Ballschrank
Entscheidung von T-Online
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| Donnerstag, 25. März 2004
Die FAZ (11.4.) kommentiert die Entscheidung von T-Online, ins Fußballgeschäft einzusteigen. „Fußball und Internet: Die Kombination klingt komisch, da Fußballfans – mit Schal und Bierflasche um einen Computerbildschirm gruppiert – kaum vorstellbar sind. Doch für T-Online ist der Kauf der Fußball-Rechte nur der nächste konsequente Schritt, als Medienhaus neuen Zielgruppen im Netz attraktive Inhalte zu verkaufen. Exklusive Zusammenfassungen von Sportveranstaltungen, die sich Onliner zu jeden gewünschten Zeitpunkt anschauen können, treffen im Internet-Mutterland Amerika bereits auf großes Interesse. In Deutschland betritt T-Online mit der Fußball-Bundesliga ein neues Feld. Gleichzeitig ist das Fußball-Angebot ein riskantes Experiment: Kommt König Fußball bei den Internet-Nutzern nämlich nicht an, weil zum Beispiel die Bildqualität zu schlecht, das Ausgabemedium Computerbildschirm ungeeignet, die Preise zu hoch und der notwendige Hochgeschwindigkeitsanschluß an das Internet zu selten vorhanden ist, gerät die Medien-Strategie der Telekom-Tochtergesellschaft ins Wanken. Welcher Inhalt, wenn nicht Fußball, soll sich erfolgreich im Internet verkaufen lassen? Die Übertragung auf den Fernseher ist nicht mehr als eine Zukunftsoption, denn die notwendige Technik ist zu teuer, um den Massenmarkt zu erschließen. T-Online ist mit dem Fußball-Experiment zudem von seinem eisernen Grundsatz abgerückt, eine sichere Refinanzierung des Projektes in einem überschaubaren Zeitraum zu gewährleisten. Die Börse hat ihr Urteil über den neuen Plan schon gefällt: Der Kurs ging gestern nach unten.“
Welchen Wert hat Online-Journalismus?
Stefan Niggemeiner (FAS 6.4.) analysiert. „Die Internetredaktion fühlt sich manchmal wie der Papierkorb des Spiegels. Sie ist nicht unglücklich darüber. Das, was vom Mutterblatt abfällt, läßt sich ganz gut verwerten in einem Produkt, das mit geringsten Mitteln und wenig Personal auskommen muß und doch das beste und mit Abstand meistgenutzte deutschsprachige Nachrichtenangebot im Internet ist. Ich wundere mich manchmal selbst, sagt Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, daß trotz der kleinen Mannschaft ein ganz gutes Produkt dabei rauskommt. Vieles von dem, was sie machen, ist banal: Sie schreiben Agenturmeldungen um, schauen fern, sichten die internationale Presse, übernehmen bunte Geschichten, die Bild ausgegraben hat. Drei Viertel der Inhalte, schätzt ein Mitarbeiter, sind Agenturmeldungen oder Presseschau, aber die Online-Redakteure – bei denen es sich, was früher nicht selbstverständlich war, um erfahrene Journalisten handelt – beherrschen das Handwerk, sie ansprechend zu redigieren. Zum Erfolg gehört auch die Kunst, wie mit einem, nun ja: Spiegel den Eindruck von Weiträumigkeit und Tiefe zu erzeugen (…) Anders als viele andere Internetableger von Zeitungen und Zeitschriften versteht sich Spiegel Online als eigenständiges Medium, nicht nur einen weiteren Vertriebsweg für gedruckte Artikel, die um ein paar Updates ergänzt werden. Wir wollen ein ernsthaftes journalistisches Produkt herstellen. Wir sind kein Newsticker, sondern verwenden viel Energie darauf, Nachrichten um Hintergründe, Interviews und Reportagen zu ergänzen, sagt Blumencron. Fünf Korrespondenten beschäftigt Spiegel Online inzwischen in Berlin, gelegentlich einen in New York. Der Aufwand ist mit dem, den der gedruckte Spiegel betreibt, in keiner Hinsicht vergleichbar, und statt im Sternehotel übernachten die Online-Reporter in einer Herberge aus dem Studenten-Reiseführer(…) Inzwischen bekommen sie auch Anerkennung, gelegentlich sogar von den Spiegel-Kollegen. Markus Deggerich war 1999, als er anfing, aus Berlin zu berichten, der erste Korrespondent eines Online-Mediums in Deutschland überhaupt – und wurde überwiegend belächelt. Das hat sich geändert: Ich habe mich lange genug demütigen lassen, jetzt will ich ernten. Für viele Tageszeitungen geben seine Analysen und Interpretationen etwa aus dem Bundestag, die ein paar Stunden nach der puren Meldung online sind, den Tenor vor, sagt er selbstbewusst (…) Noch kann man den publizistischen Erfolg nicht in Erlösen messen, und ob sich das je ändern wird, ist offen. Wir haben eine exzellente Leserschaft, noch besser als die des gedruckten Spiegels‘, sagt Blumencron. Trotzdem ist der Werbeverkauf ein entsetzlich mühsames Geschäft. Blumencron glaubt, daß es an der grundsätzlichen Bereitschaft der Unternehmen mangelt, im Internet zu werben, und hofft, daß sich das ändern wird: Es ist nicht erwiesen, daß es nicht funktionieren kann, so ein Angebot durch Werbung zu finanzieren. Der Verlagsleiter des Spiegels, Fried von Bismarck, formuliert den Satz umgekehrt: Es ist nicht erwiesen, daß es möglich ist, ein anspruchsvolles Nachrichtenangebot allein durch Werbung zu finanzieren. Anders auch nicht – an ein kostenpflichtiges Kernangebot sei nicht zu denken. Bismarck vergleicht die Online-Angebote etwas despektierlich mit Brötchen: Nicht nur, weil sie heute lecker und morgen alt sind. Sondern auch, weil die Leute sie mögen; aber wenn es keine gibt oder sie zu teuer sind, essen sie einfach Brot.Er rechnet nicht damit, daß Spiegel Online sich einmal selbst finanzieren könnte. Auch die geplante Möglichkeit, über das Internet kostenpflichtig im gesamten Spiegel-Archiv recherchieren zu können, werde nicht mehr als ein Zubrot darstellen.Es herrscht, so gesehen, weniger Optimismus denn je. Und doch scheint die Zukunft von Spiegel Online sicher. Anders als andere hat Spiegel Online, nachdem die großen Träume vom Portal, Börsengang und Reichtum begraben waren, die Ausgaben nicht so weit runtergefahren, daß die Verluste gegen Null gingen, sondern nur so weit, daß gerade noch ein Online-Angebot möglich war, das den Namen Spiegel verdiente. Es sei unmöglich auszurechnen, wieviel Spiegel Online dazu beitrage, daß die Spiegel-Auflage konstant hoch sei und neue, junge Leser im Kontakt mit der Marke blieben, sagt Fred von Bismarck. Die Frage ist: Wo stünde die Spiegel-Gruppe, wenn sie sich leisten würde, kein ordentliches Internetangebot zu haben? Noch vor einem Jahr gab es erhebliches Gegrummel in der Redaktion, bis hin zu ihrem fernsehfreundlichen und onlineskeptischen Chefredakteur Stefan Aust, weil die Verluste des Online-Angebotes die Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter schmälere. Heute, sagt Bismarck, sei das erledigt.“
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