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Die Teams aus Hamburg und Kaiserslautern spielen und gewinnen „für ihre Trainer“

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Die Teams aus Hamburg und Kaiserslautern spielen und gewinnen „für ihre Trainer“

Eintracht Frankfurt – 1. FC Kaiserslautern 1:3

Hinterher lässt sich leicht sagen

„Trotz des Sieges scheint das Verhältnis Gerets´ zu Clubchef Jäggi belastet“, schreibt Jan Christian Müller (FR 23.9.): “Im faden Licht vor der halbfertigen Tribüne umarmte René C. Jäggi, Vorstand, feiner Zwirn, Erik Gerets, Trainer, Sportklamotten. Als er den Untergebenen nach dem 3:1 in Frankfurt fester an sich drücken wollte, misslang das Unterfangen. Gerets stand starr, die Arme hingen bleiern nach unten. Man hat den kleinen Belgier mit dem breiten Kreuz noch nie so mitgenommen, schmal und blass gesehen wie an diesem Sonntagabend. Man hat beim Trainer die ganze Woche gespürt, dass er angespannt ist, berichtete kurz darauf Mittelfeldspieler Steffen Freund und rüffelte den Clubchef recht unverhohlen: Der Präsident hat ein Reizklima geschaffen. Aber das hätte auch in die Hose gehen können, das muss man mal sagen. Das hat einige Spieler doch sehr belastet. Letztlich weiß auch Jäggi, der eloquente Schweizer, dass es nachgerade überflüssig war, Gerets mit einer Vier-Punkte-Forderung aus den Spielen gegen Freiburg (2:2) und nun in Frankfurt unter Druck zu setzen. Deshalb war der Vorstandsvorsitzende zuletzt auch kräftig zurückgerudert und hatte versucht, seine Aussage zu relativieren. Eine Inszenierung, wie manche glaubten, sei das Ganze ganz bestimmt nicht gewesen, sagte Jäggi am Sonntag, dafür war es zu ernst. Eher scheint es, als habe der Eidgenosse, allemal ein erfahrener Medienprofi, dieses eine Mal den medialen Widerhall (das Zentralorgan Kicker etwa titelte auf zwei Panoramaseiten: Das Ultimatum) unterschätzt. Nun kann sich Jäggi vor die Mikrofone stellen und mitteilen, er habe lediglich eine Rolle gespielt. Die des bösen Vaters, derweil für Gerets die der weichen Mutter übrig geblieben ist. Jäggi: Das war für uns beide besser so. Hinterher lässt sich leicht sagen, dass auch die Mannschaft davon profitiert hat.“

Die NZZ (23.9.) ergänzt: „Die Aktion, wie rette ich den Arbeitsplatz meines Vorgesetzten, ist allerdings nicht nur deshalb aufgegangen, weil alle Kicker des Pfälzer Unternehmens mit der erforderlichen Moral ihren Dienst verrichteten. Beim 3:1-Auswärtssieg kam dem FCK wohl auch zugute, dass sich die Equipe von Eintracht Frankfurt wie das schwächste aller 18 Liga-Teams präsentierte. Ein Urteil, das ein paar Tage lang ausser Kraft gesetzt worden war vom grössten Boulevardblatt des Landes. Dort hatte man versucht, in der Person von Altstar Möller Fussball-Mainhattan einen Retter zu verschreiben – wie sich schnell herausgestellt hat, waren die Lobeshymnen auf den zurückgekehrten Hessenbub masslos überzogen.“

Portion Selbstüberschätzung

Thomas Klemm (FAZ 23.9.) erklärt den Unterschied zwischen beiden Teams: „Vom Druck befreit gab Gerets zu, von der Diskussion der vorangegangenen Tage beeindruckt gewesen zu sein. Nur seinen Spielern, deren Nervosität nach Hristows frühem Führungstreffer schnell verflogen war, merkte es der FCK-Trainer nicht an, was auf dem Spiel stand. Und weil sich der 49 Jahre alte Belgier sich selbst nicht allzu wichtig nimmt, verlor er auch kein Wort darüber, was 23 000 Zuschauer spürten und die Pfälzer Spieler zugaben: daß alle für einen spielten – für Erik Gerets. Als uneitler Mensch und ehrlicher Arbeiter ist der Belgier allseits beliebt rund um den Betzenberg. Bei den Pfälzer Fans, die sich schon vor dem Auswärtssieg in Frankfurt in einer Zeitungsumfrage zu 85 Prozent für eine Weiterbeschäftigung Gerets‘ ausgesprochen hatten; bei René C. Jäggi, der trotz seiner öffentlich geäußerten Forderung, seinen Freund und Angestellten Gerets für den optimalen Trainer hält; und bei der Mannschaft, die sich spielend für den Coach stark machte. Überraschend war nur, daß selbst die Frankfurter Fußballprofis so auftraten, als sorgten sie sich um den Arbeitsplatz des gegnerischen Trainers. Nachdem der Aufsteiger eine Woche zuvor beim 2:0 in Mönchengladbach seinen ersten Saisonsieg gefeiert hatte, gingen die Hessen mit einer Portion Selbstüberschätzung auf den Platz. Die Stürmer irrten umher, die Mittelfeldspieler konzentrierten sich ganz auf den ruhenden Ball, die laxe Eintracht-Abwehr buhlte geradezu um Gegentore (…) Ein ernstes Wort müsse er mit seiner Mannschaft sprechen, sagte Eintracht-Trainer Willi Reimann. Wer sonst? Eintracht Frankfurt besitzt überhaupt keinen Vorstandsvorsitzenden, der Trainer und Team in die Pflicht nehmen könnte.“

Auch Ingo Durstewitz (SZ 23.9.) sah überhebliche Frankfurter: “Was tun, wenn in den Ohren der Profis noch die Lobeshymnen für den 2:0-Sieg in Gladbach klingen und den Weg für nüchternen Realismus verstellen? Es ist nahezu unglaublich, aber mitunter sah es schon leicht überheblich aus, was die Frankfurter – ein Sieg in sechs Spielen – gegen die Lauterer da fabrizierten. „Keine Aggressivität, keine Ordnung“, zählte Reimann auf, „einige Spieler waren nicht bereit, ihrem Nebenmann zu helfen, nicht bereit, jedem Ball nachzusetzen, einige Spieler wollten nicht genug investieren“. Eine Analyse, die ins Schwarze zielt. Irgendwie haben sie im Hessischen gedacht, alles werde gut – angeführt von Andreas Möller, dem Heilsbringer wider Willen. Die Eintracht hatte den Glaube an die eigene Stärke entdeckt, schien endlich angekommen im Oberhaus, da ließen sich auch die vernichtenden Prognosen der Stammtischbrüder leichter ertragen. Und jetzt gegen die knietief im Morast steckenden Pfälzer? „Die“, verlautete aus der Mannschaft, „hauen wir weg.“ Nach fünf Minuten (0:1 Hristov) war dann alles über den Haufen geworfen, an die Stelle von Selbstbewusstsein trat Angst.“

Hamburger SV – Hansa Rostock 2:1

Wie es aussieht, wenn eine Mannschaft für ihren Trainer spielt

Frank Heike (FAZ 23.9.) freut sich für Hamburgs Trainer: „In seinen zwei Jahren als Trainer des Hamburger SV hat Kurt Jara manchen Kritiker durch seine in Sieg und Niederlage zurückhaltende Art überzeugt. Das ist etwas Besonderes in einem Verein, der vom Umfeld und von den Hamburger Medien eigentlich nur in zwei immer gleichen Varianten dargestellt wird: Wenn es gut läuft, wird der jeweiligen Mannschaft zugeschrieben, bald an die großen alten Erfolge von Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts anzuknüpfen. Wenn es schlecht läuft, wird die jeweilige Mannschaft täglich daran erinnert, daß sie nie so gut sein werde wie die Magath, Kaltz, Hrubesch und Co. Jara hat das sehr schnell gemerkt und sich seinen eigenen Reim drauf gemacht, indem er immer wieder an die Gegenwart erinnert. Die hieß vor dem Spiel gegen den FC Hansa Rostock: Tabellenletzter. Am Sonntag abend dann, nach dem enorm wichtigen 2:1 gegen Rostock, versuchte der Österreicher gar nicht erst, sein Verdienst am ersten Saisonsieg großartig in den Vordergrund zu stellen (…) Wenn je ein exemplarischer Streifen darüber gedreht werden sollte, wie es aussieht, wenn eine Mannschaft für ihren Trainer spielt, könnten sich die Filmemacher einfach die Kassette von diesem Hamburger 2:1 gegen Rostock ausleihen. Es war sensationell, wie die Mannschaft heute gekämpft hat, sagte Kurt Jara. Auch für ihn.“

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