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Hannover 96 – Hansa Rostock 3:1

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Hannover 96 – Hansa Rostock 3:1

Zur Bedeutung des Hannoveraner Führungstreffers, dem ein Pfiff vorausgegangen war, wirft Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 11.3.) ein. „Mit dem umstrittenen Treffer hatten die Rostocker zwar ein Alibi für die 1:3-Niederlage in der Baustelle AWD-Arena, aber es änderte nichts an der Tatsache, daß Hannover auch schon vor und erst recht nach der umstrittenen Szene die aktivere, bessere Mannschaft war. Aber der Schock so unmittelbar vor der Pause hat den reichlich zahnlos dahergekommenen Rostockern den letzten Biß genommen. Dabei waren sie nach dem ersten konstruktiven Angriff in der 40. Minute durch Meggle in Führung gegangen, ärgerten sich über ihre eigene Schlafmützigkeit siebzig Sekunden später, als Bobic per Kopf ausglich, und dann das Hörspiel mit dem Pfiff. Viele, wenn nicht alle haben ihn gehört. Vehs Kollege Ralf Rangnick ließ offen, ob er vor oder nach dem Tor erfolgte, auch von wem er kam. Martin Kind, der Klubchef von Hannover 96, verdient sein Geld zwar mit der Herstellung von Hörgeräten, aber bei dieser kniffligen Angelegenheit hätte wohl nicht einmal der Bundesnachrichtendienst mit hochentwickelter Technik zur Aufklärung beitragen können. Steinborn seinerseits legte sich fest: Es gab einen Freistoß für Hannover. Die Ausführung erfolgte auf meinen Pfiff hin. Als der Ball dann die Hansa-Torlinie überschritten hatte, habe ich gepfiffen und das Tor gegeben. Laut Veh aber hätten einige meiner Spieler bei uns auch abgeschaltet, weil sie den Pfiff als Stoppsignal deuteten.“

1. FC Kaiserslautern – 1. FC Nürnberg 5:0

Zur Lage in Nürnberg heißt es bei Martin Hägele (NZZ 11.3.). „Als die Professionals vom 1.FC Kaiserslautern und vom 1.FC Nürnberg gerade dabei waren, die Tabellenplätze 17 und 16 zu tauschen, da entzogen die aus dem Frankenland angereisten Anhänger ihren einstigen Lieblingen demonstrativ die Zuneigung. Erst hängten sie das Plakat „Es brennt kein Clubfeuer in eurem Herzen!“ auf, wobei man wissen muss, dass der Club der einzige Fussballverein Deutschlands ist, der mit C und nicht mit K beginnt. Weil die Repräsentanten des früheren Rekordmeisters von den Professionals des anderen Traditionsvereins aber von Minute zu Minute mehr gedemütigt wurden – am Ende stand es 5:0 und die Nürnberger waren mit elf Toren Abstand Tabellenvorletzter –, verschärfte sich die Tonart der Beleidigungen aus der Ostkurve des Fritz-Walter-Stadions. „Söldner, Söldner“, schallte es durch die Arena und: „Wir haben die Schnauze voll.“ Aber weil vielleicht nicht alle der modernen Legionäre die deutsche Sprache auch verstehen, übermittelte der harte Kern der Fans den hoch bezahlten Angestellten eine Botschaft, die sie in Spanien aufgeschnappt hatten. Sie schwenkten weisse Taschentücher, ein Zeichen, das beim Stierkampf dem feigen Torero gilt. Das kann nur ein schlechtes Omen für die Fortsetzung des Abstiegskampfs sein, denn nirgendwo in Deutschland liegen mehr solcher Tüchlein gestapelt als in Nürnberg, dem Sitz der Firma Tempo (…) Als symptomatisch für die totale Verkennung des Personals muss Dusan Petkovic herhalten, ein ehemaliger jugoslawischer Internationaler, der ausgerechnet auf jener Position spielt, von welcher aus Augenthaler früher für Ordnung verantwortlich gewesen war. Petkovic gibt den Libero nach dem Modell Gigolo aus dem Adidas-Katalog für Bade- und Freizeitmoden: Mit weissen Schuhen, weissen Schweissbändern, die Stutzen übers Knie hochgezogen wie der grosse Ronaldo, tritt er selbst Befreiungsschläge mit Effet und per Aussenrist, als ob es im Überlebenskampf der Bundesliga Haltungsnoten für künstlerische Gestaltung gäbe. Vor dem ersten Tor der Lauterer versuchte er beispielsweise mit akrobatischem Absatztrick zu klären, nachdem er den Torschützen Lokvenc sträflich frei hatte stehen lassen. An der Leihgabe vom VfL Wolfsburg, wo der 28-jährige Petkovic von Trainer Wolf kompromisslos aussortiert worden war, spaltet sich mittlerweile der Club. Es seien nicht allein dessen Fehler gewesen, die zum Debakel auf dem Betzenberg geführt hätten, verteidigte Augenthaler seinen Abwehrchef. Dem Argument eines Nürnberger Reporters, mit ein paar talentierten Amateuren statt einiger satter Söldner hätte man auch nicht höher verloren, konnte der Trainer nicht viel entgegnen: „Wahrscheinlich haben Sie sogar Recht.““

Zur Reaktion des Nürnberger Trainers nach dem Spiel lesen wir von Thomas Klemm (FAZ 11.3.). „Früher, so äußert sich Klaus Augenthaler immer wieder, früher war alles viel besser. Früher, damit meint der Fünfundvierzigjährige jene Zeit, als er noch das Trikot des FC Bayern München trug und als die Arena in Kaiserslautern noch nicht Fritz-Walter-Stadion hieß. Früher, setzte also der Trainer des 1. FC Nürnberg am Sonntag abend an, haben wir uns auf dem Betzenberg bemüht, dagegenzuhalten. Aber heute? Heute scheint seine Mannschaft nach einem Rückstand auseinanderzubrechen, scheint es den Fußballprofis an Mumm und Mitteln zu fehlen, um sich gegen den drohenden Abstieg zu stemmen. Zwar bezeichnete Augenthaler das 0:5 beim 1. FC Kaiserslautern als eine bittere Packung, aber noch weniger schmeckte es dem Club-Coach, daß das Bundesligaspiel nach den ersten beiden Pfälzer Treffern binnen sechs Minuten entschieden schien. Augenthalers Mängelliste könnte kaum länger sein: Zuwenig Gegenwehr, eklatante Fehler in der Abwehr, kein Durchsetzungsvermögen im Sturm. Weil auch das Mittelfeld keine Ordnung fand und auch noch der einzige Patzer des sonst tadellosen Torhüters Darius Kampa zum letzten Gegentreffer führte, wirken die Stirnfalten des Trainers angesichts der aktuellen Lage beim Club noch tiefer als gewöhnlich. In der Krise von heute will es Augenthaler dennoch vermeiden, die Mittel von gestern anzuwenden. Die Frage Zuckerbrot oder Peitsche stellt sich nicht für den Trainer, der selbst zunehmend unter Druck gerät: Wenn ich die Peitsche nehme, habe ich nächste Woche nur noch fünf Spieler. Ein paar mehr waren es noch, für die ausgerechnet beim Konkurrenten im Abstiegskampf eine kleine Welt zusammengebrochen ist, wie Martin Driller behauptete. An den Ausfällen von fünf Stammspielern lag es aber nicht nur, daß wir unsere absolut schlechteste Saisonleistung zum unmöglichen Zeitpunkt gebracht haben, wie der gleichfalls antriebslos auftretende Angreifer in seiner besten Szene sagte. Im Fränkischen scheint die Zeit des allmählichen Verschwindens angebrochen. Nicht nur, weil sich der Club erstmals seit dem fünften Spieltag auf einem Abstiegsplatz wiederfindet. Den Fans, deren in die Pfalz mitgereister Teil sich in Ton und Schrift von dem Team distanzierte, geht die Geduld aus; den Profis mangelt es an Selbstvertrauen, dem Trainer am felsenfesten Grundvertrauen seiner Vorgesetzten.“

Martin Hägele (SZ 11.3.) meint dazu. „Der einzig echte Star ist der Trainer–Weltmeister Klaus Augenthaler. Der ist Sonntagabend in Kaiserslautern gefragt worden, mit welchen Mitteln er denn auf die böse Pleite zu reagieren gedenke, Zuckerbrot oder Peitsche. „Wenn ich die Peitsche nehme, habe ich in der nächsten Woche nur noch fünf Spieler“, hat Augenthaler geantwortet. Das Auditorium jubelte wegen dieses verächtlichen Spruchs, aber es steckt eine bittere Wahrheit dahinter, über die kein Cluberer lachen mag. Es gab auch nur Zustimmung im Saal, als Klaus Augenthaler erzählte, wie man auf dem Betzenberg aufzutreten habe: „Man muss hier dagegenhalten, sonst wirst du abgeschlachtet.“ Das Problem ist nur: Die Zeit von Profis wie Augenthaler ist vorbei. Und für den Charakter und die Zusammenstellung des Nürnberger Kaders ist nun mal der Trainer verantwortlich. Solange Augenthaler aber nur an seiner eigenen Legende strickt, kommt er schwer an seine Spieler ran. Auch der einstige Weggefährte Felix Magath ist erst zum anerkannten Fußball-Pädagogen geworden, als er aufhörte, sich auf Kosten seiner Spieler zu profilieren, indem er diese lächerlich machte. Denn wie will Augenthaler das Selbstbewusstsein seiner desolaten Truppe, die von den eigenen Anhängern als „Söldner“ beschimpft werden, für die entscheidenden Runden des Abstiegskampfes stabilisieren? „Wir haben einen Vorteil“, sagt Augenthaler und scheint zu glauben, ohne psychologische Arbeit auszukommen.“

„Wie Kaiserslauterns Trainer Gerets sein Team neu formte“, schreibt Oliver Trust (Tsp 11.3.). „„Er hat viele riskante Maßnahmen getroffen. Es gab Grüppchenbildungen in der Mannschaft, die er ausgemerzt hat. Er hat aus 28 Leuten eine Mannschaft gemacht“, beschreibt Jäggi den nervenzehrenden Weg des Belgiers. Teile des Aufsichtsrates wollten Gerets abschieben und ihm Kalli Feldkamp vor die Nase setzen. Feldkamp stänkerte aus seiner Wahlheimat Spanien, Gerets sei der Falsche, ihm fehle Erfahrung im Abstiegskampf und mit der Bundesliga. Jäggi schlug die Palastrevolution nieder. „Das war für Gerets ein Tiefschlag. Ich habe die Hand über ihn gehalten, und das hat ihm sein Selbstvertrauen zurückgegeben.“ Jäggi schenkte ihm Zigarren, um ihn aufzubauen. Gerets brauchte lange Wochen, bis er die tief zerstrittene Mannschaft auf Kurs bekam. „Der schlechteste FCK-Trainer“ – so etwas stand in den Zeitungen. Erst als Gerets die Störenfriede Mario Basler und Ciriaco Sforza auf die Bank verbannte, startete der FCK seine Aufholjagd. Heute stören Baslers Eskapaden niemanden mehr. Als er nach dem 3:0-Sieg im Pokalhalbfinale gegen Werder Bremen während des Spiels beleidigt in der Kabine verschwand und später vor der Fernsehkamera fast weinte, stand Gerets neben ihm und sagte trocken: „Ich hätte mir gewünscht, Mario hätte sich mit der Mannschaft gefreut. Was er getan hat, wird es nur einmal geben.“ Gerets führte zwei lange und intensive Gespräche mit Basler. Er machte ihm klar, er habe sich einzufügen oder er sitze bis zum Saisonende nur noch auf der Bank oder der Tribüne. Die Botschaft kam an. Gerets nahm dazu Georg Koch aus dem Tor, der ebenfalls als Unruhestifter gilt.“

Wird Miroslav Klose in Kaiserslautern bleiben? Martin Hägele (taz 11.3.) orakelt. „Miroslav Klose ist kein Mensch, der gerne von seinen Gefühlen redet. Man sieht es ihm an, ob es ihm gut geht oder schlecht. Er braucht Harmonie, ein intaktes Umfeld, dann stimmt auch seine Form. Wenn tausende auf dem Betzenberg diesen banalen Choral Miro Klose Fußballgott anstimmen, dann ist seine Welt in Ordnung – auf diese Weise hat er selbst von einem Stehplatz in der Westkurve jahrelang die Helden der Roten Teufel angehimmelt, Olaf Marschall etwa, seinen Vorgänger als Torjäger. Dessen Treffer haben dem Fritz-Walter-Verein 1998 den Meistertitel beschert, was Experten wie Günter Netzer als bis dato größte Sensation in der Geschichte des deutschen Fußballs einschätzen. Vergleichbare emotionale Wellen schwappen nun durch die Südwestregion, da Klose und Co. das nächste Wunder eingeleitet haben: Seit sieben Partien ist der vermeintliche Abstiegskandidat nun unbesiegt; nach dem 5:0-Erfolg über den 1. FC Nürnberg ist die Rettung wieder zum Greifen nah. Und nachdem sich die Mannschaft von Trainer Eric Gerets vergangene Woche auch noch für das Pokalfinale gegen Bayern München und dank dieses Gegners automatisch für die Teilnahme im Uefa-Cup qualifiziert hat, herrscht nun grenzenlose Euphorie. Diese Stimmung will René C. Jäggi, der gefeierte Sanierer aus der Schweiz, nun nutzen, um den Torjäger der Nation wenigstens für ein weiteres Jahr dem 1. FC Kaiserslautern zu erhalten. Klose müsse nicht weg, es liege kein konkretes Angebot vor, die wirtschaftlichen Umstände ließen einen weiteren Verbleib Kloses zu, erklärte der Vorstandsvorsitzende: Ich gehe davon aus, dass er bleibt. Der Betroffene selbst schlug um diese Fragen Haken wie zuvor um seine Bewacher; nur der Reporter von Premiere erwischte ihn bei der Ehrung zum Mann des Spiels. Die Chancen stehen 50 zu 50, so Klose, er werde sich dazu in nächster Zeit äußern, wichtiger sei jetzt, dass wir nicht absteigen. Intern wertet man solche Zitate bereits als klare Zusage.“

Interview mit René C. Jäggi FR

Gewinnspiel für Experten

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