Ballschrank
Eine nicht nachvollziehbare Unverschämtheit
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| Donnerstag, 25. März 2004
Christoph Biermann (SZ 7.4.) kommentiert die lebhaften Äußerungen des Bochumer Trainers. „Es gibt Tage, an denen Fußballspiele nicht aufzuhören scheinen und die Zeit stehen bleibt, wenn endlich abgepfiffen ist. So redete Bochums Trainer Peter Neururer nach der Partie gegen Kaiserslautern immer von der 94.Minute, in der das Unglaubliche geschehen wäre. Er räsonierte darüber, warum so lange nachgespielt worden war, obwohl doch nur zwei Minuten zusätzlicher Zeit angekündigt worden waren. Neururer tat das, weil ihm jede Sekunde unerträglich lang gewesen war bis es passierte. Sein Zeitempfinden mochte ihn getrogen haben, denn der Schock kam in Wirklichkeit in der 92. Minute. Sein gequältes Gerechtigkeitsempfinden aber war zu verstehen. „Eine nicht nachvollziehbare Unverschämtheit“ jaulte er auf über „die Riesensauerei“, als Schiedsrichter Hermann Albrecht auf Freistoß für die Gäste entschied, der zum 1:1-Endstand führte. Bochums Verteidiger Sergej Mandreko hatte zuvor „alles richtig gemacht“ (Neururer) und den Ball an der eigenen Eckfahne gegen Lauterns Christian Timm abgeschirmt. Doch plötzlich winkte der Linienrichter, der Referee pfiff, und Mandreko wunderte sich: „Wahrscheinlich wurde eine neue Regel erfunden.“ Schiedsrichter Albrecht hingegen sah sich im Einklang mit dem Regelwerk: „Der Gegner wurde weggesperrt, ohne den Ball spielen zu wollen.“ Das war eine bizarre Interpretation der Situation und sie hatte ihre Vorgeschichte. Ständig hatte Albrecht das Spiel unterbrochen. Eigentlich gehört der 41-jährige Referee aus Kaufbeuren zu den erfahrensten der Liga, am Samstag jedoch pfiff er zu viele Kleinigkeiten ab und ließ grobe Fouls durchgehen. Für die Spieler war in dem dissonanten Gepfeife schließlich keine Linie mehr auszumachen. Allerdings kaprizierten sich die Bochumer in ihrer Not zu sehr darauf, ihr Schicksal am Unparteiischen festzumachen. „Das war der schlechteste Schiedsrichter, den ich je erlebt hatte“, übertrieb Sunday Oliseh. Verständlich war diese Frustration nach sieben Spielen ohne Sieg, wo zwei zusätzliche Punkte den Sprung auf den zehnten Tabellenplatz bedeutet hätten. Doch gegen Kaiserslautern war der Aufsteiger immer noch weit von dem entfernt, was er in dieser Saison schon gezeigt haben.“
Zu lautes Lamento
Richard Leipold (FAZ 7.4.) meint dazu. “Der späte Ausgleich mitsamt seiner Entstehungsgeschichte schien dem Trainer körperliche Qualen zu bereiten. Als ihm auch noch jemand einen Kaffee reichen wollte, lehnte er ab. Och, um Gottes willen! Auch ohne Kaffee war er aufgeregt genug. Er brauchte nur auf einen der Bildschirme im Presseraum zu schauen, und voilà: da war die Szene wieder lebendig, die ihn noch wütender machte als die Zeitüberschreitung. Verteidiger Sergej Mandreko stellte sich in voller Breite zwischen Ball und Gegner. Als das Spiel still stand, bestrafte der Schiedsrichter die vermeintliche Blockade mit jenem Freistoß, der den letzten Versuch der Pfälzer einleitete. Neururer war außer sich vor Wut. Unverschämtheit, Sauerei. Auf einen Dialog mit Albrecht verzichtete der sonst so kommunikative Trainer lieber. Wenn ich mit ihm gesprochen hätte, wäre ich strafrechtlich verfolgt worden. Obwohl Neururer sich arg in die Opferrolle hineinsteigerte, verlor er nicht ganz den Blick für die Wirklichkeit. Sportlich geht die Punkteteilung in Ordnung. Aber die lange Nachspielzeit und die eigenartige Freistoßentscheidung hätten seine Mannschaft um zwei Punkte gebracht und um den Lohn für ihre große Leidenschaft. Gemessen an der nur kämpferisch überzeugenden Leistung des VfL fiel das Lamento am Ende zu laut aus. Auch die Pfälzer hätten Grund zur Klage gehabt. In der ersten Halbzeit hatte der Unparteiische ihnen nach Vriesdes Foul an Dominguez einen Strafstoß verwehrt, den sogar Neururer dem Gegner zugestanden hätte, es war ein klarer Elfmeter. Der Schiedsrichter hat den Bochumern einmal geholfen und einmal geschadet, seine Bilanz war letztlich so ausgeglichen wie das Ergebnis.“
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