Ballschrank
Fußball-Deutschland, genieße!
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| Donnerstag, 25. März 2004
„Fußball-Deutschland, genieße! Ohne Scham, ohne schlechtes Gewissen, ohne an die kommenden Aufgaben zu denken“ fordert die FAZ. „Ein 8:0 über Saudi-Arabien macht aus einer mittelprächtigen Mannschaft zwar noch lange keinen WM-Favoriten. Aber es schafft die Voraussetzung dafür, über sich hinauszuwachsen.“ Mit über den Moment hinaus gehenden Deutungen des in dieser Höhe nie und nimmer zu erwartenden Kantersiegs ist die deutsche Fußballpresse verständlicherweise zurückhaltend. „Ohne jeglichen Effekt ist ein in allen Belangen überzeugender Sieg natürlich nie. Er streichelt das Ego, macht eine breite Brust und einen schnellen Fuß“ bemerkt die SZ einerseits. Andererseits „bleiben wieder nur Umrisse von vergleichsfähigen Erkenntnissen.“
Bei den anderen Spielen vom Wochenende haben vor allem die Argentinier – wenn auch ohne spielerischen Glanz – und die Dänen in Deutschlands Gazetten Eindruck hinterlassen. Außerdem hat man die Mannschaft Spaniens auf der Rechnung, die zum ersten mal seit 1950 ihr Auftaktspiel gewinnen konnte.
Pressestimmen zu den Spielen der Gruppe E (D-S/A, KAM-IRL)
Pressestimmen zu den Spielen der Gruppe F (ARG-NIG, ENG-SWE)
Pressestimmen zu den Spielen der Gruppe B (ESP-SLO, RSA-PAR)
Nachtrag zum Eröffnungsspiel
Internationale Reaktionen auf den deutschen Kantersieg fasst Michael Horeni (FAZ 3.6.) zusammen. „Während im und um das Team von Völler noch nach einem passenden Bezugsrahmen für ein überdimensioniertes Ergebnis gegen einen real nur minimal Widerstand leistenden Gegner gesucht wurde, kehrt jenseits der Grenzen die Anerkennung wieder zurück. Der neue Fußball made in Germany hatte es Uefa-Präsident Lennart Johansson schon zuvor angetan, so dass er eigens nach Sapporo flog, um sich gut unterhalten zu lassen – was ihm wohl erstmals bei dieser Weltmeisterschaft vergönnt war. „Deutschland zum Genießen“, fand auch die erste Sportzeitung aus dem Land des traurigen Weltmeisters, und britische Blätter warnen schon vor dem Duell am Mittwoch gegen Irland, dass in Sapporo „ein Signal für noch größere Dinge gesetzt wurde“. Tatsächlich ging gegen Saudi-Arabien eine deutsche Mannschaft an ein fußballerisches Gesamtkunstwerk, dem es an nichts fehlte; außer vielleicht einem erstklassigen Gegner.“
Die NZZ (3.6.) portraitiert den schwedischen Trainer Englands. „Eriksson ist auch auf der Insel und während der Weltmeisterschaft derjenige geblieben, der er schon immer war: der kühle Schwede, der Anständige und nie Ausfällige, der Korrekte, leise und kontrolliert Sprechende, der auch im größten Trubel nicht aus der Fassung zu bringen ist. Eriksson ist der Diplomat im Scheinwerferlicht, er entspricht dem Klischee des kühlen Nordländers in geradezu perfekter Art und Weise.“
Christoph Biermann (SZ 3.6.) sah Dänemarks siegreiche Elf (2:1 gegen Uruguay) zunächst in Schwierigkeiten. „Das lag jedoch nicht daran, dass Uruguay das alte Stereotyp der wild um sich tretenden Fußballverhinderer erfüllte, sondern die Dänen zu Beginn beider Halbzeiten mit einigen schönen Spielzügen aus der Ruhe brachte.“
Die Anteilnahme der beiden Gastgeber am Turniergeschehen kommentiert Roland Zorn (FAZ 3.6.). „In Seoul und in vielen anderen Städten des Landes schauten sie am Freitag Abend stolz auf ihr Land. Bei den zahlreichen Begegnungen im öffentlichen Raum scharten sich die Menschen vor Großleinwänden in den Zentren der Kommunen oder in den mit Fernsehgeräten reichlich ausgerüsteten Bars und Kneipen zusammen. Als dann der spezielle Alltag dieses Turniers am Samstag in Japan und Korea begann, waren die ersten ernüchternden Beobachtungen ausgerechnet beim Blick auf die Tribünen zu machen. Keines der Stadien war zu hundert Prozent ausgelastet.“
Elisabeth Schlammerl (FAZ 3.6.) über chinesische Fußballfans. „Vielleicht ist es ganz gut, dass nicht die angekündigten 100 0000 chinesischen Fußballfans ins benachbarte Südkorea reisten, wo ihre Mannschaft die drei Vorrundenspiele der Weltmeisterschaft austrägt. Denn die Manieren der Chinesen in Stadien sind nicht die besten. Gegnerische Spieler werden nicht nur, wie sonst auch üblich, verhöhnt, nein, sie werden von Anfang an wüst beschimpft und ausgepfiffen. Der Zorn kann sich aber auch gegen das eigene Team richten, wenn es nicht gewinnt. Und dass die Chinesen bei ihrer ersten WM-Teilnahme sehr oft gewinnen werden, ist unwahrscheinlich.“
Fernsehzuschauer Benjamin Henrichs (SZ 3.6.) über den WM-Auftakt. „Diese Weltmeisterschaft hat ja ziemlich originell begonnen, das Erste Programm aber hat diesen schönen Anfang böse zerschnarcht. Mit einer monotonen Darbietung des Reporters Wilfried Mohren (Frankreich gegen Senegal) und mit Heribert Faßbender, bei dessen kreuzbiederen und fanatisch temperamentlosen Kommentaren zum Deutschlandspiel die Veronkelung der Fußballreportage ihrer Vollendung rüstig entgegenschritt. So viele Tore sind gefallen, oder auch „Törchen“, wie Faßbender gern sagt. Doch unsere liebe alte ARD – sie war bei ihrer WM-Premiere der graue Kanal.“
Dirk Dirbach (FAZ 3.6.). „Frühere Fußballweltmeisterschaften haben viele Ehen einer Zerreißprobe ausgesetzt: Weil er die Spiele schauen wollte, musste zumindest ein zweiter Fernseher her. Diese Gefahr für den häuslichen Frieden besteht bei der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea kaum. Aufgrund der Zeitverschiebung beginnen die Begegnungen um 8.30 Uhr, 11 Uhr und 13.30 Uhr, das heißt zur besten Arbeitszeit. Ist 2002 also der betriebliche Friede bedroht? Glaubt man einer Umfrage der Wirtschaftswoche, werden von 500 befragten Unternehmern 84 Prozent ihren Angestellten verbieten, im Büro Ballack, Kahn und Co. bei der Arbeit zuzusehen.“
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