Ballschrank
Existenzkampf
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| Donnerstag, 25. März 2004
Jürgen Leinemann Alfred Weinzierl (Spiegel 19.5.) beschreiben die Bundesliga-Verantwortlichen im wirtschaftlichen Existenzkampf. „In der sich rasant wandelnden Gesellschaft fallen die Gegensätze im Fußball-Geschäft besonders auf. Kaum irgendwo trifft modernes Management so krass auf patriarchalisch-feudale Strukturen wie in der Bundesliga. Da ist etwa der Teppichhändler Michael A. Roth, 67, Präsident des traditionsreichen 1. FC Nürnberg, der 1994 zum zweiten Mal den Vorsitz des Vereins übernahm und damit die Existenz des damals mit 28 Millionen Mark verschuldeten Clubs rettete. Besuchern zeigt Roth gern sein handgeknüpftes Wandteppich-Porträt, das gerahmt im Konferenzraum neben Club-Mannschaftspostern hängt: Gucken Sie mal, wie besonders hochwertig mein Bild gearbeitet wurde. Roth, gut 1,60 Meter groß, ist der Prototyp des Selfmademans, der wie ein Gutsherr regiert. Seine Erfolge seien begründet in immer währender Arbeit. Roth: Ich kann nur Leute gebrauchen, die keine Uhr kennen. Er selbst findet sich ohne Makel: Schwächen, muss ich sagen, habe ich eigentlich keine. In zwei Amtszeiten verschliss er zwölf Trainer. Der Vizepräsident und Schatzmeister ist Geschäftsführer in Roths Firma. Die Bilanzen des Vereins laufen quasi parallel zu jenen von 138 Teppichbodenfilialen. Roth wohnt in einer schlossähnlichen Villa mit fünf Türmen in Rückersdorf bei Nürnberg. In einem begehbaren Kleiderschrank hängen Hunderte Maßanzüge. In jedem Anzug steckt ein kleines Zettelchen, wann er den Anzug das letzte Mal getragen hat. Ich trage keinen Anzug zweimal im Jahr. Von Fußball, sagen Roths Kritiker und Weggefährten, habe er keine Ahnung. Als Gegenbeispiel bietet sich Bernd Hoffmann, 40, an, zuvor 13 Jahre beim Sportvermarkter Ufa, seit Februar Vorstandschef des Hamburger SV. Nach Durchsicht der Bücher entdeckte er ein Minus aus dem operativen Geschäft der laufenden Saison von 12,5 Millionen Euro. Veranschlagt war für das Spieljahr eine schwarze Null. Sein Fazit: Von den Managementstrukturen her war der HSV sicher nicht Uefa-Cup-reif. Gefragt, ob er wusste, dass er in Hamburg als Sanierer antreten müsste, spottet Hoffmann: Ich finde, ich trete hier nicht als Sanierer an, sondern als Kunstturner. Ich übe hier nämlich einen Spagat. Einerseits müsse er die notwendigen Kosteneinsparungen vornehmen, andererseits das sportliche Niveau halten oder zumindest Strukturen schaffen, um in zwei, drei Jahren wieder dahin zu kommen, wo der Club sich am liebsten sieht – oben. In den anderen Bundesliga-Vereinen, das unterscheidet ihn von vielen altbekannten Kollegen, sieht er eher wirtschaftliche Partner als Konkurrenten; Verantwortung zu delegieren, hält er für eine Notwendigkeit. Anfangs musste sich der Diplomkaufmann des Makels mangelnden Stallgeruchs erwehren. Inzwischen sind die Hanseaten ein bisschen stolz auf ihre dynamische Neuerwerbung. Doch ist das Alte aus der Bundesliga keineswegs mit Roth und seinem 1. FC Nürnberg verschwunden. Auch 1860 München wird von Karl-Heinz Wildmoser senior und Karl-Heinz Wildmoser junior nach Gutsherrenart geführt. Die Tradition wird nicht genutzt. Die Fans sind vergrätzt. Alle Umsturzversuche scheiterten. Präsident Martin Kind von Hannover 96, Besitzer einer Kette von Hörgerätegeschäften, rettete den Verein mit viel Engagement und einigem privatem Geld vor dem Untergang. Jetzt betrachtet er den Club und den jeweiligen Trainer wie sein Eigentum. Die Last von 15 Millionen Euro Verbindlichkeiten trägt der VfB Stuttgart aus der 25-jährigen Regentschaft des inzwischen abgedankten Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder. Als der VfB vor gut zwei Jahren einen neuen Manager einstellen musste, wollte der frisch inthronisierte Präsident Manfred Haas einen erfahrenen, teamfähigen Profi. Da fiel ihm kein anderer ein als der 20-malige Nationalspieler Rolf Rüssmann, der sich schon als Bundesliga-Vorstopper daheim in Gelsenkirchen ein Büro eingerichtet hatte, um den Umstieg zum Manager zu üben. Acht Jahre durfte Rüssmann Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach sein. Dann ließ Präsident Wilfried Jacobs ein Gutachten über sein Wirken anfertigen. Ein Düsseldorfer Wirtschaftsprüfer kam dabei in seiner siebenseitigen Mängelliste zu dem Urteil, Rüssmanns Arbeit sei Dilettantismus pur und ein Lehrbuch für Missmanagement. Das sah Rüssmann ganz anders. Und auch als er Ende vergangenen Jahres nach 22 Monaten als VfB-Manager entlassen wurde, fühlte er sich als Opfer einer Art Spätzle-Connection, einer schwäbischen Seilschaft, die ihn ausschalten wollte. Doch Kritiker sagen: Rüssmann riss alles an sich. Er hielt sich nicht an abgesprochene Entscheidungen. Er eröffnete täglich neue Baustellen und schloss keine ab. Er wusste alles besser. Auch Schalke 04, der Traditionsverein mit der futuristischen Arena, wird von einem Mann von gestern geführt – Rudi Assauer. Für das Projekt Arena auf Schalke hat er einen fähigen Geschäftsführer. Er selbst ist zuständig für Knatsch mit Spielern und Fehleinschätzungen wie bei der Wahl des Trainers Frank Neubarth.“
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