Ballschrank
Duell um die Tabellenführung
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| Donnerstag, 25. März 2004
am Sonntag siegten die Spitzenteams Bremen und Leverkusen im „Duell um die Tabellenführung“ (NZZ) – „Unterhaltungsfußball“ (FAZ) in Bremen auch dank Johan Micoud, Bremens – Comeback Nowotnys – Armin Veh tritt zurück
Duell um die Tabellenführung
Martin Hägele (NZZ 7.10.) fasst den Bundesliga-Sonntag zusammen, an dem zwei Spitzenteams ihre Ambitionen unterstrichen: „Am 8.Spieltag meldete die „Sportschau“ einen neuen TV-Rekord: 6,3 Millionen Haushalte waren zu den sieben Partien am Samstagnachmittag zugeschaltet. Dazu kamen am Sonntag noch die Tor-Festivals von Bremen und Leverkusen. Vor allem das Niveau dieser beiden Begegnungen tat dem Ruf der Bundesliga gut. Bisher zeichneten sich die Sonntagsspiele nämlich durch schwache Qualität aus. Unter dem Motto „Duell um die Tabellenführung“ wurde sowohl das Bayer-Team als auch das Werder-Ensemble den Erwartungen gerecht, die seit einigen Wochen im Umfeld der beiden Mannschaften gewachsen sind. Einmal davon abgesehen, dass die Bundesliga generell Imagewerbung nötig hat, verlangt heuer speziell die Kundschaft am Rand der Weser und unterm Bayer-Kreuz nach besonderer Rehabilitierung. Unter Retter Augenthaler trumpft die durchsortierte und neu geordnete Equipe um den Weltmeister-Libero Lucio fast wie zu jenen Zeiten auf, als sich Bayer als Spitzenkraft der Liga etablierte und die Fussball-Lehrer Daum und Toppmöller mit als die wichtigsten Dozenten der Bundesliga galten. Augenthaler hat dem Bayer-Spiel wieder eine klare Ordnung verliehen: Alles ist etwas nüchterner geworden (…) Auch die Norddeutschen haben schwere Zeiten hinter sich. Selten zuvor hat sich ein Bundesliga-Vertreter solche Demütigungen gefallen lassen müssen wie die Werderaner nach ihrem K.o. im UI-Cup gegen den FC Superpfund Pasching. Wer die Schützlinge des stocknüchternen Trainers Schaaf heute spielen sieht, kann sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, dass sich diese Leute von der österreichischen Provinzmannschaft blamieren und auslachen liessen. Nach der Gala gegen den VfL Wolfsburg sagte Manager Allofs spontan dem Rekordmeister aus München den Kampf an: „Jetzt ist sogar der Titel drin, ja die Meisterschaft ist möglich.“ Manche im Weserstadion fühlten sich in diesem Augenblick zurückversetzt in die Zeiten, in denen Guru Rehhagel den „Millionarios von der Isar“ den Krieg erklärte. Schon damals gehörte die Psychologie des Underdogs zu den Strategien der Bremer.
Werder Bremen – VfL Wolfsburg 5:3
Unterhaltungsfußball
Frank Heike (FAZ 7.10.) ist freudetrunken: Nach 65 Minuten schien es, als blickten die Darsteller dieses wunderbaren Schauspiels auf die Dramaturgie der Ereignisse in dem Empfinden zurück: Genug, wir haben alles gezeigt und gegeben, was an diesem Abend möglich ist, jetzt bieten wir den Zuschauern ein gemächlicheres Ende an. Denn mit Miroslav Karhans Tor zum Endstand von 3:5 in ebendieser Minute war das torreichste und faszinierendste Spiel dieser Bundesliga-Saison beendet, obwohl noch 25 Minuten zu spielen waren. Für den Rest der Zeit egalisierten sich die beiden Teams und hielten sich einigermaßen an die taktischen Vorgaben der Trainer. Niemand unter den 32 000 Zuschauern im Weserstadion verübelte den Profis die nun fehlende Zielstrebigkeit. Denn was das Publikum zwischen der 21. und 65. Minute gesehen hatte, war die ganze Schönheit des Fußballs, die sich dann offenbart, wenn zwei Mannschaften ihre taktischen Fesseln abstreifen und ein Spiel einfach laufen lassen. Sieben Tore in 44 Minuten, darunter einige Treffer aus dem Lehrbuch des Fußballs, eine spektakuläre Torfolge, Slapstick in den Abwehrreihen, zwei völlig verschiedene Mittelfeldregisseure als Hauptdarsteller – darüber gab es so viel zu erzählen, daß der neue Presseraum des SV Werder noch eine halbe Stunde nach Spielschluß mit diskutierenden Verantwortlichen und fragenden Reportern gefüllt war. Und irgendwie schienen nicht nur die Spitzenreiter aus Bremen glücklich zu sein, an diesem Spiel mit einer Fülle rundum erfreulicher Momente teilgenommen zu haben. Auch die Wolfsburger verhehlten nicht ihren Stolz, daß ihr Fußball zum derzeit attraktivsten der Liga gehört – Unterhaltungsfußball.
Markus Jox (taz 7.10.) teilt Bremer Selbstbewusstsein mit: „Klaus Allofs hatte den Mund sehr voll genommen. Für seine Verhältnisse sogar übervoll. In seiner wöchentlichen Prä-Spiel-Kolumne, die in einem Bremer Anzeigenblättchen erscheint, hatte der sonst eher distinguierte Sportdirektor des SV Werder mal so richtig vom Leder gezogen. Auch wenn wir uns manchmal noch ein bisschen mehr Beachtung wünschen, formulierte Allofs nachgerade verwegen, macht Erfolg eben sexy. Deswegen erfülle der Verein im Moment alle Wünsche: Ob Premiere, DSF, Sportstudio, Sportblitz oder Sportclub – alle wollen Studiogäste vom SV Werder. Am Sonntag hätte dieser neue Bremer Sexappeal um ein Haar sogar Thomas Schaaf erfasst. Nach dem nie gefährdeten 5:3 im einmal mehr nicht ausverkauften Weserstadion, wählte selbst der spröde, aber doch wundersam witzige Trainer des neuen Bundesliga-Tabellenführers große Worte: Diese Platzierung spiegelt genau die Leistung wider, die das Team zu Saisonbeginn gezeigt hat, schwärmte Schaaf. Er freue sich bereits auf das Spitzenspiel gegen den VfB Stuttgart in zwei Wochen und hoffe, dass die Hütte dann ausverkauft sein wird. Rasch hatte Schaaf seine Emotionen wieder im Griff und gab, ganz wie gewohnt, den Georg Christoph Lichtenberg des deutschen Fußballs: Drei Gegentore zu Hause sind zu viel – das geht eben gut aus, wenn man fünf schießen kann. Viel kann man dieser aphoristischen Analyse nicht hinzufügen. Allein: Es war eine bemerkenswerte, vielleicht sogar typische Partie für den SV Werder dieser Bundesliga-Hinrunde 2003. Denn in Momenten, in denen die Mannschaft in der Vorsaison noch in arge Bedrängnis gekommen wäre, blieben die Schaafianer am Sonntag kaltschnäuzig, cool – und konstant am Drücker. Zweimal war den wackeren Wolfsburgern der Anschlusstreffer geglückt, und zweimal kam die Bremer Antwort prompt.“
Sven Bremer (FTD 7.10.) fügt hinzu: „Der Hardcore-Fan schreckt vor nichts zurück. Um seinen SV Werder ganz oben in der Tabelle der Fußball-Bundesliga zu sehen, hat ein Anhänger der Grün-Weißen einen „Johan-Micoud-Gebetsschrein“ ins Internet gestellt. Mit der Bitte an die Besucher seiner Homepage, doch eine Kerze für den französischen Mittelfeldspieler zu entzünden. Das Abspielen der Marseillaise gibt’s gratis dazu. Es scheinen so einige Werder-Fans auf die Seite gesurft zu sein – Micoud führte wieder einmal göttlich Regie (…) Sportdirektor Klaus Allofs ist entspannt, trotz der stockenden Vertragsverhandlungen mit den Leistungsträgern Ailton und Mladen Krstajic. „Wenn sie nicht unterschreiben, sind sie eben weg“, sagt er lakonisch. Werder sei an seine Grenzen gegangen. „Ich glaube, das Ailton bleiben will“, sagt Allofs und kokettiert mit dem Gezerre um Gehälter und Prämien: „Reich ist er sowieso, ein bisschen weniger reich reicht doch auch, oder?“ Manager Allofs, dem Max Merkel einst bescheinigt hatte, „der würde woanders nicht einmal die Parkschranke öffnen“, kann trotz des bescheidenen Budgets auf eine hervorragende Personalpolitik verweisen. Er hat im vergangenen Jahr den Coup mit Micoud eingefädelt, es folgten zu Saisonbeginn Andreas Reinke, der zum Nulltarif aus Murcia kam, sowie die Leihgaben Valérien Ismael und Ümit Davala. All drei sind schon Stammspieler.“
Jörg Marwedel (SZ 7.10.) porträtiert Johan Micoud: „Es hat nicht nur sonnige Tage für Johan Micoud gegeben in den bald 14 Monaten, die er jetzt in Bremen ist. Manchmal hat er gehadert mit der Taktik des Trainers Thomas Schaaf, manchmal mit sich selbst. Und jedesmal, wenn der SV Werder das Aus in Uefa- und UI-Cup beklagte, versetzte es ihm einen Stich. Die internationale Bühne ohne ihn, den französischen Star, das bedeutete Frust hoch drei, schlechte Karten für die Nationalelf und zuweilen ein Motivationsproblem. Nicht wenige haben ihn deshalb als ziemlich launischen Typ eingestuft. Womöglich ist aber am Sonntag eine neue Phase seines Wirkens bei Werder sichtbar geworden: ein herrliches Spektakel. Micoud hat mächtig Spaß gehabt bei dem Duell der Regisseure mit Wolfsburgs Andrés D’Alessandro. Zum einen natürlich, weil er dieses Duell klar gewonnen hat; zum anderen, weil er sich überhaupt „gern mit außergewöhnlichen Fußballern misst“. Zu denen zählt er D’Alessandro, seit er ihn unlängst im Fernsehen beobachtet hat. Bremens Sportdirektor Klaus Allofs kann noch viele Argumente aufzählen, weshalb sich diesmal nicht wiederholen werde, was sich in den vergangenen beiden Spielzeiten mit Werder und mit Micoud abspielte – dass man nach einer begeisternden Vorrunde wieder abstürzt in jene Region kurz vor dem Niemandsland: die gewachsene Routine, die bessere Balance im Kader, in dem nun auch ein Stürmer wie Ivan Klasnic die Geduld des Trainers Schaaf belohnt und zum internen Konkurrenzkampf beiträgt. Allofs’ wichtigstes Argument aber heißt Micoud. Über den Spielmacher sagt der Sportdirektor: „Johan ist der Gradmesser für die neue Beständigkeit. Er ist noch mehr Führungsspieler geworden.“ Micoud fiel gegen Wolfsburg nicht nur als gewohnt glänzender Passgeber und Torschütze mit Augenmaß auf, sondern auch durch seinen Einsatz.“
Typische Wellentäler zwischen Superstar und Depp
Frank Heike (FAS 5.10.) fügt hinzu: „Im Frühjahr war der Unersetzliche noch der Querulant. Es lief mal wieder gar nicht beim SV Werder; eine Niederlagenserie hatte die erfolgreiche Vorrunde vergessen gemacht, und der gefeierte Mann der späten Monate 2002 war der Störenfried der frühen Monate 2003 – Johan Micoud. Er spielte nicht mehr so gut wie im Herbst, er geriet mit einem Boulevardreporter aneinander, er kritisierte die mangelnde interne Kommunikation mit Sportdirektor Klaus Allofs, speziell mit Trainer Thomas Schaaf. Das tat er öffentlich, in einem Interview. Das ärgerte gerade Schaaf besonders. Für ihn ist Diskretion alles. Plötzlich hatten alle diejenigen Futter, die sowieso nie verstehen konnten, warum ein französischer Nationalspieler vom AC Parma an die Weser gewechselt war. Weil er eben ein schwieriger Typ sei, so die Antwort der Auguren, die es in Bremen zwar weniger zahlreich als anderswo in Bundesliga-Deutschland, aber durchaus auch gibt. Micoud überstand das Frühlings-Unwetter an der Weser, vielleicht auch deswegen, weil er nicht ungeschickt von sich und seinem Fehlverhalten auf und außerhalb des Feldes ablenkte und mit dem FC Schalke 04 und dem FC Liverpool flirtete. Vielleicht muß ein Profi aus dem Ausland erst das Wirkungsgefüge in einem deutschen Klub und seinem medialen Umfeld mit diesen typischen Wellentälern zwischen Superstar und Depp durchleiden, bevor er seine volle Qualität entfalten kann. Micoud steht als auffälligster Mittelfeldspieler der Bundesliga da; die Bremer haben ihren Höhenflug längst untrennbar mit Micoud verknüpft: Er gilt als unersetzlich.“
Bayer Leverkusen – Hansa Rostock 3:0
Christoph Biermann (SZ 7.10.) berichtet Jens Nowotnys Comeback in der Bundesliga: „„Ich hätte aber wohl nicht gespielt, wenn Juan fit gewesen wäre“, sagte Nowotny und irrte. Es mochte ihm so erscheinen, dass er nur für den Brasilianer einsprang, der eine Angina auskuriert. Doch schon nach der Partie in Wolfsburg hatte Klaus Augenthaler in kleinem Kreis davon gesprochen, den Rekonvaleszenten gegen Hansa spielen zu lassen. Außerdem stellte er Nowotnys Kollegen auf seine Rückkehr richtig ein. „Ich habe an die Mannschaft appelliert, dass sie ihn nicht im Regen stehen lässt“, sagte Augenthaler. Das war besonders Carsten Ramelow anzumerken. Nowotnys bester Freund im Team warf sich im defensiven Mittelfeld so entschieden dazwischen, als wolle er seinem Hintermann jeden Zweikampf ersparen. Lucio, Nowotnys Partner in der Innenverteidigung, arbeitete mit ähnlichem Eifer, so dass der Rückkehrer kaum einmal geprüft wurde. „Er hat keine gravierenden Fehler“, sagte Augenthaler, was man als Kritik hätte missverstehen können, denn viele Gelegenheiten für Fehler hatte Nowotny eben nicht. Doch der Trainer von Bayer hat sich entschlossen – und das ist schon eine kleine Sensation – , Nowotny seinen Platz auf Dauer zurückzugeben. „Wenn er sich nicht verletzt, wird er in Berlin auf dieser Position spielen“, sagte Augenthaler, „wer auf der rechten Seite zum Einsatz kommt, werden wir sehen.“ Das dürfte Juan sein, einer von Bayers Besten in dieser Spielzeit.“
Er ist einer, der an der Ostsee etwas versuchen wollte
Dirk Böttcher Udo Muras (Welt 7.10.) bedauern den Rücktritt Amin Vehs: „Der Augsburger, der wohl einem Rauswurf zuvorkam, bleibt sich treu. Er geht, weil er ehrlich zu sich selbst bleiben wollte – und weil er kaum noch Argumente besaß. Die Vereinsführung hatte zwar mehrmals verkündet, mit Veh auch in die Zweite Liga zu gehen, aber sie war sich auch nicht mehr einig. Veh geht nun vielleicht sogar zum Regionalligisten FC Augsburg. Die für Dienstag angekündigte Trainervorstellung wurde dort gerade um eine Woche verschoben, und Veh teilte mit, dass er definitiv zu keinem größeren Verein wechseln werde. Zu Augsburg habe er hingegen immer ein Verhältnis. Walter Seinsch, Augsburgs Vereinspräsident, sagte bereits, für Veh würde er von Augsburg nach Rostock zu Fuß gehen. Als Veh ging, standen sämtliche Journalisten Spalier, der Abschied fiel schwer. Mit dem Umfeld kam der emotionale Typ besser zurecht als mit seinen Spielern, die ihm Unberechenbarkeit vorhielten. Unvergesslich seine Ausbrüche unter der Woche, wenn er etlichen Profis die Bundesligatauglichkeit absprach und sie samstags dann doch wieder auflaufen ließ. Mit dem Vorstand harmonierte er. Besser kann das Verhältnis gar nicht sein, sagte Veh. Vorstandsmitglied Rainer Jarohs hatte einmal gesagt: Man muss aufpassen, ihn nicht zu doll zu mögen. Denn einmal wird dieser Tag kommen. Veh aber hat diesen Tag des Rauswurfs verhindert. Nicht einmal stand er auf einem Abstiegsplatz, aber er kam auch nicht viel höher hinaus. Die Lage ist hier nicht aussichtslos, sagte er noch und dass er der Mannschaft Erfolg wünsche. Denn der fehlte. Den Vorstandsauftrag, endlich schöneren Fußball spielen zu lassen, hatte Veh sehr wohl erfüllt. Wer nicht sieht, welche Entwicklung diese Mannschaft gemacht hat, der sollte sich einen anderen Beruf suchen – als Journalist, sagte er noch vor dem Spiel in Leverkusen. Aber uns fehlen Ergebnisse. Weil dem so war, hatte Aufsichtsratschef Horst Klinkmann angeblich zwei Punkte gefordert aus den Spielen in Leverkusen und Wolfsburg, was als Ultimatum ausgelegt wurde. Rostock verliert durch Veh an Glanz und Charakter. Der Gladbacher Ex-Profi war einer, der an der Ostsee etwas versuchen wollte. Auch wenn die Kasse leer war.“
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