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Heimkehr Armin Vehs nach Augsburg, Enttäuschung und Ärger darüber in Rostock – Kritik an TV-Sportberichterstattung – mangelnde Wirkung englischer Doping-Kontrollen – FAZ-Interview mit Wolfgang Holzhäuser, DFL
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| Donnerstag, 25. März 2004Das Hinterhältigste und Feigste, was ich je im Fußball erlebt habe
Nadeschda Scharfenberg (SZ 17.10.) berichtet die Heimkehr Armin Vehs nach Augsburg: „Der verlorene Sohn ist heimgekehrt, beim FC Augsburg hat Veh in den siebziger Jahren das Fußballspielen gelernt, von 1990 bis 1995 war er dort Trainer. Dann machte er sich auf, die Welt des Fußballs zu erkunden, führte den SSV Reutlingen und Greuther Fürth von der dritten in die zweite Liga und heuerte im Januar 2002 bei Hansa Rostock an. „Wir haben immer mit Stolz auf ihn geguckt“, sagt Augsburgs Geschäftsführer Markus Krapf, „seine Vita beeindruckt uns.“ Seit Montag ist Veh nun wieder bei seinem Heimatklub beschäftigt – eine Woche nach seinem Rücktritt in Rostock, zwei Wochen nach dem Rauswurf Ernst Middendorps in Augsburg. Als die Verpflichtung publik gemacht wurde, tummelten sich 120 Hoffnungsfrohe im Augsburger Internet-Forum. „Das ist ein genialer Schachzug unseres Präsidiums“, schrieb einer. Und viele tippten: „Willkommen daheim.“ In Rostock können sie mit dieser Freude wenig anfangen. Ein paar Fans des Bundesligisten haben sich in die Diskussion im Internet eingeklinkt und geben sich „maßlos enttäuscht“. Hansa-Profi René Rydlewicz, in dieser Saison aus dem Kader gerutscht und ohnehin nicht gut auf Veh zu sprechen, sagte neulich: „Dass er in Augsburg unterschrieben hat, ist das Hinterhältigste und Feigste, was ich je im Fußball erlebt habe.“ Bei Hansa fühlen sie sich im Stich gelassen von „einem Trainer, der“ – so schreibt ein Fan – „endlich wieder mal Fußball bei uns spielen ließ“. Aber im Grunde hatte sich das angedeutet. Armin Veh fühlte sich eingeengt in der Bundesliga, einmal hat er gesagt: „Das ist kein Traumjob, weil immer wieder Dinge über einen geschrieben werden, die nicht in Ordnung sind. Das steckt keiner so einfach weg.“ Im Nordosten war er nie richtig heimisch geworden, nach Auswärtsspielen fuhr er oft nicht mit der Mannschaft zurück, sondern nach Augsburg zu Frau und zwei Söhnen. „Und er hat immer zuerst gefragt, wie Augsburg gespielt hat“, erzählt Krapf (…) Dass das „sicherlich keine normale Entscheidung“ war, hat Veh selbst zugegeben. Aber präzisiert hat er das nicht. Er scheint nicht gerne zu sprechen, denn er weiß wohl, dass die Frage nicht ausbleiben wird, ob er in Rostock auch dann zurückgetreten wäre, wenn Middendorp noch immer den FC Augsburg trainieren würde. Und so hat er zu den vereinbarten Terminen entweder doch keine Zeit oder sein Telefon ausgeschaltet. Als könnte man es ihm zum Vorwurf machen, dass er sich gegen Geld und für die Familie entschieden hat. Ungewöhnlich ist das im Millionengeschäft Fußball.“
Jutta Heess (FR 17.10.) beklagt den Qualitätsmangel der Sportberichterstattung im Fernsehen: “Was haben eigentlich Kultur, Musik und Wissenschaft, was haben Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, was der Sport nicht hat? Richtig. Ausdrücklich themenbezogene Magazine oder Reportageplätze im Fernsehen, die Hintergrundinformationen liefern. Gibt’s im Sport nämlich nicht. Und das, obwohl der Anteil der TV-Sportberichterstattung in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat – sowohl in den privaten als auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Man muss allerdings gar nicht so genau hinschauen, um festzustellen, dass bei der Ausweitung der Wettkampfzone eigentlich nur eine Disziplin triumphiert: die Live-Sendung. Schlagworte wie Supersportjahr, Großevents, Alle Spiele live locken die Zuschauer, die fundierte Reportage über Doping-Machenschaften hingegen, das Porträt eines Leistungssportlers, der nicht nur mit dem Gegner, sondern auch mit dem Leistungsdruck seines Umfelds kämpft oder der Bericht über den Einfluss mächtiger Sponsoren auf den Profisport: Das alles ist so gut wie verschwunden (…) Josef Hackforth, Dekan der Fakultät für Sportwissenschaft und Leiter des Lehrstuhls für Sport, Medien und Kommunikation an der Technischen Universität München, ist der Auffassung, dass ARD und ZDF eine Pflicht vernachlässigen: Die öffentlich-rechtlichen Sender haben den Programmauftrag, einer Grundversorgung nachzukommen, erklärt er. In dieser Grundversorgung müssten normalerweise solche Magazinsendungen, Analyse- und Kritiksendungen im Sport angeboten werden – auch wenn die Quoten geringer sind als bei Live-Sendungen. Themen wie Sport und Medizin, Ernährung, Leistung, Korruption spielten im Fernsehen eine völlig untergeordnete Rolle. Hackforth spricht von einer zunehmenden Boulevardisierung der Sportberichterstattung seit Beginn des dualen Fernsehsystems und dem Beginn der Konkurrenz zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Wo finden diese Themen also statt? Wo gibt es eine Berichterstattung, die Sport abseits von Zeiten und Weiten untersucht? In der es nicht nur um Tore, sondern auch mal um Randsportarten oder gar um Sportpolitik geht? Die Verlierer und Versager zeigt? Im Deutschlandradio zum Beispiel. Immer sonntags um 17.30 Uhr wird in einem halbstündigen Feature über den Spielfeldrand geschaut. Und in den Zeitungen. Wobei auch die Printmedien dazu übergegangen sind, Analyse, Kritik und Hintergrund zurückzunehmen und stattdessen die bunte Berichterstattung weiter nach vorne zu bringen, wie unsere Inhaltsanalysen zeigen, sagt Hackforth.“
Martin Pütter (NZZ 17.10.) ermittelt die schlechte Schlagkraft englischer Doping-Kontrollen: „Der englische Fussballprofi Rio Ferdinand hat im Moment allen Grund, besorgt zu sein. An ihm will die Football Association (FA) im Kampf gegen Doping anscheinend ein Exempel statuieren, weil er am 23.September einen Dopingtest verpasst hatte: Fazit der harten Linie der FA, nachdem sie Ferdinand deswegen nicht für Englands EM-Qualifikationsspiel in der Türkei aufgeboten hatte. Nun will zudem die Fifa verhindern, dass der englische Verband eine Kehrtwende macht und den Verteidiger von Manchester United mit einem blauen Auge davonkommen lässt. Laut der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) zieht das Verpassen eines Dopingtests eine zweijährige Sperre nach sich. Die Wada-Regeln seien für den Fussball-Weltverband nicht bindend, weil von ihm nicht mitunterzeichnet, wurde Michel D‘Hooge, der Vorsitzende der medizinischen Fifa-Kommission, in der englischen Presse zitiert. „Diesen Fall bearbeiten wir individuell. Die Strafe könnte eine Sperre von weniger als zwei Jahren sein, aber auch mehr“, sagte der Belgier, fügte aber an: „Es ist ein ernster Fall. Ferdinand muss bestraft werden. Wir lassen aber zuerst den englischen Verband entscheiden. Wenn alles korrekt läuft, werden wir nicht eingreifen.“ Nach bisherigen Gepflogenheiten hätte sich Ferdinand kaum Sorgen machen müssen, denn noch mehr als in anderen Ländern gleicht der Kampf gegen Doping im englischen Fussball einer Farce. Noch nie ist ein Dopingtest bei einem Spieler der Premier League positiv ausgefallen. Überdies können englische Fussballer nicht wie andere Sportler unangekündigt zu Hause getestet werden. Bei Proben nach Trainings, von denen die Klubs vorzeitig erfahren, stehen die Spieler nicht unter ständiger Aufsicht der Tester, und wer einmal einen Test verpasst, kommt mit einer lächerlichen Geldstrafe davon, so wie Christian Negouai von Manchester City letzte Saison.“
FAZ-Interview (16.10.) mit Wolfgang Holzhaeuser, DFL
FAZ: Der Pay-TV-Sender Premiere hat gerade festgestellt, dass die Liga von ihm abhängig ist – und will deswegen in Zukunft weniger bezahlen. Wie sollte die Liga reagieren?
WH: Mir gefällt überhaupt nicht, wie das abläuft. Die Aussagen von Premiere-Chef Kofler sollten dazu Anlaß geben, um grundsätzlich über die Zusammenarbeit mit Premiere nachzudenken. Pay-TV ist ein Standbein der Bundesliga, keine Frage. Aber man darf nicht in totale Abhängigkeit geraten. Wenn jemand diese Position öffentlich nutzt, indem er erklärt, man wolle weniger bezahlen – und dies zu einem Zeitpunkt, wo es der Liga ohnehin schlechtgeht –, da muß man sich auch eine entsprechende Reaktion gefallen lassen: ‘Wissen Sie was, Herr Kofler? Ohne Fußball gibt es auch kein Premiere. Aber wir werden ohne Premiere überleben.’
FAZ: Die Vermarktungsagentur Infront hat doch schon gezeigt, wie man mit der Liga umspringen kann.
WH: Das ist doch genau das gleiche. Ich habe bis heute nicht verwunden, daß uns die Kirch-Gruppe mit ihrer Insolvenz locker um viele Millionen betrogen hat – und wir bis heute keinen Pfennig aus der Insolvenzmasse gesehen haben. Das Ganze hat uns 480 Millionen D-Mark gekostet. Im letzten Jahr hat sich Infront dann hingestellt und gesagt: ‘Wir haben euch zwar eine gewisse Summe garantiert, koennen sie aber nicht refinanzieren, uebernehmt bitte 10 Millionen Euro.’ Ich war damals dagegen und bin es heute noch immer. Wenn Infront sagt, sie gingen sonst in Insolvenz – dann sollen sie eben in Insolvenz gehen. Wenn uns Infront eines Tages wieder erpressen sollte, werde ich nicht mehr mitmachen. Wir müssen die Sache selbst machen, wir können selbst mit den Sendern verhandeln. Die Zeit der Agenturen ist vorbei. Die Bayern oder Dortmund sehen das ähnlich.
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