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Im stillen Geschäft des Interessengeschachers

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Im stillen Geschäft des Interessengeschachers

Thomas Kistner (SZ 27.2.) sorgt sich. „Im stillen Geschäft des Interessengeschachers kommt es aber weniger darauf an, wie viele Lobbyisten man beschäftigt, sondern vor allem auf deren Qualität. Diesbezüglich liegen erste Ergebnisse vor – Kirch hat sich gern ganz oben verbandelt, auf der Chefetage sportiver Entscheidungsträger. Im WM- Organisationskomitee 2006 etwa standen zwei der vier Topleute auf seiner Liste: Präsident Beckenbauer und dessen graue Eminenz, Wirtschaftskontakter Radmann. Und weil hier einer mit offiziellem Kirch-Kontrakt (Beckenbauer) ganz allein den Geheimvertrag des anderen absegnen durfte, hat Kirch ein ihm genehmes Geschäftsklima auf oberster WM-Ebene geschaffen, von dem bis vor Wochenfrist auch ein so hochkarätiger OK-Aufsichtsrat wie Bundesinnenminister Otto Schily kaum etwas geahnt haben dürfte. Das riecht unangenehm. Und dass der bekannte, mit vielen Euro- Millionen dotierte Kommentatoren-Vertrag Beckenbauers mit Kirch zumindest nicht dazu geführt hat, dass sich der smarte Fußballkaiser weiterführenden Kirch-Plänen entgegen gestemmt hat, ist in der Parallel-Affäre zu besichtigen – dem Geheimvertrag mit dem FC Bayern. So schaut es aus, das Fußballmodell Deutschland. Von Nachahmungen ist abzuraten. Oder nicht? Die Antwort geben die Verantwortlichen. Nicht nur die in den Verbänden, auch die Politik ist gefragt, wenn es um Selbstreinigung auf höchster WM-Ebene geht. Schon geht die Rede von Filz und Vetternwirtschaft durchs Land. Es sollte verhindert werden, dass sie zum Maßstab wird für alle künftigen Aktivitäten des OK. Die WM 2006 ist das größte Gesellschaftsereignis, es zieht sich noch Jahre hin. Nicht, dass es unerträglich wird.“

FR (26.2.). „An der Basis gärt es. Nur ein eilig ausgesprochener Maulkorberlass der DFL hat die erheblich irritierten so genannten Kleinen, deren Umsätze nur bis zu einem Zehntel des Branchenführers ausmachen, vorläufig ruhig stellen können. Deren Erwartungshaltung ist wenig missverständlich: Der große FC Bayern, der den Kirch-Vertrag statutenwidrig (siehe Zur Sache) nicht vorgelegt hat, darf keine Sonderrechte bekommen, fordert ein Bundesliga-Manager, der nicht genannt werden will und sich deshalb traut zu sagen: Die DFL steht vor einer Zerreißprobe. Die Konkurrenz fühlt sich brüskiert und schamlos ausgenutzt, aber sie weiß auch, dass sie sich in der aktuell ohnehin schon schwierigsten wirtschaftlichen Lage des 40-jährigen Bestehens der Bundesliga keine Skandale leisten kann. Und vor allem: keine Liga ohne die Bayern. Derweil gerät Bayern-Manager Uli Hoeneß zusehends unter Druck, absolutes Neuland für ihn, in dieser Rolle kennt er sich nicht, sagt ein Insider. Hoeneß, so erinnern sich Beteiligte in einer Mischung aus tiefer Verwunderung und persönlicher Enttäuschung, habe Ende der 90er Jahre wie ein Löwe darum gekämpft, die zentrale Vermarktung durch den DFB zu kippen. Es habe bei Manager-Tagungen gar wüste Attacken des streitbaren, gleichwohl immer mit offenen Visier kämpfenden Münchners gegeben, der sich – Ironie der Geschichte – regelmäßig bitter darüber beschwert habe, dass der damalige Ligadirektor und heutige DFL-Geschäftsführer Wilfried Straub die TV-Verträge nicht offen lege. Es war die Zeit, da Hoeneß zum Saisonstart den TV-Anstalten mit Stadionverbot drohte, um Druck gegen die DFB-Vermarktung zu erzeugen. Den damaligen Ligaausschuss unter dem heutigen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder hatte Kirch-Mann Franz Beckenbauer zu jener Zeit längst als Lachsack verspottet, die Bayern zogen sich bald aus dem Gremium zurück, ehe Hoeneß dann auf Aufforderung der verschüchterten Manager-Kollegen an der Seite von Straub und Mayer-Vorfelder den Kirch-Vertrag über drei Milliarden Mark für vier Jahre aushandelte. Jetzt durfte er endlich persönlich am Fleischtopf schnuppern, kannte nun die Vertragsdetails und könnte sein somit erworbenes Insiderwissen genutzt haben, um den umstrittenen Geheimdeal mit Kirch hinter dem Rücken von Mayer-Vorfelder und Straub in Form zu bringen. In der Öffentlichkeit warb Hoeneß plötzlich und unerwartet für das am 1. November 1999 von den Profivereinen verabschiedete Solidarmodell, das den Top-Clubs erheblich höhere Einnahmen zusprach als in den Jahrzehnten zuvor (siehe Zur Sache). Am 9. Dezember unterschrieben Hoeneß, Geschäftsführer Karl Hopfner und Schatzmeister Fritz Scherer laut kicker den ominösen Kirch-Kontrakt und berufen sich nun darauf, Kirch habe auf Geheimhaltung bestanden. Eine Forderung, die die Bayern angesichts der Vorlagepflicht bei der Lizenzierung rundheraus hätten ablehnen müssen.“

Im stern (27.2.) liest man. „Natürlich kann der Rekordmeister diese Affäre selbstbewusst und selbstgerecht wie immer überstehen. Denn auch wenn manche Fanseele kocht – die Münchner dürften ihre Lizenz nicht verlieren und auch keine Punkte. Wie der stern erfuhr, wird sich die DFL allenfalls zu einer Geldstrafe durchringen, die den Möglichkeiten des Liga-Krösus angemessen scheint. Womöglich müssen die Bayern allerdings noch mehr bluten. Denn der Verteilungsschlüssel der TV-Gelder aus der Zentralvermarktung dürfte zugunsten der klammeren Vereine geändert werden. Von den 290 Millionen Euro bekommen die 18 Erstligavereine in dieser Saison 232 Millionen. Die Hälfte dieser Summe wird gleichmäßig an die Klubs verteilt, die andere Hälfte nach einem komplizierten Schlüssel ausgeschüttet; je erfolgreicher der Verein war, desto höher ist sein Anteil. Der FC Bayern bekam in der vergangenen Saison 23,8 Millionen Euro, Borussia Mönchengladbach nur 8,07 Millionen. Ein DFL-Mann rechnet nun damit, dass die Davids der Bundesliga den Goliath Bayern mit der Wucht der Moral in die Knie zwingen. Als Lösung ist denkbar, dass in Zukunft drei Viertel der Lizenzgelder gleichmäßig verteilt werden. Und zwar schon ab der kommenden Saison – zur Wiedergutmachung. Doch viel spricht dafür, dass die Affäre damit keineswegs ausgestanden ist. Denn die Bayern-Kungelei wirft ein grelles Licht auf jenes fein gesponnene Netz der Macht, das sich der öffentlichen Sicht weitgehend entzieht. Dieses Netz warfen einst Leo Kirch und seine Manager aus; darin verfangen haben sich viele, die im Fußball etwas zu sagen haben.“

ältere Pressestimmen

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