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Dietmar Hamann, deutsche Hoffnung

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Dietmar Hamann, deutsche Hoffnung

Dietmar Hamann, deutsche Hoffnung – Spiegel-Recherche über das fragwürdige WM-Sponsoring der staatlichen Lotterie Oddset – ein (n)ostalgischer Blick in eine DDR-Chronik (Zeit) – Johannes Rau spricht mit Fans – Online-Handel mit EM-Tickets legal und legitim? – der virtuelle Oliver Kahn – über „die tiefgreifende Psychologisierung des Fußballs“ (FAZ) u.v.m.

Metronom

Philipp Selldorf (SZ 15.1.) ersehnt, wie Rudi Völler, die Rückkehr Dietmar Hamanns in die DFB-Elf: „Dann ist da natürlich noch Hamann, 30, der nach der Genesung von einer komplizierten Knöchelverletzung seit sechs Wochen wieder für den FC Liverpool spielt und entscheidenden Anteil daran hatte, dass der englische Rekordmeister am Ende eines enttäuschenden Jahres wieder Anschluss ans führende Quartett der Premier League gefunden hat. Beim 1:0 gegen Aston Villa am Wochenende wurde Hamann als „Man of the Match“ ausgezeichnet, Liverpools Trainer Gerard Houllier bezeichnete den Mittelfeldspieler sogar als „meinen wichtigsten Mann“. Die englische Presse empfiehlt dem französischen Trainer, er solle sich darüber klar werden, dass Hamanns Vertrag nur noch bis 2005 laufe – „nur noch“ – und zügig eine Verlängerung anstrengen. Der Guardian schrieb: „Wenn es etwas gibt, wofür die Verfehlungen des FC Liverpool gut waren, dann ist es der Beweis für Hamanns Unentbehrlichkeit.“ (…) Dietmar Hamann hat mitbekommen, dass in den vergangenen Monaten die freien Posten der verletzten Routiniers durch den aufstrebenden Bundesliga-Nachwuchs besetzt wurden. „Das ist ein großer Bonus für die WM 2006 und die nächsten fünf bis zehn Jahre“, sagt er, „aber wir brauchen jeden Mann.“ Von der Rückkehr der Weltmeisterschaftsgrößen verspricht er sich „einen Riesenschub für die Mannschaft“. Hamanns strategische Leitung im Mittelfeld hat der Nationalelf gefehlt. In England nennt man ihn das „Metronom“, weil er den Rhythmus des Teams bestimmen kann. Ein großes Kompliment.“

Abgrund orientalischer Geschäftskultur

Jörg Schmitt Michael Wulzinger (Spiegel 12.1.) kritisieren das WM-Sponsoring der staatlichen Lotterie Oddst: „Der Deal ist höchst heikel. Während die vier bislang verpflichteten nationalen Sponsoren jeweils für 12,9 Millionen Euro abgeschlossen haben, erhält Oddset das Recht, mit der WM zu werben, zum Billigtarif. In bar sollen gerade mal 4,5 Millionen Euro in die Organisation und Durchführung des Turniers fließen. 3,5 Millionen Euro werden als nicht monetäre eistungen gutgeschrieben – beispielsweise für Werbeaufdrucke auf den Spielscheinen. Um an den handelsüblichen Gesamtpreis von 12,9 Millionen Euro heranzukommen, haben sich die künftigen Geschäftspartner eine raffinierte Konstruktion einfallen lassen. Sie wollen Sponsorenleistungen für die WM mit Zahlungen für deutsche Proficlubs zu einem Paket zusammenschnüren. Denn laut der 18 Seiten umfassenden Niederschrift über die Gesellschafterversammlung Oddset am 03. Dezember 2003 sollen weitere 4,5 Millionen Euro angerechnet werden, die dem WM-Spektakel nicht mal peripher zugute kommen. Sie sollen dazu dienen, die Zusammenarbeit mit den Bundesliga-Vereinen/der DFL weiter auszubauen und zu konkretisieren – und somit private Sportwettanbieter aus den Fußballarenen zu verbannen. Schon lange stört Oddset, dass viele Erstligisten mit privaten Wettanbietern wie Sportwetten Gera, Betandwin oder Digibet wetten.de Vermarktungsverträge abgeschlossen haben. Mit dem WM-Deal als Trittbrett will das staatliche Glücksspielunternehmen, so ist es im Protokoll des Gesellschaftertreffens festgehalten, zu exklusiven Kontrakten mit der Bundesliga kommen. Ein klarer Fall von Tricksen, Täuschen, Tarnen, wie ein Fußballfunktionär mit besten Verbindungen zum Weltverband Fifa urteilt. Dass sich Oddset und WM-OK auf die fragwürdige Mauschelei einlassen wollen, hat einen einfachen Grund: Oddset bescheren die quirligen Wettbewerber, die ihren Kunden oftmals höhere Gewinne ausschütten, empfindliche Umsatzeinbrüche. Allein 2003 musste die staatliche Zockanstalt hier Einbußen in Höhe von 16 Prozent hinnehmen. Indirekt leidet unter den schwindenden Oddset-Zahlen auch das OK. Ein Staatsvertrag aus dem Jahr 2002 sieht vor, dass die WM-Macher für das die Weltmeisterschaft begleitende Kulturprogramm einen bestimmten Anteil aus dem Gewinn des öffentlich-rechtlichen Wettanbieters erhalten. Die kühnen Prognosen – bis zum Jahr 2007 erhoffte man sich für die Rahmenveranstaltungen bis zu 130 Millionen Euro – haben sich indes als vollkommen unrealistisch erwiesen: Bislang hat Oddset 4 Millionen nach Frankfurt überwiesen. Nun möchte der staatliche Wettkonzern die unliebsame Konkurrenz, die er – bislang meist vergebens – mit juristischen Attacken aus dem Feld schlagen wollte, mit den Millionen ausschalten, die er munter in den angestrebten Sponsorenvertrag hineindichtet. Die 4,5 Millionen Euro für die Vereine, räsonierte ein saarländischer Lotto-Delegierter bei der Gesellschafterversammlung, sollen zu einer ,Säuberung‘ der Stadien von privaten Wettanbietern führen. Dass Beckenbauer und seine OK-Kollegen bereit sind, sich zu Handlangern der um ihr Monopol bangenden Lotto-Fürsten zu machen, wirft ein trübes Licht auf das Selbstverständnis der WM-Planer: Seriosität scheint für sie ein dehnbarer Begriff zu sein. Denn eigentlich soll das Geld von sechs nationalen Sponsoren – offiziell wird mit 60 Millionen Euro kalkuliert – der Finanzierung des 450-Millionen-Euro-Etats der Fußball-Weltmeisterschaft dienen (…) atsächlich stellt sich die Frage, ob das OK in dem Millionenspiel WM ausreichend kontrolliert wird. Zu eng sind die personellen Verflechtungen zwischen DFB, OK und der DFL – allesamt ansässig in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise 6. So ist DFL-Chef Werner Hackmann in Personalunion Vizepräsident des DFB. Dessen Schatzmeister Theo Zwanziger wacht gleichzeitig über die Finanzen des WM-OK. DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt wiederum ist erster Vizepräsident der WM-Organisatoren. Über allen thront der Kaiser. Franz Beckenbauer, Präsident des in der Liga tonangebenden FC Bayern München, fungiert als Präsident der WM-Planer. Außerdem stellt der Mann, der die Kickersause fast im Alleingang nach Deutschland holte, den nationalen Sponsoren EnBW und Postbank für Millionenbeträge sein Konterfei zur Verfügung. Emissäre des OK dienten auch Oddset Beckenbauer als Werbepartner an. Doch der Preis war nicht allen Gesellschaftern des Lotto-Blocks zu vermitteln: 7,5 Millionen Euro sollte Beckenbauer für eine Dreijahreskampagne erhalten. Kein Wunder, dass manchem OK-Geschäftspartner derartige Verflechtungen aufstoßen. Bei EnBW zeigt man sich ob des Geschäftsgebarens der WM-Macher empört – und verordnet sich absolute Verschwiegenheit nach außen. Ein Manager: Wie beim WM-OK verfahren wird, erinnert schon an einen Abgrund orientalischer Geschäftskultur.“

Vereinsauflösungen, Abstiegsverbote, Zwangsumzüge

Christoph Dieckmann (Zeit 8.1.) blättert (n)ostalgisch in einer DDR-Chronik: „So ist es gewesen, ich war ja dabei. Ich sah, wie Klaus Sammer Dresdens Siegtor köpfte, in der 119. Minute, im Finale gegen den BFC Dynamo. Auf schäumte das schwarz-gelbe Meer. Es rauschte von den Traversen, übersprang die Bande und ergoss sich ins Feld, es ergriff die Spieler und wollte sie schier ersäufen. Der Junge wurde umschlungen von Strudeln fremden Glücks. Bis in die Kabine trug ihn die Flut. Er durfte den Pokal berühren, Autogramme sammeln, und die splitternackten Dresdner Spieler sprachen in sein Kassettengerätchen. Solches geschah am 2. Juni 1971, im Kurt-Wabbel-Stadion zu Halle. Was ist das?, fragte Mutter anderntags und hielt mein Mitbringsel zwischen Daumen und Zeigefinger. – Das ist ein Stück vom Trikot des Dresdner Torwarts Manfred Kallenbach, mit original Pokalsiegerschweiß. – Pfui Teufel!, sprach Mutter, die Pastorenfrau, und nähte das müffelnde Textil in Folie ein. Kallenbachs Schweißtuch zu waschen, hatte ich ihr entsetzt untersagt. Seither ruht die Reliquie in einem Pappkarton, will sagen: in meinem heiligen Schrein des Ost-Fußballs. Der Schrein birgt Oberliga-Wimpel, Club-Abzeichen und Hunderte von Autogrammen. Er ist umstellt von weiteren Kartons mit zwei Dutzend Jahrgängen der fuwo, des DDR-Pendants zum Kicker. Ein Universum der Erinnerung. Wie Jena 1970 Ajax Amsterdam zerlegte, das nachzulesen erfrischt mir jedes Mal den Glauben an das Gute in der Welt. Immer wieder fesselt auch der Aufsatz Lehren und Erfahrungen der Weltmeisterschaft 1974 von Doz. Dr. Klaus-Dieter Trapp, Leiter des Wissenschaftszentrums des Fußballverbandes der DDR: „Die ungenügende oder die überzogene Entwicklung einer Leistungskomponente ist durch ihre Systembezogenheit beim heutigen Entwicklungsstand des Leistungsfußballs nicht mehr kompensierbar. Anlage- und entwicklungsbedingt akzentuiert sich die komplexe Spielleistung bei den einzelnen Spielern in spielgestaltender, in spielergänzender oder in kämpferischer Hinsicht.“ Wie wahr! Jenseits der Archive ist der Fußball-Osten Sagenland geworden: Regional-Erzählung, mündliche Welt. Zwar veröffentlichte der Kasseler Agon-Sportverlag im vergangenen Jahrzehnt etliche Broschüren zum DDR-Fußball, darunter den köstlichen Anekdotenband Kabinengeflüster von Uwe Karte und Jörg Röhrig. Ansonsten türmt sich auf dem Buchmarkt nur westliche Bolz-Geschichte. Im Kino intoniert Das Wunder von Bern eine allwestdeutsche Auferstehungsromanze. Als in diesem Jahr der Essener Helmut Rahn starb, der Dortmunder Lothar Emmerich, der Münchner Rudi Brunnenmeier, riefen ihnen alle deutschen Medien nach. Wer gedachte des Leipzigers Peter Gießner, des Ostberliner Meisterspielers Gerhard Vogt? So verschieden wiegen nun mal die Geschichten von Ost und West, wenn ein kleines Volk mit einem großen fusioniert. Und nun das Gute: Soeben erschien Die Geschichte der DDR-Oberliga (im Göttinger Verlag Die Werkstatt, 29,90 Euro), ein großformatiger Prachtziegel, verfasst von fuwo-Mann Andreas Baingo und Michael Horn. Auf 350 Seiten passieren sämtliche 44 Ost-Meisterschaften Revue, von der ersten Saison 1948, die Horch Zwickau als Ostzonenmeister beendete, bis zur finalen, in der 1991, schon post festum DDR, der FC Hansa Rostock endlich den Titel errang. Lohn war der Aufstieg in die Bundesliga. Dort hält sich Hansa bis heute – Respekt, aber niemand sollte glauben, der Club sei ein Überflieger des DDR-Fußballs gewesen. Er war sein Unglückshuhn. Viermal wurde die Mannschaft Vizemeister, fünfmal vergeigte sie das Pokalendspiel und verlegte sich in den siebziger Jahren auf eine weitere Methode zur Marter der Fans: absteigen. Fünfmal rauschte Hansa in den Keller, kam aber immer sofort zurück. Dabei war Rostock zu seinem Verein gelangt wie die Jungfrau zum Kinde. Die Stadt besaß gar keinen Oberliga-Klub, aber den fußballvernarrten SED-Gewaltigen und späteren Gewerkschaftsboss Harry Tisch. Dieser Genosse Aladin rieb im Oktober 1954 die Lampe der Partei und ließ den Erzgebirgs-Verein Empor Lauter mitten in der Saison an die Küste versetzen. Derlei Possen gab es etliche in der jungen DDR: Vereinsauflösungen, Abstiegsverbote, weitere Zwangsumzüge – den letzten 1971. Der Armee-Sportklub Vorwärts Berlin, bis dato sechsmal Meister und ein Team mit ungarischer Spielkultur, wurde nach Frankfurt an die Oder versetzt, sackte ab und ist heute nur noch mit dem U-Boot aufzufinden.“

Fans wie Offizielle neigen zu gegenseitigen Verdächtigungen

Heute trifft sich Bundespräsident Johannes Rau mit Fußball-Fans zum Gespräch. Christoph Biermann (SZ 15.1.) liest das Buch, das die Fans Rau überreichen werden: „„Die 100 ‚schönsten‘ Schikanen gegen Fußballfans“ heißt es und versammelt ebenso erschreckende wie skurrile Beispiele. Da werden teure Digitalkameras an Stadiontoren als vermeintliche Wurfgeschosse konfisziert. In Stuttgart mussten sich Fans aus Berlin vor dem Gästeblock bis auf die Unterhose ausziehen, während einige Anhänger aus Offenbach in Berlin barfuß ins Stadion mussten, weil ihre Schuhe zu Waffen erklärt wurden. Ein besonderes Problem sind Security-Dienste geworden, die mit martialischem Auftreten und rüdem Ton oft zur Eskalation beitragen. Ordner in Kaiserslautern etwa beschimpften Fans aus Wolfsburg als „Scheiß-Ausländer“. Auch Polizei und Bundesgrenzschutz agieren oft unverhältnismäßig. Einem Fan aus Hannover wurde in Frankfurt vor dem Besteigen des Zuges ein Döner-Sandwich abgenommen. Der Beamte aß es dann selber auf. Besonders problematisch sind aus Sicht der Fans Stadionverbote und die Aufnahme in die Datei „Gewalttäter Sport“. Sie werden in Berlin daher erneut ein Einspruchsrecht gegen Stadionverbote fordern, zudem soll es eine Mitteilungspflicht geben, wenn man als vermeintlicher Gewalttäter erfasst worden ist. Es gibt genug Beispiele, dass Betroffene nichts davon wussten, da mitunter schon ein Verdacht für die Aufnahme in die GWS reicht. Obwohl es nie ein Strafverfahren gab, kann es passieren, dass man an der Grenze plötzlich als reisender Gewalttäter zurückgewiesen wird (…) Einer vorurteilslosen Diskussion stehen auf beiden Seiten bislang oft reflexartige Reaktionen entgegen. Fans wie Offizielle neigen zu gegenseitigen Verdächtigungen. Bezeichnend ist auch, dass der DFB zwar einen Sicherheits-, aber keinen Fan-Beauftragten hat. Aus diesem Grund begleiten das heutige Treffen von Seiten der Fans eher zarte Erwartungen.“

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Daniel Theweleit (FR 14.1.) schildert die Diskussion um den Online-Handel mit EM-Tickets: „Vor dem Bildschirm ist Fußball einfach am schönsten. In Zeiten von Heimkino und Surround-Akustik trifft diese These für viele längst auf den Konsum von Fußball zu, inzwischen gilt sie aber auch für den Kauf von Eintrittskarten. Das Geschäft läuft über das Internet, eingekauft wird im Wohnzimmer. Man sollte meinen, dass durch die modernen Vertriebswege alles einfacher und gerechter geworden ist. Niemand wird mehr im Schlafsack vor eine Ticketbude campieren, angesichts der knappen Kontingente und der zu erwartenden hohen Nachfrage entscheidet ein Zufallsgenerator, wer ein Ticket erhält. Nebenbei lassen sich die Käufer namentlich erfassen, unerwünschte, etwa als gewaltbereit bekannte Personen, können ausgeschlossen werden. Im Namen der Sicherheit und der Fairness. Den heiligen Gesetzen der freien Marktwirtschaft entspricht das freilich nicht. Diese würden implizieren, dass die Tickets an den Höchstbietenden abgegeben werden, denn die Preise regelt bekanntlich der Markt. Genau das passiert auf dem Marktplatz des Internet-Auktionshauses Ebay. Hier sind schon jetzt Karten für alle Spiele der Europameisterschaft erhältlich. Es wird rege geboten, eine Karte für das Finale kostet im Moment 650 Euro. Ausgabepreis der Uefa: 85 Euro. Den Veranstaltern ist das natürlich ein Dorn im Auge. Besonders, wenn sich der Verdacht aufdrängt, dass hier einige Leute dicke Geschäfte machen. Einerseits wird das Bemühen, die Karten für jeden erschwinglich zu halten, ad absurdum geführt, andererseits eröffnet sich für den Kunden eine ganz neue, vom Zufall unabhängige Möglichkeit, an Tickets zu kommen. DFB-Justitiar Jörg Englisch sagt: Das Problem ist uns bekannt, wir erleben das beim Pokalfinale, bei Länderspielen und bei Spitzenspielen der Bundesliga. Bislang aber gebe es erst ein Gerichtsurteil in dieser Frage, und da habe das Amtsgericht Kaiserslautern entschieden, dass der Besitzer einer Karte damit machen könne, was er wolle. Bei der Uefa beschäftigt sich Tag und Nacht eine ganze Rechtsabteilung mit diesem Thema, erzählt Katja Sichtig, Ticket-Managerin beim DFB. Wirksame Lösungen sind bislang nicht gefunden, denn eine Kooperation zwischen Verband und Auktionshaus gibt es nicht.

Tobias Morstedt (SZ 13.1.) berichtet den Streit zwischen dem echten und dem virtuellen Oliver Kahn: „In der Mediengesellschaft sind Sportstars zu kulturellen Ikonen geworden, leicht fiktive Gestalten mit enormem Marktwert, agil wie Spiderman und erbarmungslos wie Lara Croft. Superhelden eben, die es wirklich gibt und die deshalb mit Grundrechten ausgestattet sind. Denn für das Videospiel gilt das „starke deutsche Persönlichkeitsrecht“, wie Pascal Oberndörfer, Rechtsanwalt am Institut für Urheber- und Medienrecht in München, meint: „Es ist klassisches Persönlichkeitsrecht, angewandt auf einer neuen Oberfläche.“ Die Softwarehersteller betrachten ihr Medium naturgemäß ein wenig anders. Für sie ist der digitale Fußballspaß Kunst, deren Freiheit durch Artikel fünf des Grundgesetzes geschützt sei. Diese Argumentation hält der Medienrechtsexperte Oberndörfer für zweifelhaft: „Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechte sind beides Grundrechte, bei einer Abwägung werden die Interessen von Herrn Kahn wohl wesentlich überwiegen.“ Zwar müsse Kahn als Nationaltorhüter und damit als „relative“ Person der Zeitgeschichte gewisse Zugeständnisse an die Öffentlichkeit machen. Dies decke jedoch nicht eine kommerzielle Nutzung durch Drittparteien ab. Entscheidend für den Ausgang der Verhandlung werde sein, ob Electronic Arts eine „gültige Vertragskette nachweisen kann“, durch welche sie die Rechte an der Darstellung Kahns erworben habe. Präsentiert EA also nicht noch bislang unbekanntes Vertragsmaterial, ist ein ähnliches Urteil wie in der ersten Instanz zu erwarten.“

Die Literarizität des Fußballs stehtaußer Frage

Andreas Rosenfelder (FAZ 23.12.) protokolliert eine Lesung: „Sätze über Fußball erheben selten den Anspruch, Niegesagtes mitzuteilen. Formulierungen wie Dann war Rostock am Drücker oder Ihr werdet nie deutscher Meister haben keine Urheber – als Allgemeingut darf sie jeder benutzen, auch ohne Trainerschein und Dauerkarte. Daß die Literarizität des Fußballs dennoch außer Frage steht, beweisen die Pressekonferenzen. So gab der ausgediente Pressesaal des Müngersdorfer Stadions jetzt die beste Kulisse für die von einem echten Schiedsrichter angepfiffene Lesung Torwort ab, veranstaltet von den Mitarbeitern verschiedener Fußballmagazine. An dieser Stelle prägte einst Klaus Hartmann, damals Präsident des 1. FC Köln, den Spruch Zur Zeit leben wir in einem Rückschlag. Heute empfängt ein Pappkamerad von Rudi Völler die hundertfünfzig Besucher, die in Trikots vom FC Liverpool bis hinab zu Fortuna Köln auflaufen, mit einer Sprechblase: Ja gut, ich sach ma: Herzlich Willkommen! Im Kontrast zu diesem unverfälschten Gruß erwies sich das Motiv des Abschieds, von Karl Heinz Bohrer als Kernstück der Moderne entdeckt, als wichtigster Anstoß spielfeldnahen Schreibens. Chaled Nahar, Autor im Fanzine kölsch live, lobte in seinem hübschen Abgesang aufs alte Müngersdorfer Stadion den Charme des Verfallenen. Auch Melanie Kaltenbach vom Aachener In der Pratsch feierte mit der alten Stadionuhr im Tivoli ein Symbol der Vergänglichkeit – und sagte ihm zugleich ein unwürdiges Altenteil auf dem Schrottplatz der Moderne voraus. Fußballfreunde sind Nostalgiker. Das belegen die Elegien in einer Zeit, welche die Stadien zu Tempeln der Familienunterhaltung umgestaltet und den Fan nur noch als offiziell registrierten Schwenkfahnenartisten (Kaltenbach) für die Kameras benötigt. Die Lyrik des runderneuerten Fußballs, die sich nicht nur in Stadionnamen verfestigt, bekam vernichtende Rezensionen – am schönsten in einem von Dennis Alexander Meinerts verlesenen Beitrag aus dem Magazin 11 Freunde, wo die absurde Tierwelt pausenfüllender Vereinsmaskottchen wie Chem-Cat (Chemnitzer FC) oder Grotifant (KFC Uerdingen 05) aufmarschierte. Der Verdacht gegen Rhetorik sitzt tief in einem Milieu, das seine Sternstunden der harten Erfahrung des sportlichen Existenzkampfes verdankt (…) Als entspanntes Gegenstück zu solchen Traumata las zum Schluß der Torhüter Lars Leese aus seiner Lebensgeschichte, im vergangenen Jahr unter dem Titel Der Traumhüter erschienen. Mit großem Charme gab Leese, der bis zu seinem siebenundzwanzigsten Lebensjahr in der Oberliga spielte, Einblick in seine über Bayer Leverkusen zum britischen Erstligisten FC Barnsley führende Profikarriere. Und in der Diskussion zeigte er mit einem witzigen Kommentar zur Null-zu-sechs-Pleite seines Ex-Klubs gegen den FC Chelsea, daß selbst abgedroschenste Fußballphrasen beim richtigen Einsatz wie neu klingen: Wir haben halt das Tor nicht gemacht.“

Andreas Rosenfelder (FAZ 31.12.) diagnostiziert eine „tiefgreifende Psychologisierung des Fußballs“: „Spätestens mit Rudi Völlers Ankündigung, künftig einen Psychologen für die Nationalmannschaft zu beschäftigen, kam das runde Leder in jenem Labyrinth der Seele an, das Sigmund Freud bereits vor gut hundert Jahren erschloß. Natürlich führt die alt bewährte Redekur in der Sportart eines Andy M. („Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl“) nicht zwangsläufig zum Ziel. Und die Kurzmitteilungen, die Ottmar Hitzfeld über Handy mit seinem im Max-Planck-Institut für Psychiatrie betreuten Mittelfeldmann Deisler austauschte, ließen der freien Assoziation einer Analyse schwerlich Raumund nutzte wohl eher den Werbepartnern in der Mobilfunkbranche. Natürlich besteht auch kein Anlaß, die Trainerbank künftig – in Anlehnung an die Sitzhaltung des Psychoanalytikers zur Couch seines Patienten – mit dem Rücken zum Platz aufzustellen. Dennoch wird wohl manch ein Taktiker der Versuchung erliegen, Freuds Topik des psychischen Apparats – einem von Besetzungsenergien durchströmten Spielfeld vergleichbar – auf die Anfangsformation zu übertragen. Schwingt nicht in Günter Netzers Ruf nach einem Spielmacher die Urangst vor einer Vakanz auf dem Posten des Über-Ichs mit, den Michael Ballack nur unzureichend ausfüllt? (…) Trotz aller Gefahren einer Psychiatrisierung des Ballsports braucht niemand um die Seele des Spiels zu bangen. Das weiße Ballett wird keine Anstaltskleidung tragen: Die erste Nationalmannschaft, die bereits vor ihrem siegreichen Weltmeisterschaftsauftritt von 1958 einen Psychologen einsetzte, waren die scheinbar nur dem Lustprinzip verpflichteten Brasilianer.“

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