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Europapokalspiele im Frühjahr
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| Donnerstag, 25. März 2004
Europapokalspiele im Frühjahr sind gewöhnlich Festtage mit breiter öffentlicher Resonanz. Schließlich hat sich die Spreu vom Weizen bereits getrennt, und der Wettbewerb nähert sich seinen Höhepunkten. Der Modus der Champions League hingegen bringt es mit sich, dass in der Endphase der Gruppenspiele oft Mannschaften antreten, die entweder ihre Ernte bereits eingefahren haben oder (so gut wie) chancenlos sind. Letzteres trifft auf die beiden deutschen Teilnehmer zu.
Zwar hat Meister Dortmund durch das 3:0 gegen Lokomotive Moskau seinen Beitrag zur Qualifikation für das Viertelfinale geleistet. Jedoch – das zeigen die Kommentare in der Presse sowie die Reaktionen der Beteiligten – sind die Erwartungen auf eine Erreichen der nächsten Runde nach wie vor sehr gering. Zu tief sitzt noch der Schock des späten Madrider Ausgleichstreffers vor 14 Tagen.
Sorgenkind Bayer Leverkusen „strapaziert weiter die Leidensfähigkeit seiner Freunde“ (FAZ) und hätte Manager Calmund zufolge gerne auf das „tot geborene Spiel“ (SZ) beim ruhmreichen FC Barcelona verzichtet. So schnell werden sie in Camp Nou auch nicht mehr auflaufen. Immerhin – das ist mittlerweile eine Meldung wert – wäre ihnen fast ein Tor gelungen.
Borussia Dortmund – Lokomotive Moskau 3:0
Zur Stimmung in Dortmund lesen wir von Wiglaf Droste (taz 14.3.). „Enttäuschte Fußballfans sind gemein und vergesslich. In der letzten Saison trugen viele Anhänger Borussia Dortmunds dem Stürmer Marcio Amoroso noch das Heiland-, Retter- und Erlöserdiplom hinterher, spätestens seit dem 1:1 gegen Real Madrid vor 14 Tagen aber gilt er ihnen, neben Guiseppe Reina, als dümmster Dortmunder Spieler. Der hat doch nichts im Kopf als ,Mann, find ich mich wieder schön heute mit meinem Goldschmuck!‘, schimpfte ein schwarzgelb beschalter Mann am Mittwochabend auf dem Weg ins Westfalenstadion. Und sein Begleiter forderte meckernd: Amoroso in die Produktion! Gegen Moskau spielte Amoroso von Beginn an und präsentierte etwas Besseres als die Mischung aus verbissener Einzelwurschtelei und beleidigtem Herumstehen, die zuletzt die Gemüter von Mitspielern und Zuschauern erregt hatte. Er verteidigte, rannte, flankte, bereitete vor – kurz: Er war Teil seiner Mannschaft, und als er den 3:0-Endstand schoss, hatten sie ihn schon wieder ziemlich lieb. Ackern, malochen und sich kaputtmachen gelten hier mehr als das Potenzial zur Eleganz – vor allem, wenn es nicht ausgeschöpft wird. Dass einer schön Fußball spielen kann, wird im Erfolgsfall honoriert und gefeiert, aber wer die Grenze zur Schönspielerei überschreitet, macht sich unbeliebt. Damit hat Jan Koller kein Problem. Der lächelnde Riese wird in Dortmund gerade zur märchenhaften Gestalt. Er verkörpert, was Borussia sein möchte: die erfolgreiche Verbindung von harter Arbeit, Leidenschaft, Spielfreude und Glanz. Der Tscheche dribbelte, ließ brasilianische Ballbehandlung sehen und machte nach Vorarbeit von Amoroso das 2:0. Es scheint nichts auf dem Fußballplatz zu geben, das Jan Koller nicht kann oder doch unbedingt lernen will – sogar als Torwart machte er schon eine gute Figur. Here comes the sun, her name is Jan, reimte Fritz Eckenga, und man hört von Plänen, Koller zu klonen und dann auf mindestens sechs Positionen einzusetzen.“
Freddie Röckenhaus (SZ 14.3.) meint dazu. „Dortmunds großer Rückstand in der Bundesliga auf den FC Bayern und die Ohnmacht im kommenden Finale der Champions-League-Gruppe hat Mehltau auf die Stimmung gelegt. Trainer Sammer sieht das selbstverständlich als Gefahr. Denn Platz zwei in der Bundesliga ist für den fast schon entthronten Meister zum Minimalziel geworden, für das es sich viel schwieriger motivieren lässt als für den Meistertitel oder Spiele gegen Real und Milan. Zumindest auf der wirtschaftlichen Seite gibt sich der BVB unterdessen antizyklisch zur allgemeinen Konjunktur-Tristesse. Mit dem vor einigen Jahren in Dortmund ausgemusterten US-Sportartikelkonzern Nike ist ein 20Millionen-Euro- Ausrüster-Deal in Vorbereitung.“
Felix Meininghaus (FTD 14.3.) erkennt „Signale einer Diva“. „Nach dem Schlusspfiff war im Dortmunder Lager viel von Comeback, gar Wiedergeburt die Rede. Das klang, als habe Amoroso auf Grund körperlicher Malaisen monatelang gefehlt. Dabei war der 28-Jährige in diesem Jahr immer fit. Doch seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, die hat der kapriziöse Zauberer dem Betrachter dennoch meist vorenthalten. Als sei seine Fußballkunst ein kostbarer Schatz, den man nur zu besonderen Anlässen hervorholt. Dem ist natürlich nicht so, schließlich brauchen die Dortmunder die Qualitäten ihres Ausnahmestürmers nicht nur, um auf der großen europäischen Bühne Großes erreichen zu können. Sondern auch für das Alltagsgeschäft in der Bundesliga. Das war so in der vergangenen Saison, als Amoroso den BVB mit seinen Toren zur Meisterschaft und ins Finale des Uefa-Pokals schoss. Doch so sehr die Diva in Schwarz-Gelb die Fans mit ihren Darbietungen in Verzückung versetzt hat, trieb sie die Anhänger zuletzt mit ihrer zwischen provozierend lässig und aufreizend arrogant pendelnden Art zur Verzweiflung. Matthias Sammer setzte seinen Star immer häufiger auf die Bank. Öffentlich begründet hat er das nie. Aber wer den Trainer kennt, der weiß, dass er wenig mit Spielern anfangen kann, die hauptsächlich für sich selbst und wenig für die Mannschaft spielen. Schließlich war er als aktiver Fußballer ein ziemlicher Malocher. Nach dem Sieg über Moskau sprach Sammer nun von einem „Neuanfang“. Wobei der strenge Richter auch gleich betonte, Amorosos traumhafter Treffer sei „nicht so entscheidend“ gewesen: „Das Wichtigste ist, dass er der Mannschaft signalisiert, dass er beißt.“ Wobei es Sammer, wie es seiner Art entspricht, tunlichst vermied, den besten Mann des Abends über Gebühr zu loben. Der Stürmer habe „fleißig gespielt“, hat der Coach zwar beobachtet, „aber er ist noch lange nicht da, wo wir ihn haben wollen“. Es fiel auf, dass sich Amoroso von der ersten Minute an sehr um Bindung zu seinen Mitspielern mühte.“
Weitere Spiele
Peter Burghardt (SZ 14.3.). „Es muss allerhand zusammenkommen, bis das Publikum im Bernabéu-Stadion dauerhaft in Stimmung gerät. Die Mehrheit sitzt in der Betonschüssel so anspruchsvoll wie in der königlichen Oper und langweilt sich, wenn drunten auf der Bühne nicht ununterbrochen Kunststücke aufgeführt werden – gewöhnliche Fußballspiele finden die Abonnenten schnell fade, schließlich halten sie ihre Arena für das Epizentrum von Pirouette und Hackentrick. Als ihre Showtruppe Real Madrid an diesem lauen Frühlingsabend im Rahmen der Festspielreihe namens Champions League die Showtruppe AC Mailand 3: 1 bezwang, da waren 75000 Augenzeugen selig wie selten. Das lag an Beiträgen von Weltstars wie Ronaldo, Zidane, Figo oder Roberto Carlos hier und Rivaldo, Seedorf, Schewtschenko oder Maldini dort. Und es lag vor allem an zwei einheimischen Berühmtheiten. Beide sind Madridern besonders wichtig, da können sie die teuren Gastartisten aus Rio de Janeiro, Buenos Aires, Lissabon oder Marseille noch so beglücken. Zinedine Zidane zum Beispiel hatte wieder einen dieser Tage, an denen man fürchtet, ohne ihn sei auch diese Wundertruppe nur die Hälfte wert. Niemand besitzt Eleganz und Übersicht wie der schmale Franzose mit dem Haarkranz. Doch gefeiert wurden zunächst Raúl González und José María Gutiérrez, genannt Guti, beide aufgewachsen in Madrid und beide groß in Form. Rauls 1:0 nach atemberaubenden Steilpass von Roberto Carlos und Ronaldos Zuspiel, Raúls 2:0 nach Figos Flügelwechsel, Zidanes Zauberdrehung und Roberto Carlos’ Hereingabe, Gutis 3:1 nach Doppelpass zwischen Raúl und Zidane: internationale Wertarbeit mit Abschluss nach Art des Hauses (…) Die größte Hommage erwiesen die Zuschauer schließlich trotzdem einem Mitglied des Gegners. Fernando Redondo kehrte nach zwei Jahren Verletzung im schwarzrotem Trikot zurück zum ehemaligen Arbeitgeber, mit dem er 1998 den Europapokal gewonnen hatte, und am Ende standen ihm die Tränen der Rührung in den Augen. Zehntausende riefen seinen Namen, über die berüchtigte Südtribüne spannte sich ein Spruchband: „Redondo, dein Einsatz und deine Qualität, unvergesslich.“ Zum Schluss bekam der Argentinier von der Radikalgemeinde Ultras Sur obendrein eine Plakette überreicht. Da sage noch einer, auf der Weltbühne seien sie undankbar gegenüber Fremden.“
Spielbericht Real Madrid – AC Milan (3:1) FR
Reaktionen in Englands Medien auf das 1:1 zwischen ManU und FC Basel NZZ
Dario Venutti (NZZ 14.3.) bericht von der Stimmung in Old Trafford. „Mit den Erfolgen des FC Basel in der Champions League hat auch das Selbstvertrauen der Anhängerschaft zugenommen und sich im Verlauf der letzten Wochen und Monate zu Ignoranz und Arroganz gesteigert. Etwa 3000 Basler Fans waren nach Manchester gereist, um in Old Trafford zum Besten zu geben: «Alles ausser Basel ist Scheisse.» Einmal in der Champions League, scheint sich in Basler Perspektive bereits alles um das Rheinknie zu drehen. Dabei werden Hakan Yakin und Marco Zwyssig auf eine Stufe mit David Beckham und Laurent Blanc gestellt. Als Beckham kurz vor Spielende doch noch eintrat, wurde er von den Basler Fans gnadenlos ausgepfiffen. Und als dem Popstar des Fussballs in der ersten Szene der Ball unter dem Rist ins Out rutschte, sangen die FCB- Anhänger: «Dä Beckham isch nervös.» Das war er, wenn überhaupt, sicher wegen des FCB; und die Sprechchöre haben ihn sicher auch total beeindruckt.“
In der NZZ (14.3.) lesen wir über das 3:2 Juves über Depor. „So unerbittlich kann Fussball sein. Drei Schritte noch bis zum Ziel, die Taschen schon fast voller Geld, und da kommt einer daher, der im letzten Moment alles auf den Kopf stellt. Der Reiche wird plötzlich arm, der Arme reich, oder in diesem Fall der Reiche noch reicher. So spannend kann Fussball sein, so nervenaufreibend. Igor Tudor, nach langer Verletzungspause noch lange nicht im Vollbesitz der Kräfte und wegen seiner Kopfballstärke von Juventus-Trainer Marcello Lippi für die letzte Viertelstunde aufs Feld beordert, stach als letzte Karte im taktischen Poker zweier Strategen. In der 93. und wirklich letzten Minute traf der Kroate volley zum 3:2. Deportivo La Coruña war damit weg vom internationalen Fenster, Juve (mit 99-prozentiger Sicherheit) für die Viertelfinals der Champions League qualifiziert. Und der Punktgewinn der Basler auf der britischen Insel wurde zur Makulatur. Fussball- Italien, dank Milan ohnehin schon unter den Besten und mit Inter und Roma zumindest noch im Rennen um insgesamt vier der acht Startplätze, schwelgt im Glück. Und wie immer in solchen Fällen sieht fast niemand einen Anlass, Emotionen zu unterdrücken, schon gar nicht die Medien. «Juve de la paura al trionfo» oder «Juve olé» sind mehr als attributive Ausschmückungen der auch fern der Heimat nach wie vor heiss umschwärmten «alten Dame». Umso erfreulicher, dass sich in der Beurteilung der sportlich keineswegs während der gesamten Matchdauer überzeugenden Leistung des Siegers ausgerechnet Marcello Lippi mit Kritik nicht zurückhielt und primär den Faktor Fortuna in den Vordergrund stellte. Tatsächlich beanspruchten die Piemonteser im Finish sämtliche Glücksreserven. Denn kurz nach der Pause nach Makaays herrlichem Führungstreffer zum 2:1 schienen sie noch weit von der Qualifikation entfernt. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte Italiens Meisterschaftsleader im kalten, uferlosen Stadion Delle Alpi ein Gesicht, dass bei weitem nicht mit dem Alltag korrespondierte. Abgesehen davon, dass wie zuletzt schon in Modena, Piacenza, Perugia und Udine ein später eingewechselter Spieler die Entscheidung herbeiführte. Juve, in der Meisterschaft zuletzt in fünf Partien in Folge siegreich, spielte gegen die vom Pragmatiker Javier Irureta erneut hervorragend eingestellten Galicier kaum einmal Fussball, wirkte uninspiriert, träge, unsicher, schlecht postiert, defensiv – vor allem über die Flanken – verletzbar und im Angriff zu statisch.“
Rassismusvorwurf gegen Vieri SZ
FC Barcelona – Bayer Leverkusen 2:0
Die FAZ (13.3.) schreibt zum Spiel. „Bayer Leverkusen strapaziert weiter die Leidensfähigkeit seiner Freunde. Das 0:2 am Dienstag abend gegen den FC Barcelona in der Champions League war schon schwer zu ertragen, obwohl die Meisterklasse nur noch als Vorbereitungswettbewerb für den anstehenden Abstiegskampf in der Bundesliga herhält. Aber der Kommentar zum traurigen Spiel von Cheftrainer Thomas Hörster steigerte noch das Unbehagen: In den ersten dreißig Minuten habe ich gesehen, was ich sehen wollte: Kampf, Leidenschaft und Herz, sagte Hörster nach der sechsten Champions-League-Niederlage in Serie. Das war eine gute Grundlage für den weiteren Saisonverlauf. Zugestanden, daß Schönfärberei einer verunsicherten Mannschaft ein bißchen Stütze geben kann: Des Trainers Aussage wirkte peinlich angesichts der mutlosen Vorstellung seiner Spieler. Die zwei großen Tormöglichkeiten für Berbatow in der Anfangsphase bewiesen nicht Hörsters These, sie waren lediglich das Resultat der Lässigkeit der unterforderten Spanier.“
Ronald Reng (SZ 13.3.) analysiert Reaktionen. “Dass Bayers Trainer Thomas Hörster erklärte, „ich fand es abwechslungsreich, unterhaltsam“, war zunächst die schrulligste Note der Nacht; als er hinzufügte, „ich habe viele Verbesserungen gesehen“, wurde daraus jedoch die bemerkenswerteste Erkenntnis von Barcelona: dass Hörster endlich aufhörte, öffentlich über seine Elf zu lästern, ist ein Anfang. Eine Mannschaft, die so sehr will und so sehr nicht kann wie derzeit Leverkusen, erreicht ein Trainer nicht, indem er sie kritisiert, wie es Hörster zuletzt zu oft tat („Wir kaspern rum, und die anderen machen die Tore“). Ob Hörster in der prekären Situation der richtige Mann ist, darf immer noch bezweifelt werden. Man kann darüber streiten, ob er wirklich mit solcher Radikalität das Gros seiner wichtigsten Kräfte für das eminent wichtige Heimspiel gegen Wolfsburg am Wochenende schonen musste. Oder wäre es in einzelnen Fällen wie dem von Bernd Schneider nicht besser gewesen, ihn vor 62.000 im Camp Nou in einer Partie mit viel Raum und Zeit mehr als 20 Minuten spielen zu lassen, in der Hoffnung, Schneider gewinne ein wenig Leichtigkeit zurück?“
Weitere Spiele
Spielbericht Manchester United – FC Basel (1:1) NZZ
Die NZZ (13.3.) berichtet den späten Sieg Juves über Depor (3:2). „Deportivos Trainer Irureta ist immer für Überraschungen gut. Personell wie taktisch gab er schon manchem Trainerkollegen Rätsel auf, beispielsweise Ende November im Heimspiel gegen Juventus‘ Trainer Marcello Lippi. Nach elf Minuten schon lag damals der Platzklub 2:0 in Führung, die Italiener wussten in jener Phase nicht, wie ihnen geschah. Es lag also nahe, dass der Baske jenes Erfolgsrezept auch diesmal versuchte: Tristan und Makaay als ungemein bewegliches, schwer berechenbares Sturmduo, Fran und Scaloni auf den Flanken, Duscher und Mauro Silva als Auffangstationen im zentralen Mittelfeld. Iruretas Idee, italienische Abwehrreihen müssten über die Flügel geöffnet werden, wurde denn auch in einigen Phasen der ersten Halbzeit hervorragend umgesetzt (…) Juve offerierte weiterhin nicht die Leckerbissen früherer Tage, die Brocken blieben den Piemontesern vielmehr einige Male fast im Halse stecken. Gründe dafür gibt es zwei: An straffer taktischer Leine erstickte La Coruña allfällige Unternehmungslust und Spielfreude der Italiener oft schon im Keime. Auf der anderen Seite kamen aber auch spielerische Mängel des Landesmeisters und Leaders zum Ausdruck, die einen neutralen Beobachter verblüffen mussten. Rückgrat, Zweikampfstärke, Rhythmuswechsel wie Konstanz fehlten über weite Strecken – bis in den Finish – ebenso wie der Mut zur konsequent offensiven Einstellung, selbst nach Lippis Umstellungen zur Pause. Aber die abwartende, oft minimalistische Haltung der Spanier birgt auch Risiken. Makaay brachte zwar mit einem placierten Ball aus 18m den Gastklub in Führung, doch dieser Treffer schien die Turiner vielmehr anzustacheln, statt ihnen das Genick zu brechen. Nach einigen Minuten schon hatte Juve den Rückschlag weggesteckt und zündete nun seinerseits das Feuerwerk. Trézéguet, zuvor mit der Brechstange erfolglos, löste sich endlich einmal von seinen Gegnern – 2:2. Sekunden später traf der Franzose nur den Pfosten. Szenen, die die Herrschaft der von Nedved inspirierten, tempofesten und druckvollen Italiener in der letzten halben Stunde deutlich unterstrichen, und ebenso plötzlich stand La Coruña im steifen Gegenwind. Die Geduld und Übersicht der Galizier auch in heiklen Situationen schien sich auch auszuzahlen – eben bis zur vermaledeiten Schlussszene.“
Christoph Biermann (SZ 13.3.) über die Überraschungself der Saison. „Von einer Wiedergeburt von Ajax Amsterdam kann man schon jetzt sprechen. Tief gesunken war der Klub in den Jahren nach dem Gewinn der Champions League 1995. Aufgrund des Bosman-Urteils war die große Mannschaft der Bergkamps und Kluiverts, Davids und de Boers innerhalb von nur zwei Spielzeiten über Europa verstreut. Die Versuche eines Neuaufbaus scheiterten schmählich, Morten Olsen gelang das als Ajax-Coach so wenig wie Co Adrianse. Der Zukauf routinierter Spieler wie Frank Verlaat ließ den Klub im Mittelmaß versinken. 1999 wurde Ajax in der holländischen Liga nur Sechster, eine ungeheuerliche Platzierung, im Uefa-Cup schied der Klub gegen solche Größen wie Lausanne Sports oder den FC Kopenhagen aus. Nun ist Ajax zurück, und ein wenig kommt das aus heiterem Himmel. Einige Spieler sind nämlich schon länger da und waren bereits bei Publikum und Presse durchgefallen. Libero und Mannschaftskapitän Cristian Chivu kam 1999, machte reihenweise elementare Fehler und flog in seiner ersten Saison dreimal vom Platz. Jetzt würde Real Madrid den Rumänen gerne verpflichten. Stürmer Zlatan Ibrahimovic, der aus Malmö geholt wurde, hielt das schwedische Aftonbladet bereits für den überschätztesten Spieler des Landes. In der Amsterdam Arena wird er auf Transparenten inzwischen als „Zlatan – Sohn Gottes“ gefeiert (…) Fast schon rührend war es, den Jungs in den rot-weißen Trikots zuzuschauen, die ihnen viel zu groß um die Körper wehten. Acht der zwölf eingesetzten Spieler sind 23 Jahre alt oder jünger, und so strahlte Ajax den Eifer einer Jugendmannschaft aus. Im Unterschied zu früher ist es nur kein holländisches Nachwuchsteam mehr. Zusammengestellt wurde es, als ob eine internationale Boygroup zusammengestellt worden wäre. Vom gefeierten Großtalent Rafael van der Vaart, dem Rechtsaußen Andy van der Meyde und Mittelfeldspieler Nigel de Jong abgesehen, kommen die Spieler aus acht weiteren Nationen. „Dass es innerhalb einer Partie auf und ab geht, ist typisch, wenn die Spieler so jung sind“, sagte Eindhovens Trainer Guus Hiddink, als er nach dem Spiel eine Cola trank. Denn mitunter verloren die Youngsters auch die Übersicht und wirkten wie zufällig unter die Erwachsenen geraten. Doch auch Bayer Leverkusen schien im Vorjahr immer wieder an seine Grenzen zu stoßen und schob sie nur weiter hinaus.“
Stefan Hermanns (Tsp 13.3.) über das Remis gegen Valencia. „Das Spiel gegen Valencia erinnerte an das Szenario eines amerikanischen Spielfilms. Die kleinen Jungs spielen friedlich auf dem Bolzplatz, als plötzlich die großen bösen Kerle aus der Nachbarschaft auftauchen. Weil sie ausnahmsweise gut gelaunt sind, bieten sie den Kleinen ein Match an, anstatt sie gleich zu verprügeln. Die Großen heißen Mauricio Pellegrino, Ruben Baraja und Kily Gonzalez und haben mit Valencia in den vergangenen drei Jahren zweimal im Finale der Champions League gestanden. In der ersten Halbzeit haben sie die kleinen Ajax-Spieler noch ein bisschen tricksen lassen, aber wenn es ihnen zu bunt wurde, sind sie humorlos mit ihren langen Beinen dazwischengegangen und haben sich den Ball geholt. Das 1:0 erzielte Gonzalez auf ähnlich prosaische Weise – per Elfmeter. In amerikanischen Filmen nimmt die Geschichte immer noch eine Wende zum Guten. So war es auch in der Amsterdam-Arena. Ronald Koeman hat seinen Jungs in der Halbzeit gesagt, dass sie mehr Vertrauen in ihre fußballerischen Fähigkeiten haben sollten, und fortan machten sie mit ihrem Gegner nahezu, was sie wollten. Und der finnische Vorstopper Petri Pasanen traf zum Ausgleich. Es ist atemberaubend, in welchem Tempo sich Ajax, das jüngste Team in der Zwischenrunde, zurzeit entwickelt. Man kann der Mannschaft quasi beim Wachsen zuschauen. Vor drei Monaten, im Hinspiel gegen Valencia, erreichte Ajax ebenfalls ein 1:1, aber trotz des identischen Ergebnisses können zwei Fußballspiele kaum unterschiedlicher sein. „In Valencia haben wir von 90 Minuten 95 verteidigt“, sagte Chivu, „sogar in der Kabine haben wir noch verteidigt.“ Damals war die Mannschaft noch nicht so weit, dass sie Teams wie Valencia mit spielerischen Mitteln hätte beikommen können. Jetzt ist sie es. Am Dienstag, in der zweiten Halbzeit, schien es, als habe Ajax zu sich selbst zurückgefunden: zu jenem angriffslustigen, aggressiven, wagemutigen Stil, der immer das Markenzeichen dieses Klubs und seiner Mannschaften war.“
(12.3.)
„Der Trainer ist mit schuld daran, dass Borussia Dortmund ein langer, spannungsfreier Saisonausklang droht“, schreibt Freddie Röckenhaus (SZ 12.3.). „Völlig frei gesprochen wird Dortmunds im allgemeinen als unantastbar geltender Trainer von der Schuld für das Abschneiden der letzten Wochen jedenfalls nicht mehr. Nicht wenige halten im Nachhinein Sammers ungeschicktes Auswechseln gegen Real Madrid für den Grund, warum der Sieg in der Nachspielzeit noch abhanden kam. Auch Sammers Personaltaktik der letzten Wochen bleibt nach dem Leistungs-Debakel von Mönchengladbach nicht mehr unangezweifelt. Wieder einmal hatte Sammer dort eine knifflige taktische Sonderrolle für den bekanntermaßen sonnigen, jedoch schlichten Evanilson ausgetüftelt, statt seinen Starstürmer Marcio Amoroso als klare Sturmspitze zu bringen. Zudem war der BVB auf der rechten Seite mit drei Flügelspielern über- und auf der linken Seite mit Dede unterbesetzt, Manndecker Madouni fand sich, weil unterbeschäftigt im Abwehrzentrum, öfters in der Rolle des Spielmachers wieder, die wiederum Torsten Frings nicht ausfüllte, während Spielmacher-Typ Ricken draußen blieb. Auch sonst war Vieles nur mit abgeschlossenem Studium in Fußball-Latein verständlich. Einmal abgesehen davon, dass Dortmunds Presse mäkelt, dass der Meister in vier Auswärtsspielen der Rückrunde gerade einen mickrigen Punkt geholt hat – und selbst das nur gegen dezimierte zehn Schalker, als mit mehr Mut ein klarer Sieg greifbar schien.“
Richard Leipold (FAZ 12.3.) vergleicht zwei Dortmunder Stürmertypen. „Allzeit bereit, wenn es sein muß, auch nach Dienstschluß: diese Berufsauffassung verkörpert Jan Koller, der Mittelstürmer des deutschen Meisters, von Natur aus. Der Tscheche steht in Dortmund für Kraft und Ausdauer – und mittlerweile auch für Treffsicherheit. Vor einem Jahr stand der brave Koller im Schatten des umjubelten Glamourboys Amoroso. Seine mäßige Trefferquote fiel nicht weiter ins Gewicht. Um den Abschluß kümmerte sich ja Amoroso mit großem Geschick, und Koller sammelte Fleißkärtchen, auch für seine Bereitschaft, schon im Angriff mit der Abwehrarbeit zu beginnen. Wer so groß ist wie ich, kommt nicht umhin, den kleineren Kollegen hinten zu helfen. Cheftrainer Matthias Sammer sprach ihn frei von dem Vorwurf, nicht torgefährlich genug zu sein. Der Fußball-Lehrer würde am liebsten verbieten, Koller an Treffern zu messen. Sein Wert für die Mannschaft spiegele sich weniger in Toren als in Tugenden wie Charakter, Kampfkraft und Kondition. Während Amoroso an Spieltagen nur noch als Teilzeitkraft arbeitet, bleibt Koller pausenlos im Einsatz; er spielt immer – und fast immer neunzig Minuten. Der hundert Kilogramm schwere, zwei Meter zwei lange Hüne – bei Sparta Prag nannten sie ihn Dino – hat seinem filigranen, schmächtigen Kollegen nicht nur physisch einiges voraus. Koller wirkt innerlich ausgeglichener. In seinem Kopf ist kein Platz für Kapriolen. Anders als Amoroso ist er ein Fußball-Facharbeiter ohne Allüren, nach Sammers Maßstäben geradezu der Prototyp des Profis. Er verrichtet gewissenhaft seine Arbeit und redet nicht viel darüber. Amoroso ließ zuweilen verlauten, wie wunderbar er die Revierstadt Dortmund und ihre Menschen finde. Er sagt so etwas, weil er als Showtalent weiß, was die Anhänger von einem Publikumsliebling erwarten. Seine Huldigungen an Land und Leute wirken aber wie Lippenbekenntnisse. Als es ihm in Dortmund noch gutging, kokettierte Amoroso damit, dorthin zu wechseln, wo es draußen warm ist und wo die Menschen seiner Meinung nach warmherziger sind. Weil er die Fans mit seinen Toren und mit seinem Lächeln für sich einnahm, konnten sie ihm nicht einmal böse sein. Keiner spielt so schön wie Amoroso, dichtete ein Schlagersänger, und die Borussenchöre auf der Südtribüne sangen mit. Niemand käme auf die Idee, Koller ein solches Lied zu widmen. Aber die Fans der Borussia mögen beide: die Diva und den Dino, den Künstler und den Kraftprotz.“
Felix Meininghaus (SZ 12.3.) porträtiert den Tschechen. „Als Jürgen Kohler am Ende der vergangenen Saison im Westfalenstadion seinen Ausstand gab, waren sich die Fans im legendären Block 13 der Südtribüne sicher: Die Zeit der Malocher im millionenschweren Ensemble des früheren Arbeiterklubs Borussia Dortmund ist endgültig vorbei. Kicker wie den Mann, den sie „Fußballgott“ nannten, werde es fortan nicht mehr geben. Doch mittlerweile haben die Jungs der Hardcore- Fraktion den legitimen Nachfolger ermittelt. Ein Tscheche hat sich ins Herz der BVB-Fans gerackert: Jan Koller. Die Liaison zwischen dem anspruchsvollen Umfeld und dem Mann, der im Juni 2001 für 21 Millionen Mark vom RSC Anderlecht geholt wurde, war allerdings keine Liebe auf den ersten Blick. Weil der lange Schlacks oft ungelenk wie ein Storch im Salat agierte und zudem auch noch beste Chancen ungelenk verstolperte, rümpften viele Beobachter skeptisch die Nase. Trainer Matthias Sammer ist solcher Geringschätzung stets vehement entgegengetreten (…) Mit seinem kahl geschorenen Schädel und den markanten Gesichtszügen könnte Jan Koller auch in Belgisch-Kongo Dienst schieben. Doch der Eindruck täuscht. Trotz seiner martialischen Erscheinung ist Koller ein betont ruhiger und bescheidener Vertreter. Wobei es der „lammfromme Riese“ (FR) privat auch gerne mal krachen lässt. Wer miterlebt, wie Koller mit blonder Langhaar- Perücke mitten im Karnevalsgetümmel in einer Kölner Hotelbar die Polonaise anführt, beginnt an Anekdoten zu glauben, die aus der Heimat des Goalgetters nach Dortmund herübergetragen werden. In seinem südböhmischen Heimatdorf Lhota, so wird erzählt, trete der gelernte Werkzeugmacher auch heute noch mit seinen Kumpels gegen den Ball, um sich danach mit ihnen für ein paar Bierchen an die Theke zu stellen.“
Wolfram Eilenberger (Tsp 12.3.) kommentiert das heutige Comeback Redondos. „Nach zweieinhalbjähriger Verletzungspause kehrt er in den großen Weltfußball zurück. Für den Anhang Madrids hingegen stellt sein Comeback die kaum noch erhoffte Gelegenheit dar, den einstigen Kapitän würdig zu verabschieden. Denn damals, vor knapp drei Jahren, ging alles furchtbar schnell. In einer hastigen und geheim gehaltenen Aktion wurde der Argentinier nach Mailand verkauft. Der Transfer Redondos war eine der ersten Amtshandlungen des Präsidenten Florentino Perez und deutliches Zeichen einer neuen Personalpolitik. Es galt, eine Ära zu verabschieden (…) Es gibt gute Gründe, in Fernando Redondo den eigentlich stilprägenden Mittelfeldspieler der vergangenen Dekade zu erkennen. Denn mit seiner eleganten Interpretation des defensiven Mittelfeldparts schuf der Argentinier ein neues Positionsverständnis, das – analog zu Beckenbauers beispielhafter Umakzentuierung der Rolle des letzten Mannes – in der Folge weltweit wirksam wurde. Spätestens seit Mitte der neunziger Jahre nämlich vermochte Redondos konsequent kluges Kurzpassspiel die Zone mit der höchsten Zweikampfintensität als eigentliches Zentrum spielerischer Gestaltung freizulegen. Unantastbar im Zweikampf, kultivierte Redondos feines Raumgespür den so unscheinbar wirkenden 10-Meter-Pass zur eigentlich spielbestimmenden Konstruktionsform. Wie kein anderer verstand er es, die gegnerische Abwehr, mit der filigranen Nutzung kleinster Lücken und Nischen, vorentscheidend zu destabilisieren. Und müsste man die wesentliche spielstrukturelle Veränderung der letzten dreißig Jahre in einem Satz zusammenfassen, so böte sich der Verweis auf die räumliche Distanz an, die Beckenbauers kaiserliche Nummer 5 von der souveränen Neuinterpretation Redondos trennt. Etwa 15 Meter sind es. So viel enger ist das Spiel seither geworden. Genau dort, im engen Zentrum, wird Redondo heute Abend auch auf die andere Nummer 5, auf Zinedine Zidane, treffen. Das zu erwartende, direkte Duell zwischen Redondo und Zidane steht dabei für zwei grundverschiedene Visionen, Fußball zu spielen und Fußball genießen zu lassen. Wo Zidanes unsagbare Ballfertigkeit und Einfallskraft beispielhaft für das neue stilistische Ideal von Real Madrid stehen, da verkörpert Redondos edles Kontrollvermögen und seine fein bedachte Kurzpassästhetik eine Spielauffassung, mit der sich die schwarz-roten aus Mailand bereits für das Viertelfinale qualifiziert wissen. Redondo und Zidane, das ist die Wahl zwischen zwei Formen der Meisterschaft.“
Ronald Reng (FTD 12.3.). “19 Tore, fast jedes Spiel ein Treffer, hat er diese Saison bereits in der Primera División geschossen, die Torschützenliste führt er mit sechs Treffern Vorsprung vor Ronaldo an. In der Champions League, wo er heute mit La Coruña gegen Juventus Turin den Weg ins Viertelfinale sucht, erledigte er in der Vorrunde Bayern München mit einem Hattrick und markierte bislang insgesamt acht Tore. So viel auch über andere, startauglichere Stürmer wie Ronaldo oder Christian Vieri geredet wird, besser als Makaay ist in dieser Saison allenfalls einer – sein Landsmann Ruud van Nistelrooy von Manchester United. „Was soll ich sagen?“, fragt Makaay, ehe ihm doch noch was einfällt: „Ich bin zufrieden.“ Es liegt in der Natur der Sache, dass Fußballprofis mit Worten weniger gut umgehen können als mit dem Ball, Makaay ist da keine Ausnahme. Ein junger Mann, der sich herumgestupst fühlt, es aber nicht schafft, sich dagegen zu wehren, der eine Wut in sich trägt, sie aber weder auf dem Fußballplatz ausleben noch in klugen Sätzen artikulieren kann, so hat man ihn aus den vergangenen Jahren in Erinnerung. Seit Makaay 1999 nach La Coruña kam, war er das Mädchen für alles im System von Trainer Javier Irureta. Der ließ ihn mal auf dem rechten Flügel ran, schob ihn beim nächsten Mal nach links oder einfach auf die Ersatzbank. Es war, als würde Makaay, der schnell, beidfüßig und taktisch gewieft ist, für seine Vielseitigkeit bestraft. Er würde die Nebenrolle noch heute spielen, wenn Depors lebenslustiger Mittelstürmer Diego Tristán nicht verletzt und übergewichtig aus dem Sommerurlaub zurückgekommen wäre. Makaay hatte wieder einmal einen Aushilfsjob – und machte ihn so gut, dass nun das Fragezeichen in La Coruñas Sturm ein anderes ist. Es heißt nicht mehr: Wo spielt Makaay, sondern: Wer spielt neben Makaay?“
Mark Schilling (NZZ12.3.) berichtet das Spiel Internazionale gegen Newcastle United (2:2). „Es war eine Partie mit vielen Geschichten im San Siro. Zum Beispiel derjenigen von Craig Bellamy. Der walisische Youngster hatte im «Hinspiel» im St. James’s Park seine Equipe schon früh auf die Verliererstrasse gewiesen, indem er nach einem Ellbogenstoss des Feldes verwiesen wurde. Als Newcastle-Trainer und Grandseigneur der englischen Coaches, Bobby Robson, sich am Vortag des Matches zum Gebet in den Mailänder Dom begab, dürfte er wohl auch den Heisssporn in seine frommen Wünsche aufgenommen haben. Bellamy liess sich diesmal denn auch nicht provozieren, sondern war während geraumer Zeit der gefährlichste Angreifer auf dem Platz. Und wie er beispielsweise kurz vor der Pause Guly düpierte und Shearer das 1:0 vorbereitete, war uneingeschränkt Weltklasse. Weltklasse wird wohl nicht in allen Mannschaftsteilen des englischen Meisterschaftsdritten verkörpert. Trotzdem vermochten die Magpies – unterstützt von einer «Toon-Army» in Bataillonsstärke (über.10000 Newcastle-Fans in Mailand) – über weite Strecken zu überraschen und die favorisierten Nerazzurri vor manche Probleme zu stellen. Speziell vor dem Seitenwechsel beschworen die Engländer mit schnellen Zuspielen in die Spitze zahlreiche Turbulenzen in der italienischen Abwehr herauf, während in der eigenen Defensive der (abermals) stereotyp vorgehende Platzklub ohne grössere Probleme unter Kontrolle gehalten wurde. Jedenfalls fiel der Führungstreffer kurz vor der Pause verdient, verzeichnete doch das Robson-Ensemble die klar besseren Chancen.“
Martin Pütter (NZZ 12.3.) porträtiert den Manager Manchesters. „Eins muss man Alex Ferguson lassen: Ehrgeizig ist der Manager von Manchester United nach wie vor. Das stellt in England keiner in Frage, am wenigsten seine Spieler. Wer etwa nicht spurte, wer auf dem Feld nicht so viel gab, wie sich der Schotte das vorstellt, bekam verpasst, was die Spieler die «Haartrockner-Behandlung» getauft haben. Für seine laute Standpauke stellte sich Ferguson jeweils so nahe vor dem betreffenden Spieler auf, dass dieser dessen heissen Atem im Gesicht zu spüren bekam. Aber nach über 16 Jahren im Amt mehren sich die Zeichen, dass diese Behandlung weniger wirkt als früher und dass Ferguson den Ehrgeiz nicht mehr so wie einst auf seine Mannschaft übertragen kann. Vor allem hat sich der Schotte öfter mal nicht mehr unter Kontrolle. So liegt die Stiefel-Affäre nicht lange zurück, als Ferguson nach der 0:2-Heimniederlage im FA-Cup gegen Arsenal in der Garderobe ausrastete, gegen einen herumliegenden Fussballschuh trat, der David Beckham am Kopf traf. Wer nach einer Niederlage gegen einen Erzrivalen die Fassung derart verliert, untergräbt seine Autorität. In England herrscht zudem fast einhellig die Ansicht vor, dass ein solcher Vorfall zum ersten Mal an die Öffentlichkeit geriet. Man kennt allerdings Fergusons Hang zum Jähzorn. Was in der Garderobe passiere, sei allerdings sakrosankt und solle auch nicht nach aussen dringen, sagt der Manager selber dazu. Da bleibt als Spekulation, wie wohl Profis wie Roy Keane oder früher Eric Cantona reagiert hätten, wenn sie von einem Fussballschuh am Kopf getroffen worden wären.“
Zur Lage des FC Basel vor dem Auswärtsspiel in Old Trafford NZZ
(11.3.)
Peter Hartmann (NZZ 11.3.) fragt nach dem „Rätsel, weshalb die AS Roma in der laufenden Meisterschaft völlig abgestürzt ist. Nach 24 Runden liegt die Mannschaft, die 2001 den Titel gewann und vor einem Jahr zur gleichen Zeit punktgleich mit Inter die Tabelle anführte, hoffnungslos abgeschlagen auf Platz 8 mit 17 Punkten weniger auf dem Konto als letzte Saison. Ein freier Fall, vergleichbar vielleicht mit Bayer Leverkusen, auch wenn die Römer, im Unterschied zur deutschen Aspirin-Werkgruppe, in kaum veränderter Besetzung spielen. Eine Erklärung gibt es: Die Squadra des Erfolgstrainers Fabio Capello, der mit 4 Millionen Euro netto (annähernd 6 Millionen Franken) das höchste Jahreseinkommen der Branche hat, ist völlig von ihrem Spielmacher Francesco Totti abhängig. Die Statistik zeigt, dass die AS Roma von den 15 Spielen ohne die Nummer 10 nur 3 gewinnen konnte. Totti kehrte im Derby nach einer Grippe und einem Hexenschuss wieder in die Startaufstellung zurück. Zuvor hatte der 28-Jährige, der mit zwölf Treffern auch ein Drittel der Tore gleich selber beisteuerte, an Schäden in beiden Knien und diversen Muskelproblemen gelitten. Aber dank Totti hat die AS Roma, wenigstens bis am Dienstagabend, bis zum Spiel in London gegen Arsenal, noch eine europäische Zukunft. In der Zwischenrunde der Champions League entlockte Totti mit seinem meisterlichen Siegestor gegen Real Madrid sogar dem verwöhnten Bernabeu-Publikum einen spontanen Applaus, und am 26.Februar riss er mit seiner „Doppietta“ zum 3:0-Erfolg in Valencia die Mitspieler aus einer monatelangen Lethargie. Zu lange hatten Capello und vor allem der greise, geschwätzige Präsident Franco Sensi die Gründe des Niedergangs nicht im eigenen Leistungsdefizit erkannt, sondern ein theatralisches Komplott der Schiedsrichter und des „Palazzo“, des Lega-Chefs Adriano Galliani und des Verbandsführers Franco Carraro, gegen die AS Roma erfunden. Die Verschwörungstheorien Sensis wirkten besonders erheiternd, weil der steinreiche Roma-Boss, der die grössten Treibstofflager des Landes und in Rom ganze Wohnviertel besitzt, vor zwei Jahren sämtliche Schiedsrichter der SerieA mit Rolex-Uhren beschenkt hatte (die sie, unwillig, wieder an den Spender zurückgeben mussten). Sensi spielt sich gern als Robin Hood der Kleinen auf, als Kämpfer gegen die Machthaber im Norden, gegen Juventus, Inter und Milan, doch hat er selber vor vier Jahren mit der Idee des Splittings der Fernseheinkünfte, das die kleineren Klubs benachteiligt, wesentlich zur Existenzkrise des Calcio beigetragen. Der typisch italienische „Vittimismo“, die Mischung aus Opferhaltung, Selbstmitleid und dem Reflex, die Schuld bei andern zu suchen, zog die Mannschaft nur noch tiefer in die Abwärtsspirale.“
Stefan Hermanns (Tsp 11.3.) über die Überraschungself der diesjährigen Saison. „Ajax Amsterdam besitzt seit langem den Ruf, die beste Nachwuchsausbildung der Welt zu betreiben. Doch obwohl der Klub das System nahezu perfektioniert hat, garantiert es keine gleichbleibend hohe Qualität. Selbst bei Ajax gibt es gute Jahrgänge – und nicht ganz so gute. Der aktuelle ist nach einigen nicht ganz so guten ohne Zweifel ein sehr guter. Schon heute, im vorletzten Zwischenrundenspiel gegen den FC Valencia, kann sich Ajax für das Viertelfinale der Champions League qualifizieren. „Wir können noch immer rechnen“, sagt Trainer Ronald Koeman, „das ist mehr als wir erwartet hatten.“ Es wäre das erste Mal seit 1997, dass Ajax unter die besten Acht Europas käme. Von den 16 Zwischenrunden-Teilnehmern ist Ajax der bei weitem jüngste. Das Durchschnittsalter der Mannschaft, die Arsenal vor drei Wochen in London ein 1:1 abgetrotzt hat, lag bei gerade mal 22 Jahren. „Die Jungs scheinen alle sehr klein und fast fragil zu sein”, sagt Dennis Bergkamp, „aber jeder Einzelne von ihnen ist ein guter Spieler”. Cristian Chivu zum Beispiel, der Kapitän aus Rumänien, der Interviews nur auf Englisch gibt und sich seiner Position gemäß sehr staatsmännisch verhält. Chivu ist 22. Oder Rafael van der Vaart, 20, Nationalspieler und schon in der vorigen Saison Ajax’ bester Torschütze. Oder Wesley Schneijder, auch erst 18 und eine außergewöhnliche Begabung mit besten Aussichten, der nächste holländische Superstar zu werden. Oder, oder, oder. Wegen seiner Erfolge wird das Team bereits mit der legendären Ajax-Elf verglichen, die 1995 die Champions League gewann. Im Moment fällt das Ergebnis solcher Vergleiche noch eindeutig zu Gunsten des 95er-Teams um die jungen Davids, Seedorf und Kluivert aus.“
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