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Entlassung Kurt Jaras

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Entlassung Kurt Jaras

schwere Kritik an der HSV-Führung wegen der Art und Weise der Entlassung Kurt Jaras

of DieJournalisten tadeln die Verantwortlichen des Hamburger SV, die Trainer Kurt Jara entlassen haben, nachdem sie ihm kurz zuvor Treue versprachen: „Absicherungsrhetorik und Sozialfolklore“, schreibt die FAZ der HSV-Führung ins Stammbuch. Auf Jaras Nachfolger Klaus Toppmöller sieht die FR eine schwere Aufgabe lauern: „ein überforderter Vorstand, eine überschätzte Mannschaft, mieses Binnenklima, schlechte Berufsauffassung – es gibt einfachere Voraussetzungen für einen neuen Trainer.“

Roland Zorn (FAZ 24.10.) liest den Entscheidern aus Hamburg und Berlin die Leviten: „Am liebsten hätte sich der gebürtige Leverkusener Bernd Hoffmann von seinem österreichischen Trainer Kurt Jara formvollendet, also hanseatisch, getrennt. Doch tatsächlich haftete dem Ende einer Arbeitsbeziehung eher das übliche Rausschmißaroma denn ein Hauch von feiner Manier an. Der Vorstandschef des Hamburger SV ließ seinen Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer – der in den Tagen zuvor die Kunst der rein rhetorisch gemeinten Treuebekundungen ohne jede Halbwertszeit erlernt hatte – die schlechte Kunde für den Cheftrainer überbringen. Und so war denn schon am Mittwoch Schluß mit einer Zusammenarbeit, die sich den zuvor hochoffiziellen Bekundungen gemäß mindestens noch bis zum nächsten Spiel am Samstag hätte hinziehen sollen. Selbst wenn die nachgereichte Entschuldigung an Jara ehrlich gemeint war: Die Entlassung des Vorgängers von Klaus Toppmöller war stillos wie Hunderte andere Trainerkündigungen in der Bundesliga zuvor. Überhaupt wirken die Ultimaten oder vermeintlich letzten Gelegenheiten dieser Wochen beinahe herzloser als ein holterdiepolter vollzogener Schlußstrich (…) In Berlin ist der Bruch zwischen den Anhängern von Hertha BSC und Trainer Huub Stevens längst vollzogen. Doch Manager Dieter Hoeneß hält noch an dem kantigen Niederländer fest, mag auch die lange symbiotisch erscheinende Verbindung mit dem Trainer inzwischen nur noch lose sein. Zwei Siege in den bevorstehenden Punkt- und Pokalspielen gegen Hansa Rostock hat Hoeneß seinem Kumpan zur vorläufigen Arbeitsplatzsicherung abverlangt – und damit den Druck auf den sowieso schon angegriffen ausschauenden Trainer weiter erhöht. Showdown in Rostock – eine schlichte Trennung kann manchmal menschenfreundlicher sein. Denn tatsächlich dürfte Hoeneß längst auf der Suche nach einem neuen Trainer für den Tabellenletzten sein.“

Gipfel der Unglaubwürdigkeit

Jörg Marwedel (SZ 24.10.) schimpft auf die Führung des Hamburger SV: „Der Abschied Kurt Jaras markiert eine neue Dimension in der 40-jährigen Bundesliga-Historie. Es mag einem kein Beispiel einfallen, in dem von einer Klubführung so eiskalt gelogen wurde wie in diesem Fall. Selbst als HSV-Chef Bernd Hoffmann und sein Sportchef Dietmar Beiersdorfer am Montag längst Kontakt zu Jaras Nachfolger Klaus Toppmöller aufgenommen hatten, verbreiteten sie öffentlich noch ein weiteres „Vertrauensbekenntnis“ zu dem Tiroler, dessen Ablösung längst beschlossen war. Das ist nicht nur unwürdig, es ist der Gipfel der Unglaubwürdigkeit. Den Schaden wird das verantwortliche Duo Hoffmann und Beiersdorfer noch zu spüren bekommen. Deren ohnehin durch die Prämienkürzungen belastetes Verhältnis zur Mannschaft wird nur schwer zu reparieren sein. Was sollen die Spieler einer Vereinsführung noch abnehmen, die so ungeniert die Unwahrheit sagt? Und was soll die Öffentlichkeit von einem Vorstandsvorsitzenden halten, der in Interviews jeden Halbsatz umschreiben lässt, damit seine Ansichten auch schön chemisch gereinigt in die Druckpresse gelangen, und dies dann durch sein Handeln ad absurdum führt? Mag sein, dass dies der neue Führungsstil ist; er passt ja in die Zeit, in der neoliberale Jung-Manager mit ihren Angestellten spielen wie mit Zahlen.“

Oke Göttlich (taz 24.10.) stellt die Köpfe der Hamburger Führung vor: „Gut oder böse? Die Frage vergisst, den Scheinwerfer auf die wirklichen Probleme des mit großen Zielen angetretenen Vereins zu richten. Nicht die Etat-Unterdeckung von 14 Millionen Euro, die sich mit Abfindungen für Jara und gleich drei Co-Trainern noch verschlimmern dürfte, und auch nicht die desolate Defensive des HSV in dieser Saison bereiten Kopfschmerzen – warum sonst hätte man einen erklärtermaßen offensiv ausgerichteten Trainer verpflichten sollen? Die Probleme sind haarigerer Natur und müssen an der Wurzel gepackt werden – an der Haarwurzel. Anders als in Berlin wurde in Hamburg trotz ähnlich desolater Medienlandschaft keine Hetzjagd auf den Trainer betrieben. Stattdessen hält den Boulevard die Frisur von Dietmar Beiersdorfer in Atem. Dort wird die gekürzte Frisur des Sportdirektors als Indikator der Krise ausgemacht. Angetreten als langbematteter Andersdenker, brachte Beiersdorfer frischen Wind in die mit hanseatischem Filz belegten HSV-Hallen. Seine Innovationsfreudigkeit stellte er aber nicht nur durch Eindruck schindende PowerPoint-Präsentationen unter Beweis, sondern auch dadurch, dass er sein Haar auf freche New-Economy-trifft-Sternschanzen-Länge kürzte. Ein Image, welches sich mit dem hanseatisch aufrichtigen Geschäftsgebaren des pfeffersäckigen Aufsichtsrats biss. Mit dem vor knapp einem Jahr hinzugestoßenen Vermarktungsprofi Bernd Hoffmann, der als gut bezahlter Präsident nun die Geschicke des Clubs leitet, wurde kräftig weiterrenoviert. Erst Uefa Cup und dann die ganze Welt, lautet ein etwas mittelgescheiteltes Motto des Chefs. Die Rangliste, die den HSV in den vergangenen Jahren nur als neuntbeste Kraft im deutschen Fußball ausweist, hängt zum Ansporn in seinem Büro. Wie viel Geld Manchester United verdient, hängt daneben. Die durch Kurt Jara eher im Beamtenlook zugeschnittene Mannschaft ergab im Zusammenspiel nach außen tatsächlich ein Stylingproblem. Jetzt soll es der Minipli richten. Klaus Toppmöller trägt die Krausheit des Vereins auf dem Kopf.“

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