indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Die Fußballpresse konnte diese Woche eine kleine Pause einlegen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Die Fußballpresse konnte diese Woche eine kleine Pause einlegen

Die Fußballpresse konnte diese Woche eine kleine Pause einlegen. Bevor in der kommenden Zeit bis zur Winterpause so genannte englische Wochen mit straffem Europapokalprogramm und Länderspielen auf uns warten, mussten dieses Mal lediglich der VfB Stuttgart sowie der FC Bayern München ran, um sich für Uefa-Cup bzw. Champions League zu qualifizieren; in beiden Fällen erfolgreich. Vom Sieg des „weißen Balletts“ – mit dieser Vokabel biedern sich mittlerweile private wie öffentlich-rechtliche TV-Anstalten dem deutschen Rekordmeister an – über Partizan Belgrad nahm in den hiesigen Gazetten kaum Notiz: kein Nachrichtenwert. Sowieso sei eine Saison der europäischen Königsklasse ohne die Münchner eine „weltfremde Vorstellung“, wie die FAZ meint. Dahingegen kann der nicht unbedingt zu erwartende Ui-Cup-Triumph der finanzschwachen Schwaben einem Geldsegen gleichkommen, insofern die Machenschaften des erneut sich strafrelevanten Vorwürfen ausgesetzt sehenden Ex-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder dem Klub nicht einen Strich durch die Rechnung machen. Sollten sich die Verdachtsmomente gegen MV erhärten, könnte den Stuttgartern sogar der Ausschluss aus dem europäischen Wettbewerb drohen. Es ist traditionell die SZ, die an dieser Stelle ihrer Aufgabe am sorgfältigsten nachgeht, das Treiben der Funktionäre kritisch zu kommentieren.

Weitere Themen: Medienhype in Wolfsburg, italienisches Supercup-Finale in Lybien u.a.

Anlässlich des Einzugs des VfB Stuttgart in den Uefa-Cup wirft Martin Hägele (SZ 29.8.) ein. „Der Klub hat sich zwar international zurück gemeldet, doch das große Geld ist nicht garantiert. Der VfB darf sich an der Uefa-Cup-Lotterie beteiligen, mehr nicht. Womöglich ist selbst „die große Erleichterung, dass wir uns für eine Weile Ruhe verschafft haben“ (Magath), rasch verschwunden. Denn sollten sich die Vorwürfe des ZDF-Magazins Frontal 21 gegen Gerhard Mayer-Vorfelder bestätigen, wonach der ehemalige VfB-Chef den Transfer des Brasilianers Didi über eine Briefkastenfirma auf den Virgin Islands abwickeln ließ, könnte das Finanzgebaren MVs auch in Stuttgart Folgen haben. Mit Strafen durch den Weltverband Fifa bis zum Ausschluss aus Wettbewerben (…) Es bräuchte nur einen Geschädigten oder Kläger. Die Nachfolger des Paten vom Wasen aber werden kaum gegen MV zu Felde ziehen – wenn sie sich dabei selbst strafen könnten. Auch in der Fifa wird man kaum das eigene Exekutivmitglied und den Verbandschef aus Deutschland unter Anklage stellen. Dazu sind die Herren, besonders MV und der Fifa-Boss Sepp Blatter, viel zu eng miteinander verbunden.“

Peter-Michael Petsch (taz 29.8.) meint zu diesem Spiel. „Am Neckar hat das große Büßen für die Fehler der Vergangenheit begonnen: Da wurden Spieler zu beinahe jedem Preis verpflichtet, die entweder halbe Sportinvaliden waren oder kaum Oberligaformat hatten. Spieler, die – nachdem sie genug verdient hatten – ablösefrei gingen. Eine unrühmliche Zeit, die den Verein in seine finanzielle Schieflage brachte. Dies will man in Stuttgart nun auch nicht mehr klaglos hinnehmen. So ließ der Verein die Abschlussbilanzen der Jahre 1997 bis 2000 von einem Wirtschaftsprüfer durchleuchten. Scheinbar mit greifbaren Ergebnissen, denn das umfangreiche Gutachten liegt nun bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und bei einem Anwaltsbüro. Das soll prüfen, ob man die Verantwortlichen für den Schuldenberg belangen kann.“

Thomas Kistner (SZ 29.8.) kritisiert. „Zieht man dieses Sittenbild des modernen Fußballfunktionärs heran, bleibt zweierlei festzuhalten. Einmal, dass der oberste Steuerfahnder der Republik, Dieter Ondracek, vielleicht nicht falsch liegt mit seiner Einschätzung, dass dem Gewerbe generell eine mafiöse Mentalität eigne. Schubladenverträge, Handgelder, fingierte Werbeverträge und die besonders beliebten dunklen Kanäle bei Auslandstransfers werden in so einem Milieu ja gewiss eher gepflegt als unter rechtschaffenen Ehrenmännern. Zum anderen zeigt sich, dass der Fußball in dieser beklagenswerten Gemengelage wenigstens die passende Galionsfigur erwählt hat: Mayer-Vorfelder. Ein Netzwerker, der Affären wie ein Magnet anzieht. Und ungeniert zu überleben pflegt.“

Jörg Marwedel (SZ 29.8.) richtet seinen Blick gen Norden. „Fußball im Norden, das ist nach den ersten Wochen der Saison 2002/2003 vor allem: Frust, Krise, Chaos und der Blick nach unten. Daran können auch der VfL Wolfsburgs mit seinem Altstar Stefan Effenberg, 34, und der wundersame Höhenflug des Zweitliga-Aufsteigers VfB Lübeck an die Tabellenspitze nichts ändern. Zu groß ist bei den anderen die Kluft zwischen verklärter Erwartung und Realität.“

„Es läuft, medientechnisch gesehen, prima in Wolfsburg“, schreibt Thomas Kilchenstein (FR 28.8.). „Seitdem ruchbar ward, dass Stefan Effenberg zukünftig in grün-weiß wider die Kugel zu treten sich nicht zu schade ist (und sich mit schlappen zwei Millionen Euro geschätzt, grummelnd zwar, aber immerhin, zufrieden gibt), hören und lesen wir landauf, landab so furchtbar vieles über diesen bislang eher durch die lustige Alliteration Wolfgang Wolf in Wolfsburg bekannten Klub: 350 Zeitungsartikel und über 100 Fernsehberichte haben sie inzwischen gezählt. Da reibt sich der VW-Konzern, der 90 Prozent der Anteile am VfL hält, fröhlich die Hände. In der Woche nach Bekanntgabe dieses komischen Wechsels waren die großen Langweiler aus dem Norden öfter in den Medien als in den vergangenen drei Monaten zuvor. Der Deal hat sich schon gelohnt, der PR-Effekt ist fast unbezahlbar.“

Zur Affäre um Roy Keane heißt es bei Raphael Honigstein (SZ 28.8.). „Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, dass Ferguson der Skandal nicht ungelegen kommt. Er gibt dem Schotten die Gelegenheit, sein Lieblingsbild an die Wand zu malen: Alle sind gegen United. Der Trick mit der Wagenburg soll dem Coach helfen, von den eigenen Problemen abzulenken – das Problem dabei ist nur, dass zu der imaginären Bedrohung mit der Zeit reeller Verfolgungswahn kommt.“

Dirk Schümer (FAZ 27.8.) über das italienische Supercup-Finale. „Libyen scheint auf den ersten Blick ein etwas merkwürdiges Terrain für die Austragung des italienischen Supercup-Finales. Aber bei näherem Hinsehen überraschte es niemanden, dass das Supercup-Finale zwischen Meister Juventus Turin und Pokalsieger AC Parma ohne jeden einheimischen Anhang in der nördlichen Sahara ausgetragen wurde. Schließlich bestimmt der Landesmeister die Spielstätte, und bei Juventus Turin, dessen Alpenstadion sowieso meist halbleer bleibt, findet sich seit Januar die libysche Entwicklungsbank des Diktators Gaddafi unter den Aktieneignern. Die Nordafrikaner verwalten 5,31 Prozent der Anteile des Traditionsklubs im Wert von 23 Millionen Euro. Dafür darf man sich schon gewisse Gegenleistungen erhoffen. Auf der anderen Seite kann man sich aber durchaus wundern, wie hurtig der libysche Revolutionsführer von der Seite der Flugzeuge abschießenden Terroristen zur Fraktion der geachteten Geschäftspartner überwechselte.“

Die Sunday-Times-”Elf Beste Ausländer der Premier League“:

Tor: Schmeichel (Dänemark). Abwehr: Babbel, Hyypiä (Finnland), Stam (Niederlande), Riise (Norwegen). Mittelfeld: Hamann, Vieira (Frankreich), Gullit (Niederlande). Angriff: Zola (Italien), Klinsmann, Cantona (Frankreich).

Gewinnspiel für Experten

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

111 queries. 0,604 seconds.