Ballschrank
Hansa Rostock – Hertha BSC Berlin 0:1
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| Donnerstag, 25. März 2004
Josef Kelnberger (SZ 27.10.) sieht Manager Dieter Hoeneß, selbstverschuldet, in der Falle: „Die archaischen Umgangformen in der Hertha mögen Boulevard und Anhang ruhig stellen. Und vielleicht muss ein Präsidium Trainer und Mannschaft auch wachrütteln, wenn sich alle wunderbar vertragen, im Training großartige Fortschritte erzielt werden – nur leider die Siege ausbleiben. Fußball, sagt der Philosoph, ist Tagesgeschäft. Allerdings, was wäre passiert, hätte man wegen zweier irregulärer Tore 1:2 verloren? Stevens im Amt belassen, objektiver Gerechtigkeit wegen, oder ihn gefeuert, weil er das Unglück anzieht wie einst Hiob? Und was passiert, wenn Stevens auch am Dienstag gewinnt, dann aber wieder drei Spiele am Stück verliert? Noch ein Ultimatum? Oder die ultimative Androhung eines neuen Ultimatums, ein Ultimatum-Ultimatum? Tatkraft und Entschlossenheit vorzuführen ist eine Sache – sich jenseits aller fachlichen Überlegungen einem einzelnen Ergebnis auszuliefern eine andere. Jetzt versucht Hoeneß zurückzurudern, es entsetzt ihn die Aussicht, dass über das wichtigste sportliche Amt im Verein im Elfmeterschießen entschieden werden könnte. Aber das Tückische an einem öffentlichen Ultimatum – einer letzten, äußersten Aufforderung unter Androhung von Maßnahmen – ist, dass unglaubwürdig wird, wer eine Drohung nicht wahr macht. Autorität geht verloren.“
Die ganze Scheiße geht nun in die zweite Runde
Das Berliner Krisenmanagement nervt Frank Ketterer (taz 27.10.): „Wie alles sich zugetragen hätte, wenn Luizão, der brave Brasilianer, im Rostocker Ostseestadion nicht ins Tor getroffen hätte zum knappen Sieg für Hertha BSC, ist nicht allzu schwer vorstellbar – und geht so: Der seit Abpfiff arbeitslose Fußballlehrer Huub Stevens hätte keinen Jubeltanz zum Vortrag gebracht, sondern wäre ohne auch nur einen weiteren Knurrer von dannen gestampft. Herthas Manager Hoeneß hätte vor laufenden Kameras sein Bedauern über den traurigen Ausgang der Geschichte kundgetan und ein vorletztes Mal, einem Nachruf gleich, die überragenden Qualitäten des gerade Entlassenen gelobt, während Fredi Bobic gleich nebenan scheinheilig beteuert hätte, nicht absichtlich dreimal daneben geschossen zu haben aus aussichtsreichster Position. Nie würde ich gegen meinen Trainer spielen, hätte Bobic zusammenschwäbelt – und dabei wieder so dämlich gegrinst, wie er es immer tut (nur geglaubt hätte man ihm nicht). Außerdem hätte es gestern, spätestens heute eine Pressekonferenz gegeben, auf der Hoeneß ein letztes Mal, und wieder einem Nachruf gleich, Stevens als ganz außergewöhnlichen Trainer gelobt – und danach seinen mindestens ebenso außergewöhnlichen Nachfolger präsentiert hätte, zum Beispiel Asgeir Sigurvinsson oder Kjetil Rekdal. Die Fans hätten den Stevens-Rauswurf gefeiert, die Medien, zumindest die bunten, nicht minder – das Bündnis der Dummheit hätte ja endlich sein Ziel erreicht. Und alles wäre wieder in bester Ordnung gewesen bei Hertha. Nichts ist in Ordnung. Luizão hat schließlich getroffen, Stevens ist immer noch da, und am Dienstag geht die ganze Scheiße nun in die zweite Runde.“
siehe auch : Es werden im deutschen Fußball deutlich zu wenige Ultimaten gestellt
Katrin Weber-Klüver (BLZ 27.10.) erzählt: „Die Idee, in der Hauptstadt eine Partie des ansässigen Vereins Hertha BSC in einer Kneipe zu verfolgen, ist ehrenwert. Und eine Herausforderung, genau wie das Spiel für Bobic und Co: Geschenkt wird einem nichts, man muss sich alles hart erarbeiten. Auf der Kastanienallee ist es einfacher, einen Schuppen zu finden, der Spiele aus der Pfalz überträgt; in Kreuzberg stolpert man eher in einen Pub mit englischem Fußball als in ein Herthaner-Stübchen. Man kann das so interpretieren: Berlin zieht Volk aus der ganzen Republik, ganz Europa, der ganzen Welt an, und die Leute hängen eben an ihren Heimatclubs. Man kann es auch anders auslegen: Berlinern ist Fußball egal. Aber das wäre falsch. Denn da gibt es, eingeklemmt zwischen Imbissen und Beate Uhse, mitten in Charlottenburg, eine unsinkbare Rettungsinsel einheimischen Fußballtums: Hanne am Zoo. Mehr West-Berlin geht nicht. Mehr Hertha auch nicht. Als unlängst in der Sportschau-Zusammenfassung ein Heimspiel und eine tolle Chance des gegnerischen Teams zu sehen war – es stand natürlich 0:0 – erklärte ein schon aus dem Olympiastadion eingetroffener Fan: Das ganze Stadion hat gejubelt – ich auch. Alle waren einverstanden.“
Lethargisch, mutlos, fast ohne Vertrauen in die Zukunft
Dirk Böttcher (Tsp 27.10.) befasst sich mit der Lage Rostocks: „Als alles vorbei war und der FC Hansa Rostock wieder eine Hoffnung weniger hatte, setzte sich Cheftrainer Juri Schlünz vor ein Mikrofon im Rostocker Ostseestadion und sagte mit ausdrucksloser Stimme: „Wir waren heute schlecht. Wir haben verdient verloren. Wir gehen jetzt harten Zeiten entgegen.“ Dann schwieg Schlünz. Und niemand im Raum hatte eine Frage an den Mann, der eigentlich angetreten war, den FC Hansa vor dem Abstieg zu retten. Nach der Niederlage ist der Verein Tabellenletzter. Und er verhält sich auch so: lethargisch, mutlos, fast ohne Vertrauen in die Zukunft.“
VfB Stuttgart – VfL Wolfsburg 1:0
Was passiert, wenn in Magaths Schachspiel eine Figur fehlt, war zu besichtigen
Erneut habe Felix Magath alles richtig gemacht, meint Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 27.10.): „Sich selbst zu korrigieren ist immer noch besser, als korrigiert zu werden. Also handelte Felix Magath. Am Ende hatte der Teammanager mal wieder alles richtig gemacht. Weil seine eine Halbzeit lang akut gefährdete Elf 1:0 gewann; weil er Kapitän Zvonimir Soldo, der in der ersten Halbzeit für den gesperrten Marcelo Bordon zunächst in der Innenverteidigung agierte, auf seinen Stammplatz ins defensive Mittelfeld beorderte; und weil er mit Ioannis Amanatidis den Torschützen des Tages einwechselte.Magath, kein Freund des Rotierens, solange es rund läuft beim VfB, bringt seine Stammformation so regelmäßig an den Start wie andere Bürger ihre Lottozahlen zur Annahmestelle. Was passieren kann, wenn in Magaths Schachspiel eine Figur fehlt, war am Samstag zu besichtigen. Lange sah es so aus, als könnten die Niedersachsen diese Schwaben ohne Bordon schachmatt setzen. Besser als der VfL, so befand VfB-Assistenztrainer Krassimir Balakow, sei in dieser Saison noch kein Gegner im Gottlieb-Daimler-Stadion aufgetreten. Allein Timo Hildebrand hatte die Elf es zu verdanken, als Tabellenführer zu übernachten. Mit tollen Reaktionen bügelte er die Lücken in der Viererkette aus. Diego Klimowicz hätte an diesem Spieltag zu Torschützenkönig Ailton aufschließen können, Hildebrand hatte etwas dagegen. Der Brasilianer Fernando Baiano vertändelte eine gute Gelegenheit im Strafraum, Andres D‘Alessandro wiederum prüfte Hildebrand. Die Südamerikaner veranschaulichten ungewollt, warum Magath einen Argentinier wie Emanuel Centurión auf der Ersatzbank schmoren läßt: weil ihn Zweifel an der Zielstrebigkeit dieses Typus von Spieler plagen. Kollege Jürgen Röber könnte ihm einiges zu diesem Thema erzählen. Sein südamerikanisch geprägtes Ensemble pflegt pro Spiel entweder mindestens drei Treffer zu landen – oder gar keinen. Auswärts kommt der VfL auf keinen grünen Zweig.“
Markenzeichen des VfB
Martin Hägele (SZ 27.10.) berichtet den glückhaften Sieg der Stuttgarter: „Es hätte niemanden gewundert, wenn die neuen Fußball-Lieblinge der Nation zur Halbzeit mit hängenden Köpfen und zwei oder drei Toren Rückstand in die Kabine getrottet wären. Eine Dreiviertelstunde lang stimmte alles bei den Wolfsburgern, eine Dreiviertelstunde lang diktierte der VfL das Geschehen in jenem Stil, der im Verlauf dieser Runde zum Markenzeichen des VfB geworden ist. Mit einem Rückgriff auf die Stuttgarter Erfolgstaktik änderte Magath in der Pause die Verhältnisse. Eine zweite personelle Korrektur sorgte dafür, dass sich die veränderten Kräfteverhältnisse auch im Resultat niederschlugen. Ioannis Amanatidis, im Vorjahr noch fester Sturm-Partner von Kevin Kuranyi, in dieser Spielzeit erst 53 Minuten erste Wahl, kam nach über einer Stunde für Horst Heldt; als Treibsatz ein Gemisch aus Enttäuschung, Wut und verletztem Stolz in den Beinen, nachdem der griechische Nationalspieler gegen Athen nur in der Schlussphase hatte mitmachen dürfen. Dessen Emotionen entluden sich bald, als er nach einem geschickten Pass seines Kumpels Kuranyi dem starken Jentzsch im Kasten keine Chance ließ. Amanatidis’ Jubel war dann „eine Mischung aus Enttäuschung, Genugtuung und Freude“. Weil der Torschütze sein Hemd herunterzog („So, da schaut her, den Amanatidis gibt es auch noch!“) ist er für die PR in eigener Sache mit einer Gelben Karte abgemahnt worden. Der Gefühlsausbruch des 21-Jährigen ist ein Beleg dafür, dass sich die Leute auf der Bank des VfB viel zutrauen. Magath fördert diesen Wettbewerb (…) Nach Magaths Theorie aber entscheidet eine Spitzenmannschaft ein solches Spiel auf Grund der besseren Einzelleistungen für sich. In diesem Fall war es ein überragender Torwart Timo Hildebrand, die Klasse und Ruhe Soldos, die frechen Flügelläufe der Offensivverteidiger Hinkel und Lahm, die Geduld von Torjäger Kuranyi und das Feuer, welches die Ersatzleute Timo Wenzel im eigenen und Amanatidis im gegnerischen Strafraum entfachten.“
Oliver Trust (FR 27.10.) fügt hinzu: “In Zeitungen, Wirtschaftsmagazinen und Managerheften stehen all diese Anzeigen. Es gibt tausende Agenturen und Ausbilder, die den richtigen Weg weisen. Wie einer sein muss, der Erfolg haben will, der schwierige Aufgaben löst und sich im Rennen um Arbeitsplätze im höheren Management durchsetzt. Kühl, berechnend, vorausschauend und selbstbewusst. Dynamisch im richtigen Moment und geduldig. Noch fähig eine Schippe zuzulegen, wenn anderen die Kraft ausgeht. Im Fußball ist dies alles viel schwieriger, und es ist zunehmend schwierig heraus zu filtern, was davon Klischees und hübsche Geschichten sind. Im Augenblick, sagte der Stuttgarter Verteidiger Andreas Hinkel nach dem 1:0, spielen wir wie der große FC Bayern. Auch für Trainer Felix Magath schien der Augenblick gekommen, sich und dem Rest der Welt ohne einen Rest an Zweifeln einzugestehen, wir sind eine Spitzenmannschaft. Eine Spitzenmannschaft gewinnt solche Spiele, sie hat einen Torwart wie Timo Hildebrand, der hält, was nicht alle halten, sie ist ruhig, wartet ab und es kommt einer von der Bank, der ein Tor schießt.“
Hamburger SV – Schalke 04 2:2
Frank Heike (FAZ 27.10.) hofft auf Ruhe in Hamburg: „Die Diskussionen um Lügen, Fehler und heuchlerische Pressekonferenzen rund um die Entlassung von Kurt Jara werden den Hamburger SV noch eine ganze Zeit lang verfolgen. Von den Zeitungen der Hansestadt in allen denkbaren Variationen ausgebreitet und kommentiert, von den Fußballsendungen schon zum neuen, eigentlich uralten Lieblingsthema Der Fußball, das Spiegelbild der Gesellschaft hochgejazzt – es war ein Glück, daß auch Fußball gespielt und zumindest für neunzig Minuten plus Nachspielzeit über das Eigentliche gesprochen wurde. Obwohl für manchen das Geschäftsgebaren der HSV-Vorstandsherren Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer in dieser Gemengelage zwischen Lüge oder Fehler, Eiseskälte oder Verantwortung für den Großverein längst wichtiger geworden ist als ein bloßes Bundesligaspiel. Die große Ausnahme machte Klaus Toppmöller. Ja, es sei eine turbulente Woche gewesen, ja, er freue sich auf die Bundesliga, sagte der neue Hamburger Fußball-Lehrer. Doch im weiteren Verlauf seiner Analyse verlor er kein Wort mehr über die Begleitumstände seiner Verpflichtung nach acht Monaten Arbeitslosigkeit. So verfestigte sich das Bild vom Donnerstag, als Hoffmann und Beiersdorfer um Worte rangen, während der unbeschädigte, ja durchaus freundlich empfangene Toppmöller die beste Figur abgegeben hatte. So war es auch am Tag vor dem 2:2 des HSV gegen den FC Schalke 04: Fußball sei ein brutales Geschäft, hatte Toppmöller noch gesagt, und das ohne aufgesetzte Gefühle für seinen Vorgänger. In den Verhandlungen soll er es gewesen sein, der aufs Tempo gedrückt und mit anderen Angeboten kokettiert habe. Der HSV griff also zur Notlüge, um Zeit und Ruhe für Verhandlungen zu haben.“
Bayern München – 1. FC Kaiserslautern 4:1
Oliver Kahn musste Akkordarbeit leisten wie beim Training mit Sepp Maier
Philipp Selldorf (SZ 27.10.) berichtet den glückhaften Bayern-Sieg: „Es hat nach dem Spiel eine Weile gedauert, bis Ottmar Hitzfeld wieder ein fröhliches Gesicht machen konnte. Was ihn dann lächeln ließ, hatte allerdings nichts mit der Partie seines FC Bayern gegen den 1. FC Kaiserslautern zu tun. Hitzfeld sprach über Verteidiger Samuel Kuffour, der in der Nacht zuvor Vater geworden war. „Sammy junior ist geboren worden!“, gab der Trainer feierlich bekannt. Ansonsten aber brachte Hitzfeld lauter Klagen vor. Auf seinem Podium hielt er mit strenger Miene Gericht, als ob die ganze Klasse durch das Examen gerasselt wäre: „Zu viele Ballverluste“, monierte er; „zu nervös und ängstlich agiert“, kritisierte er, und lokalisierte die Gründe des Problems „in den Köpfen der Spieler“. Tags darauf gelangte Hitzfeld sogar zu der Bewertung, Teile der Vorstellung seien „nicht bayern-würdig“ gewesen. Der Trainer hört, da in diesen hektischen Herbsttagen das Tempo in allen Wettbewerben beschleunigt wird, „die Alarmglocken läuten“. Nach einem 4:1-Sieg mögen so viele Einwände ziemlich übertrieben klingen, aber Hitzfeld hatte gute Gründe zum kollektiven Tadel, denn das Resultat beruhte auf glücklichen Umständen. Das Spiel der Bayern hatte herrliche Momente, vor allem dann, wenn Sebastian Deisler am Ball war. Aber in die Phantasie und Spielfreude mischten sich so viel Lässigkeit und Sorglosigkeit, dass Oliver Kahn in der zweiten Halbzeit Akkordarbeit leisten musste wie beim Training mit Sepp Maier.“
Detlef Dresslein (FAZ 27.10.) freut sich über den Aufstieg Sebastian Deislers: „Es ist ein eigentümliches Ritual, das sich da nach jedem Heimspiel des FC Bayern vor den Kabinen abspielt. Eiserne Absperrrungen verwehren den direkten Kontakt, und so wartet eine große Anzahl von zusammengedrängten Berichterstattern darauf, daß sich ein paar Spieler aus der Geborgenheit der eigenen vier Wände herauslocken lassen, um aus ihrer Sicht über die vergangenen neunzig Minuten zu reden. Ein wenig wie im Zoo geht es dann im Bauch des Olympiastadions zu – diesmal war neben dem oft aggressiven Alphatier Oliver Kahn und dem noch immer neu in München wirkenden Roy Makaay vor allem der eher scheue Deisler so sehr gefragt, daß er gleich zweimal herausgeholt werden mußte aus der Kabine. So etwas kommt bei den Bayern sonst fast nie vor. Es war ein Spiel ohne Abwehrreihen, wie gemacht für die endgültige Wiederkehr des Sebastian Deisler. Die war so eindrucksvoll, daß der sonst eher vorsichtig redende Bayern-Trainer auf Superlative zurückgriff: Er ist die Entdeckung des Spiels und der letzten Woche, schwärmte Ottmar Hitzfeld, er ist wie Phönix aus der Asche aufgestiegen. Nun hatte sich jener sagenhafte Vogel zwar im hohen Alter selbst verbrannt und war verjüngt wieder aufgeflogen, aber vielleicht ist das von Deislers Geschichte gar nicht soweit entfernt, von dem man schon vermutete, er sei im Teenageralter verheizt worden und habe die Verletzungsanfälligkeit eines Sportlers mit weit mehr Dienstjahren. Jetzt spielte er wieder, und die Tatsache, daß er es dreimal nacheinander in nur einer Woche tat, gibt Hoffnung. Die Hoffnung, endlich den seit weit über einem Jahr andauernden Kreislauf aus Verletzung, Hoffnung und Rückschlag zu durchbrechen (…) Am glücklichsten war Ottmar Hitzfeld, wie Deisler aus Lörrach stammend, wie Deisler Sternzeichen Steinbock und wie Deisler ein ruhiger Typ mit stereotypen Sätzen. Er hatte ihn aufgebaut, mal behutsam, zuletzt energisch, ihn immer geschützt, wenn das Umfeld ungeduldig wurde. Und er darf sich nun als zweiter Hauptgewinner sehen.“
SC Freiburg – Werder Bremen 2:4
So leicht und selbstverständlich kann Fußball sein
Christoph Kieslich (Tsp 27.10.) applaudiert den Bremern: „Eine Stunde vor dem Abpfiff hatte man sich in Freiburg schon intensiv der Kunst zugewandt. In den schicken Räumlichkeiten für die Sponsoren stellte Jan Sosein Carl seine Bilder vor. Der Freiburger Künstler malt mit Acryl auf Leinen, beschränkt sich auf das Grün des Rasens und das Weiß der Kalklinien und nennt seine Werke etwa „Mittellinie auf Seitenaus“. Der Rest bleibt der Phantasie überlassen. Gut möglich, dass das Ansinnen, diese Bilder schon wegen der Entsprechung der Farben auch mal im Weserstadion auszustellen, auf hanseatisches Gefallen stößt. Werder hat jedenfalls nur schöne Eindrücke von einem künstlerisch wertvollen Nachmittag mit nach Bremen genommen. Es ist noch nicht sehr oft vorgekommen, dass ein Gästeteam im Dreisamstadion den SC Freiburg so demontiert hat, wie es die Mannschaft von Thomas Schaaf am Samstag gleichermaßen schonungslos wie hinreißend vorgeführt hat. Es kann sich auch niemand daran erinnern, wann der Sport-Club einmal zur Pause mit 0:3 in Rückstand lag – zumal in der Höhe verdient und hoffnungslos. „Sehr beeindruckend, sehr deutlich, sehr klar“, sagte Werders Trainer Schaaf, und Volker Finke wollte nicht die Spur widersprechen. Auch Finkes Mannschaft hatten die Argumente gefehlt gegen den zielstrebigen, direkten Fußball der Werderaner, die eine Woche nach der herben Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart von keinerlei Nachwehen geplagt wurden. Getragen wurde die imposante Vorstellung von der Mittelfeldraute Baumann, Ernst, Lisztes sowie dem magistralen Johan Micoud. Als der Franzose den dritten Treffer erst vorbereitete und den Querpass von Ernst vollendete, schlug sich selbst das Heimpublikum auf die Schenkel. So leicht und selbstverständlich kann Fußball sein.“
Power, Spielkunst und Offensivspektakel
Roland Zorn (FAZ 27.10.) auch: „Dieser Pfiff kam den Bremern wie ein störendes Geräusch vor. Dabei hatte Schiedsrichter Edgar Steinborn nur seine Pflicht getan und die Halbzeit signalisiert. Aber doch nicht jetzt, dachten sich Trainer Thomas Schaaf und die Spieler des SV Werder, die hin und weg waren von dem Fußball-Kunstwerk, das sie zuvor auf dem Rasen des mit 25 000 Zuschauern ausverkauften Freiburger Dreisamstadions vollbracht hatten. Eine halbe Stunde verzauberten die von dem magischen Franzosen Johan Micoud angeführten Nordlichter die badischen Wiederaufsteiger in die Fußball-Bundesliga, so daß selbst eingefleischten Anhängern des Sport-Clubs die Spucke weggeblieben war. Wir hätten in der ersten Halbzeit sieben, acht Tore machen müssen, stellte Schaaf nach seinem 150. Bundesligaspiel als Cheftrainer des SV Werder unwidersprochen fest. Es stand aber nur 3:0 durch traumwandlerisch sicher herbeikombinierte Treffer, und das war eindrucksvoll genug. Danach war das, was den Freiburgern wie ein Spuk vorgekommen sein mag, vorbei. In der zweiten Halbzeit herrschte Bundesliga-Normalität, weil Werder zurücksteckte und Freiburg zu Recht für sein nimmermüdes Aufbegehren gegen den übermächtigen Widersacher belohnt wurde. Am Ende eines Spiels, bei dem nicht nur laut Schaaf mächtig was los war, sagte der Bremer Nationalspieler Ernst: Wir wissen jetzt, daß wir das Potential für ganz oben haben. Eine Woche nach dem Ende des Wirbels um die beiden künftig vom FC Schalke 04 hochbezahlten Stammspieler Ailton und Krstajic und der damit vielleicht doch verbundenen 1:3-Niederlage gegen den VfB Stuttgart fand das stürmischste Team der Liga zu seiner Power, seiner Spielkunst und seiner Lust auf Offensivspektakel zurück zu alter Spitzenklasse.“
Eintracht Frankfurt – 1. FC Köln 2:0
Gipfel des Grauens
Tobias Schächter (taz 27.10.) schildert das Geschehen mitleidlos: „Die kläglichen Anstrengungen der Protagonisten kulminierten in der 38. Minute. Zuerst war der Frankfurter Chris an der Reihe. Der Versuch des Brasilianers, einen Einwurf korrekt auszuführen, misslang, weil er seine Aktion mit einem seltsamen Sprüngchen choreografierte. Nur 20 Sekunden später scheiterte Exnationalspieler Jörg Heinrich für seine Kölner an derselben Aufgabe. Der Ball hatte wohl keine Lust, zu seinen Peinigern zurückzukehren. Er entglitt Heinrichs Händen und fiel hinter ihm zu Boden. Es stand 0:0 und diese slapstickartige Einlage führte in der zugigen Ruine des Waldstadion wenigstens zu einem Lacher bei den 25.000, bei denen sich die Spieler und Verantwortlichen beider Mannschaften bedanken müssen, dass sie nach der Halbzeitpause wieder den Weg auf ihre Plätze angetreten haben. Anlass dazu bot sich der frierenden Masse nicht. Frankfurt gegen Köln – es war ein Gipfel des Grauens. Serien von grotesken Fehlpässen und Stafetten grandioser Missverständnisse paarten sich mit minutenlanger Ereignislosigkeit, in denen die Spieler wie gelähmt herumstanden. Dass dieses Treffen zweier Mannschaften aus den Tiefen der Tabelle mit Eintracht Frankfurt dennoch einen 2:0-Sieger fand, scheint auf den ersten Blick unverständlich, denn die zweite Hälfte überstieg das Niveau der ersten in keiner Weise (…) Dass Manager Rettig zugegeben hat, mit einem möglichen Nachfolger (Marcel Koller) verhandelt zu haben, wofür er von einigen Beobachtern wegen Ehrlichkeit gelobt wurde, war in Wahrheit nicht klug. Macht es einen Unterschied, ob man öffentlich mit anderen Trainern verhandelt oder nicht öffentlich? Oder ist es nicht vielmehr so, dass der Umstand an sich das Klima verändert? Die Diskussion über Funkel wird nach jeder Niederlage neu aufkommen, was angesichts des Leistungsvermögens der Mannschaft sinnlos erscheint, denn jeder Coach, ob er nun Funkel oder sonst wie heißt, wird mit diesem Kader bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt bangen müssen.“
Die Eintracht kann in der Bundesliga nur defensiv bis destruktiv bestehen
Michael Horeni (FAZ 27.10.) führt den Frankfurter Sieg auf die Nüchternheit ihres Trainers zurück: “Die Stimmung in der Kabine der Frankfurter Eintracht war nicht gerade ausgelassen. 45 Minuten voller Tristesse hatte der Aufsteiger im fünften Heimspiel hinter sich gebracht, und wieder war die Mannschaft weit vom ersten Erfolgserlebnis erster Klasse in heimischer Umgebung entfernt. Im Duell der Bundesliga-Rückkehrer stand es noch 0:0, aber der 1. FC Köln war in einem Spiel ohne Verwöhnaroma noch die bessere von zwei sehr schlechten Mannschaften. In die Frankfurter Kabine drangen in der Halbzeitpause die gellenden Pfiffe der enttäuschten Zuschauer, und einigen seiner Profis setzte die Kritik sichtlich zu. Ich mußte sie beruhigen, sagte Trainer Willi Reimann über einige Profis, die so recht an ihre Chance nicht glauben wollten. Aber diese eine Chance, und kein bißchen mehr, bot der Trainer als Muntermacher für die zweite Halbzeit bei seiner Minimalmotivation an. Wenn wir eine Chance bekommen und das erste Tor machen, gewinnen wir das Spiel, sagte Reimann seinen Spielern. Als die Eintracht dann am Ende tatsächlich sogar verdient gewonnen hatte, sprach Reimann mit dem Stolz des Frankfurter Fußball-Realos über das Bundesliga-Sparprogramm der Eintracht für diese Saison: Die kleine Chance, die wir uns in jedem Spiel ausrechnen, haben wir genutzt. Am Ende ist es von uns auch noch ein gutes Spiel geworden, sagte Reimann über die späte Wende, die er nur für möglich hält, wenn auch das Publikum den Sachzwang akzeptiere, daß die Eintracht in der Bundesliga nur defensiv bis destruktiv bestehen könne.“
Hannover 96 – 1860 München 1:1
Achim Lierchert (FAZ 27.10.) gähnt: „Erst passierte gar nichts und dann fast alles auf einmal. Kurz nachdem er den Münchner Remo Meyer vorzeitig vom Feld geschickt hatte, zeigte Schiedsrichter Markus Merk auch dem Hannoveraner Thomas Christiansen die Rote Karte. Zwei Platzverweise, ausgesprochen von jenem Mann, der erst eine Woche zuvor bei der Partie Hertha BSC Berlin gegen Bayer Leverkusen jeweils einen Spieler jedes Teams disqualifiziert hatte. Viermal Rot in acht Tagen. Eine ganze Menge. Das müssen Sie den Spielern sagen, konterte Merk, mir ist das vollkommen unverständlich. Wenn ich so mit meinem Arbeitsplatz umgehen würde… Die beiden Hinausstellungen waren die einzigen Szenen, die für Aufregung sorgten. Diskutiert wurde danach weniger über das Ergebnis, um so mehr aber über die strittigen Entscheidungen von Deutschlands bestem Schiedsrichter. Mit der Hinausstellung Meyers lag Merk daneben. Eigentlich wäre in diesem Moment der Hannoveraner Konstantinidis mit der härtesten persönlichen Strafe zu belegen gewesen, weil er Meyer mit einem Kopfstoß zu dessen Schubser gegen ihn provozierte. Christiansens Platzverweis war jedoch allem Lamentieren des Hannoveraner Trainers Ralf Rangnick zum Trotz berechtigt, da er einen Münchner, obwohl nicht in Ballbesitz, von den Beinen geholt hatte.“
Christian Zaschke (SZ 27.10.) diskutiert die zwei Platzverweise: „Über die Berechtigung beider Karten kann man streiten, vermutlich hätte man beide nicht geben müssen. Meyers Karte: Er rannte Konstantinidis hinterher, rechts in der Hannoveraner Hälfte, er grätschte, er wollte an den Ball und traf auch das Bein von Konstantinidis, der schmerzhaft auf seinen Arm fiel. Der Linienrichter zeigte das Foul an, und Meyer hob ein Geschrei an, als sei sein Haus ab- und seine Frau durchgebrannt und sein Name in schlechter Rede geführt worden. Konstantinidis sprang auf, rannte zu Meyer, („Ich habe ihm gesagt: ‘Was beschwerst du dich?’“), sein Kopf bewegte sich in Richtung Meyers. Meyer schubste ihn weg, eine Abwehrreaktion. Dann dauerte es eine Sekunde, bis Konstantinidis zu Boden sank, eine Leistung, für die er aus dem Ensemble jedes Schultheaters geflogen wäre, er hielt sich die Hände vors Gesicht, vermutlich, um sein Grinsen zu verbergen über die Dummheit Meyers. „Er schubst mich, ich gehe natürlich runter“, erläuterte Konstantinidis später. Er verhehlte gar nicht, dass er sein Fallen als professionell betrachtete. Meyer sah Rot, Tätlichkeit. Selbst 1860-Trainer Falko Götz fand, man könne „dem Schiedsrichter keinen Vorwurf machen“. Im Umgang mit dieser Szene zeigte sich die Zuspitzung des professionellen Umgangs mit dem, was man sportliche Fairness nennen könnte. In England werden schauspielernde Fußballer verachtet. In der Bundesliga ist das Schauspiel mittlerweile ein weitgehend anerkanntes Mittel, um sich Vorteile zu verschaffen. Die ausgleichende Ungerechtigkeit erlebte Thomas Christiansen. Es war nicht genau zu erkennen, was er getan haben soll. Er löste sich im Zweikampf von Rodrigo Costa, traf diesen mit dem linken Fuß am Bein, Costa fiel. Sicherlich ein Foul, doch ein unbedeutendes; so etwas passiert dutzendfach in jedem Spiel. Das Entscheidende: Es war keine böse Absicht von Christiansen zu erkennen.“
Schurke des Monats
Ludger Schulze (SZ 27.10.) zieht Kostas Konstantinidis (Hannover 96) am Ohr, „welcher der Lug- und Trugliga eine neue Dimension der Infamie erschloss. Versetzte seinem Gegenspieler Remo Meyer einen Kopfstoß und ließ sich, als der Münchner ihn in einem Abwehrreflex leicht wegstieß, wie von einer Axt gefällt zu Boden sinken. Meyer wurde des Feldes verwiesen, Konstantinidis befindet sich noch auf freiem Fuß. Sollte sich das Sportgericht mit ihm befassen: Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte wäre etwas zu hart für den 96er-Kapitän, aber den Titel „Schurke des Monats“ hat er sich hart verdient.“
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Fußball in Europa: Ergebnisse – Torschützen – Tabellen NZZ
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