Emporkömmling richtig eins aufs Dach gegeben“ – diese Zielsetzung, die die Financial Times Deutschland dem FC Bayern München beim Duell mit dem 1. FC Köln im Nachhinein unterstellt – kann man als erfüllt betrachten. Acht Tore schenkte der Tabellenführer der Bundesliga seinem an und für sich als defensivstark geltenden Pendant aus Liga Zwei ein. Dabei gab Jungnationalspieler Sebastian Deisler nach neunmonatiger Verletzungspause sein Comeback, „genoß, unbehelligt vom Kölner Karnevalsverein, seine Narrenfreiheit“ (FAZ) und „fügte sich prächtig ein ins bayerische Gesamtkunstwerk“ (FR). Die auffälligste Leistung der aus dem Rheinland angereisten und „notorisch zum Scherz aufgelegten Kölner“ (FAZ) zeigten dabei einige Schlawiner aus dem Fanblock, als sie den Jungstar bei einer Ecke mit Schneebällen bewarfen. Die allseits erwartete Empörung von Bayern-Manager Uli Hoeneß ob dieses Zwischenfalls blieb jedoch aus.

Roland Zorn (FAZ 7.2.) ist angetan. „Wenn jetzt noch ein paar Zuschauer mehr kämen und die Terminplaner den Mut aufbrächten, die letzten Runden dieses Wettbewerbs nicht von so ungeselligen Begleitern wie Tief Vincenz stören zu lassen, könnte aus dem DFB-Pokal doch etwas werden. Was im flockig-kalten Februar gespielt wurde und im Halbfinale Anfang März unter womöglich ähnlich unwirtlichen Vorzeichen fortgesetzt wird, war auch symbolisch zu verstehen: Allen Beteuerungen zum Trotz bleibt der DFB-Pokal ein Lückenbüßer im Fußball-Jahreskalender. Immer dann programmatisch gefragt, wenn es für die Champions League oder die Qualifikation der Nationalmannschaften zu Europa- oder Weltmeisterschaftsturnieren noch zu früh oder zu kalt scheint. Ob’s stürmt, ob’s schneit, ob’s friert: Wer sich um den nationalen Cup streitet, muß rutschfest sein und die Kälte nicht scheuen. Dabei wurde in diesem Viertelfinale eine ansehnliche Warm-up-Runde bei Minusgraden absolviert, in der viel von dem neuen Ernst sichtbar wurde, mit dem alle beteiligten Mannschaften auch im DFB-Pokal um ihr Publikum und damit um jeden Euro extra kämpften (…) Was in Leverkusen wie der gewöhnliche Kampf gegen einen außergewöhnlichen sportlichen Erdrutsch anmutet, hat in der Pfalz längst Züge eines Dramas angenommen. Dort wurde der Sieg des Bundesliga-Letzten 1. FC Kaiserslautern in Bochum zwar als ein Zeichen der Hoffnung begriffen, doch retten müssen diesen Klub andere als die Profis in kurzen Hosen. Stadt, Land, Banken und die Vereinsführung trafen sich am Donnerstag zum ersten großen Sanierungskonklave. Auch eine Art Glücksspiel für den FCK – aber ungleich bedeutender als die mit Glück bestandene Pokalbegegnung am Abend zuvor.“

SpVgg. Unterhaching – Bayer Leverkusen 6:7 n.E.

Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 7.2.) analysiert das Verhalten Reiner Calmunds. “Klaus Toppmöller beobachtete das Spiel mit den vielen Fehlern seiner Mannschaft äußerlich gelassen, innerlich aber wohl mit größten Befürchtungen. Er hockte unter dem tief verschneiten Dach seiner Reservebank, unter der er lediglich bei den zwei Leverkusener Toren, nicht aber bei Hachings Treffern hervorgekrochen kam. Als Butt den Elfmeter von Omodiagbe parierte, verließ der Bayer-Trainer seinen Iglu erstmals mit einer Siegesahnung. Nach dem entscheidenden Treffer durch Butt hielt es ihn nicht mehr, mit erhobenen Fäusten lief Toppmöller zu seiner Mannschaft. Und danach zur Medienmeute, der er verkaufen wollte: „Meine Position war nie gefährdet, die Spekulationen wurden nur von außen reingetragen. Ich kann nur sagen, ich bin gut dabei.“ Er habe immer „gut schlafen“ können. Hätte nicht das der Moment für Reiner Calmund, den Manager, sein müssen? Wollte der vor sich geradestehen, so hätte er klarstellen müssen, dass Toppmöller da ein wenig flunkerte. Doch was tat Calmund? Er flunkerte mit. So einfach ist das: Kein Wort mehr wollte der Manager wissen von seinem Ultimatum an Toppmöller. Calmund, darauf angesprochen: „Wir wollten hier unbedingt gewinnen. Alles andere zählt nicht.“ Wenn es doch immer so einfach wäre. Gestern konkretisierte der schwergewichtige Bayer-Manager noch: „Bis Samstag gibt es keine Diskussion.“ Und: „Wir haben mit keinem einzigen Trainer auch nur ein einziges Wort gesprochen.“ War es diesmal vielleicht eine Hachinger Schneeböe, die das Fähnlein gedreht hatte? Gestern war Calmund noch in der Gruppe der Kritiker, deren Spitze inzwischen auch in den Vorstandssesseln des Bayer-Konzerns sitzt, heute bewegt er sich im Kreis der Jubler. Kaum ein Zweiter in der Fußball-Bundesliga schlägt sich so unverwandt auf die Seite der vorherrschenden Stimmungen. Kein anderer arrangiert sich so unversehens mit den bestehenden Machtverhältnissen. Das hat sein Gutes: Reiner Calmund entkommt der Kritik immer. Ein solch wetterwendisches Cleverle wie den Bayer-Manager wird man lange suchen müssen in der Fußball-Bundesliga.”

Zur Bedeutung des Leverkusener Siegs bemerkt Moritz Küpper (FR 7.2.). „Es war nicht unbedingt die Vergangenheit, die Leverkusen dieses Pokalspiel schwer machte. Vor allem die aktuelle Situation lastete auf den Schultern der Bayer-Profis. Nach dem Fehlstart ins Jahr 2003 mit den beiden verlorenen Ligaspielen ohne Torerfolg, war das Pokalspiel auch zum Schlüsselspiel für Trainer Klaus Toppmöller gemacht Worden (…) Der Bayer-Tross fährt zuversichtlich nach Bochum, um in der Bundesliga mal wieder zu punkten (Toppmöller), obwohl die Situation nicht einfach ist. Ramelow, der gegen Unterhaching die Abwehr zusammenhielt und auch als Torschütze auftrat, ist gesperrt. Ebenso Yildiray Bastürk. Oliver Neuville und Radoslaw Kaluzny sind angeschlagen. Doch gerade bei Kaluzny hofft Toppmöller auf eine schnelle Genesung. Der Neuzugang war bei seinem Debüt bester Leverkusener und zeigte auf Anhieb, dass er aus dem im Abstiegskampf erfahrenen Cottbus gewöhnt ist, mit Druck umzugehen. Zum Matchwinner für die Bayer-Elf wurde aber ein anderer: Torwart Hans-Jörg Butt. Der Schlussmann hielt den entscheidenden fünften Elfmeter von Darlington Omodiagbe und verwandelte den seinen sicher. Dabei war es gerade Butt gewesen, der eine der Hauptrollen im Bayer-Drama in der bisherigen Saison gespielt hatte. Zwar gehört der Keeper zum Kader der Nationalmannschaft, in der Hinrunde saß er dennoch häufiger auf der Ersatzbank. Zum Rückrundenbeginn schien sein Platz in der Mannschaft wieder gefestigt, doch anfängerhafte Fehler in den ersten beiden Spielen ließen die Torwartdiskussion wieder aufleben.“

Marc Baumann (taz 7.2.) meint dazu. „Die drohende Blamage im DFB-Pokal gegen einen drittklassigen Verein. Und der in Form eines Ultimatums angedrohte Rauswurf von Klaus Toppmöller. Hätte er hier verloren, Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für Arbeit, hätte seine gerade erst am Vormittag präsentierte Arbeitslosenstatistik wohl um die Zahl Eins erhöhen müssen. Nach dem Schlusspfiff lief Toppmöller durch das Schneegestöber über das halbe Spielfeld, um Jörg Butt, dem Schützen des Siegtores, um den Hals zu fallen. Diese Umarmung sagte alles. Sieger wird man erst durch einen Verlierer. Den Mann, der allen leid tat, Darlington Omodiagbe. Einer musste beim Elfmeterschießen versagen, nur so funktioniert das Spiel. Es ist nie fair. Und an Tagen wie diesem ist es eine kleine Tragödie. Omodiagbe hatte wie alle Hachinger gut gespielt, war im dichten Schneegestöber gerannt bis zur Erschöpfung, und dann sprang Jörg Butt in die richtige Ecke. Omodiagbe ward an diesem Abend nicht mehr gesehen. In drei Tagen spricht niemand mehr über dieses Spiel, sagte Jan Seifert, Unterhachings Kapitän. Das kann Omodiagbe trösten, aber Seifert wollte etwas anderes damit sagen. Er wollte sagen, dass Unterhaching einen beeindruckenden DFB-Pokal gespielt hat. Und der Lohn ein paar aufmunternde Worte von Journalisten sind. Und fünfzehn Minuten Fernsehausschnitte in der ARD. So schnell kommen sie nicht mehr in die Tagesthemen. Von der Ersten Liga ging es für Unterhaching direkt in die Regionalliga, so etwas nennt man freien Fall. Dass sie wieder Boden unter den Füßen haben, Tabellenführer der Regionalliga Süd sind, verdankt die Mannschaft ihrem neuen Trainer. Wolfgang Frank, dem das Ende dieses DFB-Pokalabends den größten Schmerz zu bereiten schien. Wortlos, wie es nicht seine Art ist, ging er als Erster in die Kabine, wenn die Augen der Spiegel der Seele sind, hatte ein Blick alles gesagt.“

Über die Perspektiven von Klaus Toppmöller lesen wir von Jörg Stratmann (FAZ 7.2.). „Es war, wie Toppmöller bündig festhielt, ein Scheißspiel. Diesmal ausgerechnet dort, wo Bayer am letzten Bundesliga-Spieltag 2000 die Meisterschaft verspielt hatte. Und doch erlaubt der Sieg dem Trainer zumindest noch einmal, Bayer 04 beim alten Arbeitgeber VfL Bochum zu betreuen. Ich habe dort viele Freunde, sagte Toppmöller. Nur sollten sie wissen: Ich komme zurück, um Punkte zu holen. Die finstere Entschlossenheit, die er damit dokumentieren wollte, vermittelt sich indes nicht mehr (…) Und doch stand über allem erst einmal die große Erleichterung, selbst mit bescheidener Leistung und sehr glücklich die nächste Runde erreicht zu haben, in der nun im März Favorit Bayern München im eigenen Olympiastadion wartet. So weit nach vorn mag noch kein Bayer-Mitarbeiter denken. Wie er sein Saisonziel nun definiere? Zusehen, daß wir das nächste Spiel gewinnen, sagte Toppmöller. Und wenn nicht? Calmund verbat sich zwar heute, morgen, Samstag jede Trainerdiskussion, fuhr allerdings fort: Wenn wir in Bochum nicht gut gespielt und verloren haben, können Sie mich wieder fragen. Die Antwort wird vor allem Toppmöller interessieren.“

Hachinger Reaktionen SZ

Zur jüngsten Entwicklungsgeschichte der Hachinger schreibt Detlef Dresslein (FAZ 5.2.). „Unterhaching, das prädestiniert für die Regionalliga ist, brauchte lange, um sich aus einer Schockstarre zu befreien. Auch weil der Abstieg aus der zweiten Liga nach nur einem Jahr reichlich turbulent ablief. Erst ging man davon aus, daß der SSV Reutlingen keine Lizenz erhält – ein Verein, von dem Manager Norbert Hartmann auch heute noch behauptet, daß er betrogen und beschissen habe bis zum Geht nicht mehr. Und schließlich sollte auch Eintracht Frankfurt keine Lizenz bekommen, was aber zwei Wochen vor Saisonbeginn doch geschah. Fatal war diese Ungewißheit, weil man keine Regionalliga-Team zusammenbasteln konnte, da es noch 23 gültige Zweitligaverträge gab. Diese Spieler aber wären für die dritte Liga zu teuer wie auch größtenteils ohne Interesse gewesen. Jetzt prüft Kupka aktuell eine Schadenersatzklage gegen die Deutsche Fußball Liga, weil Alemannia Aachen in vier Spielen im Vorjahr satzungswidrig vier Vertragsamateure eingesetzt hatte. Wären Aachen die sieben Punkte aberkannt worden, wäre Unterhaching nicht abgestiegen. Erstaunlich, daß Wolfgang Frank, der neue Trainer, nach holprigem Start ein Team formte, das hervorragenden und modernen Fußball bietet und damit trotz gelegentlicher Ausrutscher doch ziemlich souverän die Tabelle anführt. Und daß es ihm gelang, die Mannschaft, in der nach wie vor Spieler wie Strehmel, Matthias Zimmermann, Dennis Grassow, Jan Seifert oder Ralf Bucher stehen, die allesamt die Tour Regionalliga-Bundesliga und zurück mitgemacht haben, wieder für die Drittklassigkeit zu motivieren. Es ist schwierig, Motivation zu finden, wenn man ganz oben war und jetzt nach Elversberg muß, sagt Frank. Seine ersten Schritte waren, das alte Unterhaching wieder auszugraben. Man hat hier eine Philosophie entwickelt, die genau gepaßt hat: Ein Klima, das geprägt war von Teamgeist in extremster Form – und wer neu dazugekommen ist, ist eingeschworen worden und hat langsam gespürt: Mit dieser Philosophie kann man viel erreichen. Diese Philosophie aber habe man in der Bundesliga und nach dem Abstieg verlassen.“

Bayern München – 1. FC Köln 8:0

Haben die drei Tore von Giovane Elber seine Vorgesetzten versöhnlich gestimmt? fragt Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 6.2.). „Alles in Butter also, das stille Werben der Bayern um den Kaiserslauterer Miroslav Klose wieder passé? Das scheint nicht der Fall zu sein. Zu tief sitzt der Ärger der Verantwortlichen über Elber, denn der Bayern-Stürmer steht inzwischen im Ruf eines launischen Dauernörglers – auch dann, wenn er wie gestern schweigt. Der der Führungsriege des Klubs fast schon chronisch mit seiner Unzufriedenheit in den Ohren liegt. Mal, so trug er vor, wollte seine Frau Cintia zurück nach Brasilien. Er selbst favorisiere die Wärme des Südens und würde gern zu einem spanischen Verein wechseln. Die Bayern kennen die Zickereien schon: Vor etwas mehr als zwei Jahren kam es zur Zerreißprobe, weil Elber in München keine brasilianische Putzfrau finden konnte. Der Unterschied zu früher: Jetzt scheint es die Klubspitze leid zu sein.“

Zum Comeback des Münchner Jungnationalspielers heißt es bei Andreas Burkert (SZ 6.2.). “Als Sebastian Deisler, 22, den Rasen betreten hatte, beim Stand von 7:0, erhoben sich die Tribünengäste, sie applaudierten, sie freuten sich. Freuten sich mit Deisler, den man viele Monate nur als Phantom im Kader des FC Bayern wahrgenommen hatte, als immerzu malade Hoffnung des deutschen Fußballs. Fast neun Monate nach seiner Knieverletzung, erlitten im Ländermatch gegen Österreich (6:2), wirkte seine Rückkehr im Pokal- Viertelfinale gegen den 1. FC Köln so verblüffend irreal wie später das verschwenderische Resultat auf der beleuchteten Tafel – 8:0. Nicht einmal Deisler selbst hatte an diesem Tag mit seiner Premiere im Bayern-Trikot gerechnet. Er trainiert zwar seit Januar mit der Mannschaft, doch stand er dort „unter Artenschutz“, so hatte es Trainer Hitzfeld intern verfügt. Am Dienstag hat er ihn wieder in der freien Wildbahn ausgesetzt. Spontan (…) Deisler trabte hinüber auf die rechte Außenbahn, die Kölner Verteidiger Voigt und Cichon warteten dort. Deren Stärke ist das robuste Spiel. Doch die Sorgen, die Deisler auf seinem Weg zu ihnen mitnahm, waren unbegründet: Deisler täuschte bald links an und ging rechts vorbei, kurz vor Schluss ignorierte er sogar das Schneeball- Inferno aus der Kölner Kurve.”

Interview mit Kölns Kapitän Lottner über die vier guten Minuten seines Teams beim SZ

Klaus Hoeltzenbein (SZ 6.2.) spendet den Verlierern Trost. „Um Köln muss sich niemand sorgen, jedes Tränchen wäre ein Tränchen zu viel. Die Stadt ist humorvoll und belastbar wie keine zweite dieser Republik. Damit ihr diese Rolle auch ja niemand streitig machen kann, hat sie es am Dienstag allen Herausforderern in der Bewältigung von Schicksalsfragen noch einmal gezeigt. Am Vormittag, punkt 11.11 Uhr, wurde unterm Dom die erste schwarz-grüne Koalition einer deutschen Millionenstadt besiegelt, vereint im Auftrag, den 550-Millionen-Schuldenberg zu tragen – am Abend gab’s, als Zugabe, das Nullzuacht. „Wat soll dä Quatsch?“, fragt da der Kölsche Jeck. Was ist das alles gegen diese tiefe Depression, die Pago Pago seit beinahe zwei Jahren beherrscht? Niederlagen nahe und in der Zweistelligkeit folgt meist eine Zäsur. Senkrecht abwärts ging’s zuletzt im Jahr 2000 mit dem SSV Ulm nach einem 1:9 gegen Leverkusen. Pago Pago aber, die Hauptstadt von Amerikanisch-Samoa, erlebte im April 2001 die Weltschlechtstleistung mit einem 0:31 gegen Australien. Da ist noch Luft drin, Ihr Kölner.“

1860 München – Werder Bremen 1:4 n.V.

Andreas Burkert (SZ 7.2.) kritisiert den Münchner Trainer. „Man hätte so gerne so viel erfahren von Peter Pacult. Zum Beispiel, was in der 85. Minute im Kopf des Trainers von 1860 München vorgegangen war. Ein bisschen was konnten sich die 3000 Menschen im Olympiastadion selbst zusammenreimen. Es stand 1:0 für Sechzig, und die Führung war glücklich für die Löwen. Werder hatte zwei Stürmer eingewechselt, Pacult bat die Defensivspieler Uwe Ehlers und Rafael da Silva, sich auf ihren Einsatz vorzubereiten. Sie taten das. Aber in der 85. Minute, als Pacult seinen Kniff zur Ergebnissicherung gerade umsetzen wollte, schoss Bremen den Ausgleich. Man hätte nun gern von Pacult gewusst, warum er seinen Gedanken nicht mehr änderte, warum er in einem Pokal-Viertelfinale, in dem es einen Sieger geben muss, ein 1:1 sichern wollte. Pacult zog den Wechsel durch, Werder schoss das 2:1, 3:1, 4:1. „Es ist mühsam, darüber zu reden“, brummte Pacult, mühsam und sicher auch müßig, denn das Spiel war ja vorbei. Vorbei. Verloren. Und vercoacht? Wäre es so, Peter Pacult müsste sich nicht schämen. Er ist zwar schon in der zweiten Saison Trainer bei 1860, vorher hat er lange bei den Amateuren des Vereins diesen Job üben dürfen, aber er ist immer noch ein junger Trainer. Spiele haben schon die Besten vergeigt. Ottmar Hitzfeld steht unter Verdacht, Verantwortung für das auf traumatische Weise verlorene Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United zu tragen. Weil er Lothar Matthäus in der 80. Minute auswechselte, für Thorsten Fink. Wenn Matthäus raus musste, warum so spät? Und warum Fink, der prompt einen folgenschweren Fehler machte? Auch Giovanni Trapattoni, der alte Fuchs, verzockte sich bei der WM, als er gegen Korea ein 1:0 heimschaukeln wollte, Stürmer del Piero vom Platz nahm – und Italien von Korea überrannt wurde. Erich Ribbeck ist es 2000 sogar gelungen, ein ganzes EM-Turnier zu vercoachen.“

Ralf Wiegand (SZ 7.2.) skizziert die jüngste Entwicklung des Löwenklubs. „Der TSV 1860 kommt nicht voran, vielleicht ist das der Grund, warum der blau-weiße Löwe sein Revier so dermaßen weit ausdehnt, bis nach Asien. Schon tauchen chinesische Reporter im halben Dutzend bei den Heimspielen auf, das Fernsehen überträgt live nach China, und selbst die Hostessen am Vip- Empfang haben – Zufall? – asiatische Verstärkung bekommen. Natürlich kommen auch chinesische Zuschauer, und da liegt der Hase im Pfeffer bzw. das Hühnerbein in seinem süß-sauren Soßenbett: Daheim findet 1860 irgendwie keinen Markt. 3000 Zuschauer oder 4000, es nachzuzählen wäre pietätlos. Das Wetter war schlecht und das Fernsehzimmer zu Hause gut geheizt, das sind Argumente – aber nicht für die, die ein Löwenherz haben. Und solche Menschen werden offenbar immer weniger. Das mag daran liegen, dass die Löwen immer dann, wenn man an sie glauben möchte, den Anschluss verpassen. Dazu ein paar Jahre in der sportlichen Versenkung, ein paar Jahre Stadiondiskussion – der Löwen jüngere Geschichte ist keine, mit der man Stammkunden gewinnt. Nun, China ist die Hoffnung, mal was Neues.“

VfL Bochum – 1. FC Kaiserslautern 6:7 n.E.

Christoph Biermann (SZ 7.2.) erkannt in der Leistung des Gästeteams Hoffnungsschimmer. „Gestern Mittag stellte Jäggi rund zwei Dutzend Vertretern des Landes, der Stadt und Banken, des Hauptsponsors und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ein Modell vor, wie am Betzenberg die Insolvenz verhindert werden soll. Im Wesentlichen geht es um den Verkauf des vereinseigenen Fritz-Walter-Stadions. Für Rückenwind bei den Verhandlungen sorgte endlich auch die Mannschaft mit dem Pokalsieg in Bochum und dem damit verbundenen Sprung ins Halbfinale, fand Jäggi: „Das war das richtige Zeichen zum richtigen Zeitpunkt.“ Das 7:6 im aufregendsten Pokalspiel der Saison verfestigte den Eindruck, dass zumindest die sportliche Sanierung des 1. FC Kaiserslautern Kontur annimmt. Der Sieg im Elfmeterschießen mochte glücklich sein, weil er das immer ist; Lauterns Keeper Tim Wiese hielt zwei, Bochums Rein van Duijnhoven nur einen Elfmeter. Doch insgesamt war der Erfolg nicht unverdient. Die Gäste im Ruhrstadion kämpften nicht nur, sondern erarbeiteten sich mehr Torchancen als die Gastgeber. In der Abwehr machte Lautern zwar erneut eine Reihe grotesker Fehler, dafür bereitete das Offensivspiel des FCK dem VfL Bochum in der ersten Halbzeit und über weite Teile der Verlängerung eine Fülle von Problemen.“

Michael Ashelm (FAZ 7.2.) erinnert sich. „Dem finanziell auf der Kippe stehenden Klub wird der Einzug ins Pokalhalbfinale, das dem FCK ein Heimspiel gegen Werder Bremen beschert, wichtige Euros in die leeren Kassen spülen. Zum zehnten Mal hat Kaiserslautern die Vorschlußrunde dieses Wettbewerbs erreicht, viele schöne Erinnerungen werden mit ihm verbunden. Aber war da nicht etwas? Im Jahr 1996 spielte sich die Lauterer Mannschaft bis ins Finale und besiegte dort den Karlsruher SC. In derselben Saison mußte sich der Klub allerdings auch aus der Bundesliga verabschieden. Das sind doch alte Kamellen, sagt der junge Torwart Wiese. Er will ausschließlich positiv denken.

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