Ballschrank
Eine Analyse der taktischen Entwicklungen
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| Donnerstag, 25. März 2004liefert uns Ulrich Fuchs (Tsp 20.6.). „Markiert diese WM den Richtungswechsel zurück zur Dominanz der Defensive, die zuletzt bei der EM 1996 in England zu beobachten war? Ein Spiel, das wieder stärker von der Physis bestimmt ist als von der filigranen Technik seiner Protagonisten? Sicher ist jedenfalls, dass mit Frankreich, Argentinien und Portugal schon drei Teams die Heimreise angetreten haben, die nicht nur zum Favoritenfeld gezählt wurden, sondern auch für jene Übereinkunft von Ästhetik und Effizienz standen, die dem Fußball in der Weltspitze in den letzten Jahren ihren Stempel aufgedrückt hat. Im Kreis der letzten acht sind nun Brasilien und – mit Einschränkungen – Spanien und Senegal die letzten Repräsentanteneines Spiels, bei dem eine Ansammlung überragender Individualisten den Stil des Kollektivs prägt. Mit offensivem Spektakel aber haben auch sie sich bisher in Zurückhaltung geübt. Von einer Trendwende zu sprechen, ist trotzdem verfrüht. Weil jenseits des spektakulären Favoritensterbens ein Phänomen zu beobachten ist, das als seine Kehrseite in eine andere Richtung weist. Die so genannten Kleinen haben riesige Fortschritte gemacht, die taktischen Maßgaben des modernen Spiels sind von einem Großteil der Teilnehmer in einerQualität umgesetzt worden, die so nicht unbedingt zu erwarten war.“
Ronald Reng (SZ 14.6.) über die schwedische Taktik. „Die Schweden, genau wie die Iren oder Dänen, laufen mehr als die meisten. Deswegen können sie dem Gegner so gut den Raum zum Spielen zustellen. „16.000 Schritte“, sagte Trainer Söderberg, waren es für seine Spieler bis ins Achtelfinale. 16.000 Meter lief jeder Schwede nach wissenschaftlichen Messungen im Durchschnitt gegen Argentinien; 25 Prozent mehr als der Gegner. Stürmer Henrik Larsson hatte gegen Argentinien keine Torchance, nach klassischen Vorstellungen ein katastrophales Spiel. Tatsächlich bot er eine Weltklasseleistung. Quasi allein beschäftigte er mit seinen Läufen drei argentinische Verteidiger; er war die Spitze der Defensive.“
Thomas Kilchenstein (FR 12.6.) hat einen Trend ausgemacht: die „Renaissance der Torjäger“. „Vieles spricht dafür, dass zumindest die Angreifer auf den Punkt genau fit sind, das spricht für ihre Klasse, das spricht aber auch für die Vorarbeiter, die die Fachkräfte im Sturmzentrum prima in Szene setzen. Oder zeichnet sich ein neuer Trend ab? Zurück zur Spezialisierung? Zuletzt war es ja eher gegenläufig: alle Feldspieler hatten alle Aufgaben übernehmen müssen. Aus den Spezialisten sind Allrounder geworden, die variabel einsetzbar sind im weiten Fußballfeld. Die Fähigkeiten der Fußballer sind besser geworden. Das, was heutzutage Verteidiger können, hat früher ausgereicht, um den filigranen Ballverteiler im Mittelfeld zu geben. Inzwischen ist es ja so: Verteidiger marschieren elegant über die Flügel, Mittelfeldspieler schießen in den Winkel, Techniker pflegen die Grätsche auszupacken und Stürmer dürfen nicht nur vorne stehen, sondern müssen neuerdings auch Räume zustellen und störend in Gegners Aufbauspiel eingreifen.“
Fußball-Fachmann Christoph Biermann („Der Ball ist rund“) referiert (SZ 1.6.) über Fußballtaktik. „Fußball-Weltmeisterschaften haben den Charakter von Fachmessen, bei denen der jeweils neueste Stand des Spiels festgestellt werden kann (…) Beim WM-Turnier in Fernost wird es besonders um die Mischung aus individuellen Qualitäten und überlegener Organisation auf dem Platz gehen (…) Die Mannschaften müssen auf dem Platz eine gemeinsame Antwort auf die beiden wichtigsten Fragen finden, die der moderne Fußball stellt: Wie verwandle ich Defensive in Offensive, und wie entkomme ich in Ballbesitz der Enge des Raums?“
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