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Die „einst spaßigste Mannschaft“ der Welt
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| Donnerstag, 25. März 2004
Ronald Reng (SZ 31.5.) über die „einst spaßigste Mannschaft“ der Welt. „Manchmal spielen Teams nach einem Platzverweis zu zehnt besser als zuvor zu elft. Weil sie im Angesicht des sicheren Untergangs über sich hinauswachsen. Das ist die einzige Chance, die Irland ohne Keane hat. Aber so ein Kraftakt gelingt vielleicht einmal, wohl kaum in drei Vorrundenspielen. Mit Keane, ihrem Kapitän, ihrer Inspiration, ihrem Höllenhund im Mittelfeld, hätte Irland eine echte Überraschung der WM werden, das Viertelfinale erreichen können. Die Spieler in Izumo versuchen, nicht daran zu denken. Tapfer kämpfen sie um ihr Lachen. Im Mannschaftsbus haben sie eine Karte auf Roy Keanes nun leeren Platz gestellt. RIP Roy, steht darauf. Das ist die englische Abkürzung für: Ruhe in Frieden, Roy.”
Mit der durch einen Konflikt mit Trainer McCarthy provozierten Suspendierung Roy Keanes befasst sich Philipp Selldorf (SZ 28.5.). „Vieles ist wie früher. Manches nicht mehr. Damals war die Inselrepublik ein Land am Rande Europas; seit 1993 ist Irland der keltische Tiger mit dem höchsten realen Wirtschaftswachstum in der Union. Die quirlige, hektische Hauptstadt Dublin steht der Metropole London nicht nach; alle teuren Marken haben hier ihre Heimat gefunden, ein neuer Wohlstand hat das Land erfasst, und selbst die Heilsarmee baut großzügig neu. Auch Irlands Fußball schließt Bekanntschaft mit den modernen Zeiten. Beim Nigeria- Match machte der Verband gegen Rassismus mobil, ein bisher unbekanntes Phänomen auf der Insel. Da keimte sie schon, die „furchtbare Tragödie für Irlands Fußball“, wie der frühere Nationalspieler Paul McGrath es nannte. Der Konflikt zwischen McCarthy und dem aus Japan verbannten Kapitän Roy Keane, 30, entlud sich in persönlichen Angriffen, aber er brachte den Iren auch die neue Erfahrung von den Schwierigkeiten, die ein alle überragender Spieler hervorruft. Keanes Fanatismus als Fußballer hat ihn zum Weltstar gemacht, bei Manchester United erlebt er Professionalismus in Reinkultur, doch im Nationalteam traf sein Ehrgeiz auf die irische Genügsamkeit des Außenseiterbewusstseins.“
„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, scheint die Devise im irischen Lager zu sein. Nachdem Mick McCarthy noch definitiv ausgeschlossen hatte, sich mit Roy Keane zu versöhnen, berichtet die Irish Times (24.5.), dass die Rückholaktion Keane bereits auf vollen Touren läuft: „Premierminister Ahern bestätigte, dass er sich gegebenenfalls aus den Verhandlungen über eine neue Regierung zurückziehen werde, um über den irischen Kader zu verhandeln. Ein Regierungssprecher bestätigte weiterhin, dass Mr. Ahern bereits Kontakt zu Vertrauten von Roy Keane und Mick McCarthy aufgenommen und sich als Vermittlungspartner angeboten habe. Mr. Ahern bleibe jedoch auf alle Fälle neutral in diesem Konflikt. Die öffentlichen Sympathien sind hingegen klar auf Seiten von Mick McCarthy, der auch vom irischen Fußballverband volle Rückendeckung erfährt.“
Das Team Irlands hat mit der Suspendierung seines Kapitäns und Weltstars Roy Keane einen schweren sportlichen Verlust zu beklagen. Christian Eichler (FAZ 24.5.) berichtet über Deutschlands Vorrundengegner. „Seit Ende des 19. Jahrhunderts hatten die gälischen Spiele, Hurling und Gaelic Football, großen Anteil am Entstehen eines Nationalbewusstseins in der armen Agrarkolonie des Empire – noch heute sind sie neben Kirche und Pub das Rückgrat des ländlichen Irland. Aber erst über den Fußball haben die neuen Iren die Welt entdeckt. Tausende der fröhlich-grünen Fans, die 1990 italienische Stadien bevölkerten und Sympathien gewannen, hatten zuvor nie ihre Heimat verlassen. Viele nahmen für die Reise nach Amerika 1994 Kredite auf, an denen sie noch heute zahlen, da sie wieder einen neuen für Japan und Korea brauchen (…) Ein Ausfall des Stars von Manchester United, der zuletzt wegen Knieproblemen fünf Länderspiele verpasste und im Klub eine frustrierende Saison erlebte, galt lange als der größte denkbare Rückschlag. Nur mit Keane, hieß es, habe das Team Herz und Hirn. Geführt von dem Mittelfeldantreiber, wurde es mit kompakter Abwehr und flinken Stürmern zu einem Team, für dessen größte Qualität das englische Blatt „Observer“ einen Vergleich aus dem Boxsport heranzog: „Punch above its weight“, die Schlagkraft einer höheren Gewichtsklasse als die, der man angehört.“
Streit oder gar Schlägereien zwischen Spielern, Streit zwischen Spieler und Trainer oder zwischen Spielern und Konditionstrainer scheinen bei der WM-Vorbereitung in fernöstlichem Klima an der Tagesordnung zu sein. Dominic Fifield und Daniel Taylor (Guardian 24.5.) gehen den Streitigkeiten im irischen Team nach. „Roy Keanes internationale Karriere scheint letzte Nacht ein bitteres und explosives Ende gefunden zu haben, als der Mittelfeldspieler der Iren mit Schimpf und Schande von seinem Manager Mick McCarthy nach Hause beordert wurde. „Wir stehen zu 110% hinter Mick“ sagte Torhüter Alan Kelly. „Ich war darüber schockiert, was Roy alles gesagt hat; die meisten Spieler waren es. Ich hätte keine Bedenken ihm zu sagen, dass das, was er gesagt hat, nicht akzeptabel ist. Es gibt eine Grenze, die man nicht überschreiten sollte, aber Roy hat sie überschritten.“ McCarthy fügte dem hinzu: „Ich kann und werde solche Beschimpfungen nicht tolerieren. Das ist eine schwerwiegende Entscheidung, aber ich kann nicht mit einem Mann ins Turnier gehen, der nur Missachtung und keinerlei Respekt für mich übrig hat. Ich habe die richtige Entscheidung getroffen, nicht nur zu meinem Vorteil, sondern zum Vorteil des ganzen Kaders. Ich habe Leute verteidigt, unterstützt, bin für Leute aufgestanden, aber nun ist es Zeit, für mich aufzustehen und mich zu unterstützen. Manchmal sieht Roy die Welt nur durch seine eigenen Augen. Das habe ich satt. Es gibt keine Möglichkeit mehr, meine Meinung doch noch zu ändern.“”
Ärger gibt es im irischen Lager. So wäre Kapitän Roy Keane nach einem handfesten Streit mit einigen Co-Trainern fast abgereist. In einem exklusiv Interview mit der Irish Times (23.5.) erklärt er warum: „Ich bin hierher gekommen, um mein Bestes zu geben, und das Gleiche erwarte ich von dem gesamten Team. Dieser Aufenthalt ist allerdings die Spitze des Eisbergs. Das Hotel ist zwar in Ordnung, aber wir sind hier um zu arbeiten. Warum Spieler sich verletzen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Nationalteams, die um einiges schlechter sind als wir, auf einem solchen Platz trainieren. Ich denke, es ist nicht zu viel verlangt, wenn man einen wassergesprengten Platz erwartet. Der Platz ist steinhart und daher gefährlich. Ein oder zwei Jungs haben schon Verletzungen, und ich wundere mich nur, dass nicht schon mehr passiert ist.“
Kamerun
Die Notizen von Bartholomäus Grill (DieZeit 29.5) vermitteln Eindrücke aus Afrika und bestätigen Kamerun als einer der Geheimfavoriten. „Das deutsche Auge sieht in Afrika pro Match mehr Fallrückzieher als in einer gesamten Saison der Bundesliga, dazu wunderliche Tricks, die es in derselben gar nicht gibt. Der Rest ist aber planloses Gestochere im Mittelfeld und tausend vergeben Torchancen. Und das Publikum? Von wegen brasilianische Samba! Es ist oft so still, dass man einnickt. Oder es kommt gar keiner. (…) Nun darf wieder spekuliert werden über die Ballkünste in Afrika. Wie ist die launische Diva aus Nigeria drauf? Was können die Frischlinge aus dem Senegal? (…) Aber echte Hoffnungen auf Halbfinale dürfen sich eigentlich nur die Kameruner machen. Sie haben derzeit die besten Kicker im Süden der Sahara und einen Trainer aus dem Norden: Winnie Schäfer, den teutonischen Fuchs. Sie nennen sich Indomitable Lions, unzähmbare Löwen. Sehenswert, wie sie neulich die Abwehr der Argentinier ausgetanzt haben.“
Über das Erfolgsgeheimnis von Kameruns Nationaltrainer berichtet Christoph Biermann (SZ 25.5.). Schäfer nimmt sich offensichtlich im richtigen Maße zurück. „Er war intelligent genug, zu verstehen, was afrikanische Fußballerbrauchen und hat uns Freiheiten gegeben“, sagt Mboma (Nationalspieler), „wir können essen, was wir wollen. Wir müssen nicht zu früh aufstehen. Wir haben Spaß im Training. Wenn wir lachen, heißt es nicht gleich, dass uns Konzentration fehlt.“ Angesichts dieser Bereitschaft, seinem Team Freiräume zu lassen, ist der Trainer mit der blonden Mähne aus Sicht von Mboma „fast zum Afrikaner geworden“. Die eher emotionale Arbeitsweise von Schäfer passt zu einer Mannschaft, die sowieso weiß, worum es geht.“
Zur Bedeutung des Fußballs im Land nimmt Hardy Hasselbruch (FAZ 25.5.) Stellung. „Solidität, Stabilität und Kontinuität sind nicht gerade verbreitet im afrikanischen Fußball, und Kamerun macht da keine Ausnahme. Man lebt auch sportlich von der Hand in den Mund. Trotzdem bringt das Land mit seinen 16 Millionen Einwohnern Jahr für Jahr so viele Talente hervor, dass sich keiner der begeisterungsfähigen Anhänger um Gegenwart oder Zukunft der Nationalmannschaft sorgen muss. Fußball ist in Kamerun Staatsangelegenheit. Vor jedem großen Turnier lässt Staatspräsident Paul Biya die Mannschaft nach Yaoundé einfliegen, um sie mit markigen Worten auf die bevorstehende Aufgabe einzustimmen. Die übrigen Minister folgen. Jeder will sich im Glanz der Fußballhelden sonnen, jeder malt mit Pathos und vor allem Patriotismus die glorreiche sportliche Zukunft in den hellsten Farben. Und zum Abschluss wird gemeinsam die Nationalhymne gesungen.“
Oliver Trust (Tsp 24.5.) kommentiert den abwechslungsreichen Job Winnie Schäfers im Traineramt Kameruns. “Er musste alles machen. Fußballschuhe organisieren, Rasen mähen, Flüge buchen, Vorbereitungsspiele verabreden und dem Koch sagen, „er soll die Fliegen vom Hähnchen waschen“, bevor er das Mittagessen in die Pfanne schmeißt. Oder, jüngstes Beispiel, die Anreise nach Japan, begleitet von zahlreichen Widrigkeiten. Nachdem die Mannschaft am Mittwoch nach einem mehrstündigen Tank-Aufenthalt in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba weiterfliegen konnte, schloss sich bei einem weiteren Zwischenstopp zunächst ein neunstündiger Aufenthalt in Bombay an. Der Anschlussflug nach Fukuoka in Japan musste unterbrochen werden, weil Kambodscha, die Philippinen und Vietnam die Nutzung ihres Luftraumes nicht genehmigen wollten. In der Nacht zum Freitag sollte der Afrika-Meister in Fukuoka ankommen. Dann stand noch eine dreistündige Busfahrt zum Quartier in Nakatsue an. Die gesamte Reisedauer betrug an die 50 Stunden.”
Über den “verblüffend erfolgreichen” Trainer Kameruns – Winnie Schäfer – schreibt Thilo Thielke (Spiegel 18.5.). “Trainer in Deutschland zu sein bereitete ihm nämlich keine rechte Freude mehr; seine letzten beiden Engagements beim VfB Stuttgart und bei Tennis Borussia Berlin endeten desaströs. Zeitungen lästerten über sein vermeintlich letztes Schäferstündchen, und Spieler wie Berlins Torwart Goran Curko behaupteten, Schäfer habe tausend Gesichter und überhaupt keine Linie im Umgang mit Menschen. Der Coach haderte mit dem Schicksal (…) Und was das vielleicht Erstaunlichste an der ungewöhnlichen Beziehung zwischen dem blonden Deutschen mit dem roten Kopf und den eigenwilligen Fußballartisten aus Afrika ist: Zwischen Trainer und Spielern herrscht eine anfangs kaum für möglich gehaltene Harmonie. Die schwarzen Weltklasse-Fußballer respektieren den Coach aus der badischen Provinz (…) Schäfer tritt in dem Land, das von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg deutsche Kolonie war und in dessen Geschichtsbüchern immer noch deutsche Disziplin gerühmt wird, nicht mit der Attitüde des Kolonialherrn auf, sondern bescheiden und wissbegierig. Und dieses Auftreten macht ihn in Afrika sympathisch – obgleich er es vielleicht übertreibt, wenn er nach der Ehrung in Jaunde bereits davon spricht, dass wir bei unserem Staatspräsidenten waren. Vielleicht macht Schäfer, ein Schüler und Verehrer des Mönchengladbacher Meistertrainers Hennes Weisweiler, in Kamerun nicht besonders viel richtig, ziemlich sicher macht er jedoch ganz wenig falsch.”
Ronald Reng (FR 17.4.) über die Trainertätigkeit des ehemaligen Bundesligatrainers Winnie Schäfer in Kamerun. “Während europäische Beobachter eher skeptisch beäugen, wie Schäfer sprachlos in Afrika arbeitet, beteuert der heute 46-jährige Nkono, der als elastischer Hüter des kamerunschen Tors bei den Weltmeisterschaften WM 1982 und 1990 zur Legende wurde, selten hätten sich Kameruns Profis von einem Trainer so verstanden gefühlt. Es sind weniger taktische Raffinessen als gute Gefühle, die der Deutsche vermittelt (…) Das ist die Stärke des Rotblonden. Der Karlsruher SC lebte Anfang der neunziger Jahre vom Teamgeist, den der Gruppenmensch Schäfer verbreitete. In menschlich schwierigerer Umgebung, beim VfB Stuttgart und bei Tennis Borussia Berlin, hat er sich später weniger gut zurechtgefunden. Doch für die kamerunsche Nationalelf ist seine umgängliche Art eine erfrischende Erfahrung.”
Die NZZ (28.3.) zeigte sich vom Spiel Argentinien – Kamerun (2:2) begeistert. “Der Match, man muss es vorausschicken, war ein glänzender Vorgeschmack auf die WM-Endrunde. Wer allmählich genug hat vom Spiel europäischer Ausrichtung oder vom ordentlich biederen Champions-League-Durchschnitt, ergötzte sich zuweilen an den akrobatischen, läuferisch wie technisch hochstehenden Darbietungen beider Parteien auf dem Charmilees-Rasen. Man gewann Appetit auf mehr (…). Freilich entsprach das Unentschieden dem enorm schnellen Geschehen, wenn auch Abgeklärtheit und spielerische Klasse auf argentinischer Seite fortgeschrittener waren. Die “Löwen” machten dies mit Phantasie, Tempospiel und Beweglichkeit wett. Eine eindrückliche Demonstration, ein Gout leckeren Dreisterne-Fußballs war in Genf zu genießen.”
Saudi-Arabien
Den heutigen Gegner der deutschen Fußballelf nimmt Hartmut Scherzer (FAZ 1.6.) unter die Lupe. „Der Teamchef und sein Stab kennen den Gegner ohnehin fast in- und auswendig: ein herausragender Torhüter, zwei gute Innenverteidiger, ein kompaktes Mittelfeld, eine echte Spitze, keine ausgesprochenen Kopfballspezialisten, aber gefährlich bei Standardsituationen (…) Der Kapitän heißt Sami Al-Jaber, ist 29 Jahre alt, spielt Stürmer oder hinter der Spitze, hat 153 Länderspiele absolviert und durfte als bisher erster und einziger saudischer Nationalspieler nach Europa wechseln. Das Abenteuer bei Wolverhampton Wanderers dauerte aber nur acht Monate. Das Leben als verhätschelter Fußballgünstling der Königsfamilie ist für einen Saudi eben doch angenehmer.“
Yousuf Almohimeed (FAZ 31.5.) beschreibt den gesellschaftlichen Stellenwert des Fußballs in Saudi-Arabien, morgiger Gegner Deutschlands. „Aufgrund der sozialen Ordnung, die an den gesellschaftlichen Gebräuchen und Traditionen als Grundlage festhält, gibt es in Saudi-Arabien nur wenige Möglichkeiten der Unterhaltung. Allein das Wort Theater erzeugt eine eigentümliche Empfindlichkeit und eine offen ablehnende Haltung, weil das Theater in den letzten Jahren im kollektiven Gedächtnis eine Assoziation mit Dekadenz, Sittenlosigkeit und Werteverfall hervorgerufen hat; jenen Werten, die darauf gerichtet sind, den Menschen zu erlösen und ihn ins Diesseits hinüberzuretten. Dies geschieht allerdings ohne Rücksicht auf ein allgemeines Verständnis gegenüber dem Theater als einer Kunst, die zur geistigen Bildung und zur sozialen und politischen Kritik beitragen kann. Hinzu kommt, daß die Kinosäle noch keinen Platz in diesem Land gefunden haben – wohl aus demselben Grund. Das Kino wird sogar noch schärfer abgelehnt. Auch wenn es seltene Theateraufführungen gibt, die meistens für die Teilnahme an arabischen oder internationalen Festivals inszeniert werden, bleibt das Theater völlig isoliert und wird mit Schüchternheit betrieben. Es wird weitgehend vom Publikum gemieden. Natürlich besteht das Publikum ausschließlich aus Männern, denn die Frauen dürfen weder das Theater besuchen noch mitwirken. Deshalb wurde der Fußball seit langem zu einem wichtigen Medium der Unterhaltung und des Zeitvertreibs.“
Reem Abdullah (SZ 27.5.) über Politik und Fußball. „al Jaber ist der Star beim Vorzeigeverein Al Hilal aus Riad. Und er ist der besondere Liebling vieler Prinzen, die im Aufsichtsrat des Clubs sitzen. Sport und Politik vermischen sich in der Wüstenmonarchie. In einem BBC-Bericht wurde der Fußball in Saudi-Arabien als so wichtig bezeichnet wie Politik in Lateinamerika. Die Prinzen nehmen Einfluss, und der reicht nicht selten bis auf das Spielfeld. Im letzten Finale des Königspokals zwischen Al Hilal und Al Ittihad aus Dschidda übersah der Schiedsrichter geflissentlich einen Elfmeter und vermied eine rote Karte für ein Foul eines Abwehrspielers des Prinzenvereins. Das spätere Entschuldigungsschreiben des so genannten Unparteiischen wegen seiner offensichtlichen Fehlentscheidungen brachte dem unterlegenden Verein aus der Hafenstadt nur wenig Trost (…) Wenn Al Hilal in einem Endspiel steht, dann kann man tatsächlich ziemlich sicher sein, dass der Verein auch gewinnt.“
Mit Deutschlands erstem Vorrundengegner Saudi-Arabien beschäftigen sich zwei Autoren. Rainer Hermann (FAZ 22.5.) über die befruchtende Wirkung fußballstilistischen Imports. „Lange hatten technische Direktoren aus Brasilien dem jungen saudischen Fußball ihren Stempel aufgedrückt, haben sie den saudischen Spielern, deren Körperbau dem der Brasilianer ähnelt, die südamerikanische Spielfreude vermittelt. Erst in den letzten Spielzeiten haben Trainer aus Europa, vor allem aus Bulgarien und Irland, mehr Gewicht auf europäische Eigenschaften gelegt, auf die physische Ausdauer und Kampffußball. Die Erwartungen an die saudische Nationalmannschaft unter dem Coach Nasr al Dschauhar sind bei dieser WM dennoch nicht hoch. Saudi-Arabien werde sich aber auf seine Tugenden besinnen, auf Geschwindigkeit und Technik. Tugenden, die vor nicht allzu langer Zeit brasilianische Spieler und Trainer auf die Arabische Halbinsel gebracht hatten.“
Martin Hägele (NZZ 22.5.) über die hemmende Wirkung des Mangels an fußballerischem Export. „Erst 1998 hat der Verband seinen Profis den Wechsel ins Ausland erlaubt. Die Klubs dagegen pflegen weiter den fußballerischen Inzest, indem sie die Spieler nicht freigeben oder wie im Falle von al-Temyat unerwartete Preisforderungen stellen. Als sich die Klubs Rhoda Kerkrade und Al Hilal über einen Transfer des prominentesten arabischen Spielers für eine Ablöse von zwei Millionen Dollar schon einig schienen, sollte al-Temyat über Nacht plötzlich das Doppelte kosten. All die Abdullahs, Mohammeds und Omars sind nichts anderes als das Spielzeug diverser Ölmilliardäre. Die Fußballmannschaften sollen sportliche Unterhaltung bieten, so wie Rennkamele, Rennpferde und Jagdfalken. Und mit diesem erkauften Vergnügen, wurde lange genug geglaubt, lasse sich letztlich ganz Fußball-Asien dominieren. Otto Pfister, einer von vielen ausländischen Nationaltrainern, hat vor vier Jahren noch behauptet, dass die Länder und Emirate rund um den Golf, im Besonderen auch die Saudis, sich in Sachen Fußball dem Rest weit überlegen sehen. Das sei auf die Körpermasse und die paradiesischen Gegebenheiten zurückzuführen. Mittlerweile aber haben sich die Kräfte ganz klar gegen Osten verlagert. Japan, Südkorea und das aufstrebende China zeigten den verwöhnten Saudis, welcher Weg zu beschreiten ist, um selbst in fremden Ligen hohe Ziele zu erreichen. Ehrgeiz, Einsatz und Mut sind hier gefragt, nicht die Annehmlichkeiten des Geldes.“
Gewinnspiel für Experten