Ballschrank
In Hollerbachs Welt sind Muskeln wichtig und Boxer Idole
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| Donnerstag, 25. März 2004
Jörg Marwedel (SZ 19.4.) porträtiert Bernd Hollerbach (HSV). „Sein Lebensmotto liest sich wie die Botschaft für eine friedliche Gesellschaft. „Leben und leben lassen“. Wäre Bernd Hollerbach irgendein Angestellter, zum Beispiel in einem Handelsunternehmen, die meisten würden ihm das sofort abnehmen. Schließlich kann er breit und freundlich grinsen, ist gerade heraus und wird von seinen Kollegen als „guter Kumpel, der keine linken Dinger macht“, beschrieben. Doch Hollerbach ist Fußballprofi, und als solcher hat der stämmige Verteidiger des Hamburger SV eine Furcht einflößende Bilanz aufzuweisen. 74 Gelbe Karten hat er seit 1995 in der Bundesliga gezeigt bekommen – einsamer Spitzenwert im tretenden Gewerbe. Am Saisonende wird er voraussichtlich zum dritten Mal hintereinander die Tabelle der Raubeine anführen. Und seitdem er vergangenen Samstag Dortmunds Spielmacher Tomas Rosicky per Ellenbogencheck beinahe schwer verletzt hätte, scheinen sich Liga, Fans und Medien endgültig einig zu sein in ihrem Urteil über den „schmutzigsten Spieler“ (Bild). Die User des Fanportals www. blutgraetsche.de wählten Hollerbach jedenfalls mit großer Mehrheit zum „Sack der Woche“ – wegen „drei rot-würdiger Fouls in zwei Monaten“. Ist das alles „Hetze gegen einen Typ, den jede Mannschaft sucht“, wie HSV-Trainer Kurt Jara behauptet? Ist Hollerbach ein Opfer der „Heuchler und der Heulerei“, typisch für „diese jammerige Gesellschaft heute“, wie der Angeklagte selbst glaubt? Für Hollerbach ist die momentane Debatte vor allem Ausdruck eines Generationenkonflikts. „Die alte Generation“, sagt er, „fand ich besser. Weniger Schauspieler, mehr Ehrlichkeit.“ Da habe ihm keiner, wie Rosicky, nach Spielende versichert, alles nicht so schlimm, um kurz darauf vor der TV-Kamera „Rot“ für ihn zu fordern. „Das“, sagt Hollerbach, „macht man nicht.“ Um das Weltbild des rauen Profis zu verstehen, muss man eintauchen in die elterliche Metzgerei im fränkischen Würzburg. Schon der kleine Bernd musste mit zupacken. Wenn er von einer Rauferei heimkam und sich beim Vater über die Gangart seiner Gegner beschwerte, hieß es: „Heul’ nicht rum, sieh zu, dass du zurecht kommst im Leben.“ Man hat ihm beigebracht, dass das Leben ein Kampf ist, man seine Meinung direkt sagt und der Mensch im Erfolg zur Bequemlichkeit neige, weshalb er Druck brauche. „Mit diesen Werten“, sagt Bernd Hollerbach, „kann ich etwas anfangen.“ Auch deshalb mag er vor allem Typen, die unbequem sind und nicht immer zimperlich. Karl-Heinz Wildmoser, der Präsident des HSV-Gegners am Samstag, 1860 München, ist für ihn so einer: „Der redet keinem nach dem Mund.“ Oder Bayern-Manager Uli Hoeneß: „Warum ist Bayern so erfolgreich? Weil der Uli sein Ding knallhart durchzieht.“ Oder Felix Magath, den andere „Quälix“ tauften, während Hollerbach zu dem strengen Trainer „aufschaute“, weil der ihm „beibrachte, was ein richtiger Profi ist – nicht aufhören, wenn’s wehtut, sondern über den Punkt hinausgehen“. In Hollerbachs Welt sind Muskeln wichtig und Boxer Idole.“
Häßlers Abschied
Elisabeth Schlammerl (FAZ 19.4.) bedauert die Art und Weise des Bundesligaabschieds eines Weltmeisters. „Wer Häßler beim Training beobachtet, bekommt nicht unbedingt den Eindruck, daß es sich dabei um jemanden handelt, der nicht mehr so richtig dazugehört. Häßler muß nicht den Balljungen spielen in seinen letzten Tagen an der Grünwalder Straße. Er darf sogar manchmal beim Trainingsspielchen in der Mannschaft mit den gelben Leibchen mitmachen, in die normalerweise Stammspieler eingeteilt werden. Götz ist offenbar um einen halbwegs ehrenhaften Abschied bemüht für den Welt- und Europameister. Im Gegensatz zu Präsident Karl-Heinz Wildmoser. Der gibt seit ein paar Monaten dem verdienten Spieler und Publikumsliebling immer wieder zu verstehen, daß dessen Zeit vorbei sei. Einmal schlug er vor, Häßler könne ja noch in Österreich oder in der Schweiz spielen. Dann verweigerte er ihm ein Abschiedsspiel. Das lohnt sich nicht. Da kommen nur 20.000 Zuschauer. Wenigstens will er sich beim Deutschen Fußball-Bund dafür einsetzen, daß der seinem 101maligen Nationalspieler eine gebührende Gala bereitet, obwohl es eigentlich gar keine Abschiedsspiele mehr gibt. Und nun hat Wildmoser auch noch die letzte Tür für Häßler zugeschlagen. Der schweigsame Icke tauge nicht für repräsentative Aufgaben, sagt der Löwen-Chef. Er ist nicht der Typ, der sich unter vielen Leuten wohl fühlt. Ihm einen Job anzutragen, bei dem er nicht an vorderster Front und in der Öffentlichkeit steht, sondern eher im Stillen wirken kann, aber dem an Identifikationsfiguren armen Klub erhalten bliebe, daran dachte Wildmoser nicht. Es heißt, das Verhältnis der beiden ist seit längerem nicht das beste. Womöglich, weil Häßlers frühere Frau und Managerin, Angela, einst bei Vertragsverhandlungen sehr unnachgiebig aufgetreten ist und die Löwen seitdem jährlich ein für ihre Verhältnisse sehr stattliches Salär bezahlten, angeblich 1,7 Millionen Euro.“
Christoph Biermann (SZ 17.4.) schreibt eine sehr lesenswerte Sammelrezension. „Verschiedene Bücher würdigen die Pionierarbeit von jüdischen Funktionären, Fußballern und Journalisten.“ Darin wünscht er sich abschließend auch von DFB, dem FC Bayern oder dem kicker-Sportmagazin, „die auf unterschiedliche Art und Weise Juden viel zu verdanken haben, deutlichen Zeichen des Respekts.“
„Die Fußballer-Gewerkschaft VdV kritisiert den Musterarbeitsvertrag für Profis und setzt auf eine tarifliche Regelung“ FR
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