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Früher war es die Schweiz

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Früher war es die Schweiz

Christoph Biermann (SZ 21.2.) fügt an. „Früher war es die Schweiz. Dort konnten berühmte Fußballer im Herbst ihrer Karriere vor sich hin kicken, Günter Netzer etwa bei Grasshopper Zürich. Gemütlich hatten sie es angesichts mäßiger Ambitionen, eines genügsamen Publikums und hübscher Alpenkulisse. Sie zehrten von altem Glanz und bekamen viel Geld, insgesamt eine herrliche Sache. Heute gibt es Wolfsburg. Dort fehlen zwar die Berge, dafür helfen großzügige Gehaltsschecks über plattes Land hinweg. Viele Zuschauer, die mit Wünschen nerven, stören auch nicht, allenfalls die Ambitionen eines Autokonzerns, der mit dem VfL Wolfsburg in die Champions League will (…) Mochte während des in der zweiten Hälfte schaurigen Spiels der Ballbesitz so häufig wechseln wie bei einem Tennisspiel, Angst vor den Gästen mussten die Zuschauer am Bökelberg selten haben. „Wir spielen kaum noch Torchancen heraus“, sagte Schnoor. Handgezählt waren es ungefähr zwei Gelegenheiten. Im Mittelfeld machte der neue Kapitän Stefan Effenberg seinen Abendspaziergang und man sorgte sich, dass er sich in den kurzen Hosen eine Erkältung holen würde. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht noch tiefer in den Schlamassel rutschen“, warnte Wolfsburgs Trainer Wolf. Er sagte, dass er nach diesem Spiel wissen würde, „auf wen ich mich verlassen kann.“ Demnach wird er in der Wolfsburger Schweiz ein eher kleines Grüppchen um sich scharen.“

Jörg Stratmann (FAZ 21.2.) beschreibt die Reaktionen des Gladbacher Trainers. „Das kühle Klima dieser Tage hat Hans Meyer zugesetzt. Liegt es daran, daß der 60 Jahre alte Trainer des Fußballklubs Borussia Mönchengladbach, der Kritik doch stets vermeintlich gelassen mit kleinen Sottisen zu kontern pflegt, gar nicht über ein so dickes Fell verfügt? Das erste Erfolgserlebnis des neuen Jahres, das 2:0 im Bundesliga-Nachholspiel gegen den VfL Wolfsburg, nutzte Meyer am Mittwoch abend jedenfalls umgehend, um denen ordentlich die Meinung zu sagen, die seine Arbeit zunehmend in Frage gestellt hatten. In seinem Ärger, wie ein Massenblatt Stimmung auch auf den Rängen beeinflussen könne, schoß er indes übers Ziel hinaus. Ohnehin hatten ihn Klubführung und Management ausdrücklich in seiner Stellung und der Ansicht bestätigt, daß Geschichten über Unzufriedenheit der Spieler reichlich übertrieben seien. Angesichts des Etappensiegs darf sich Meyer nun gestärkt fühlen. Ein Gegner wie der VfL Wolfsburg kam da zum richtigen Zeitpunkt. Zwar hatte auch das Gladbacher Spiel unter dem Erfolgsdruck noch viele Ecken und Kanten, wie Meyer sagte. Doch die Wolfsburger nahmen die Rolle des Aufbaugegners ohne sichtbares Aufbäumen an. Bis auf Torhüter Claus Reitmaier, der anfangs einige gute Möglichkeiten der Gladbacher zunichte machte. Vielleicht haben wir wirklich einen Auswärtskomplex, sagte Trainer Wolfgang Wolf. Denn wie Gladbach konnte der VfL auswärts bislang nur einmal siegen.

In der FTD (20.2.) liest man. „Mit spielerischen Mitteln haben Meyers Profis diesen kleinen Fortschritt zwar nicht erreicht, aber gegen Wolfsburg scheint derzeit ein mäßig druckvolles Angriffsspiel zu reichen. Zumal, wenn man über einen so quirligen Angreifer wie den Ghanaer Lawrence Aidoo verfügt, der die vor allem in Halbzeit eins etwas hüftsteife Wolfsburger Abwehr sowohl auf dem linken als auch auf dem rechten Flügel ins Schwimmen brachte. Eigentlich hatten die Gladbacher Fans auf weitere Heldentaten ihres neuen Stürmers, des Finnen Mikael Forssell, gehofft. Er war es immerhin auch, der nach 32 Minuten gemeinsam mit Aidoo ein Strafraumgetümmel nutzte und Igor Demo freispielte. Der schoss aus spitzem Winkel – vorbei an Wolfsburgs Torwart Claus Reitmaier, vorbei auch am Tor, aber nicht vorbei am Knie von VfL-Verteidiger Stefan Schnoor, der den Ball zum 1:0 über die Linie drückte. Es sieht so aus, als hätte Wolfsburg in der letzten Zeit zu viel Energie in personalpolitische Fragen gesteckt: Die endlose Debatte um die Nachfolge von Trainer Wolfgang Wolf, der zu Saisonende aufhören muss, und die handgreifliche Auseinandersetzung zwischen Alt-Kapitän Miroslav Karhan und seinem Nachfolger Stefan Effenberg Anfang dieser Woche waren der sportlichen Vorbereitung auf dieses Spiel offensichtlich nicht zuträglich. Überhaupt: Effenberg. Aus dem Wechsel zum Hamburger SV ist nichts geworden, der Traditionsklub setzt lieber weiterhin auf Rodolfo Esteban Cardoso als auf den ebenfalls 34-jährigen Altstar. Das ist, nimmt man Effenbergs gestrigen Auftritt zum Maßstab, eine weise Entscheidung. Der frühere Gladbacher und Ex-Bayer präsentierte sich ungefähr so beweglich wie eine Litfaßsäule. Von ihm gingen keine Impulse nach vorne aus, und trotz seiner großen Erfahrung hat er auch keinem Mitspieler in seiner Abwehr davon überzeugen können, sich etwas intensiver mit Aidoo zu beschäftigen.“

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