Ballschrank
Aufstand der Enttäuschten
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| Donnerstag, 25. März 2004Der bisher punktlose Aufsteiger siegt dank des Matchwinner Fredi Bobic 3:1 beim schwächelnden Team aus Leverkusen. Trainer Huub Stevens landet mit seinen Herthanern durch den 1:0-Auswärtserfolg in Bielefeld seinen ersten Saisonsieg, was die FAS vom ‚Aufstand der Enttäuschten‘ sprechen lässt.
„Effenberg agierte unauffällig und entfaltete seine größte Sprintkraft, als er nach dem Schlusspfiff vor den ihn ausbuhenden Menschen in die Kabine flüchtete“. Mit diesen Worten analysiert die SZ die unauffällige Rückkehr des Neu-Wolfsburgers ins Olympiastadion, das mit einem 2:2-Remis gegen 1860 endete. Beim Revierderby zwischen Meister Dortmund und Schalke (1:1) standen allseitig geführte „Kartoffelacker“-Diskussionen um den schlechten Zustand des Rasens im Vordergrund.
„Gern gehört hat man das Resultat aus dem Nürnberger Frankenstadion nicht im Rest der Republik“, haben die südlichen Nachbarn von der NZZ die Reaktionen jenseits der Säbener Straße auf den erneuten Sieg der Bayern richtig beobachtet. In der Tat befürchten einige Experten bereits zum jetzigen Zeitpunkt angesichts des großen Vorsprung der Münchner auf die Mitfavoriten einen Alleingang des letztjährigen Ligadritten.
„Der Bundesligaalltag ist also endgültig zurück: Die Bayern gewinnen, der Club steht voller Hoffnung auf einem Abstiegsplatz, und aus King Kahn ist wieder Gorilla-Kahn geworden.“ So lautet das Resümee der taz auf die Ereignisse in Nürnberg. Dort buhten die Fans Oliver Kahn nach einem Foul gegen Martin Driller vehement aus. Außerdem wurde in der Fankurve ein Plakat ausgerollt, auf dem Nationaltorhüter für die Niederlage im WM-Finale verantwortlich gemacht wurde. Ein Vorgang, der erstens zeigt, dass der Schmusekurs gegnerischer Anhänger mit dem einst gehassten Bayern-Keeper vorbei zu sein scheint und den zweitens Rolf Töpperwien im ZDF-Sportstudio allen Ernstes als „Geschmacklosigkeit“ bezeichnete.
Christian Eichler (FAZ 16.9.) zieht ein Fazit des Saisonstarts. „Nach dem Frühsommerrausch der WM erwacht das Fußballinteresse ein wenig schleppend. Ein paar Derbys als Koffeinschübe zum Frühstück, die Glieder gereckt, die Augen gerieben, und was sieht man? Fast alle sind noch genauso müde, ein paar aufgeweckte Aufsteiger ausgenommen; erst Bochumer, nun Hannoveraner. Aber natürlich hellwach: die Frühaufsteher aus Bayern. Beängstigend, diese streberhafte Morgenlaune. Der erste Impuls: Am besten, man legt sich wieder hin (…) Meister Dortmund dagegen: müde vom Erfolg. Leverkusen: müde vom verpassten Erfolg. Zu viele Verletzungen bei Bayer, an Beinen und Selbstvertrauen. Das Team, das auf eine labile Mischung setzen muss – WM-Finalisten, Bundesliga-Neulinge und Ulf Kirsten –, hätte ein paar glückliche Siege benötigt, um den Frust vom Mai zu betäuben. Doch die Kapitulation gegen Aufsteiger Hannover verkehrt die Hoffnung ins Gegenteil. Jeder sieht nun: Nie wieder wird es so leicht sein, wie es war. Wie es hätte sein können. So etwas lähmt. Die Bayern werden nie nervös im Misserfolg. Sie wissen: Der Erfolg kommt zu ihnen zurück; er kann nirgendwo anders hin.“
1. FC Nürnberg – Bayern München 1:2
Philipp Selldorf (SZ 16.9.) ist begeistert. „Man übertreibt nicht, wenn man behauptet, dass Ballack der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Welt, vermutlich des Universums ist. Entgeistert sahen die Zuschauer aber auch, wie er es kurz vor Schluss fertig brachte, 70 Meter über das Feld in die Abwehr zurück zu sprinten, obwohl er gerade noch an der Grundlinie eine beinahe torbringende Flanke geschlagen hatte.“
Nürnberger Reaktionen SZ
Bayerische Reaktionen FR
Borussia Dortmund – Schalke 04 1:1
Felix Meininghaus (FR16.9.) resümiert. „So bleibt der BVB nach fünf Spieltagen weiter ungeschlagen, dennoch fällt die bisherige Bilanz mit vier Unentschieden bei nur einem Sieg bescheiden aus. Vor allem, weil es gegen Schalke wieder nicht zum Sieg gereicht hat. Seit vier Jahren oder acht Spielen wartet der BVB auf einen Sieg über den so innig ungeliebten Rivalen. Für die Fans muss das eine Ewigkeit sein, da hilft es auch nichts, wenn man zwischendurch mal deutscher Meister wird. Zudem klafft im Tableau bereits eine deutliche Lücke zwischen Borussia Dortmund und den souveränen Bayern, die durch das holprige Geläuf in der heimischen Spielstätte kaum umfassend zu erklären ist.“
Zu den allseitigen Klagen über den Zustand des Dortmunder Rasen lesen wir bei Freddie Röckenhaus (SZ 16.9.). „Nun mag das Grünflächenamt der Stadt Dortmund, das noch immer den Rasen des vereinseigenen Stadions umsorgt, an vielen Fehlpässen und Strauchlern die Schuld tragen. Aber die knapp 69.000 Zuschauer konnten sich ohnehin an kaum ein Revier-Derby erinnern, bei dem es nicht ähnlich zugegangen wäre. Ob auf feinstem Teppich oder auf loser Scholle: Meist war es wie an diesem Nachmittag – beiderseits viel verbissenes, verkrampftes Gerenne und Getrete, Übereifer, Härte und kaum Offensiv-Kultur (…) Die beiden nach Sammers Meinung torgefährlichsten Dortmunder fehlten zwar – aber ob mit dem oft phlegmatischen Amoroso und dem wankelmütigen Ricken die spielerische Ideenarmut verflogen wäre, durfte denn doch bezweifelt werden. Dass der eben abgegebene Fredi Bobic zeitgleich in Leverkusen zwei Tore für Hannover machte, wollte schon niemand mehr kommentieren. Während Schalke eine disziplinierte und kompakte Defensivarbeit lieferte, wirkte auch Dortmund über weite Strecken in der Abwehr sogar solider als im vergangenen Meisterjahr.“
Josef Kelnberger (SZ 16.9.) zum selben Thema. „Die Fußball-Bundesliga ist ein Quell der Freude für jeden Kulturpessimisten. Sogar das Gras, Geschäftsgrundlage der Branche, will nicht mehr wachsen. Aus Protest. Denn die modernen Stadien, die man Kommerztempel nennt, rauben ihm das Licht. Ein Blick auf das Spielfeld im Dortmunder Westfalenstadion am Samstag genügte, um in gefälligen Trübsinn zu verfallen: ein Acker, als wären die apokalyptischen Reiter des Fußballsports – Kommerz, Korruption, Globalisierungs-Entfremdung, Joseph Blatter – darüber hinweg galoppiert. Sarkastisch ließe sich die zerfurchte Rennbahn als Zeichen deuten, dass sich das Revierderby bei seiner 120. Auflage zu seinen Ursprüngen zurück entwickelt, hin zum Pferdesport. Das Derby als solches ist im Strukturwandel begriffen.“
Michael Horeni (FAZ 16.9.) meint zur Lage Dortmunds. „Nachdem das Thema Heim und Garten zur Genüge bearbeitet war, schob Fußballlehrer Sammer pflichtschuldigst nach, dass die Dortmunder Untergrundaktionen natürlich keine Ausrede sein könnten für die sportliche Enttäuschung. Klang zwar ganz anders, musste aber wohl gesagt werden. Aber abgesehen von den Erhebungen, die Passspiel und Stoppvorgang erschwerten, lieferte der Meister auch ansonsten fast nur Holper- und Stolperfußball. Ein um technisch anspruchsvolle Aufbauarbeit bemühter Verteidiger Metzelder sowie Tomas Rosicky, der auch auf einem realen Kartoffelacker noch Fußball spielen kann, hätten bei entsprechender Unterstützung das Dortmunder Tagesthema Flora und Fauna locker umspielt. Doch beim Meister wächst derzeit niemand auch nur ein bisschen über sich hinaus. Das einzige, was derzeit gedeiht, ist Unmut.”
Arminia Bielefeld – Hertha Berlin 0:1
Roland Zorn (FAZ 16.9.) erkennt eine Wende zum Guten in Berlin. „Zuerst setzte Huub Stevens ein Zeichen: Trainingsanzug statt Anzug. Der Kleiderwechsel, den der Trainer von Hertha BSC Berlin zum Auswärtsspiel bei Arminia Bielefeld vollzog, war demonstrativ. Er sollte die Nähe zur Mannschaft ebenso dokumentieren wie das Arbeitsethos dieses Niederländers. Stevens mag seine Übungsleiterkluft an diesem Samstag Nachmittag nach vier sieglosen Bundesligaspielen seines Teams gar wie einen Kampfanzug empfunden haben. Auch wenn er selbst auf einschlägige Fragen danach nur spitzbübisch grinste, war doch für jedermann sichtbar, dass sich bei den Berlinern ein Wandel im Auftreten vollzogen hatte. Sonst hätte die Hertha auf der „Alm“ auch nicht 1:0 durch einen Treffer des alle überragenden Marcelinho Gewonnen (…) 22.000 Zuschauer erlebten eine unnachgiebige Hertha, der gegen die ebenbürtigen Bielefelder aber auch viel Glück und ein gnädiger Schiedsrichter zur Seite standen. Zweimal hätte Hermann Albrecht aus Kaufbeuren auf Elfmeter für die Ostwestfalen entscheiden müssen. Gleichviel: Stevens war am Ende überglücklich und bewertete den ersten Berliner Bundesliga-Sieg unter seiner Regie als verdienten Lohn für ein unermüdliches Arbeiterkollektiv.“
Borussia Mönchengladbach – VfB Stuttgart 1:1
Daniel Theweleit (SZ 16.9.) schreibt zum vierten Stuttgarter Remis im fünften Spiel. „Der VfB Stuttgart hatte ein gutes Spiel gemacht, ansehnlich kombiniert, sehr gut „verdichtet“, wie Mönchengladbachs Trainer Hans Meyer lobte, und wirkte insgesamt etwas reifer als die Gastgeber. Händeringend suchte auch Felix Magath nach Ansatzpunkten für Kritik. Vergeblich.“
1860 München – VfL Wolfsburg 2:2
zu den Reaktionen nach dem Spiel heißt es bei Gerald Kleffmann (SZ 16.9.). „In einem schienen sich die Beteiligten einig zu sein: Sie wussten nicht, wie sie dieses Spiel einordnen sollten (…) Nach der ersten Halbzeit, die etwa so spannend war wie früher das Testbild im Fernsehen, sahen die Löwen 20 Minuten nach dem Seitenwechsel tatsächlich wie Sieger aus (…) Nun, nach fünf Spieltagen, sind 1860 und Wolfsburg dort, wo sie nicht stehen wollen: auf Rang acht und neun, im Niemandsland der Liga. Für das ersehnte Ziel Uefa-Cup müssten sich beide Teams steigern. Nur wie? Wolf bemängelte die Chancenverwertung seiner Mannschaft, eine Fußballerkrankheit, die schwer heilbar ist – wenn überhaupt. 1860 wiederum versucht sich daran aufzubauen, dass mit Weissenberger und Agostino zwei fähige Spieler nach langen Verletzungspausen demnächst einsatzfähig sind.“
Bayer Leverkusen – Hannover 96 1:3
Die unterschiedlichen Stimmungslagen auf den Rängen beleuchtet Christoph Biermann (SZ 16.9.). „Der 3:1-Sieg des Aufsteigers beim Meisterschafts-Zweiten des Vorjahres war für die Anhänger aus Hannover deshalb so bedeutend, weil die Stadt im letzten Jahr ihre Liebe für den früher oft so desolaten Großverein wieder entdeckt hat – und sie so schnell auf eine schwere Probe gestellt wurde. Gäbe es Fußballsprechchöre für Sonne, Regen und die Luft, die wir atmen, wären sie von den Glückseligen aus Niedersachsen wohl auch noch gesungen worden. (…) Neben so viel Schmerz und Herz auf Seiten der Gäste erlebte Leverkusen Apathie und Herzlosigkeit. Weil ein Großteil seiner Zuschauer dem Klub nicht sonderlich affektiv zugewandt ist, standen sie nach dem dritten Gegentreffer einfach auf und gingen wortlos. Als wenige Minuten später abgepfiffen wurde, war das Stadion schon fast leer. Ähnlich emotionslos war das Spiel der Mannschaft, der im Moment alles fehlt, nicht nur Esprit und Klasse, sondern Elementares wie Laufbereitschaft und Kombinationssicherheit.“
Wolfgang Hettfleisch (FR 16.9.) porträtiert den Spieler des Tages. „Wann hatte man Fredi Bobic zuletzt so gelöst gesehen wie am Samstag um kurz vor halb sechs in der BayArena, als die Mitspieler ihn, den zweifachen Torschützen, den Matchwinner für Hannover 96 herzten? Bobic, das war doch einer in der Tradition von Thomas Berthold; einer, der provozierend gelangweilt auf der Tribüne gehockt und dafür, wie die Medien zu berichten nicht müde wurden, bei Borussia Dortmund ein fettes Gehalt eingestrichen hat. Einer, dessen beste Tage als Winkel eines vorgeblich magischen Dreiecks in der Tiefe des schwäbischen Raums lang zurücklagen. Und obendrein einer, der in seinen dunkelsten Stunden beim BVB Bälle magisch neben Gegners Bude drosch. Chancentod, dein Name sei Bobic. Alles vergessen, alles vorbei. Als sich der Vorhang nach gut 90 Minuten senkte und der Gala des Aufsteigers wie der phasenweise erbärmlichen Aufführung des vermeintlichen Titelaspiranten Bayer Leverkusen ein Ende machte, da war der Ex-Nationalspieler unversehens wieder Fredi Bobic Superstar.“
Thomas Kilchenstein (FR 16.9.). „Es war ja nicht so, dass Bayer Leverkusen mit viel Pech gegen eine ihr Heil einzig in der Defensive suchende Maurermannschaft verloren hatte. Leverkusen war, wie immer in dieser Saison, in Führung gegangen. Bastürk hatte früh getroffen und damit vermeintlich die Weichen gestellt. Doch die Führung lähmte nicht die Hannoveraner, sondern die Gastgeber. Sie fanden keine Bindung zueinander, sie liefen zu wenig, sie verloren dann nicht nur den brasilianischen Verteidiger Juan mit Muskelfaserriss, sondern immer mehr auch den Faden.“
Jörg Stratmann (FAZ 16.9.) schreibt zur Leverkusener Krise. „Während die Sieger den Blick nach vorn richten dürfen, muss Leverkusen noch einmal ganz von vorn beginnen. Man werde die Versäumnisse „in aller Deutlichkeit reflektieren“, formulierte Calmund. Einen Vorgeschmack darauf, was der impulsive Manager darunter versteht, wenn die Türen geschlossen sind, durften die Profis noch in der Kabine erleben. Doch wo beginnen? Die Unsicherheiten fangen neuerdings bei Torhüter Butt an, setzen sich über die ersatzgeschwächte Abwehr und das Mittelfeld bis in den Sturm fort. Vor allem zeigt sich nun, welche Lücke einer wie Ballack im Mittelfeld hinterlassen hat. Wo der Nationalspieler einst für Standfestigkeit nach vorn und hinten sorgte, tummeln sich nun ballverliebte Profis wie Bastürk, der ehemalige Hannoveraner Simak oder Schneider, deren Stärke nicht in der Weitsicht, schon gar nicht in der Defensive liegt. Sosehr Toppmöller ihnen von der Außenlinie auch Beine zu machen versuchte, so breit klaffte im Mittelfeld eine Lücke, die nun sogar ein Team wie Hannover bestens zu nutzen verstand.“
Thomas Kilchenstein (FR 16.9.) fragt. „Kann man sagen, Bayern München habe Bayer Leverkusen schlecht gekauft? Das aktuelle Bayer Leverkusen, zudem von bislang nicht gekanntem Verletzungspech heimgesucht, ist nicht mehr das Bayer Leverkusen der vergangenen Runde. Die Spieler wirken verunsichert, fast schüchtern, selbst ein Sieg wie jener in Rostock löst die Blockade nicht. Das kürzlich vor Selbstbewusstsein nur so strotzende Team ist zu einer faden Gemeinschaft von Hasenfüßen mutiert, die ängstlich nach dem Alpha-Tier schielen. Das in München spielt. Ohne Biss, ohne den letzten Willen, ohne Aggressivität wird es nicht leicht, die Krise unterm Bayer-Kreuz zu bewältigen.“
FR (16.9.). „Einer kommt einfach nicht in die Gänge. Wahre Wunderdinge hat man sich ja erzählt von Jan Simak, der vorige Saison in der zweiten Liga eine Ausnahmeleistung an die andere reihte. Auch abseits des Fußballplatzes gelang dem Tschechen manch Aufsehen erregendes Solo. Er fuhr gern schnell Auto, hatte gelegentlich Bierdurst und soll die deutsche Sprache so weit beherrschen, dass er das Wort „Zocken“ akzentfrei über die Lippen bringt. Weshalb Hannovers Coach Ralf Rangnick nicht gerade geweint haben soll, als Leverkusen den torgefährlichen Mittelfeldspieler vor dieser Saison für viel Geld unters Bayer-Kreuz lotste. Vor der peinlichen Abfuhr in der BayArena gegen seinen Ex-Klub haben sie Simak alsNiedersachsens Fußballer des Jahres ausgezeichnet – eine Ehrung übrigens, von der noch kein Sportredakteur südlich des Fulda-Werra-Zusammenflusses je gehört hätte. Rangnick hat artig gratuliert, Simak danach artig einen argen Mist zusammengekickt.“
Energie Cottbus – Werder Bremen 0:1
Matthias Wolf (FAZ 16.9.) über die Stimmung in Cottbus. „Der Abstiegskampf treibt traurige Blüten: So wurde bekannt, dass Christian Beeck neulich nächtens in der Stadt nur knapp einer Tracht Prügel entgangen ist. Vasile Miriuta erhielt zuletzt mehrere Drohbriefe. Beide schwiegen am Samstag.“
Hamburger SV – 1. FC Kaiserslautern 2:0
Jan Christian Müller (FR 16.9.) ist enttäuscht. „Man darf nicht viel erwarten, wenn ein Tabellen-15. der Bundesliga gegen den Letzten des Klassements antritt, auch dann nicht, wenn es sich bei beiden Mannschaften um Traditionsvereine handelt. Aber was der HSV und die Lauterer an diesem milden Spätsommerabend über eine Stunde lang zeigten, ist mit der Bezeichnung „unterirdisch“ noch rücksichtsvoll beschrieben (…) Viel Jugend im Hamburger Mittelfeld sorgte indes für einen recht chaotischen Spielaufbau. Die Lauterer mühten sich redlich, sich dem Niveau anzupassen, allen voran Nationalmittelstürmer Miroslav Klose steckt nach wie vor im Tief. Und auch die Tatsache, dass der neue Trainer Eric Gerets richtigerweise die Abwehr wieder umgestellt hatte und Ciriaco Sforza als spielstarken, allerdings wenig inspiriert wirkenden und fehlerhaft agierenden Mann zentral defensiv stellte, brachte keine sichtbare spielerische Steigerung.“
Weiteres
Philipp Selldorf (SZ 14.9.) warnt den FC Bayern vor einer „Vereinnahmung durch die vielen Werbepartner“. „Nicht das erste Mal wirft das Geschäft mit der Werbung Probleme auf in der Bayern-Familie. Niemals waren der Verein und seine Akteure als Promotionpartner für die Finanz- und Konsumwirtschaft so begehrt wie heute. „Das Sponsoring“, sagt Rummenigge, „ist im Moment sicherlich das interessanteste Thema für uns – jedenfalls wichtiger als die Fernseheinnahmen. „ Die schwinden bekanntlich, und deshalb empfängt der Verein die Firmen, die sich in seinem Glanz sonnen wollen, mit offenen Armen. Telekom, Allianz, die Audi AG, die EnBW-Tochter Yello Strom fanden vor dieser Saison darin ihren Platz, lauter erste Adressen, und für die Deutsche Bank soll demnächst auch noch ein Forum eröffnet werden. Von einer drohenden Vereinnahmung durch die vielen Finanziers will Manager Hoeneß aber nichts wissen. Lieber deutet er die Akquisition der Geldgeber als Ausdruck der „Tüchtigkeit“. Reibung bleibt bei so vielen Verpflichtungen unausweichlich, ob das Michael Ballack betrifft, der für Pepsi-Cola wirbt, oder Zugang Zè Roberto, der für Nike (statt für adidas) den Fuß hinhält. Selten sehen die Geldgeber darüber so großzügig hinweg wie zuletzt der langjährige Hauptsponsor Opel, dessen Verantwortliche betrübt feststellen mussten, dass die Bayern-Spieler ihre gratis zur Verfügung gestellten Limousinen lediglich für die Fahrt zum Training nutzten.“
Michael Horeni (FAZ 14.9.) porträtiert Andreas Möller. „Es ist ruhiger geworden um den vielleicht umstrittensten deutschen Nationalspieler der neunziger Jahre, und in Manager Rudi Assauer hat er endlich einen Helfer gefunden, der für Ruhe sorgt (…) Die Verräter brüllten oder Heulsuse schrieben, waren stets in der Überzahl. „Den einfachen Weg bin ich nie gegangen“, sagt Möller, der sich mit seinen Vereinswechseln immer wieder viel Ärger einhandelte, aber persönlich nie anecken wollte. Wenn Möller in seiner siebzehnten Profi-Saison zurückblickt, kann er jetzt sein eigenes Verhalten mitunter kaum mehr verstehen. Mit seinem Reifeprozess hat sich der pfeilschnelle Profi, der den anderen mit seinem Talent weit voraus war, tatsächlich viel Zeit gelassen. Nun gehört Möller – auch wenn er das nie sagen würden – zu jenem Spielertypus, dem er selbst früher bewundernd, zumindest aber mit großem Respekt begegnete (…) Wenn Möller sich heute die Nationalmannschaft unter Rudi Völler anschaut, merkt er, was ihm in seiner internationalen Laufbahn am meisten gefehlt hat. Da ist mittlerweile ein Teamchef, wie er ihn sich gewünscht hat. Einer, der jungen Spielern vertraut und der gegenüber der Öffentlichkeit für Vertrauen werben kann. „Mein größtes Pech war, dass Berti Vogts Bundestrainer war“, sagt Möller heute. Zu seiner Zeit hätten ihn die negativen Schlagzeilen aus der Nationalmannschaft auch in der Bundesliga immer wieder eingeholt.“
Christian Eichler (FAZ 14.9.). „Die besten Künste sind die unterschätzten. Zum Beispiel: die Kunst der Verteidigung. Ihr Wert erschließt sich nur dem Kenner. Ihre Ästhetik verlangt eine rationale Betrachtung, die nicht zum Wunschbild aufregenden Sports passt. Von dem erwartet man immer etwas Emotionales, Eroberndes. Das Gegenteil des Eroberns ist das Verteidigen. Doch nur wer im Sport das Verteidigen beherrscht, kann auch erobern. Dieses Paradox macht die Defensive zur gern vergessenen Seite der Medaille. Und doch ermöglicht erst sie die Schönheit der Offensive. Erst kluge, kämpferische Abwehr macht deren Überwinden zu etwas Besonderem. Brasiliens Fußball zum Beispiel steht, seit er 1958 die Welt eroberte, für den kreativen Rausch offensiven Spiels. Die Realität ist weniger romantisch: Die Brasilianer hatten eine glänzende Defensive und blieben die ersten vier Spiele ohne Gegentor. Erst mal Nummer Sicher, dann erst: Akrobat Schön. Das war eine Lehre von 1950, als sie den WM-Titel in der Abwehr verspielten, so wie Ungarn 1954 und später Holland 1974. Seitdem sagt man, Weltmeister werde man in der Abwehr. Natürlich blieben auch bei der WM 2002 die beiden abwehrstärksten Teams übrig. Aber danach redet man wieder nur von den Torschützen.“
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