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Die Königin unter den griechischen Traditionsvereinen
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| Donnerstag, 25. März 2004Suche nach den Ursachen der zahlreichen schweren Verletzungen – Stefan Reuter, der letzte aktive deutsche Weltmeister -Mahdavikia, der HSV-„Winger“ in starker Form -ein unglaublicher Elfmeter raubt dem FSV Mainz zwei Punkte – Gespräch mit zwei homosexuellen Fußballern -„Das Wunder von Bern“ kommt in die Kinos (ab Oktober); die FR rezensiert schon mal – ein Portrait Lendoiros (Präsident Deportivo La Coruña) – Finanzaffäre in Italien beschäftigt auch Berlusconi – AEK Athen, „die ‚Königin’ unter den griechischen Traditionsvereinen“ (NZZ)
Ob die Anordnung der Stollen der neuen Schuhserien von Nike und Adidas eine Rolle spielen?
Daniel Theweleit (SZ 13.8.) referiert die Diskussion um die Häufung der schweren Verletzungen. „Die Ärzte rätseln nun über die Ursachen dieser klubübergreifenden Pechsträhne, von der Borussia Dortmund in der Bundesliga am heftigsten betroffen ist; zuletzt riss sich Danny Fuchs vom Zweitligisten Greuther Fürth das Kreuzband, in der Vorwoche war es Uwe Rösler vom selben Klub. „Wir schauen im Augenblick, was in dieser Saison anders ist“, sagt Dr. Heinz-Jürgen Eichhorn, einer der renommiertesten Kniespezialisten Deutschlands. Er operierte Jens Nowotny, die drei aktuellen Dortmunder Fälle und hat eine interessante Theorie. „Wir prüfen, ob die Anordnung der Horizontal- und Vertikalstollen der neuen Schuhserien von Nike und Adidas eine Rolle spielen“, sagt der Arzt aus Straubing. Eichhorn vermutet, dass der verbesserte Griff der Schuhe nicht mehr den jahrelangen Bewegungserfahrungen der Spieler entspreche. „Der Steuerungsapparat denkt, der Fuß rutscht noch, in Wahrheit steht er aber schon.“ In der Amerikanischen Football-Liga konnte vor einigen Jahren nach einer biomechanischen Testreihe schon einmal eine Serie von Kreuzbandrissen mit ähnlich verbesserten Schuhen erklärt werden. Man griff wieder zum alten Material. Der Kaiserslauterer Mannschaftsarzt Dr. Hans-Werner Schmalenbach bezweifelt jedoch, „dass es diesen Zusammenhang mit den Schuhen gibt“. Hany Ramzy habe ein „uraltes Modell von Nike“ getragen, erzählt er und ist überzeugt: „Das ist eine ganz zufällige Häufung.“ Jiayi Shao trug Puma, die Ursache scheint also nicht allein bei den Schuhen zu liegen. Dr. Thomas Pfeifer, Leverkusens Klubarzt, sagt, dass „solche Verletzungen besonders in psychisch angespannten Situationen auftreten. So gesehen ist der Saisonbeginn schon ein prädestinierter Zeitpunkt. Die Spieler kämpfen um die Stammplätze, das kann entscheidend sein für das ganze Jahr“.“
Der letzte Mohikaner der Matthäus-Generation
Erik Eggers (FR 13.8.) porträtiert Stefan Reuter. „Man könnte seine Karriere mit Statistiken und Titeln beschreiben. Eine lange Liste wäre das. Wer hier akribisch arbeiten will, der sollte sich einen halben Tag frei nehmen, nur fürs Zählen. Der 4:0-Sieg am Samstag gegen Wolfsburg war sein 473. Einsatz in der Bundesliga,. Damit hat er gleichgezogen mit Sepp Maier; die Schallmauer von 500 Spielen, die bisher nur neun Profis erreicht haben, ist für ihn diese Saison noch möglich. Fünf Deutsche Meisterschaften sprangen dabei heraus, zweimal mit den Bayern, dreimal mit dem BVB, zuletzt 2002. Bisher 105 Mal, so oft wie sonst kein deutscher Spieler, war er unterwegs in Sachen Europapokal, gewann mit Dortmund 1997 die Champions League und danach auch den Weltpokal. 69 Mal trug er das Trikot der Nationalmannschaft und wurde 1996 Europameister. Vor allem aber ist er, seitdem Andreas Möller und Icke Häßler nun ihre Karriere beendet haben, der letzte noch aktive Weltmeister von 1990. Der letzte Mohikaner der Matthäus-Generation aber sagt: Ich mache mir nichts aus Statistiken. Weil er ahnt, dass damit der Abschluss seiner Profikarriere naht. Entscheidend findet er, dass man hochkonzentriert bleibt und sich absolut als Spieler fühlt und sich keine Gedanken macht. Von etlichen Kollegen hat er erfahren, dass sie irgendwann ein Problem im Kopf gehabt haben, dass sie keine Lust mehr hatten auf den permanenten Druck auf dem Platz oder auf den Ärger, den es im Verlauf einer Saison immer gibt. Er selbst aber habe immer noch Spaß, fühle keinen Stress. Es darf für mich nicht zur Qual werden, und für den Verein keine Belastung, sagt er, darum habe ich nicht kategorisch gesagt: Das ist das letzte Jahr. Fast wie eine Drohung klingt das (…) Das, was Reuter mitgenommen hat von der WM 1990, besitzt einen Hauch von Sozialromantik. Er findet es immer noch sensationell, wie Beckenbauer es damals geschafft habe, jedem ein Gefühl von Wichtigkeit zu geben, und im Grunde halte das bis heute an. Die 90-er Mannschaft wird immer irgendwo zusammenhalten, sagt er bestimmt, es mache unglaublich viel Spaß, wenn sich die Wege dieser Spieler wieder einmal kreuzten. Alle fünf Jahre treffen sie sich. Anno 2000 haben wir an der Stätte des Triumphes, in dem gleichen römischen Hotel, eine italienische Nacht gefeiert, erzählt Reuter. Einen Monat später schon erhielten sie ein Schreiben vom damaligen Pressesprecher Wolfgang Niersbach, um sich schon einmal 2005 vorzumerken.“
Längst einer der international gefragtesten Bundesliga-Stars
Jörg Marwedel (SZ 13.8.) porträtiert Mehdi Mahdavikia. „Die Kollegen waren ziemlich baff, als sie Mahdavikia, 26, am Samstag plötzlich vor den Fernsehkameras erblickten. Noch mehr staunten sie, als sie erfuhren, was der klein gewachsene Iraner, den sie in Hamburg wegen seiner orientalischen Herkunft und seiner flinken Flankenläufe auf der rechten Seite zuweilen „Teppich“ nennen, dort in erstklassigem Deutsch in die Mikrofone diktiert hatte. „Zuviel über links“ sei das HSV-Spiel gelaufen, kritisierte er dort und vergaß nicht die – berechtigte – PR in eigener Sache: „Ich war stark.“ Das war ein ziemlich starkes Stück, kannte man Mahdavikia bislang doch nur als freundlichen, zurückhaltenden Profi, dem schon die eigene Kultur gebot, Lob und Kritik anderen zu überlassen. Doch das mediale Debüt kommt nicht von ungefähr. „In dieser Saison“, kündigt Mahmoud-Reza Fazeli an, „wird man einen Mehdi erleben, der noch oft seine Meinung sagt.“ Fazeli ist Mahdavikias Berater und hat seinem Schützling inzwischen eingebläut, dass „es mit den 90 Minuten im Fußball nicht getan ist“. Auch außerhalb des Spielfeldes müsse man in die Offensive gehen, wenn man ganz oben dabei sein wolle. Das werde von einem Spieler seiner Klasse erwartet. Dazu kommt: Mahdavikias Vertrag beim HSV läuft im Juni 2004 aus, er wäre dann ablösefrei. Und obwohl es laut Fazeli „nicht so schwer würde, Mehdi bei einem Topklub in Europa unterzubringen“, kann Werbung in eigener Sache nicht schaden. Immerhin gilt es, der Rezession zum Trotz, den besten Kontrakt seiner Karriere abzuschließen. Die Chancen dafür stehen prächtig, denn Mahdavikia ist längst einer der international gefragtesten Bundesliga-Stars, was bei seinen Referenzen kein Wunder ist. In Asien wurde er „Fußballer des Jahres“, die HSV-Fans kürten ihn zum „Spieler der Saison“, und Bild erfand sogar noch einen Titel: „Tor-Butler“. Mehdi Mahdavikia, der den Ball beim Slalom um die Gegner auch im Höchsttempo so eng am Fuß führt wie einen dressierten Hund, ist nämlich in der Bundesliga König der Torvorlagen. Gleich 14 servierte er den Kollegen vergangene Saison, seit Einführung der Scorer-Liste 1994 hat ihn keiner übertroffen. Zudem preist Fazeli den einstigen Einser-Abiturienten und Familienmenschen als „Leistungsträger, der nicht durch Skandale, Barauftritte und Damenwechsel auffällt“.“
Ein Profi aus der Arbeiterklasse des Fußballs
Richard Leipold (FAZ 13.8.) berichtet vom Remis zwischen Aachen und Mainz sowie einem Elfmeter, den die Welt noch nicht gesehen hat. “Als für Alemannia Aachen alles zu spät schien, stürzte sich Meijer mit solcher Wucht in den gegnerischen Strafraum, daß der Mainzer Innenverteidiger Tamas Bodog sich einem Zusammenstoß nicht entziehen konnte. Schiedsrichter Günter Perl ließ sich dazu verleiten, auf Strafstoß zu erkennen, und Mittelfeldspieler Ivica Grlic nutzte den Elfmeter in der Nachspielzeit zum 2:2 gegen den FSV Mainz 05. Bodog konnte sich über Meijers nicht einmal besonders raffinierte Zugabe nur wundern. Er läuft von hinten in mich rein, was kann ich da machen? fragte der Mainzer Täter, der in dieser Szene mehr ein Opfer war. Der Schiedsrichter wollte Elfmeter geben, das ist lächerlich. Ob er wollte oder nicht: Perl ist in letzter Sekunde auf Meijers Masche hereingefallen. Der vermeintlich Gefoulte ahnte, ja er wußte vermutlich, daß sein Mitwirken an der Schlußszene des Dramas dubiose Züge trug. Der eine Schiri gibt den Elfmeter, der andere nicht, sagte der 34 Jahre alte Mittelstürmer ohne den Anflug eines schlechten Gewissens. Für einen so abgebrühten Vorkämpfer wie ihn gehört es zum Spiel, sich mit allen Mitteln durchzusetzen. Meijer ist ein Profi aus der Arbeiterklasse des Fußballs. Wie bei vielen anderen Vereinen zuvor fliegen ihm auch in Aachen die Herzen der Fans zu. Die Einheimischen mögen ihn, weil er nie aufgibt, schon gar nicht in der verlängerten neunzigsten Minute im Strafraum des Gegners. So jemand kommt Trainer Jörg Berger wie gerufen. Wer könnte die Rolle des Volkshelden im Amüsierbetrieb Tivoli besser ausfüllen als dieser kantige, kernige Typ, der nie um einen Spruch verlegen ist? (…) Ein Fußballplatz wie der Tivoli mit seiner Enge und seinem fanatischen Publikum schreit buchstäblich nach einem Hauptdarsteller wie Meijer, der den rauhen Charme dieses Ortes von den Tribünen auf den Rasen transportiert.“
Wenn du sagst: Ich bin schwul, kannst du Probleme bekommen
Auszüge aus einem SZ-Gespräch mit zwei homosexuellen Fußballern: Weinzierl spielt in einem Schwulen-Team, Kraus in einem „gewöhnlichen“.
SZ: Warum sind Sie in Ihrem Verein nicht geoutet?
Kraus: Ich will meine Ruhe haben. Dann geht es los mit den ständigen Fragen: Wie ist denn das? Dafür habe ich keinen Nerv mehr. Das habe ich schon mit so vielen Leuten hinter mir. Wenn meine Mitspieler damit konfrontiert wären, hätten sie vielleicht Berührungsängste. Wir haben einfach Gaudi, gehen saufen und in die Disco. Da umarmt man sich auch mal. Sie hätten vielleicht nachher ein Problem, so zu sein wie vorher.
SZ: Aber stört es Sie nicht, sich ständig verstellen zu müssen?
Kraus: Ich verstelle mich nicht. Das habe ich lang genug gemacht, in meiner Jugend auf dem Land. Wenn jemand mich fragen würde, hätte ich kein Problem. Aber es hat noch niemand gefragt. Wir reden über andere Themen: Wer hat gut gespielt, wer war schlecht. Wer steigt auf, wer steigt ab. Wo gehen wir was trinken nach dem Training. Es gibt Dinge, die frage ich die anderen auch nicht. Ob sie mit ihrer Frau in den Swingerclub gehen oder so. Das ist mir ja auch egal.
SZ: Kennen Sie andere schwule Fußballer, die im Ligabetrieb spielen?
Kraus: Viele. Man sieht die dann plötzlich abends in der Disco wieder.
SZ: In deren Vereinen weiß aber auch niemand, in welche Discotheken sie abends gehen?
Kraus: Nein.
Weinzierl: Ich habe es auch nie jemandem gesagt. Du gehst ja immer den Weg der geringsten Reibung. Wenn du im Verein spielst und keiner weiß etwas, warum sollst du dann irgendwas aufs Spiel setzen. Wenn du sagst: Ich bin schwul, kannst du Probleme bekommen. In Bayern auf Dörfern sowieso. Dann spielst du am Wochenende, es geht heiß her, und dann werden die Zuschauer dich beschimpfen, wenn sie es wissen. Bei uns kam öfters die Lokalzeitung, die schreiben richtige Spielberichte. Da bist du in der Saison auch zwei, drei Mal mit Foto in der Zeitung. Die Fußballinteressierten in Weiden kennen mich. Warum hätte ich da ein Risiko eingehen sollen?
SZ: Also ist Homosexualität für Fußballer ein Risiko?
Weinzierl: Immer noch, ja. Was sich in der Gesellschaft woanders geändert hat, ist da immer noch so. Ich denke, dass ein Bundesligaspieler massive Probleme hätte, wenn er sich outen würde.
SZ: Mit wem?
Weinzierl: Mit den Fans. Beim Kahn schmeißen sie Bananen rein, vielleicht würden sie dann rosa Schlüpfer reinschmeißen. Im Ernst: In England hat sich ein junger schwuler Fußballer nach seinem Coming Out umgebracht. Ich würde im Moment noch keinem raten, sich da zu outen! Zumindest im Profifußball.
SZ: Es gibt ja immer wieder Gerüchte, die und die Profis und soundsoviel Prozent von allen könnten schwul sein. Wie genau weiß die Szene Bescheid?
Weinzierl: Es gibt keine wirklichen Erkenntnisse. Auch ich als Insider weiß nicht mehr. Ein schwuler Profi muss ein perfektes Versteckspiel betreiben. Er hat kein richtiges Privatleben. Entweder er outet sich, oder er verstellt sich total.
SZ: Wenn keiner an die Öffentlichkeit geht, bleibt es beim Klischee: Schwule spielen nicht Fußball.
Weinzierl: Genau. Es wäre erfreulich, wenn sich zehn Spieler gleichzeitig zusammenreißen und outen würden. Dann würde ein ganz anderes Licht auf Schwule fallen. Aber in harten Mannschaftssportarten wird das nie passieren.
Kraus: Es müssten Typen sein, die im Verein eine wichtige Rolle haben und beliebt bei den Fans sind. Es gäbe mit Sicherheit Zunder, wenn einer an die Öffentlichkeit geht, aber dann würden auch Transparente kommen: Ob schwul oder hetero, wir lieben dich. Oder irgend so etwas. Ich glaube, dass das ein Prozess ist. Aber auf die Dauer würden die Leute respektieren, dass jemand den Mut hat.
SZ: Warum ist es in der Fußballszene so viel problematischer als in anderen Bereichen der Gesellschaft, schwul zu sein?
Kraus: Es ist in der Gesellschaft verankert, dass ein Mann stark sein muss. Wer weicher ist, wird sofort als Schwuler beschimpft. Und gerade im Fußball geht es um Härte. Darum ist der Begriff schwul so negativ besetzt. Weil er Schwäche bedeutet.
Wieder nicht der große deutsche Fußballfilm
Daniel Kothenschulte (FR 12.8.) sah das „Wunder von Bern“ im Kino und ist enttäuscht. „Wie kann es sein, dass es ein paar Dutzend klassischer Boxerfilme gibt, eine erkleckliche Anzahl über Baseball und Football, Pferderennen oder Motorsport und man sogar über Golf schon eine spannende Dramaturgie entsponnen hat? Läufer fühlen sich gewürdigt, wenn nicht im Marathon Mann dann doch wenigstens in Chariots of Fire. Aber der eine gute Fußballfilm, der seinen Sport verstünde wie Feld der Träume den Baseball versteht, der den Fan rührte und den Banausen milde stimmte, den gibt es nicht. Manche sagen, Das große Spiel sei nicht schlecht, doch dazu müsste man diese deutsche Produktion von 1941 mit Gustav Knuth und Rene Deltgen erst einmal aus der Versenkung holen. Immerhin ist die Gastrolle eines Zuschauers vielversprechend besetzt – mit einem gewissen Sepp Herberger, der auch als fachlicher Berater mitgewirkt hat. Vorsicht ist geboten, wenn Filme Legenden oder Wunder in ihren Titel tragen. Am Ende geschehen sie tatsächlich; das Dumme ist nur, dass das Mainstreamkino eine recht bodenständige Vorstellung von der Art dieser Wunder hegt als Fußballfans. Das Fußballwunder ist ihm im Zweifelsfall weniger wert als der wiederhergestellte Familienfrieden – und das führt uns gleich zum Kern des Problems. Sicher, Das Wunder von Bern ist im Deutschen ein feststehender Ausdruck für das Endspiel 1954. Das in Locarno allgegenwärtige Filmplakat The Miracle of Bern scheint jedoch ein ganz anderes Thema zu illustrieren, eines, das dem Hollywoodkino um einiges vertrauter ist als der Lieblingssport der Deutschen. Ein ernst blickender Junge ist darauf zu sehen, etwas kleiner darunter ein Mann, der mit ihm Fußball spielt – offenbar der Vater. Anders als manch andere Filmplakate, das müssen wir ihm zugute halten, spielt dieses nicht mit falschen Karten. Am Ende wird Das Wunder von Bern wieder nicht der große deutsche Fußballfilm gewesen sein, Filmemacher Sönke Wortmann, der die Hälfte seiner Zeit in Hollywood verbringt, hatte etwas ganz anderes im Sinn. Sein Wunder von Bern, das gestern stilecht auf einer Schweizer Piazza seine Weltpremiere erlebte, möchte viel lieber der tausendste Film über einen ausgetragenen Vater-Sohn-Konflikt sein (…) Nur das Mainstreamkino kann sich der Idee verschreiben, private Wunder seien wichtiger als die des Fußballs. Fußballfans sehen das genau umgekehrt, und so muss es auch der Sportfilm sehen, wenn er seine Sache ernst meint. Im Falle der WM 1954 kommt erschwerend hinzu, dass genau dieses Fußballwunder seinen Zeugen auch ein privates Wunder war – ganz gleich, wo der Haussegen gerade hing.“
Im Fußball sind Belgier traditionell die Verkörperung des Grundsoliden
Christian Eichler (FAZ 13.8.) porträtiert Timmy Simons, Star des FC Brügge (heutiger Gegner Borussia Dortmunds). „Wir basteln uns einen Fußballprofi. Er soll schnell sein, groß, technisch begabt, ein guter Kerl, ohne Allüren, vereinstreu, fleißig, nie verletzt. Mancher Manager oder Trainer wird überrascht sein, welcher Spieler herauskäme, gäbe man alle guten Eigenschaften in die Wunschbox ein. Wahrscheinlich hieße er: Timmy Simons. Er ist 27 Jahre alt und der wichtigste Mann des FC Brügge, der diesen Mittwoch das Hinspiel der Champions-League-Qualifikation gegen Borussia Dortmund bestreitet. Der Dortmunder Dede nennt die beiden Partien die wichtigsten des Jahres. Simons gewann in Belgien mit Brügge überlegen die Meisterschaft, beide Wahlen zum Spieler des Jahres und die Fairplay-Trophäe. Er hat seit Februar 2000 keine einzige Spielminute der ersten Liga verpaßt – eine Serie von 116 Spielen, nie verletzt, nie ausgewechselt, nie gesperrt, nie vom Platz gestellt – im Gegensatz zum Teamkollegen Birger Maertens, der es letzte Saison schaffte, in zehn Tagen dreimal Rot zu sehen. Brügges Wundermann, so nannte das englische Fußballmagazin FourFourTwo Simons in seinem Saisonrückblick. Und schloß nicht aus, daß er nun auch noch die Tour de France bestreitet. Wenn, dann hätte er es wohl bis auf die Champs-Élysées geschafft. Im Fußball sind Belgier traditionell die Verkörperung des Grundsoliden, die Meister des Machbaren. Das hat ihnen im Gegensatz zu den genialischen Nachbarn aus den Niederlanden sechsmal in Folge die WM-Teilnahme eingebracht. In diesem Rahmen ist Simons, der als Innenverteidiger begann, nun aber im 4-3-3-System der Brügger eine zentrale Mittelfeldrolle besetzt, so etwas wie der perfekte belgische Profi (…) Den finanziellen Möglichkeiten deutscher Profiklubs vergleichbar sind nur Brügge und Anderlecht. Doch im Duell mit den allwöchentlich geforderten deutschen Konkurrenten haben die belgischen Spitzenklubs den Nachteil der Überlegenheit. In der Liga kommt Brügge in vielen Spielen auf 80 Prozent Ballbesitz. Viele der 96 Saisontore fielen wie von allein. In Relation dazu wird Fußball im internationalen Vergleich mit seinem ständigen Druck und Tempo fast zu einer anderen Sportart.“
„Tomas Rosicky macht, was von ihm erwartet wird: Tore“ Tsp
Die SZ meldet. „Es ist möglich, dass sich La Coruña und der FC Bayern in der Champions League gegenüberstehen. Das ist interessant, weil La Coruña nun ein finanzielles Interesse amWeiterkommen des FC Bayern etwa aus einer gemeinsamen Gruppe hätte. Zudem erwähnte Rummenigge nicht, dass der FC Bayern sämtliche Nebenkosten des Transfers trägt. Aus La Coruña verlautet, die 18,75 Millionen Euro seien bereits komplett überwiesen worden. Zur Ablösesumme kommt noch eine Ausbildungsentschädigung für Makaays frühere Klubs; diese beträgt fünf Prozent der Transfersumme, wobei unklar ist, ob die Nachzahlungen für Meisterschaft und Champions-League-Gewinn zur Transfersumme zählen. Da der FC Bayern auch alle Honorare von Beratern und Agenten übernimmt, beläuft sich der Transfer auf bis zu 25 Millionen Euro.“
Walter Haubrich (FAZ 13.8.) porträtiert den Präsidenten von Deportivo La Coruña; und das klingt irgendwie abwertend. „Lendoiro, ein Mann von kleinem Körperwuchs, besitzt einen besonders ausgeprägten Ehrgeiz. Schon als Junge hatte der 1945 in dem atlantischen Fischerdorf Corcubión geborene Lendoiro zwei große Ziele: Er wollte Bürgermeister seiner Provinzhaupstadt La Coruña werden und Real Club Deportivo zu einer der Spitzenmannschaften der spanischen Liga machen. Seine politische Karriere verdarb ihm sein Klassenkamerad und langjähriger Intimfeind Francisco Vázquez. Lendoiro wurde von der konservativen Volkspartei PP mehrmals für den Bürgermeisterposten aufgestellt. Obwohl die Konservativen in der Region Galicien, deren zweitgrößte Stadt La Coruña ist, seit langem die stärkste Partei sind, verlor Lendoiro aber immer die Wahlen klar gegen seinen Jugendfreund Vázquez, der für die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei antrat und innerhalb dieser Partei als wichtiger Sprecher der praktizierenden Katholiken gilt. Der Rechtsanwalt und erfolgreiche Geschäftsmann mit den beiden großspurigen Vornamen machte, einmal an die Spitze gelangt, Deportivo zu einer Aktiengesellschaft. La Coruña solle zu einer der ersten Adressen im spanischen Fußball werden, kündigte Lendoriro Anfang der neunziger Jahre an und versprach nicht zuviel. Bis dahin gehörte Deportivo zu den Teams, die man in Spanien Aufzugsklubs nennt: ein Jahr fahren sie nach unten, in die zweite Division, im Jahr danach versucht man dann wieder nach oben, in die Primera División, zu gelangen. Jahrzehntelang hatte Deportivo die besten Spieler aus dem galicischen Nachwuchs nach Madrid und Barcelona verkaufen müssen. Lendoiro verkaufte nicht mehr, er kaufte – und das aus fast allen Ländern der Welt. Vor allem handelte er mit Profis. So nahm er in der Sommerpause bis zu 15 oder 16 Ausländer unter Vertrag, die er natürlich längst nicht alle einsetzen konnte. Deportivo veräußerte die meisten gegen Aufpreis an andere Vereine, die dringend eine Verstärkung brauchten, oder lieh Spieler für ein oder zwei Jahre aus. Talente aus seiner galicischen Heimat interessieren Lendoiro nicht. Lendoiro ist bei seinen spanischen Amtskollegen nicht gerade beliebt. Man gesteht ihm allerdings einen guten Blick zu für Spieler, die er brauchen oder auf welche er verzichten kann. In ganz Spanien hat sich Lendoiro unbeliebt gemacht, als er vor einigen Jahren erklärte, die damalige sozialistische Regierung habe alles getan, um zu verhindern, daß Deportivo spanischer Meister werde. Denn als Meister, so behauptete er, hätte er auch seinen sozialistischen Rivalen Vázquez aus dem Rathaus vertreiben können.“
Thomas Fromm (FTD 13.8.) berichtet Illegales aus Italien. “Seit Tagen verfolgt Italien fassungslos einen Fußballkrimi um gefälschte Bankbürgschaften, schweres Missmanagement und gestern gar die Festnahme eines Verbandsmitarbeiters. Mit den Bürgschaften sollen sich Ex-Meister AS Rom, Zweitligist SSC Neapel sowie die Drittligisten Cosenza und Spal aus Ferrara ihre Lizenzen für die nächste Spielsaison erschlichen haben. Allein Rom und Neapel sollen sich so rund 15 Mio. Euro an Bankbürgschaften besorgt haben. Abgewickelt wurden die Bürgschaften angeblich über die Zwischenfirma SBC – die aber wiederum gibt zu Protokoll, nichts von den Bürgschaften zu wissen. Auch warum den Klubs das Unternehmen SBC ausgerechnet von Mitarbeitern des italienischen Fußballverbands für die Bürgschaften empfohlen wurde, bleibt ein Rätsel. Also konzentriert sich vieles auf den Verbandspräsidenten: Was wusste Franco Carraro, der Fußball- und Verbandsmanager mit besten Kontakten zur Politik und Finanzwelt, von all dem? Der Präsident des Klubs in Catania, Luciano Gaucci, ist sicher: Carraro hat die Bankbürgschaften wider besseren Wissens durchgehen lassen, um etwa dem Konkurrenzklub aus Neapel den Klassenerhalt zu sichern. Gaucci hat den Verband und seinen Präsidenten bereits verklagt. Carraro bleibt indessen gelassen: „Gegen mich ist im Laufe meiner langen Karriere schon so oft ermittelt worden“, ließ Carraro wissen, „und immer hat sich alles in Luft aufgelöst“. Ganz sicher scheint sich Carraro aber nicht zu fühlen: Erst vor einigen Tagen hatte der Verbandschef Ministerpräsident Silvio Berlusconi in dessen Villa auf Sardinien aufgesucht und um Unterstützung im italienischen Fußball-Sommertheater gebeten. Und der stellte sich gestern demonstrativ hinter den angeschlagenen Freund: „Carraro bleibt im Amt“, erklärte Berlusconi – vielleicht, weil in Italien der Regierungschef auch die Fußballgeschäfte bestimmt. Aber er fügte hinzu: „Die Politik hat beim Sport die Hände aus dem Spiel zu lassen.“ Dass sich ausgerechnet der Ministerpräsident von seinem privaten Feriendomizil an der Costa Smeralda aus so klar im Fußballstreit positioniert, zeigt: Es geht um viel.“
Die Königin unter den griechischen Traditionsvereinen
Dem heutigen Gegner von Grasshoppers Zürich widmet sich Kostas Th. Kalfopoulos (NZZ 13.8.). „Sie ist die „Königin“ unter den griechischen Traditionsvereinen, auch wenn sie nicht den europäischen Ruhm ihres Rivalen Panathinaikos geniesst, der 1971, im Londoner Wembley Stadium, Ajax Amsterdam im Final des Meistercups 0:2 unterlag und mehrere Erfolge im europäischen Wettbewerb zu verzeichnen weiss. Auch wird sie nicht zur „Legende“ gestempelt wie ihr zweiter „historischer Gegner“, Olympiakos aus der Hafen-Mannschaft Piräus. Die Rotweissen gelten im Volksmund aufgrund ihrer unterschiedlichen Leistungen in den letzten Jahren als „staatlich bestellte Landesmeister“ und versuchen sich im Kollektivgedächtnis der Hellenen, teils vergeblich, teils erfolgreich, zu behaupten. AEK Athen, die Gelbschwarzen aus dem östlichen Stadtteil Nea Philadelpheia, gewappnet mit dem „doppelköpfigen Adler“ von Byzanz, war immer der interessierte Dritte in der griechischen Meisterschaft und schaffte öfters den Durchbruch mit mehreren Meistertiteln und Cup-Siegen. AEK ist die Mannschaft der „vertriebenen“ Griechen aus Konstantinopel, die 1924, zwei Jahre nach der kleinasiatischen Katastrophe, als Spielvereinigung in Athen gegründet wurde. Schon in ihrem ersten offiziellen Antritt in der lokalen Meisterschaft bezwang sie die legendäre Truppe der Brüder Andrianopoulos, die für den Olympiakos mehrere Titel nacheinander gewannen. Wobei Negrepontis, Pentzaropoulos und Maropoulos ihre Helden der Vorkriegsjahre waren. Anfang der fünfziger Jahre, als das Land noch unter den Trümmern des Bürgerkriegs lag, hat sich AEK als paritätisches Mitglied und ständiger Aspirant der Meisterschaft behaupten können. Zehn Jahre danach, gleich nach der offiziellen Gründung einer griechischen Liga, der Proti Ethniki, verpflichtete AEK Trainer und Spieler, die ihre eigenen Kapitel in der Geschichte des griechischen Fussballs verfassten: Die Serben Stankovic und Cajkowski, der Ungar Csaknanty, der Holländer Fadrhonc, der Pole Gmoch und der Österreicher Senekowitsch waren die erfolgreichen Trainer.“
Gewinnspiel für Experten