Ballschrank
Ein hübsches Ultimatum
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| Donnerstag, 25. März 2004
„Stevens statt Stevens“ (BLZ), Herthas Trainer bleibt vorerst im Amt – Sonntags-Spiele in Schalke und Kaiserslautern – Schalke 04 scheitert an seinen Ansprüchen und am VfL Bochum – Kurt Jara, „erstarrt, fassungslos, tieftraurig“ (SZ) – was kann Christian Rahn, Jung-Nationalspieler und Ersatzspieler des HSV?
Ein hübsches Ultimatum
Christof Kneer (BLZ 21.10.) kommentiert die Weiterbeschäftigung Huub Stevens’: “Demütig muss die ergebnisorientierte Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass die wahren Trends eben doch in der Hauptstadt geboren werden. So hat die Hertha am Montagabend eine neue Art von Pressekonferenz erfunden. In dieser Konferenz ging es in etwa darum, dass man einen Mann auf ein Podium setzt, wobei einem sowohl das Podium als auch der Mann bekannt vorkommen, was aber täuscht. Mit dem Mann verhält es sich nämlich so, dass er zwar dem alten Trainer Huub Stevens täuschend ähnlich sieht, wobei es sich in Wahrheit um den neuen Trainer Huub Stevens handelt. Hertha BSC hat einen alten Besen für neu verkauft, das muss man erst mal schaffen. Sie haben die tägliche Stevens-Pressekonferenz um 14 Uhr abgesagt und durch eine abendliche Supersonderpressekonferenz ersetzt. Sie haben also den alten Stevens ein bisschen entlassen und durch einen Stevens ersetzt, der ein bisschen neu ist. Das zumindest ist die Botschaft, welche die Öffentlichkeit und möglichst auch die Mannschaft erreichen soll. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man die Hertha für ihre Kreativität bewundern. Aber es ist eine Kreativität der Verzweiflung. So haben sie ihrem neuen, alten Trainer als Zeichen ihres besonderen Vertrauens ein hübsches Ultimatum geschenkt: Er muss die nächsten beiden Spiele gewinnen, sonst ist auch der neue Stevens der alte.“
Stefan Hermanns Michael Rosentritt (Tsp 21.10.) fügen hinzu: „Es war schon dunkel, als auf dem Berliner Olympiagelände am Montagabend ein langes und „bewegtes Wochenende“ (Hoeneß) zu Ende ging. Herthas Manager hatte seit der 1:4-Niederlage gegen Bayer Leverkusen am Samstag etliche Gespräche geführt: mit Mitgliedern des Präsidium, des Aufsichtsrates, des Beteiligungsausschusses, mit Spielern und mit Huub Stevens. Um kurz nach halb sieben verkündete er gestern das Ergebnis: „Wir sind einstimmig zu dem Entschluss gekommen, dass wir mit Huub Stevens weiterarbeiten. Mit dem Trainer haben wir uns darauf verständigt, dass sein Verbleib von zwei Erfolgen in den nächsten beiden Spielen abhängt.“ Das heißt: Sollte Stevens mit Hertha am Samstag in der Bundesliga bei Hansa Rostock nicht gewinnen, sitzt er drei Tage später, beim Pokalspiel gegen denselben Gegner, schon nicht mehr auf der Bank. Aber auch dieses Spiel muss er dann gewinnen. „Es geht nur um Siege“, sagte Hoeneß. „Wir sind in einer Situation, in der wir nicht mehr lange warten können.“ Herthas Manager legte Wert darauf, dass es sich nicht um ein Ultimatum an den Trainer handle: „Das ist keine Forderung, sondern eine Vereinbarung, weil Huub Stevens derselben Überzeugung ist.“ Rupert Scholz behauptete gar, dass die Vereinbarung „ganz entscheidend auf ihn, Stevens, zurückgeht“, während Hoeneß sagte: „Das war meine Idee. Ich habe auch andere Optionen durchgespielt.“ Dann aber habe er Stevens gefragt, „und er war sofort dabei“. Stevens berichtete, er habe zunächst hören wollen, „ob die Spieler auch damit einverstanden sind. Ich kann es nicht allein schaffen.“ Bereits am Sonntagabend hatte Hoeneß „ein einstimmiges Bekenntnis des Spielerrates zu dieser Entscheidung“ eingeholt.“
Schalke 04 – VfL Bochum 0:2
Der FC Schalke wirkt wie die SPD der Hartz-Reformen
Holger Pauler (taz 21.10.) beschreibt die Lage in Schalke: „Der Schalker Herbst des Jahres 2003 ist trist, grau und noch lange nicht beendet. Die überzogenen, gewachsenen Ansprüche an eine Mannschaft, die vor der Saison mit einigen jungen Spielern allenfalls ergänzt wurde, werden zum Bumerang. Führungsspieler wie Ebbe Sand oder Kapitän Tomasz Waldoch, die körperlich nicht oder nicht mehr auf der Höhe sind, werden ihren Aufgaben nicht gerecht. Hoffnungsvolle spielerische Ansätze vor allem junger Spieler wie Hamit Altintop oder Levan Kobiaschwili gehen angesichts eines fehlenden Mannschaftsgefüges immer mehr unter.Der von Rudi Assauer propagierte personelle Umbruch verläuft holpriger als erwartet. Der FC Schalke wirkt wie die SPD der Hartz-Reformen. Obwohl alle von der Notwendigkeit der Maßnahmen überzeugt sind, wächst der Unmut. Die Anhänger reagieren mit Liebesentzug. Da hilft momentan nur der sehnsüchtige Blick Richtung Sommer. Dann, wenn mit den Bremern Ailton und Krstajic – und glaubt man den Gerüchten, mindestens noch zwei, drei weiteren Knallern (Rudi Assauer) – endlich wieder Qualität und damit die Grundlagen für die mittlerweile als natürlich angesehenen internationalen Ambitionen, ins Schalker Spiel zurückkehren sollen. Trainer Jupp Heynckes steht dabei nicht zur Disposition. Noch nicht. Seine Aufgabe besteht darin, die Mannschaft irgendwie unbeschadet durch die laufende Saison zu manövrieren.“
Christoph Biermann (SZ 21.10.) berichtet Erleichterung bei Peter Neururer: „Fußballtrainer tragen eine große Verantwortung. Für den sportlichen Erfolg ihrer Mannschaft haben sie zu sorgen, damit für positive wirtschaftliche Bilanzen des Klubs, und manchmal hängt an Sieg und Niederlage auch noch das Glück in der Familie. „In der letzten Woche ist mein Sohn mit Tränen in den Augen angekommen und hat gesagt: ‘Papa, ihr dürft nicht verlieren, sonst werde ich ein halbes Jahr lang in der Schule gehänselt’“, erzählte Peter Neururer, der in Gelsenkirchen wohnt und dessen Sohn dort zur Schule geht. So kam dem 2:0 des VfL Bochum in der Arena AufSchalke eine besondere Bedeutung zu. „Jetzt kann er in die Schule gehen und sagen: Was wollt ihr eigentlich?“, sagte Neururer. Viele Argumente werden die Mitschüler von Neururer jr. nicht haben, und jene, die es geben könnte, zeugen eher von vertauschten Rollen zwischen den Lokalrivalen im Ruhrgebiet. Bochums Trainer war „nicht einverstanden damit, wie dieser Sieg zustande gekommen ist“. Sein Kollege Jupp Heynckes lobte die Schalker Mannschaft für „ein relativ gutes Spiel“, es war eines der besten in dieser Saison im eigenen Stadion. Bochum hatte zwei Chancen und nutzte sie, Schalke doppelt so viele und nutzte sie nicht. Damit übernahm der VfL Bochum in der Umverteilung traditioneller Rollen den Part dessen, der mäßig kickt und effektiv siegt, während Schalkes tapferer Kampf unbelohnt bliebt.“
Richard Leipold (FAZ 21.10.) ergänzt: “Nach neun Runden grüßen die Bochumer als Tabellensechster der Bundesliga und fühlen sich wohl in ihrer nicht immer bequemen Nische zwischen den beiden westfälischen Fußballhochburgen Gelsenkirchen und Dortmund. Sie haben sechs Punkte mehr als Schalke 04, vier weniger als Borussia Dortmund, am Sonntag zu Besuch im Ruhrstadion. Wer hätte das gedacht? Kaum jemand außer Neururer, der wegen seiner notorischen Zuversicht in Fachkreisen zuweilen belächelt wird. Ich bin nicht damit einverstanden, wie dieser Sieg zustande gekommen ist, sagte Neururer.Während die Bochumer selbstkritisch Abstriche in der B-Note machten, rückten die Schalker sich ihre verkehrte Welt wieder so lange zurecht, bis sie ihre Lage als einigermaßen erträglich empfanden. Trainer Jupp Heynckes sagte, seine Mannschaft habe sich drei Tage nach der Mühsal der ersten Europapokalrunde in sehr guter physischer Verfassung vorgestellt und trotz der Niederlage ein relativ gutes Spiel gemacht. Die Relativitätstheorie des Gelsenkirchener Fußballakademikers stützt sich auf Eckdaten wie die Anzahl verletzter Stammkräfte oder junger Spieler, die Zeit brauchen, um den Ansprüchen zu genügen. Letztlich gipfeln aber alle Analysen in der Erkenntnis, daß die Schalker aus ihren begrenzten Möglichkeiten viel zuwenig oder nichts machen. Besonders Victor Agali personifiziert die Flaute im Angriff. Der fleißige, aber häufig ungeschickt wirkende Nigerianer vergab allein mehr Chancen als die Bochumer im ganzen Spiel hatten.“
1. FC Kaiserslautern – Hamburger SV 4:0
Jörg Marwedel (SZ 21.10.) bedauert den HSV-Trainer: „Millionen Fernsehzuschauer haben dieses Gesicht gesehen: Erstarrt, fassungslos, tieftraurig stand Kurt Jara nach dem Abpfiff eine ganze Weile vor seiner Trainerbank auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Es war das Gesicht eines Mannes, der nicht nur ein Spiel 0:4 verloren hatte. Es schien zu sagen: „Ich weiß auch nicht mehr weiter.“ Selbst die neunstündige Busfahrt, die er seinen von Luxus verwöhnten Profis zum Auswärtsspiel in die Pfalz verordnete, hatte eher kontraproduktiv als aufrüttelnd gewirkt. Und als Jara gefragt wurde, was er denn über die kurze Unterredung unmittelbar nach Spielende mit HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann und Sportchef Dietmar Beiersdorfer sagen könne, antwortete er düster: „Das wird Ihnen der Sportchef mitteilen.“ Was also sollte der schon mitteilen außer der von Vielen erwarteten Trennung von dem Österreicher in Hamburger Diensten? Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen stellte sich Beiersdorfer vor die Medienvertreter und versprach zwar „keinen Persilschein“, aber doch weiteres „Vertrauen“ in Kurt Jara, mit dem man in der vergangenen Saison immerhin einen Uefa-Cup-Platz erreicht habe; Hoffmann ging sogar noch weiter. „Seine Arbeit der letzten zwei Jahre“, sagte er, „macht mir Hoffnung. Insgesamt kann ich eine positive Entwicklung erkennen.“ Das waren dann doch überraschende Worte in einer inzwischen desaströsen Lage. Das blamable Uefa-Cup-Aus in Dnjepropetrowsk, 0:7 Tore aus den zwei jüngsten Partien, Rang 13 in der Bundesliga und ein Defizit in zweistelliger Millionenhöhe im Rucksack – so eine Situation hatte sich Hoffmann nicht vorgestellt, als er im März mit dem ehrgeizigen Ziel antrat, den HSV wieder zu einer der ersten Adressen in Europa zu machen. Vergeblich hatte die HSV-Führung zudem versucht, den Coach nach dem missratenen Saisonstart von der Notwendigkeit einer konsequenteren Verjüngungskur für das Team zu überzeugen – Jara traut Nachwuchskräften noch keine tragende Rolle zu.“
Wie seine Mitspieler neigt Rahn zur Selbstüberschätzung
„Kann es sein, daß ein talentierter deutscher, aus Hamburg stammender Nationalspieler nicht ins System eines HSV-Trainers paßt?“, fragt Frank Heike (FAS 19.10.): „Es hat wohl nicht mehr viel Sinn mit dem Hamburger SV und Christian Rahn. Das wurde spätestens am Donnerstag deutlich. Rahn hatte fünf Tage vorher ein vernünftiges Länderspiel gegen Island absolviert, um dann im Vereinsteam in der 82. Minute eingewechselt zu werden. Es stand 0:3 aus Hamburger Sicht. Was sollte Rahn da als nicht über die Maßen torgefährlicher Mittelfeldspieler wohl noch anrichten, bei der längst gelaufenen Pleite von Dnjepropetrowsk? Es war eher eine Strafarbeit für den 24 Jahre alten Profi, der in seiner Sorglosigkeit, seiner Ehrlichkeit, seiner Freude nach dem Länderspiel in die Falle der Reporter gelaufen war und auf die Frage, was denn im Nationalteam für ihn anders sei als beim HSV, geantwortet hatte: Ich hatte andere Mitspieler. Und dann, weniger im Scherz: Wenn ich beim HSV zwei Fehler mache, muß ich schon zur Trainerbank gucken und befürchten, daß ich ausgewechselt werde. Bei der Nationalelf wird einem ein Fehler verziehen, hier nimmt einem das keiner so übel wie beim HSV. Das ist weder bei den Kollegen in Hamburg noch bei Trainer Kurt Jara gut angekommen. Wie derzeit fast alle seiner Mitspieler neigt auch Rahn zur Selbstüberschätzung. Viel mehr als eine gute Bundesliga-Saison 2001/2002 für den FC St. Pauli hat der offensive Mittelfeldspieler nicht zu bieten; als der HSV im Vorjahr so erfolgreich spielte, saß der Zugang Rahn meist auf der Bank. Jara hält einfach nichts von ihm. Er ist nicht bereit, einem linken Mittelfeldspieler wegen dessen Schwächen im Zweikampf den Luxus einer defensiven Absicherung zuzugestehen. Und eigentlich hat er recht, denn so überzeugend sind Rahns Vorstöße und Flanken nun auch wieder nicht, auch wenn er prinzipiell immer wieder Großes andeutet.“
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