Ballschrank
Favoritenstürze in der ersten Runde
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| Donnerstag, 25. März 2004
„Fad, ein bisschen wässrig schmeckt sie heuer“ urteilt die FR über die “Pokalsuppe” vom Wochenende. „Keine Chance den Amateuren“ titelt FAZ und deren Schwester FAS: „Ruhe in der Provinz.“ Einerseits vermissen die Fußball-Experten die Favoritenstürze in der ersten Runde, bei der lediglich der Hauptstadtklub Hertha als einziger Bundesligaverein die Segel streichen musste. Andererseits begrüßen die Kommentatoren die gestiegene Bedeutung des K.O.-Wettbewerbs, den die Profivereine mittlerweile wieder wertzuschätzen scheinen. „Ist aus dem Anhängsel DFB-Pokal etwa ein ernst zu nehmender Wettbewerb geworden? Selbst die Bayern aus München, deren Präsident Franz Beckenbauer stets arrogant-despektierlich wider den Pokal redet, haben sich keine Blöße gegeben.“ Es ist noch nicht lange her, da hatten insbesondere die Ligaprotagonisten den Cup als lästige Pflichtaufgabe wahrgenommen und dargestellt. Als Ursache für die Aufwertung wird hauptsächlich die allgemeine Finanzlage angeführt. Schließlich lassen sich in der Pokalrunde mit geringstem Aufwand die größten Erträge erzielen.
Weitere Themen: politische Intervention auf dem Betzenberg, Wechseldementis aus München und Roy Keane, der Racheengel.
Jörg Hanau (FR 2.9.) fasst zusammen. „Der Pokal heißt es plötzlich, erlebe eine Renaissance. In Zeiten, da Fernsehgelder knapper berechnet werden und mancher Sponsor – wie in Stuttgart der Fall – den Geldhahn zudreht, wird aus einem verpönten Zuschussbewerb plötzlich eine zusätzlichen Einnahmequelle. Mögen die Summen auch noch so klein sein, die über den Tisch gehen, das Gros der Bundesligisten muss mittlerweile mit jedem Euro kalkulieren. Wer nicht der Kaste der großen Bundesliga-Fünf angehört, kann froh sein, nach jeder gespielten Saison in den Büchern eine schwarze Null zu schreiben und muss im Pokal die einzige Chance sehen, ins internationalen Geschäft einzuziehen. Mit etwas Losglück und hundertprozentigem Engagement eröffnet sich auch für die kleinen Klubs im Fußball-Oberhaus die Chance auf eine Teilnahme am Uefa-Pokal.“
Über die Gründe für die gestiegene Wertschätzung des DFB-Pokals lesen wir bei Rainer Franzke (FAZ 2.9.). „In der Not machen die Profis Ernst. Der Pokal bietet den Spielern die Chance für zusätzliche Einnahmen. Siegprämien sind wieder gefragt, da der Rotstift regiert. Und die Mehrzahl der Spieler steht unter einem neuen Druck, weil die Kader reduziert wurden und eine Hundertschaft an Berufskollegen in diesem Sommer keinen neuen Arbeitgeber gefunden hat. Bei dieser Marktsituation ist fast jeder Spieler umgehend austauschbar. Auch deshalb wird der Pokal plötzlich so wichtig genommen wie die Bundesliga. Trainer Matthias Sammer hat die Spieler des deutschen Meisters Borussia Dortmund auf das Pokalspiel beim SV Ihrhove vorbereitet wie auf ein Spiel in der Champions League und den Oberligaklub gleich dreimal beobachten lassen.“
Thomas Klemm (FAS 1.9.) kommentiert die Intervention des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten beim 1. FC Kaiserslautern. „Es herrscht erstmal wieder Ruhe in der Pfalz, und dass gerade Bundestagswahlkampf ist und der Kanzler am selben Tag auf der anderen Rheinseite in Wiesbaden um Stimmen warb – das passte. Aber musste es ein Politiker sein, der seinen Einfluss auf einen Klub geltend macht? (…) Natürlich hatte Beck ein Interesse daran, dass der Vorhang beim Kaiserslauterer Provinztheater fällt. Das Fritz-Walter-Stadion, an dessen Ausbau sich das Land finanziell maßgeblich beteiligt, ist Austragungsstätte bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, der FCK ist Imageträger und Wirtschaftsfaktor in der Region und dient Abertausenden zur Identifikation. Dennoch: Obwohl sich alle Streitgruppen nach der gemeinsamen Erklärungen als Sieger wähnten – verloren hat die Vereinsführung, die ihre Krise nicht allein bewältigen konnte, ein gutes Stück Autonomie, das Gesetz des Handelns.“
Jörg Marwedel (SZ 2.9.) sah den 3:0-Sieg der Bayern bei den Amateuren von Werder Bremen. „Weil also die Münchner Profis einerseits ihr Pensum so sparsam wie möglich abspulen wollten, andererseits aber die Gefahr einer drohenden Blamage stets im Hinterkopf hatten, kam bei ihnen ein Spiel heraus, das so humorlos war wie die Mannschaftsaufstellung: Bis auf die Verletzten Zé Roberto, Robert Kovac und Mehmet Scholl hatte Hitzfeld die komplette erste Garde nominiert und signalisiert, dass selbst im DFB-Pokal keine Niederlage erlaubt ist und nichts am Image der aktuellen Nummer zwei der Uefa-Rangliste kratzen darf, über der in Europa nur Real Madrid thront. Dabei hätte man durchaus ein bisschen Spaß haben können, weil es gegen gut ausgebildete Regionalliga-Talente ging und nicht gegen irgendwelche Eisenbieger aus der 5. Liga.“
Zu den Wechseldementis um Miroslav Klose heißt es bei Jörg Marwedel (SZ 2.9.). „Manchmal wäre Uli Hoeneß womöglich lieber Manager seiner Nürnberger Würstelfabrik und nicht des FC Bayern – es würde niemanden jucken, welche Arbeitskraft er als nächstes anstellen möchte. Karl- Heinz Rummenigge könnte sich, wäre er nicht Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, sondern Filialleiter bei der Kreissparkasse Lippstadt, auf das Bankgeheimnis berufen – falls überhaupt jemand etwas von ihm wissen wollte. Weil aber nahezu jeder in diesem Land Anteil am Treiben des deutschen Fußball- Rekordmeisters aus München nimmt, sahen sich die beiden mal wieder zur Notlüge gezwungen (…) Die Dementis sind verständlich. Transfers des FC Bayern gelten hier zu Lande als Politikum, was äußerste Sensibilität erfordert. Die schwere Führungskrise beim 1.FC Kaiserslautern lässt den Zeitpunkt der Veröffentlichung aus Vereinssicht noch ungelegener erscheinen als ohnehin. Man möchte ja nicht als Leichenfledderer der Pfälzer dastehen.“
Christian Eichler (FAZ 2.9.) porträtiert den Iren Roy Keane (Manchester United). „Ist er nur ein unerbittlicher Perfektionist? Ein schüchterner Desperado? Ein Wilder, den es in die Zivilisation verschlagen hat? Ein missverstandener Krieger auf der falschen Bühne? Keane begann als Boxer. Wäre er es geblieben, der Fall läge einfacher: Man könnte die Deformationen seines Verhaltens auf die seines Hirns zurückführen. Zehn Jahren, in denen Keane den Ruf des besten Spielers der härtesten Liga erhielt, folgte ein Vierteljahr, nach dem er vielen nicht mehr resozialisierbar erscheint in die Luxusgesellschaft von Beckham Co. Nur Trainer Alex Ferguson hält wie eh und je zu seinem Kapitän. Er weiß, dass Keanes wilder Siegeswille unersetzlich ist für das zur Bequemlichkeit neigende Kollektiv überversorgter Stars. Fürs Binnenklima braucht er Keane, trotz Risiken und Nebenwirkungen.“
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