Ballschrank
Inter gegen AS Rom, Stadtderby in Turin
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| Donnerstag, 25. März 2004Europas Fußball vom Wochenende: Resultate – Ergebnisse – Torschützen – Zuschauer
Ragazzi, ich bin glücklich
Birgit Schönau (SZ 8.4.) sah ein attraktives Remis zwischen Internazionale und der Roma. „Eine kleine Geste kann reichen zum großen Befreiungsschlag. Den Ball leicht mit dem linken Fuß ankicken beispielsweise, auf dass er über den Kopf von Fabio Cannavaro, über die gestreckte Hand von Francesco Toldo ins Tor perlt. Es war sechs Minuten vor Schluss, als Vincenzo Montella die Arme ausbreitete und wie ein Flugzeug über den Rasen von San Siro trudelte, „aeroplanino“ haben sie Montella wegen dieser Art der Zelebration genannt, aber zuletzt hatte er mit dem AS Rom wenig Grund zu jubeln. Jetzt feierte Montella, der ewige Ersatzspieler, der unter der Anteilnahme der halben Kapitale von seiner schönen Frau verlassen wurde und fortan keinen Ball mehr sauber zirkelte, einen persönlichen Triumph. 3:3, Ausgleich gegen Inter, Ende einer grandiosen Aufholjagd nach dem 1:3, Höhepunkt eines formidablen Fußballspiels oder besser: einer unfassbaren zweiten Halbzeit. Später schaute er, der angeblich so Hartgesottene, schmächtige, zähe Neapolitaner, verklärt in die Kameras. „Ragazzi“, sagte Montella: „Ich bin glücklich. Alles wird besser jetzt. Ich bin müde. So müde. Fragt mich nichts mehr. Ciao.““
Im Bett stundenlang hin und her gewälzt
Peter Hartmann (NZZ 8.4.) beschreibt in aller Ausführlichkeit eine Szene aus dem Turiner Stadtderby. „Es spielten noch acht für Torino gegen zehn von Juventus in diesem gehässigen 221.Turiner Derby, und Stefano Fattori stand allein vor dem Torhüter. Zuerst vergewisserte er sich mit einem Blick aus den Augenwinkeln, dass er nicht träumte, dass er nicht im Abseits stand. Er jonglierte den Ball vom rechten auf den linken Fuss, vom linken auf den rechten, und vielleicht steckte er während dieser kurzen Ewigkeit, die fünf Sekunden dauerte, in der Haut von Ronaldo. Er spürte die Leichtigkeit in den Fussgelenken, die Macht, die er über den gegnerischen Goalie hatte. Vor ihm lag Gianluigi Buffon, der Nationaltorhüter, auf dem Rücken. Er zuckte wie unter Strom, wie ein Tintenfisch auf dem Trockenen. Die Situation Matador gegen Stier. Stefano Fattori musste nur noch zustechen. Es war der Moment, der möglicherweise die Meisterschaft entschied. Das Publikum hielt den Atem an, es wurde gespenstisch still im Stadio delle Alpi, auch die Randalierer, die Ultras, erstarrten. Aber Fattori zögerte. Nachts hat er sich im Bett stundenlang hin und her gewälzt. Im Halbschlaf balancierte er den Ball weiter. Links-rechts-links-rechts, und es fiel ihm keine Lösung ein. Jeder andere hätte das Tor gemacht, mit einem Heber, mit einem Schlenker, hätte einfach draufgehauen oder noch einen Bogen versucht. Doch Stefano Fattori, der altgediente 31-jährige Verteidiger in Diensten der AC Torino, verscherzte in der 86.Minute diese kapitale Chance zum 1:1-Ausgleich, denn Buffon lenkte mit einem zappelnden Gummiarm den Ball noch in Corner. Fattoris Vertrag läuft Ende Saison aus, wahrscheinlich wird er arbeitslos, und die AC Torino wird den Abstieg kaum vermeiden. Zwei Minuten später gelang Tacchinardi das 2:0 für Juventus, ein Zittersieg, aber die “Alte Dame” hatte wieder einmal ihre eisernen Nerven mobilisiert. Die Juve vergrösserte sieben Runden vor Schluss ihren Vorsprung: fünf Punkte vor Internazionale.“
Traditionsreicher Toro steigt in die Serie B ab
Angesichts des wohl nicht abzuwendenden Abstiegs in die Serie B erinnert Birgit Schönau (SZ 7.4.) an die glorreiche Vereinsgeschichte des AC Turin. „Es war einmal das Derby von Turin. Juventus gegen Torino, der Rekordmeister gegen den Herzensklub der Nostalgiker. Es hatte Begegnungen gegeben, die Fußballgeschichte schrieben – das erste Derby nach der Katastrophe von Superga etwa, bei der im Mai 1949 die legendäre Mannschaft des „Grande Torino“ mit ihrem Flugzeug am Hausberg von Turin abstürzte – „Toro“ wurde posthum die Meisterschaft zuerkannt, die fünfte in Serie. Das erste Derby danach gewann Juventus 4:3 gegen die Jugendelf des AC Turin, um am Ende der Saison den Titel zu holen und die Rivalen endgültig als neuer Stern am Firmament des italienischen calcio abzulösen. Es gab das Derby im Oktober 1967, der Toro gewann 4:0 unter den Tränen seiner Fans, die wenige Tage zuvor ihr großes Idol Gigi Meroni zu Grabe getragen hatten. Meroni war an den Folgen eines Unfalls gestorben; das Unfallauto steuerte Attilio Romero. Im Sommer 2000 wurde Romero Präsident des AC Turin. Der Toro sollte endlich wieder gleichberechtigt neben Juventus stehen. Es blieb beim Traum. Der letzte Platz ist seit Wochen zementiert, zwei Trainer hat der exzentrische Romero in dieser Saison schon verschlissen, der dritte hat auch kein Glück. Enttäuschte Tifosi haben dem ungeliebten Präsidenten bereits einen wenig höflichen Besuch an seinem Amtssitz in der Altstadt abgestattet, und als die Fans Ende Februar bei einem Match gegen den AC Mailand in einer Eruption der Gewalttätigkeit das Alpenstadion gründlich demolierten, erhielt Torino Calcio auch noch Hausverbot für den Rest der Saison. Am Samstag durften sie zwar auf dem ebenso vertrauten wie ungeliebten Rasen auflaufen, aber nur als zahlende Gäste der Juventus. Nur 20.000 Zuschauer waren gekommen, sie verloren sich in der ungeheuer großen, ungeheuer kalten Betonschüssel. In der Juve-Kurve flatterten Hunderte kleiner Hohn- Fähnchen in der Luft, darauf stand nur der Buchstabe B. In die Serie B wird Toro ohnehin absteigen, aber zum Derby wollten sie es, wie so oft in ihrer Geschichte, noch einmal allen zeigen. Daraus wurde nichts.“
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