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Eiersuche in München – brüchige Rangordnung bei den Bayern (BLZ, FAZ) – Olympique Lyon drängelt in den Markt

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Eiersuche in München – brüchige Rangordnung bei den Bayern (BLZ, FAZ) – Olympique Lyon drängelt in den Markt

Javier Cáceres (SZ 5.11.)versteht die Forderung Oliver Kahns nach Eiern: „Mit dem Erwerb einer Wagenladung der Güteklasse A, verfertigt von glücklich-freilaufenden Landhennen, ist das Problem nicht gelöst. Es liegt tiefer, und wenn die Bayern die Forderung ihres Kapitäns befolgen wollen, müssen sie rein in Historie und Sprachforschung. Da sie dafür, bei aller Ballarbeit, kaum Zeit finden dürften, sei auf Fidel Castro, den großen Linksverteidiger der kubanischen Revolution, verwiesen. Der warf einst Nikita Chruschtschow vor, Mitspieler im Kalten Krieg, keine Eier/Hoden (cojones) zu haben, weil er seine Atomraketen lieber doch nicht auf Kuba aufstellen wollte – was der Menschheit einiges erspart hat. Den Bayern sei auch deshalb empfohlen, ihre Suche nach einer Lösung („Eiern!“; span.: huevos) nicht in die Legebatterie zu verlagern, sondern in den iberischen Sprachraum – schon, um Turbulenzen mit den Mitarbeitern Santa Cruz (Paraguay), Demichelis (Argentinien) und Pizarro (Peru) vorzubeugen. Denn während hier zu Lande die Forschung durch das Kahn-Zitat erst einzusetzen scheint, ist andernorts die genital-fixierte Fußballschule etabliert, und das nicht erst, seit Javier Clemente und José Antonio Camacho, Spaniens einstige Nationaltrainer, ihre Aufträge erteilten. Beide erwarteten stets und zuvorderst, dass ihre Teams „con dos cojones“, also gleich mit zwei Eiern spielen – was sich sowohl auf die Individuen als auch auf die Mannschaft als Ganzes bezog, die ihre „Eier auf dem Felde“ hinterlassen soll („poner los huevos en el campo“). Dies sei die Voraussetzung dafür, dass die Fans eine, frei übersetzt, geile Mannschaft („un equipo de cojones“) bewundern könnten. Andernfalls würden sie die Equipe satt haben („estar hasta los cojones“). Acojonarse, die Eier einziehen und/oder rumeiern, gilt also nicht.“

Machtvakuum in München

Heinz-Wilhelm Bertram (BLZ 5.11.) vermutet, dass der Mannschaft des FC Bayern eine feste Rangordnung fehlt: „Es ist doch beruhigend, dass dem FC Bayern München in diesen betrüblichen Zeiten wenigstens eines geblieben ist: seine Meisterschaft in antizyklischen Einlassungen. Die Vorliebe für sorgsam zeitversetzte Wortmeldungen ist ja das Hobby von Manager Uli Hoeneß, der das Team nach Niederlagen gerne streichelt, um nach Siegen ordentlich loszupoltern. Dieser hohen Schule schloss sich Oliver Kahn an, der sich mitten im Herbst auf Eiersuche begab. Wir brauchen Eier! schimpft er. Ob sein in den November verschobener Osterspaziergang von Erfolg gekrönt sein wird, macht indes nur einen Teil der Spannung aus. Elektrisierender dürfte die Frage sein, ob der Rest des FC Bayern mitzuschreiten bereit ist auf der Suche nach der verloren geglaubten Männlichkeit. Das darf bezweifelt werden. Denn Kahns Gunst innerhalb der Mannschaft ist nach dessen Eskapaden mit schillernden nächtlichen Streifzügen und nach seinen prompten Missgriffen zum Saisonstart gesunken. Die Antworten auf den Vorwurf mangelnden Einsatzwillens fielen auffällig lapidar aus: Da müssen Sie Olli selbst fragen, das brauche ich nicht zu kommentieren, sagte Michael Ballack. Oder Roy Makaay: Fragen Sie doch Olli, lautete dessen Antwort. Wie viele im Team nehmen Kahn noch ernst? Erstaunlich ist nur, dass keiner bereit ist, das frei gewordene Machtvakuum auszufüllen.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 5.11.) sieht das genauso: „Früher hatte der Torhüter stets die Unterstützung von Stefan Effenberg. Die beiden waren zwar außerhalb des Platzes keine dicken Freunde, aber sie haben sich respektiert und geschätzt. Der eine hat dem anderen eine führende Rolle in der Mannschaft zugestanden, sie haben sich in Krisensituationen als Provokateure oder Antreiber gut ergänzt. Jetzt hat Kahn in Michael Ballack eher einen Rivalen um die Position des Leitwolfs als einen Mitstreiter. Der Mittelfeldspieler hat das Vakuum ausgefüllt, das Kahn während seiner privaten Wirrungen im vergangenen halben Jahr hinterlassen hatte. Die Rolle der Führungsfigur interpretiert er zwar anders als Kahn, auch anders als sein Vorgänger Effenberg, er hat aber dank seiner umgänglichen Art schnell Freunde gefunden im Team – viel mehr, als Effenberg je hatte bei Bayern. Kahn gehört sicher nicht zu Ballacks Clique, sondern eher die Jungen wie Hargreaves, Rau und Schweinsteiger. Man kann viel erzählen nach außen hin, aber man muß es dann auf dem Platz auch umsetzen, sagt Ballack. Weil ihm aber im Gegensatz zu Kahn im Moment auf dem Platz nicht viel gelingt, verhält er sich extrem zurückhaltend. Er hat seit ein paar Wochen zu sehr mit seinen schlechten Leistungen zu tun, als daß er sich auch noch um die Kollegen kümmern könne. Und das ist das Problem der Bayern: Zu viele sind allein mit sich selbst beschäftigt.“

Ungeheure Identifikation mit dem Klub

Peter Heß (FAZ 5.11.) schildert, wie erfolgreich Olympique Lyon seinen Namen in den Markt drückt und schiebt: „Wäre das städtische Fremdenverkehrsamt so auf Draht wie die Marketingabteilung des Fußballklubs Olympique, Lyon hätte in Deutschland längst den Ruf, den es verdiente. Weit über fettige Würste und den nervenden Staus im Tunnel hinaus, der den Verkehrsfluß auf der Autobahn Richtung Süden stört, gingen die Assoziationen. Stadt der Seide, Stadt des Koch-Papstes Bocuse, Stadt der Gebrüder Lumiere, die das Kino erfanden: das alles mag man schon mal gehört haben. Aber, daß an den Ufern der Saone und Rhone eines der größten zusammenhängenden Altstadtensembles in Europa bewahrt wurde und darin ein authentisches Lebensgefühl, das hätte es verdient, in kräftigeren Farben beschrieben zu werden. Immerhin wirbt der Verein Olympique mit attraktivem Fußball für die Stadt. In den vergangenen beiden Jahren gewann OL die nationale Meisterschaft, in den vergangenen fünf Jahren reichte es jeweils zur Qualifikation für die Champions League (…) Das Ziel, den Klub in den Köpfen der Einwohner zu verankern, wurde über die Vergabe von Lizenzrechten erreicht. Es gibt den offiziellen OL-Friseur, die offizielle OL-Fahrschule, den offiziellen OL-Beaujolais, das offizielle OL-Café, das offizielle OL-Plattenlabel und die offizielle OL-Taxikette mit 70 Fahrzeugen. Darüber hinaus betreibt OL ein Reisebüro und ein Restaurationsunternehmen, das mit Paul Bocuse zusammenarbeitet. Das Herzstück der Public Relations bildet die Abteilung OL Tele. In Zusammenarbeit mit dem Stadtfernsehen produziert OL täglich 15 Minuten Programm, vor und nach Spielen wird die Berichterstattung auf eine Stunde ausgeweitet. Mit über 300 000 Zuschauern sind die Fußballmagazine von Olympique die meistgesehenen Fernsehnachrichtensendungen in der Region Lyon. All die Maßnahmen führen zu einer ungeheuren Identifikation mit dem Klub.“

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