Ballschrank
In Leverkusen
Kommentare deaktiviert für In Leverkusen
| Donnerstag, 25. März 2004
Selten, dass die differenziert berichtenden Autoren der Qualitätspresse, so lange sie nicht für den Spiegel schreiben, ein derart vernichtendes Urteil fällen wie Erik Eggers (FR 16.5.) über Jürgen Kohlers Arbeit als Sportdirektor. „Die gute Stimmung, die der Gute-Laune-Bär Kohler den depressiven Spielern auf dem Trainingsplatz vermitteln wollte, verflog bald. Es dauerte nicht lange, bis Kohler überhaupt nicht mehr am Training teilnahm, weil er das Tischtuch zwischen sich und Trainer Hörster bald zerschnitten hatte. Der Grund: Als Mittelfeldspieler Bastürk von Trainer Hörster aus der ersten Elf verbannt werden sollte, drückte Kohler, der doch Hörsters Kompetenzen nicht beschneiden wollte, den Türken wieder in die Mannschaft. Eine Demontage sondergleichen. Der Oberhörster hatte gesprochen, kommentiert das derStadtanzeiger süffisant, der Trainer musste gehorchen, Bastürk spielte furchtbar. Dass Jürgen Kohler der richtige Mann am richtigen Platz ist, daran wird in Leverkusen spätestens nach der Beinahe-Verpflichtung Udo Latteks gezweifelt, der ersten Aufsehen erregenden Aktion des neuen Sportdirektors. Allein die Idee, den wandelnden Fußball-Anachronismus und Stammtischredner zu engagieren, sprach ja schon für eine gewisse Chuzpe Kohlers. Zumal Latteks Aufgaben eben jenem Jobprofil entsprechen sollten, das auch der neue Sportdirektor laut Calmund zu erfüllen hatte: Rat zu geben als erfahrener, mit allen Wassern gewaschener Profi. Fußball-Deutschland goss Kübel von Spott aus über einen Klub, dessen Vorbildcharakter vor einem Jahr noch gerühmt worden war. Dank Kohler. Die Bilanz seines bisherigen Tuns jedenfalls ist verheerend. Der einstige Fußballgott droht abzustürzen.“
Markus Zydra (FAS 11.5.) ordnet den Versicherungsfall Bayer Leverkusen versicherungsökonomisch ein. „Welchem Fußballfan wäre dieser Fall zu Saisonbeginn in den Sinn gekommen? Bundesligist Bayer Leverkusen, ewiger Vizemeister und letztjähriger Champions-League-Finalist, kämpft gegen den Abstieg. Nur einer hatte solche Phantasie, und zwar schon vor zwei Jahren – pikanterweise war es ein Mann aus dem eigenen Stall. Natürlich, möchte man sagen, kann es sich dann bei Wolfgang Holzhäuser, dem Geschäftsführer des Vereins, um keinen richtigen Fan handeln. Doch wer sich mit Geld beschäftigt, dem sei Defätismus erlaubt, denn er muß mit allem rechnen. Und der Mißerfolg seiner Kicker gibt ihm womöglich recht. Gegen eine Prämie von 550.000 Euro hat Holzhäuser schon 2001 Bayer Leverkusen gegen die finanziellen Unbilden des Abstiegs versichert – und zwar auf fünf Jahre. Damit ist ihm ein Coup gelungen: Die lange Laufzeit ist ein absolutes Novum. Erstaunlich, daß er einen Versicherer gefunden hat, sagt Claus Wunderlich, Geschäftsführer des Maklerbüros Die Sport Assekuranz FinancialInsurance Broker. Schließlich kann in fünf Jahren auch der beste Verein tief abrutschen. Die Hannover Rück, so ist zu vernehmen, sitzt auf der Police, die Leverkusen im Abstiegsfall rund sieben Millionen Euro sichert. Das macht schon deutlich: Abstiegspolicen werden für Versicherer schnell ein Minusgeschäft. So kostete der überraschende Abstieg des spanischen Erstligavereins Atletico Madrid den Versicherer Frankona vor drei Jahren rund 25 Millionen Euro. Dazu mußte der Versicherer noch verkraften, daß Eintracht Frankfurt abstieg, Ulm in die dritte Liga stürzte und Bielefeld nicht aufstieg: Frankona mußte in allen drei Fällen zahlen – der Rückzug aus diesem Geschäft war die Folge, erinnert sich Wunderlich. Experten wie Jürgen Görling, Geschäftsführer der Hamburg-Mannheimer Sports, sprechen von einem Glücksspiel für den Versicherer. Sein Arbeitgeber hat sich deshalb aus diesem Geschäft zurückgezogen. Das Fußballgeschäft, so lernt jeder Toto-Spieler von klein auf, ist entgegen dem Bauchgefühl eben nicht prognostizierbar. Beispiel VfB Stuttgart: Vor einem Jahr hätte der VfB überhaupt keine Abstiegspolice für diese Saison erhalten, sagt Claus Wunderlich. Statt dessen wäre eine Absicherung für Bonuszahlungen an die Spieler, falls sie sich für die Champions League qualifizieren, damals kein Problem und sehr billig gewesen. Jetzt ist die Lage genau umgekehrt. Man sieht: Versicherbar ist im Prinzip jedes Ereignis. Fällige Spielerprämien im Erfolgsfall, Sponsoreneinbußen, wenn der Verein nicht in die internationalen Wettbewerbe kommt, Aufstieg ebenso wie Abstieg. Es kommt allerdings immer darauf an, wer sich versichern will.“
Gewinnspiel für Experten