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Die Entwicklungen auf dem Transfermarkt – ein Weltmeister in Berlin – Lizenzverweigerungen in Italien u.a.
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| Donnerstag, 25. März 2004Die finanziellen Regressforderungen der beiden Bundesliga-Manager Uli und Dieter Hoeneß, wonach der DFB für die Verletzungen von Deisler und Rehmer aufzukommen habe, kommentiert Philipp Selldorf (SZ 25.7.). „Manchem mag auf den ersten Blick die Forderung der Manager obszön vorkommen, wo sich doch jeder Klub glücklich schätzt, wenn einer seiner Profis zum Nationalspieler befördert wird, und wo doch niemand bestreiten würde, wie die Nationalelf die Fußballbegeisterung des Publikums prägt. Trotzdem ist das Verlangen nicht abwegig, denn der DFB ist finanziell in der Lage, Verantwortung für die Spieler zu tragen (…) Ausnahmsweise könnte die Bundesliga von Amerika lernen. Dort ist es üblich, dass der Verband vor großen Turnieren Basketballer und Eishockeyspieler für den Ernstfall versichert. Eine kluge Regelung würde dem DFB die nächste Debatte mit der Liga erleichtern: Die Vereine wollen die Anzahl der Testländerspiele reduzieren, der DFB möchte sie beibehalten. Schließlich verdient er bestens daran.“
Über die Lizenzverweigerungen in Italien (Lazio Rom und AS Roma) heißt es bei Dirk Schümer (FAZ 25.7.). „Im Falle von AS Rom scheint der blaue Brief eher auf einer internen Intrige zu beruhen. Der neue Liga-Chef, Adriano Galliani vom AC Mailand, zeigte dem nicht gerade befreundeten Vereinseigner Franco Sensi die dunkelgelbe Karte, weil dieser Abgaben an den Verband, die er für überhöht hielt, schuldig blieb. Der pikierte Sensi versprach nun zähneknirschend, seine zwei bis drei Millionen Euro Schulden nachzuzahlen, was für den schwerreichen Unternehmer kein Problem sein dürfte. Sensi selbst hatte noch vor Jahresfrist über die aufgeblähte Misswirtschaft des italienischen Profifußballs gehöhnt und sich über die Tauschgeschäfte zwischen Vereinen zu Phantasiesummen lustig gemacht. Sein Stadtrivale Sergio Cragnotti, ein Finanzjongleur und erwiesener Experte des Transfermarktes, ist nun mit Lazio Rom gerade dadurch in eine echte Krise geraten. Wie Roma ist auch Lazio bei der Börse notiert – eine weitere Geldbeschaffungsmaßnahme der Vergangenheit; beide Aktienkurse wurden durch den vorläufigen Ausschluss vom Spielbetrieb erheblich beschädigt. Auch Cragnotti versprach eilig, mit Hilfe seiner Banken die fehlenden Bürgschaften nachzureichen; doch ist inzwischen amtlich, dass er Gehälter einiger Stars nicht bezahlt hat. Dass es dem trickreichen Cragnotti trotz aller Probleme noch einmal gelingen wird, die Gelder zusammenzubekommen, bezweifeln die Experten freilich nicht ernsthaft.“
Christoph Albrecht-Heider (FR 26.7.) meint dazu,. „Wenn Lazio und AS die Lizenz verweigert würde, dann stünde die italienische Kapitale ohne Erstligist da. Selbstverständlich werden sie die Spielgenehmigung für die Serie A nachgereicht bekommen, und sei es nur, dass irgendein reicher Unternehmer tut, was in seinen Kreisen einem karitativen Akt gleich kommt: Lokale Profis päppeln. Letztlich werden Lazio und AS, mindestens aber einer der beiden Hauptstadt-Vereine, die Lizenz schon allein deshalb erhalten, weil Spitzenfußball in Italien ohne einen Repräsentanten der Hauptstadt undenkbar ist.“
Birgit Schönau (SZ 25.7.) zum selben Thema. „Angesichts dieser Aussichten bewegt sich auf dem Transfermarkt überhaupt nichts. Als einziger möglicher Coup wird Rivaldos Wechsel zum AC Mailand gehandelt – Patron Berlusconi könnte aus Prestigegründen tief in die reich gefüllte Privatschatulle greifen. Ansonsten bleibt wohl alles beim alten, auch die Trainer sitzen so fest im Sattel wie nie.“
Die Entwicklungen auf dem Transfermarkt hat Wolfgang Hettfleisch (FR 25.7.) im Auge. „Sollte mit dem Bosman-Urteil auch beabsichtigt gewesen sein, die perversen Auswüchse des Transfergeschäfts zu kappen, so ging dieser Versuch anfangs voll in die Hose. Die längst offenkundige Krise im europäischen Fußballgeschäft scheint das grundlegend zu ändern. Der Zwang zur betriebswirtschaftlichen Vernunft ist bei den Klubs so stark, dass der FC Barcelona einen 30 Jahre alten Mitarbeiter mit Schlüsselqualifikation namens Rivaldo Vitor Borba Ferreira in den Wind schreibt, solang man damit nur seine exorbitanten Lohnkosten verringern kann (…) Die Zukunft des Berufsfußballs könnte wechselnden Engagements mit kurzer Laufzeit gehören. Der vor Bosman gern beklagte „Sklavenmarkt“ wäre abgeräumt – Vereinstreue der Spieler und Identifikationspotenzial für die Fans wohl gleich mit.“
Über den Berliner Neuzugang lesen wir bei Javier Cáceres (SZ 27.7.). „Die Operation Luizão ist ein hübsches Geburtstagsgeschenk, das sich Hertha macht; der Berliner Bundesligist beging gestern die 110. Wiederkehr seiner Gründung im Beisein von Honoratioren aus Sport und Politik. Doch geht die Bedeutung des Transfers auch darüber hinaus. Die strategischen Ziele (Präsident Bernd Schiphorst: „Endlich die deutsche Meisterschaft“) werden nochmals untermauert. Des weiteren ist die Verpflichtung auch symptomatisch für die Lage des europäischen Fußballer-Marktes – noch nie hat ein Bundesligist einen Weltmeister unmittelbar nach Beendigung der WM unter Vertrag nehmen können. Luizão hat zuletzt mit italienischen und spanischen Klubs kokettiert, doch dort sind die Wechselbörsen abgestürzt (…) Luizão entschied sich für Hertha auch deshalb, weil die Berliner ihm garantieren können, was anderswo in der weiten Fußballwelt weniger gesichert ist: die pünktliche Bezahlung.“
Dirk Graalmann (SZ 26.7.) schreibt über die dritte deutsche Spielklasse. „Die dritte Spielklasse, zu besten Zeiten die Liga mit dem unvergleichlichen Charme des Lokalkolorits, versprüht für das Gros der Fußball-Fans die Attraktivität einer Abrissbirne. Die Liga, vor zwei Jahren von einer Vierteilung auf zwei Staffeln zusammengeführt, leidet unter strukturellen Problemen. „Es ist jedes Jahr wieder ein Kampf“, sagt Essens Geschäftsführer Nico Schäfer. Dabei empfinden sich die Klubs regelmäßig als Don Quichottes, als Kämpfer ohne Aussicht auf Erfolg. Die ohnehin nicht sonderlich erkleckliche Summe an TV-Einnahmen in Höhe von 375.000 Euro je Klub wird den Vereinen in vier Raten bezahlt – die ersten beiden wandern sofort weiter an die Berufsgenossenschaft. Vor dieser Saison entschied der DFB- Bundestag zudem gegen den massiven Widerstand der Klubs eine Zwangsregelung zur Förderung des Nachwuchses einzuführen. Nun müssen in jedem Spiel bei jedem Team mindestens vier deutsche Kräfte unter 24 Jahren auf dem Spielberichtsbogen stehen. „Wir sind das Ausbildungslager für oben geworden“, sagt Schäfer unter deutlichem Grollen. „Nur werden wir für unsere Leistung nicht bezahlt.“ Was bleibt, ist die stete Hoffnung auf das Ticket zur Flucht.“
Die halbjährige Sperre für Jan Ullrich kommentiert Hans-Joachim Waldbröl (FAZ 25.7.). „Der Anfangsverdacht, dass da wohlgesinnte Verbandsjuristen und der positiv getestete Branchenführer unter dem Verhandlungstisch gemauschelt hätten, kann im Keime erstickt werden – zur Beruhigung der Skeptiker und zur Enttäuschung aller Verschwörungstheoretiker: Jan Ullrich ist nach dem eingestandenen Genuss von Partydrogen Gerechtigkeit widerfahren; der Richterspruch ist geprägt von der angebrachten Strenge, aber auch ausgezeichnet durch die vertretbare Milde. Wenn die Verteidigung ihre Bereitschaft, auf ein langwieriges juristisches Gefecht über die volle Länge des Instanzenweges zu verzichten, an ein akzeptables Strafmaß bindet, so ist diese Absprache nicht nur legal, sondern sogar sachdienlich. Im amerikanischen Recht ist das Pre-bargaining, das Vorverhandeln, gang und gäbe. Anrüchig wäre dieser vermeintliche Deal nur, falls sich die Richter durch einen Beschuldigten von der gebotenen Strafe herunterhandeln ließen, damit er ihnen – anders als der Langläufer Dieter Baumann mit seinem zweieinhalbjährigen Gerichtsmarathon – bloß keine Scherereien mache.“
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