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Die heikle Lage Friedhelm Funkels
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| Donnerstag, 25. März 2004Die heikle Lage Friedhelm Funkels – Heynckes’ Ansprüche unerfüllt – im SZ-Interview rechtfertigt Christian Hochstätter die Entlassung Lienens – Spiegel rügt die „kreative Steuergestaltung“ Borussia Dortmunds
Fußballkulturelles Missverhältnis
Daniel Theweleit (taz 25.9.) erläutert: „Zwischen der Stadt und ihrem obersten Fußballlehrer besteht ein fußballkulturelles Missverhältnis. Der eher biedere Funkel tritt stets freundlich und korrekt auf, verstrahlt aber keinerlei Glanz, redet weder weltmännisch noch rheinisch-humorvoll daher, er gehört wie schon als Spieler zur Kategorie zuverlässiger Arbeiter und lässt die tiefe Sehnsucht der Kölner Fußballwelt nach dem Besonderen vollkommen unbefriedigt. Friedhelm ist einfach nicht der eloquente Unterhalter, der täglich die Gazetten füllt, wie sich das viele hier wünschen, erklärte Rettig einmal die kölnischen Vorbehalte, die nun, in Zeiten des Misserfolges, zu einer ernsten Bedrohung werden. Lange übertünchte Dirk Lottner, Funkels Gegenstück im Klub, der Mann für die magischen Augenblicke, diesen Makel. In fast jedem Spiel hat er seine genialen Momente, er schoss das entscheidende Tor zum bisher einzigen Sieg, aber mit dem disziplinierten Arbeiten hat es Lottner eben nicht so sehr. Zu Zweitligazeiten bildeten Kapitän und Trainer ein kongeniales Gespann, sie ergänzten sich hervorragend und machten jeweils die Schwächen des anderen erträglich. In der Bundesliga reichen die Qualitäten des Publikumslieblings dafür aber nicht mehr aus. Das macht es auch für den Trainer schwer. Funkels Hoffnung beruht nun auf zwei Umständen: Mustafa Dogan, der als Abwehrchef verpflichtet worden ist und der wegen einer Fußverletzung pausieren musste, kehrt zurück und soll die Abwehr stabilisieren, damit die guten Offensivleistungen endlich einmal auch mit Punkten belohnt werden. Außerdem könnte Funkel davon profitieren, dass der Markt keinen adäquaten Ersatz hergibt, denn tatsächlich ist Klaus Toppmöller der einzige renommierte deutsche Trainer, der gegenwärtig ohne Anstellung ist – und der scheint sich in diesen Tagen mit Tottenham Hotspur zu einigen. Dass die Kölner dem Gladbacher Beispiel folgen und einen Neuling auf den Trainerstuhl hieven, ist jedenfalls trotz aller Parallelen nicht zu erwarten.“
Merkt euch den Namen Glieder
Richard Leipold (FAZ 25.9.) schreibt über die unerfüllten Ansprüche Jupp Heynckes’: “Die Schalker Spieler scheinen zum großen Teil weniger begabt, als der Startrainer es sich im fernen Spanien ausgemalt hatte. Ein Mann seiner Klasse hat längst gemerkt, daß manches bei weitem nicht so schön ist wie versprochen, etwa im Angriff. Es geht ihm so ähnlich wie einem Pauschalreisenden, der am Urlaubsort von der Qualität des Hotels oder Strandes enttäuscht wird. Bevor ich kam, hat man mir gesagt, wir hätten gute Stürmer, berichtet Heynckes. Doch Ebbe Sand ist entweder verletzt oder außer Form, Emile Mpenza wurde als schwer erziehbar zurück nach Lüttich geschickt, und Victor Agali weiß mit den besten Chancen nichts anzufangen. So wünschte sich der Trainer Fernando Morientes, seinen einstigen Lieblingsstürmer aus Madrid, oder wenigstens Mikael Forssell von Chelsea London. Bekommen hat er am Ende den Österreicher Eduard Glieder. Es wird eine schwierige Saison, stellt Heynckes fest, nachdem das erste Hochgefühl sich verflüchtigt hat. Die sommerliche Vorprüfung UI-Cup haben die Schalker mühsam bestanden, im Tagesgeschäft Bundesliga nur eines der ersten sechs Spiele gewonnen. Doch der Trainer gibt sich tapfer. Merkt euch den Namen Glieder, sagt er. In letzter Zeit will er sogar Fortschritte bemerkt haben – Fortschritte allerdings, die das geneigte Publikum nicht einmal durch die königsblaue Brille erkannt hat, geschweige denn mit bloßem Auge. Auf dem Boulevard fragen sie schon ein wenig bang, ob Don Jupp auf Schalke zum Don Flop wird?“
Ich halte dieses Vorgehen für professionell
SZ-Interview mit Christian Hochstätter, Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach
SZ: Ewald Lienen behauptet: ,Hochstätter hat mir jede Unterstützung entzogen, intern wie extern. Nur, um einen Mann zu installieren, der seit langem sein Wunschkandidat war.‘ Haben Sie Holger Fach vor knapp vier Wochen in dem Wissen zu Rot-Weiß Essen gehen lassen, ihn bald wieder zurückzuholen?
CH: Eindeutig nein! Ich hätte Fach in dem Fall doch einfach sagen können: ,Warte noch, bald bist Du hier sowieso Cheftrainer.‘ Ich wollte nur eine Option auf ihn für den Fall eines Trainerwechsels, denn eine solche Situation kann sich aus vielerlei Problemen immer mal ergeben. Wenn man dann einen neuen Trainer braucht, sind die Wunschkandidaten meistens nicht frei. Da ist es als Klub gut, auf einen, der in Frage kommt, Zugriff zu haben. Ich halte dieses Vorgehen für professionell.
SZ: Vielen Beobachtern und vielen Fans kommt es trotzdem komisch vor.
CH: Es ist aber keine Verschwörung. Ich habe Fach abgeraten nach Essen zu gehen, weil ich der Ansicht war, er könne sich als Amateurtrainer bei uns besser entwickeln. Als er sich trotzdem dafür entschieden hat, habe ich ihn um die Rückkehrklausel gebeten, was nur zeigt, wie viel ich von ihm halte.
SZ: Hat Lienen Recht, der behauptet, Sie hätten ihn nicht genug unterstützt?
CH: Auf keinen Fall. Er wirft mir vor, ich sei in den Urlaub gefahren, hätte mich bei ihm nicht gemeldet, und wir hätten deshalb gewünschte Spieler nicht verpflichten können. Wir haben am 24. Mai die Klasse gesichert, am letzten Spieltag also und nicht so souverän, wie Lienen jetzt behauptet. Erst da gab es Planungssicherheit, und bis zum Trainingsauftakt hatten wir nur vier Wochen. In dieser Zeit war Herr Lienen drei Wochen in Südfrankreich im Urlaub. Trotzdem hat er die Spieler bekommen, die er haben wollte. Nicht alle, weil ich beim einen oder anderen nicht seiner Meinung war. Jetzt macht er mir den Vorwurf, dass ich während der Länderspielpause im September, nach dem Ende der Transferperiode, zehn Tage weg war. Wenn ein Trainer so lange nicht ohne seinen Sportdirektor auskommt, sollte er über seine eigene Qualität nachdenken.
if-Leser rügt: „Der Vorwurf an Lienen, den Gladbach und die Presse erheben, ist nicht gerechtfertigt. Zugegeben, Lienen ist ein ungewöhnlicher Coach: Mit dem Zettelblock in der Hand, dem Charisma eines „Oberlehrers“, steht er oftmals vergeistigt am Spielfeldrand und versucht sich vor der Leistung seiner Jungs zu verstecken – man darf ihn als realitätsfremd und kleinkariert bezeichnen. Aber Ewald Lienen ist kein Trainer, den man für fünf Spiele verpflichtet. Er selbst stellt an sich und auch an den Verein den Anspruch eine Mannschaft zukunftsorientiert aufzubauen. Mit Akribie und Geduld gelang ihm dies in Rostock, Teneriffa und Köln – doch meist scheiterte er an dem „Übersichhinauswachsenwollens“ der Verantwortlichen, denen er immer versuchte, den tatsächlichen Stand seiner Mannen klar zu machen. Er ist nun mal kein Schafstall oder Berger, die gerne kurz vor Abstieg als „Retter“ geholt, durch Kabinengepolter und dem lauten Appell an die Fußballer-Ehre ein kurzes Feuer entfachen und damit Mannschaften vor dem Abstieg bewahren. Lienen weiß, welchen Job er annimmt und für wie lange; und er tat dies auch in Gladbach. Was er vorfand, war eine der schlechtesten Mannschaften der Liga: Neben Nürnberg hatte die Borussia die unflexibelste Abwehr, das farbloseste, laufschwächste Mittelfeld und den unkonsequentesten Sturm der Liga – ein sicherer Abstiegskandidat. Lob an Hans Meyer, der sich lange hielt bei solch einer Mannschaft mit solch geringen Möglichkeiten. Lob auch an Ewald Lienen, der genau wusste, wie er diese „Fohlen“ aufstellen und einstellen musste, um doch noch das waghalsige Unternehmen „Nichtabstieg“ zu bewältigen. Dank seiner und auch dank der glücklichen Verpflichtung von Mikael Forssell dürfen die Fans am Niederrhein auch diese Saison Bundesliga-Luft atmen. Doch in Gladbach hatte man nicht dazu gelernt. Die von Lienen geforderten Spieler, ein effektiver Mittelfeldmotor und ein frühzeitig, adäquater Ersatz für Forssell wurden auf die lange Bank geschoben, ausgepowerte Haudegen wie Witeczek oder Stassin wurden nur mürrisch abgegeben, auch die Abwehr wurde nicht, wie erwünscht, verstärkt. Diese Mannschaft war und ist nicht erstligatauglich. Auch ein Holger Fach wird daran nichts ändern, obwohl er mit unterklassigen Vereinen umzugehen weiß. Ewald Lienen dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben ist der falsche Weg. Ihn als nicht erstklassig zu erklären ist gewissenlos. Der Grund für die desolaten Leistungen der Gladbacher ist auf anderer Ebene zu suchen.“
Der Autor ist Fußball-Fanatiker und gibt als Hobbys Fernsehen und Trinken an.
Eklatanter Missbrauch
Jörg Kramer Christian Reiermann (Spiegel 22.9.) klären auf über die „kreative Steuergestaltung“ von Borussia Dortmund und die Tradition des Steuerbetrugs in der Bundesliga: „Wie so viele vermeintliche Errungenschaften des Sozialstaats ist auch die Steuerfreiheit für Nacht- und Feiertagsarbeit ein Überbleibsel aus dem Dritten Reich. 1940 führten die Nazis das Privileg ein, um Leistung und Moral der Rüstungsarbeiter zu steigern. Nun soll es Borussia Dortmund aus der Klemme helfen. Wie das zuständige Finanzamt Dortmund-West bestätigte, sind die Spieler des börsennotierten Kick-Unternehmens überwiegend mit Vertragsvereinbarungen über Nettogehälter ausgestattet. Wenn ein Teil der Bezüge in steuerbegünstigte Zuschläge umgewandelt wird, ändert sich an den Überweisungsbeträgen an die Profis also nichts. Den Steuervorteil hat der Club. Als der BVB zu Beginn des Jahres die Spielerverträge entsprechend modifizierte, konnte er also seine Gehaltszahlungen senken, ohne die Nettoeinkünfte der Spieler zu ändern. Fachleute taxieren das Sparpotenzial nach dem Dortmunder Modell auf 10 bis 15 Prozent der Steuern auf Personalkosten (…) In anderen Sportarten ist das Steuersparmodell längst gängige Praxis. Nur der Fußballsport wird wieder von einer Welle der Empörung erfasst wie zuletzt im vergangenen Jahr, als die von der Kirch-Krise gebeutelte Bundesliga um Staatsbürgschaften nachsuchte. Die allgemeine Aufwallung ist auch mit der langen Geschichte von Steuersünden zu erklären. Schon in den siebziger Jahren erörterte der Deutsche Bundestag die Steuerschuld Franz Beckenbauers, der später 680 000 Mark nachzahlen musste. 1994 musste der ehemalige Schatzmeister des 1. FC Nürnberg ins Gefängnis, weil er eine schwarze Kasse geführt hatte. Weil der 1. FC Kaiserslautern Gehaltszahlungen als Ausgaben für Werberechte an den Spielern deklariert hatte, wurde der Club – nach einer Selbstanzeige – zur Nachzahlung von 12,9 Millionen Euro verpflichtet. Der Gipfel der Unverfrorenheit kickender Steuervermeider schien allerdings Mitte der neunziger Jahre erreicht, als Fahnder auf das Modell Eupen stießen. In der damaligen Steueroase Belgien hatten an ein und derselben Adresse gleich 17 Profis des 1. FC Köln und von Borussia Mönchengladbach ihren Wohnsitz angemeldet.“
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