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Good-Bye, David Seaman – Leeds United vor dem Abstieg und der Insolvenz – nachlässige Finanzpolitik in der Serie A u.a.
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| Donnerstag, 25. März 2004
Christian Eichler (FAZ 19.1.) verabschiedet David Seaman: „Zu viel Kaffee schadet. Deshalb hat David Seaman letzte Woche wohl die richtige Entscheidung für seine Gesundheit getroffen. Der Torwart von Manchester City erklärte nach einer Schulterverletzung das Ende seiner Karriere. Mit britischer Selbstironie hat er einmal bekannt, daß er jedesmal, wenn einer seiner Patzer im Fernsehen läuft, in die Küche gehe, um sich einen Kaffee zu kochen. So etwas macht schnell zittrige Hände. Seit seiner Sekundenlähmung bei Ronaldinhos segelndem Freistoß im WM-Viertelfinale gegen Brasilien hat der langjährige englische Nationaltorwart nicht mehr viel Freude an seinem Beruf gefunden. Ein frecher Mazedonier legte ihn in der EM-Qualifikation mit einer direkt verwandelten Ecke herein und erklärte auch noch, das habe er bewußt trainiert, weil er Seamans Schwäche erkannt habe – Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson setzte Seaman danach nicht mehr ein. Beim FC Arsenal, wo er in dreizehn Jahren von der langjährigen Verkörperung der Sicherheit in Englands bester Defensive am Ende eher zur Belastung wurde, tauschte Trainer Arsène Wenger ihn vor dieser Saison gegen den Deutschen Jens Lehmann aus. Und auch bei Manchester City konnte der Vierzigjährige die Natur nicht aufhalten. Im Gegenteil, die Kaffeepausen kamen in immer dichterer Folge. Denn keine Liga der Welt läßt ihre Torhüter so schlecht aussehen wie die in Sachen Tempo und Strafraumszenen konkurrenzlose Premier League. Erst recht ihre alternden Torhüter. Seamans Abgang ließ Englands Fußballfans abermals bewußt werden, welches Torhüterproblem ihr Land hat, das seit den Tagen des großen Gordon Banks die Keeper-Kunst im Abonnement zu haben glaubte. Die Realität ist längst anders.“
Geschäftsführer Peter Ridsdale hatte den Laden wie der größte Fan geführt
Raphael Honigstein (SZ 19.1.) sorgt sich um Leeds United, Tabellen-Letzter der Premier League: „Bei einem Abstieg würden der kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehenden Aktiengesellschaft nächste Saison weitere 28 Mio. an TV-Geldern durch die Lappen gehen. Und es könnte schlimmer kommen: falls der traditionsreiche Verein aus dem Norden in der First Division Konkurs anmeldet, werden ihm laut Regelwerk automatisch neun Punkte abgezogen – der Champions-League-Halbfinalist von 2001 würde sich 2005 wohl in der dritten Liga wiederfinden. Das Unglück ist hausgemacht. Geschäftsführer Peter Ridsdale hatte den Laden wie der größte Fan geführt und so lange sündteure Spieler gekauft, bis der Verein an den Unkosten zu Grunde ging. „Wir haben den Traum gelebt”, entschuldigte sich Ridsdale vor der Demission im Frühjahr 2003 bei den Fans. Der im März als Chef eingesprungene Wirtschaftsprofessor John McKenzie entdeckte systematische Verschwendung: 300 Euro im Jahr für die Goldfische in Ridsdales Büro fielen dabei weniger ins Gewicht als die 60 Firmenautos für die Angestellten. McKenzie profilierte sich als eiserner Sparer, doch seine Unerfahrenheit im Fußballgeschäft kam Leeds teuer zu stehen: er sanktionierte 700 000 Euro Provisionszahlung für einen Agenten, der den ablösefreien Weltmeister Roque Junior holte; für den begabten Australier Harry Kewell kassierte er dank naiver Verhandlungstaktik nur 4,2 Millionen von Liverpool. Seit dem 23. Dezember ist McKenzie nicht mehr im Amt. Er versucht erfolglos, in China neue Finanzquellen aufzutun. Mit Spielerverkäufen kommt Leeds auch nicht mehr weit.“
Horrorszenario für italienische Fußballfans
Im Wirtschaftsteil analysiert Tobias Piller (FAZ 15.1.) die Finanzen italienischer Klubs: „Für Victor Uckmar, einer der angesehensten Steuerberater Italiens und bis vor wenigen Jahren auch offizieller Finanzkontrolleur für die Fußballklubs, ist diese Entwicklung seit langem vorhersehbar gewesen. Wenn manche Klubs nur 30 Prozent der Ausgaben mit garantierten Einnahmen abdecken könnten, sei irgendwann der Zusammenbruch vorauszusehen. Bisher, so Uckmar, seien dagegen vielfältige Bilanztricks erlaubt worden. Bis 1996 habe noch die Vorschrift bestanden, daß die Fußballklubs ausgeglichene Bilanzen vorlegen und für Bankkredite eine Genehmigung einholen müßten. Demgegenüber sei nun die Finanzlage unkontrollierbar geworden. Zu Beginn der Saison habe man mehreren Fußballklubs auferlegt, daß sie ihre Finanzlücken schließen müßten. Diese legten dann Bankgarantien vor, die sich als Fälschungen erwiesen haben. Zudem waren die angeblichen Garantien über Millionenbeträge ausgestellt worden von einer kleinen Finanzgesellschaft mit einem Kapital von 500 000 Euro. Als die Probleme ruchbar geworden seien, hätten alle betroffenen Fußballklubs eine Gnadenfrist bekommen, nach Ablauf dieser Frist sei wiederum die Sorge groß gewesen, daß die schon begonnene Fußballmeisterschaft gefährdet werden könne. Statt einer ordentlichen Haushaltsführung habe in den Klubs – mit der Ausnahme von Juventus Turin, dem einzigen ohne Verluste – die Devise vorgeherrscht, daß man die Einnahmen der Zukunft bei den Banken abdiskontieren und die besten Spieler bieten müsse, ganz ohne Rücksicht auf die Bilanz. Was für die italienischen Fußballfans ein Horrorszenario darstellt, kann sich Uckmar konkret für die nächste Zukunft vorstellen: Wenn mehrere Vereine im Konkurs landen, wird es auf jeden Fall einen Neubeginn für den italienischen Fußball geben.“
Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen NZZ
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