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„Drei große Nationen des Weltfußballs bereiten sich schon in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan auf Endspiele vor.“
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| Donnerstag, 25. März 2004
„Drei große Nationen des Weltfußballs bereiten sich schon in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan auf Endspiele vor.“ Damit läutet die FAZ den dritten und letzten Spieltag der Vorrunde ein, der morgen beginnt und bei dem einige heikle Entscheidungen auf dem Programm stehen. Denn mit Frankreich, Argentinien und Italien stehen exakt jene drei Teams mit dem Rücken zur Wand, denen man vor Turnierbeginn am meisten zugetraut hatte.
Doch wer würde vom Scheitern der Großen profitieren? Wird 2002 zu einer WM der Afrikaner – wie von einige Experten im Vorfeld vermutet? Dagegen spricht das Ausscheiden der Nigerianer sowie der bisher bescheidene Auftritt des kontinentalen Titelträgers Kamerun. „Europa und der afrikanische Fußball, ein Verhältnis von Gleichberechtigten ist es nicht.“ Diese Beobachtung des Tsp könnte sich durchaus auf sportlicher Ebene wieder bestätigen.
Die von der Sportpolitik angestrebte „Osterweiterung auf der WM-Landkarte“ (NZZ) verspricht differenzierten Erfolg. Während Japan und Südkorea ihre Rückstände auf dem Rasen (sowie auf den Rängen) deutlich verkürzt haben, präsentierten sich Saudi-Arabien und China überfordert. Dahingegen hat Concacaf sein umstrittenes Kontingent gerechtfertigt: Die drei Teilnehmer USA, Costa Rica und Mexiko stehen noch ungeschlagen da. „Vom Gehalt der einzelnen Partien her sind bisher wenige Memorabilien zu registrieren gewesen“, formuliert die NZZ die Offenheit des Gewesenen; aber auch die des folgenden. Für Spannung ist also gesorgt.
„Im bisherigen Turnier gab es nicht den geringsten Anlass, anzunehmen, der friedliche Patriotismus könnte in gefährlichen Nationalismus umschlagen. Das hat sich nun offenbar geändert“, schreibt die SZ im Hinblick auf das Duell der Südkoreaner mit den Amerikanern. Die asiatische Bevölkerung pflegt ein zweiseitiges Verhältnis zu ihrem Bündnispartner.
Außerdem: Pressekonferenzen mit Völlerskibbe, Randalefreiheit in Japan, Reaktionen des englischen Boulevards, Stimmung in Japan u.v.m.
Die Wahrnehmung afrikanischer Fußballkultur kommentiert Helmut Schümann (Tsp 10.6.). „Schon der vormalige Bundestrainer Berti Vogts hat gerne und oft vor der Gefahr gewarnt, die da von jenem unbekannten Kontinent drohe, hat gepriesen, dass afrikanische Fußballer alles haben, was ein erstklassiger Fußballer braucht: nämlich Kraft und Schnelligkeit, Technik und Ballsicherheit, Leidenschaft und Erfolgshunger. Nur eins habe er nicht, der Afrikaner, und in diesem Punkt ging Vogts der Schnacksel-Prinzessin Gloria schon mal vorweg: Er ist ja so undiszipliniert, der Afrikaner. An dem Bild hat sich wenig geändert. Zwar spielen nahezu alle hier bei der WM vertretenen afrikanischen Spieler bei äußerst disziplinierten europäischen Großklubs, das Klischee aber hält sich, wie auch die Meinung, dass taktische Zucht und spielerische Ordnung am besten von westlichen Trainern eingebläut werden sollten, am allerbesten von deutschen Trainern.“
Ralf Wiegand (SZ 10.6.) zieht Zwischenbilanz. „Das WM-Turnier ist systematisch in die Enge getrieben worden von den ausufernden Spielplänen in Europa, die, der Champions League sei dank, auch noch permanent die besten Klubs in schneller Folge aufeinander hetzen. Selbst an einem Mittwoch im Februar. Und für jene vier Sommerwochen, in denen die ganze Welt dann mal Spaß habenkönnte an den Besten der Besten, fehlen denen die Kraft und die Frische. Dass einzelne Spiele unberechenbarer werden, weil die Kleinen Fortschritte gemacht haben – gut so. Wenn aber das ganze WM-Turnier zu einer Konditions-Lotterie verkäme, (…) wäre das bedauerlich.“
Die Anteilnahme der Gastgeberländer am Geschehen bewertet Mark Schilling (NZZ 10.6.). „Die Fußballbegeisterung in Asien wird nur entfacht, wenn die Veranstalterländer am Werk sind; sonst stehen die Asiaten wohl nicht teilnahmslos, aber eben doch weitgehend desinfiziert vom Fußball-Virus dem Geschehen gegenüber. Hier gar von „Gleichgültigkeit“ zu sprechen, würde ihren Bemühungen, möglichst perfekte Gastgeber zu sein, nicht gerecht werden. Doch der beinahe missionarische Eifer der Fifa, aus dem Fußball das letzte gebrauchte Esperanto abzuleiten, hat in den beiden Ländern seine Grenzen aufgezeigt erhalten.“
Verschiedene Fußballkulturen könnten voneinander lernen, findet Peter B. Birrer (NZZ 10.6.). „Die Auftritte der japanischen Fußballer sind auf jeden Fall schon jetzt zu einem Erlebnis geworden, das anders, vielleicht etwas künstlicher, steriler und geordneter gelebt wird als in Stadien anderer Länder. Aber das Heroen liebende japanische Publikum ist außerordentlich fair, scheint die Unsitte des penetranten Auspfeifens nicht zu kennen und lässt den Gegner auch sonst weitgehend in Ruhe. So könnten die einen von den anderen vielleicht immer noch ein bisschen mehr Fußball-Sachverstand übernehmen – um dafür von ihrem vorbildlichen Anstand ein wenig zurückzugeben?“
Die Verteilung der WM-Plätze scheint gerecht zu sein, so die NZZ (10.6.). „Der Weltfußballverband hat in den letzten Jahren von verschiedener Seite Kritik einstecken müssen für sein Zugeständnis, dem Kontinentalverband Concacaf (Zentral- und Mittelamerika sowie Karibik) an jeder WM-Endrunde drei fixe Plätze zu reservieren. Vor allem Afrika (fünf Plätze), aber auch die Asiaten und vor allem Ozeanien (ohne Platz) gehören der Fraktion an, die sich für eine Umverteilung stark machen. Nimmt man den bisherigen Turnierverlauf als Maßstab, hat die Fifa bei der Festlegung der Kontingente ein feines Gespür entwickelt. Die Vertreter des Concacaf kennen an dieser WM das Gefühl der Niederlage nur vom Fernsehen – als einziger ungeschlagener Kontinentalverband. Mexiko und die USA stehen mit blütenreiner Weste da, Costa Rica liebäugelt mit vier Punkten aus den Partien gegen China und die Türkei mit einem Platz in den Achtelfinals.“
Die Stimmung in Japan kommentiert Peter Heß (FAZ 10.6.). „Vor diesem Sonntag war die allgemeine Ansicht im Lande gewesen, diese WM-Endrunde komme zu früh. Eine Reaktion auf die WM 1998 in Frankreich, als sich Japan erstmals qualifiziert hatte. Damals wurde die Öffentlichkeit glauben gemacht, dass der japanische Fußball sehr stark geworden sei – und dann setzte es drei Niederlagen in der Vorrunde. Vergesst es, dieses Mal könnt ihr uns nicht zum Narren halten, so könnte man die verhaltene Stimmung in Japan auf alle Versuche der Medien und staatlichen Organisationen beschreiben, vor diesem Turnier ein WM-Fieber auszulösen.“
Pressestimmen zum Spiel Japan-Russland (1:0)
Pressestimmen zu den Spielen der Gruppe C (TUR-COS, BRA-CHN)
Pressestimmen zum Sieg Südafrikas gegen Slowenien (1:0)
Pressestimmen zum Spiel Italien-Kroatien (1:2)
Pressestimmen zum Verhältnis zwischen Südkorea und USA
Die Reaktion der englischen Boulevardzeitungen nach dem Sieg gegen Argentinien kommentiert Wolfgang Hettfleisch (FR 10.6.). „Es versteht sich, dass die Sieger in sämtlichen Spalten allesamt als Helden hochleben. Wo doch selbst die Times alle angeborene Nüchternheit über Bord warf mit der Prophezeihung, einzig die englische Elf habe das Talent und die Bestimmung, deren es bedürfe, um Weltmeister zu werden. Wenn sie denn gut genug sind, kann niemand ernstlich was dagegen haben. Lautstärke und Tonart des nationalistischen Geheuls nach dem Sieg über Argentinien ließe für eine Wiederholung des Triumphs im eigenen Land 1966 freilich das Schlimmste befürchten, was Englands Schlagzeilen-Fabrikanten anlangt.“
Ronald Reng (FR 10.6.) war mit irischen Fans im Pub. „Ausgerechnet das kleine Land mit nur 3,5 Millionen Einwohnern brachte die meisten Fans nach Japan. Und was für welche: Sie alle sehen sich in der verdammten Pflicht, fröhlich zu sein. Denn ihre Ausgelassenheit ist die irische Art, den historisch ungeliebten Engländern die Zunge rauszustrecken. Traditionell interpretieren englische Fans Spaß so, dass sie sich betrinken, alles vollpinkeln und ein paar Leute verprügeln. In ihrem Drang, anders als die Engländer zu sein, entschieden die irischen Fans irgendwann, sich zu betrinken, alles vollzupinkeln und permanent gut gelaunt zu sein.“
In dem unübersichtlichen Wust von TV-Expertenrunden hat Gerda Wurzenberger (NZZ 10.6.) eine Perle gefunden. Es handelt sich um die dreiminütige Vorschau von Arte (täglich 19.45h), in der Fußballtrainer Arsène Wenger und Politiker Daniel Cohn-Bendit mit historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergründen über die beteiligten Nationen der jeweiligen Spiele des nächsten Tages vertraut machen. „Unter den vielen Bemühungen, Fußball zu intellektualisieren, gehören diese kurzen Beiträge zu den wirklich überzeugenden. Da wird für einmal nicht mehr versprochen, als geboten wird, da wird nicht gequasselt, sondern Stimmung uns Wissen fernsehgerecht vermittelt und werden Fragen so gestellt, dass sie über das pure WM-Geschehen hinaus nachwirken. Wer das nicht gesehen hat, hat ein echtes Highlight dieser Fußball-Weltmeisterschaft verpasst.“
Über die Bedeutung von „soccer“ in den USA heißt es bei Heinrich Wefing (FAZ 10.6.). „Fußball interessiert hierzulande ohnehin niemanden. Um zu ermessen, welchen Stellenwert „soccer“ in den Vereinigten Staaten spielt, muss man nur wissen, dass die amerikanische Frauennationalelf populärer ist als die Männermannschaft. Soweit man von Popularität sprechen mag bei Zuschauerzahlen in der Major League, der höchsten Spielklasse, die regelmäßig etwas Geheimbündlerisches haben. Und diese mikroskopische Zielgruppe schrumpft nach Mitternacht noch weiter. Dann schauen nur die Schlaflosen und die Enthusiasten. Wobei die erste Gruppe weitaus größer sein dürfte als die zweite.“
Die ungewohnte asiatische Stadionatmosphäre erlebt Andreas Bernard (SZ 10.6.) vor dem Fernsehgerät. „Wenn David Beckham im Spiel der Engländer gegen die Schweden zu einem simplen Querpass in der eigenen Hälfte ansetzte, ging durch das Stadion von Saitama jedes mal ein Raunen, wie man es nur bei den spektakulärsten Aktionen kennt, bei einem Fallrückzieher oder bei einem Freistoß ans Lattenkreuz. Die ganze Fremdheit des Fußballspiels, wie sie für die meisten japanischen Zuschauer weiterhin Bestand hat, kam in diesem Moment zum Vorschein. Es wurde einem Spieler zugejubelt, der auch in Asien bereits ein Idol ist, aber in einer Spielszene, die das nicht vorsieht. Für den europäischen Zuschauer hatte diese Reaktion etwas Irritierendes. Plötzlich war die zuverlässige Verbindung zwischen Spielfeld und Tribüne durchtrennt. Die Bewegungen der Bilder und der Stimmen stimmten nicht mehr überein, überlagerten sich, wie in schlecht synchronisierten Filmen.“
Die Öffentlichkeitsarbeit des deutschen Trainerduos beschreibt Michael Horeni (FAZ 10.6.). „Auf der täglichen Pressekonferenz erscheinen Teamchef und Trainer im Wechsel, wobei die halbstündigen Auftritte mittlerweile Züge eines ritualisierten Rollenspiels mit unfreiwilliger Komik tragen. Völler beschützt seine Spieler vor öffentlichen Angriffen und warnt vor übertriebenen Erwartungen. Sein Herold gibt dagegen den notorischen Optimisten, der locker über jede Schwierigkeit, Verletzung oder sonstige Unannehmlichkeit hinwegredet. Das begann schon in der Vorbereitung, als er Christian Wörns einen Tag vor dessen Absage als topfit bezeichnete. Nach der Ankunft in Japan schwärmte Skibbe davon, dass die Spieler die Zeitumstellung exzellent verkraftet und den neuen Rhythmus schon gefunden hätten. Zehn Minuten später gestand Carsten Ramelow, dass ihn der Schlaf zur Mittagszeit gnadenlos übermannt hatte. So ging es in einem fort mit den gebügelten Kommuniqués.“
Dass Randale bisher ausgeblieben sind, führt Anne Scheppen (FAZ 10.6.) nicht zuletzt auf die akribischen Sicherheitsvorkehrungen vor Ort zurück. „Die japanische Polizei, der Grenzschutz und die Organisationskomitees haben bis jetzt gute Arbeit geleistet. In Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitskräften – vor allem mit britischen, deutschen und französischen – kamen viele potentielle Störenfriede erst gar nicht ins Land. Sauber sind Fanblöcke und Zuschauerströme getrennt worden, ruhig und akkurat wurde den Stadionregeln Geltung verschafft. Man kann nicht sagen, dass die Vorbereitung übertrieben wurde – was aber mit Sicherheit übertrieben wurde, war die „Aufklärung der Öffentlichkeit“ vor den Spielen. Täglich flimmerten die „praxisnahen Übungen“ der Ordnungshüter über die Bildschirme der Fernsehsender, am laufenden Band wurden neue Wunderwaffen gegen Hooligans vorgestellt. In den Wochen vor der WM konnte man in Japan den Eindruck gewinnen, dass Fußball hauptsächlich Randale ist. Und manch einer muss sich gefragt haben, warum sein Land sich so für einen Sport verausgabt, wenn dieser doch nichts als Ärger und Schulden bringt.“
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