Ballschrank
Erkennungszeichen für Deutschland
Kommentare deaktiviert für Erkennungszeichen für Deutschland
| Donnerstag, 25. März 2004Ludger Schulze (SZ 21.11.). „Über Geschmack lässt sich in beinahe jedem Fall streiten, aber wenn dieses Erkennungszeichen tatsächlich für Deutschland steht, dann für ein bieder-piefiges Land mit Sauerkraut-Charme, fern jeder Selbstironie. Für eine auf der Stelle tretende Republik, die keine Vision wagt und in Formalismus erstarrt. Mit diesem – nett gemeinten – Logo wurde die Chance vertan, einen geistreichen Akzent der leichten Hand zu setzen. Als programmatische Erklärung für die WM 2006 ist es ein Fehlschuss. Kunst ist Diskurs, Risiko, Konfrontation. Die WM-Organisatoren aber sind den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Statt einen Bewerb der kreativsten Köpfe dieses Landes auszuschreiben, an dessen Ende eine vermutlich ebenfalls heftig umstrittene Lösung gestanden hätte, haben sie den Auftrag mutlos und ohne Debatte an eine deutsch-englische Gemeinschaftsproduktion vergeben. Ein wenig wehmütig denkt man an 1972, als der Designer Otl Aicher den Spielen ein wirklich fröhliches Gesicht gab, oder an 1992, als der Maler Miró den Spielen von Barcelona einen genialischen Anstrich verpasste. Die WM 2006 aber wird gekennzeichnet durch drei Rundschädel.“
Times mager (FR 21.11.). „Der für ein Logo erforderlichen raschen Lesbarkeit stehen die unterschiedlichen Elemente innerhalb der vier Ringe deutlich entgegen, besonders im Fall des Kreises, der auf den Pokal anspielt. Das links außen applizierte Schwarz-Rot-Gold wirkt wie ein erzwungener Nachtrag. Noch forcierter bringt sich die der Komposition aufgetragene Heiterkeit zur Geltung: Der Eindruck ist der einer krampfhaften Aufforderung zu allgemeinem Frohsinn, gerade dem Gegenteil einer heiteren Disposition. Man darf die Fußballer vielleicht nicht allzusehr mit künstlerischen Kriterien bedrängen, gleichwohl ist es keine Frage, dass das vor allem grobschlächtige, dennoch wenig eingängige Logo den Standards heutigen Designs kaum genügt. Die beiden damit befassten Agenturen haben sich offensichtlich nur mühsam verständigen können, das Ergebnis ist eine im Ganzen unsaubere Mischform. Nehmen wir nur die deutsche Szene, hätten sich zwischen Hamburg und Karlsruhe an mehreren unserer Hochschulen für Gestaltung Arbeitsgruppen beauftragen lassen, die weitergekommen wären als die von DFB und Fifa engagierten Designer. Aber so ist das eben: Hunderte von Gestaltern werden ausgebildet – ein attraktiver, auch herausfordernder Auftrag jedoch wie der für ein WM-Logo ergeht an biedersinnige Konventionalisten. So wird der wenig ausgeprägte Formsinn und der (schon anlässlich der Diskussion um das Münchner Olympiastadion zu Tage getretene) trübe Kunstgeschmack von verdienten Kickern wie Franz Beckenbauer zum Maßstab für die Ästhetik eines repräsentativen Emblems, das zwar mit aller Macht spaßig sein will, aber witzlos ist. Zu bedauern ist das unbedingt.”
Roland Zorn (FAZ 21.11.). „Deutschland lacht, Deutschland weint. Das Emblem, mit dem die Deutschen ihre Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bewerben, könnte statt in London und München auch in Köln entworfen worden sein: drei Jeckenköpfe, die Mundwinkel nach oben gezogen und fröhlich bis zum Gehtnichtmehr. Die Stimmung aber, in der Deutschland zur Zeit versinkt, ist düster, pessimistisch, negativ. Moll statt Dur also. Insofern haben die Macher der WM und die Schöpfer des Logos nach dem Motto Wäre doch gelacht eine antizyklische Ansicht gefunden, die der Gegenwart hohnspricht (…) Der Mut zur programmatischen und möglichst pangermanischen Fröhlichkeit birgt aber auch ein Risiko. Nicht nur, daß die sogenannte Spaßgesellschaft in Deutschland ihre muntersten Tage hinter sich hat, stellt die Heiterkeit der WM-Organisatoren auf eine harte Humorprobe; auch daß im Ausland von Herzen gelacht werden dürfte, wenn schließlich doch wieder deutscher Bierernst dem per Logo annoncierten Frohsinn im Wege steht, muß in Kauf genommen werden. Die Zeichen sind nun einmal gesetzt, und es ist auch richtig, daß sie sich nicht an der Tristesse des Augenblicks orientieren und stören. Schwere Symbolik angesichts schwerer Zeiten war in diesem Fall wirklich nicht nötig.“
Gewinnspiel für Experten