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Internationaler Stellenwert des deutschen Vereinsfußballs

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Internationaler Stellenwert des deutschen Vereinsfußballs

Die Sportredaktionen beschäftigen sich diese Woche mit der – in Anbetracht der aktuellen weltpolitischen Ereignisse letztlich irrelevanten – Frage, welchen Stellenwert der deutsche Vereinsfußball derzeit hat.

Die Sportredaktionen beschäftigen sich diese Woche mit der – in Anbetracht der aktuellen weltpolitischen Ereignisse letztlich irrelevanten – Frage, welchen Stellenwert der deutsche Vereinsfußball derzeit hat. Ein Europapokalviertelfinale ohne deutsche Beteiligung hat es schließlich vor zwanzig Jahren zum letzten mal gegeben. „Bild wird wohl den Notstand ausrufen nach dieser nationalen Schmach“, vermutet die FR. Dahingegen reagieren Selldorf, Biermann, Horeni Co. von den deutschen Qualitätszeitungen recht gelassen und erinnern an die zumeist erfolgreichen Münchner und Dortmunder Jahre der jüngeren Vergangenheit. Die Kollegen aus dem südlichen Nachbarland konnten sich eine kleine Stichelei dabei nicht verkneifen: „Europas Klubfussball-Elite unter sich“, freut sich die NZZ auf die Runde der letzten Acht und nennt zurecht die gescheiterten Teams aus Dortmund, Newcastle und Basel (!) in einem Atemzug.

Mit dem diesjährigen Auftritt von Borussia Dortmund zeigen sich die Experten alles in allem jedoch zufrieden. Auch den Reaktionen der direkt Beteiligten nach dem knappen Ausscheiden zufolge vermutet sich der erste deutsche Champions-League-Sieger (1997) auf sukzessiven Rückweg zur europäischen Spitze. „Die Dortmunder fühlen sich als Lehrlinge auf hohem Niveau“ (FAZ). Die FTD allerdings vermisste beim 1:0 in Mailand Elan, Glanz und nicht zuletzt Leidenschaft: „Mailand hat die besseren Fußballer. Warum aber die Dortmunder selbst in den Zweikämpfen sehr viel häufiger zurücksteckten als die tendenziell um den Sitz ihrer Frisur besorgten Italiener, war ein Rätsel.“

Das 0:2 der punktlosen Leverkusener gegen Inter Mailand nahm man lediglich in einer Fußnote zur Kenntnis, und die SZ war erleichtert, „dass die lästige Debatte erledigt war, nach der Bayer als Punktelieferant der Champions League angeblich für eine Wettbewerbsverzerrung gesorgt hatte. Rein logisch war das schon Unsinn, weil sie halt alle Punkte ablieferten.“

Bayer Leverkusen – Inter Mailand 0:2

Christoph Biermann (SZ 21.3.) fasst Leverkusener Reaktionen zusammen. „Darf man im Zusammenhang mit Bayer Leverkusen überhaupt noch von Fortschritten und Hoffnungszeichen sprechen? Nach der sechsten Niederlage in der Zwischenrunde der Champions League? Nach einem ewigen Negativrekord, weil es nach der Abschaffung der zweiten Gruppenphase ab kommender Saison keinem Team mehr gelingen kann, null Punkte zu erzielen? Man könnte, aber die Leverkusener selbst mochten das nach den Demütigungen der letzten Wochen nicht tun. Von der „besten Leistung in der Champions League in diesem Jahr“ sprach Reiner Calmund nach dem 0:2 gegen Inter Mailand zwar, aber er tat es so leise, als sollte es niemand hören. Thomas Hörster wollte sich ebenfalls kein Lob aus der Nase ziehen lassen, außer dem, dass sein Team „neunzig Minuten dran gezogen“ hatte. Damit war die durchgehend ansprechende kämpferische Einstellung gemeint. Wäre der Trainer von Bayer etwas mutiger gewesen, hätte er sogar einen Hauch von Leidenschaft loben können. Oder sich darüber freuen, dass die lästige Debatte erledigt war, nach der Bayer als Punktelieferant der Champions League angeblich für eine Wettbewerbsverzerrung gesorgt hatte. Rein logisch war das schon Unsinn, weil sie halt alle Punkte ablieferten.“

Philipp Selldorf (SZ 20.3.) kommentiert den Stellenwert des deutschen Fußballs. „Wir sind wieder wer, hatte es nach der WM 2002 im Rausch fußballnationalen Selbstbewusstseins geheißen. Aber wer sind wir noch gleich? Sind wir jetzt wieder ein Niemand, da die deutschen Klubs sämtlich zuschauen müssen? Die Antwort lautet ja, wenn wir die Vereine ab Platz drei der Bundesligatabelle zum Maßstab nehmen wollen. Die Antwort lautet nein, wenn wir das Opfer bringen, Bayern München oder Borussia Dortmund als unser fußballerisches Abbild zu akzeptieren. Diese beiden Größen ragen aus der deutschen Menge heraus, sie konkurrieren auf höchstem Niveau und trotzen Madrid und Manchester. Die Übrigen aber fürchten schon Málaga und Middlesbrough. Der Unterschied zwischen Bayern, Borussia und dem Rest der heimischen Fußballwelt spiegelt sich in der Bundesligatabelle und auf Europas Spielfeldern. Hinter den beiden Supermächten trösten sich die Kandidaten mit der Aussicht auf Überraschungserfolge, wie sie zuletzt Leverkusen und der deutschen Nationalelf glückten.“

Michael Horeni (FAZ 20.3.) meint dazu. “Die Außenhandelsbilanz des deutschen Fußballs im europäischen Spieljahr 2002/2003 ist erschreckend. Wie fast überall, wo in Deutschland derzeit bilanziert wird, muß der Blick schon sehr weit zurückreichen, um ähnlich schlechte Zahlen zu erfassen, mit der sich die aktuelle Malaise vergleichen ließe. Um den Absturz im europäischen Klubfußball zu ermessen, bleiben die Bundesligaklubs im Jahr 1984 hängen. Vor fast zwanzig Jahren haben die deutschen Vereine letztmals kollektiv die Zuschauerrolle eingenommen, wenn in den europäischen Klubwettbewerben die Viertelfinalspiele anstanden. Also eine große Krise auch im deutschen Fußball? Was nach dem Abschied auch der letzten deutschen Hoffnung aus der Champions League auf den ersten Blick so scheint, ist bei genauerer Betrachtung jedoch schon weit weniger alarmierend. Noch im Vorjahr stand mit Bayer Leverkusen ein Verein im Endspiel der Meisterklasse, Bayern München kam als Titelverteidiger noch ins Viertelfinale, und Borussia Dortmund erreichte das Finale im UEFA-Pokal. Der Absturz scheint zwar um so größer zu sein angesichts der Erfolgsbilanz des vergangenen Frühjahrs. Tatsächlich aber läßt sich gerade wegen der guten bis exzellenten Ergebnisse des Vorjahres und der jüngsten Vergangenheit gerade nicht von einer Krise sprechen – dafür müßte die Talfahrt im Land des Weltmeisterschaftszweiten mindestens ein, wenn nicht zwei oder drei Jahre länger andauern. Ein Einbruch hat gleichwohl stattgefunden.“

Welche Schlüsse zieht Uli Hoeneß aus dem schlechten deutschen Europapokal-Jahr? FR

Spieltag am Mittwoch NZZ

AC Milan – Borussia Dortmund 0:1

Birgit Schönau (SZ 20.3.) berichtet aus Mailand. „In der 84. Minute ging ein Ruck durch den Block mit knapp dreitausend Borussen-Fans im Meazza-Stadion. Sie johlten, sie tanzten, sie schwenkten ihre Fahnen. Ein spontaner Freudentaumel, garantiert trocken übrigens, denn nach einer Verfügung des Polizeipräsidenten durfte am Dienstag kein Alkohol ausgeschenkt werden – kein Bier für die Deutschen, kein Prosecco für die pelzbehangenen Signoras in den feinen Aperitivo-Bars der Modestraßen. Die Milanisti waren ohnehin ernüchtert verstummt, als Jan Koller sein Tor geschossen hatte. Rickens Zuspiel hinter dem Rücken von Nesta, eine halbe Drehung aus der Hüfte und ein kraftvoller Schuss, unhaltbar für Christian Abbiati. Hinter dem Milan-Tor hing eine große Fahne, darauf sah man den Gallier Obelix und den Spruch: „Borussia erobert Rom.“ Nebenan der Banner des Fanklubs Meschede, das ist eine Kleinstadt im Sauerland, an der die römischen Legionen seinerzeit tapfer vorbeimarschiert sind. Kollers Schuss zielte in die Mitte, genau zwischen Rom und Meschede – wie ins Nichts. „Als wir das Publikum jubeln hörten, haben wir uns für einen Moment Illusionen gemacht“, sagte Koller später. Für so viel Freude ohne ersichtlichen Grund konnte es nur eine Erklärung geben. Es war nur ein Gerücht, eine stille Post aus Moskau, angeblich hatte Lokomotive dort den Ausgleich gegen Real Madrid geschafft. Gern wollten sie es glauben, auch auf der Trainerbank. Verweile doch, du bist so schön, wird Matthias Sammer in diesem Augenblick gedacht haben, erfasst vom Hauch der Illusion unter dem großen Mond von San Siro. Als feststand, dass Real wie erwartet sein 1:0 in Russland für den Einzug ins Viertelfinale verteidigt hatte, strahlte Matthias Sammer immer noch über das ganze Gesicht und reichte seinem Gegner Carlo Ancelotti die Hand. Der „prussiano rosso“ (Corriere dello Sport), der Rote Preuße, hatte geschafft, was Trainer-Generationen vor ihm vergeblich erhofft hatten: Zum ersten Mal nach 47 Jahren siegte wieder eine deutsche Mannschaft gegen Milan in San Siro (…) Es ist kaum ein Trost, dass mit dem Sieg in Mailand für den deutschen Fußball wenigstens eine neue Zeitrechnung beginnt – nach dem 4:3 des 1.FC Saarbrücken am Allerheiligentag 1955.“

Zu den Ursachen des Dortmunder Ausscheidens heißt es bei Felix Meininghaus (FR 20.3.). „Am Ende hat es nicht gereicht, weil die Dortmunder beim Heimspiel gegen Real in der 93. Minute den Ausgleich zugelassen hatten. Eine verhängnisvolle Unachtsamkeit kostete das Überleben im Millionen-Euro-Spektakel. So sahen es zumindest die Protagonisten aus dem schwarz-gelben Lager, die auch in Mailand immer wieder die Schlüsselszene der Zwischenrunde ins Gedächtnis zurückriefen. Ganz so einfach stellen sich die Dinge indes nicht dar: De facto hat Borussia Dortmund mehr gefehlt als ein Moment der Aufmerksamkeit. Obwohl die Partie in Mailand gewonnen wurde, konnte der Beobachter im Vergleich feststellen, was eine Mannschaft aus der absoluten europäischen Spitze von einer unterscheidet, die erst noch in solche Sphären vordringen will: Obwohl es für Milan um nichts mehr ging, weil das Team längst für das Viertelfinale qualifiziert war, dominierten die Gastgeber die Begegnung über weite Strecken so eindeutig, dass das Schaulaufen anmutete wie eine Trainingseinheit auf gehobenem Niveau. Dagegen agierten die Dortmunder unerklärlich passiv.“

Michael Horeni (FAZ 20.3.) meint zu diesem Thema. “Mit zehn Punkten sollte man eigentlich weiterkommen, sagte Gerd Niebaum, aber nicht, wenn die Gegner Real und Milan heißen. Der Präsident der Dortmunder sah den Grund für das Ausscheiden des deutschen Meisters und letzten internationalen deutschen Vertreters nicht beim 1:1 gegen Real, sondern vielmehr in der Heimniederlage gegen Milan. Man dürfe zu Hause unentschieden gegen den Titelverteidger spielen, aber nicht gegen die Italiener verlieren. Denn da gibt es keinen Unterschied in der Klasse. Tatsächlich nicht? Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß Borussia Dortmund noch nicht zu den Adelskreisen zählt, dann lieferte ihn der Auftritt im Meazza-Stadion. Die schon vorab ins Viertelfinale versetzten Italiener spielten weder mit ihrer allerbesten Elf noch mit dem Ehrgeiz einer Mannschaft, die unbedingt gewinnen muß. Auch mit der gebotenen Zurückhaltung angesichts des wahren Spitzenspiels von Milan am Samstag in der Serie A gegen Juventus Turin durften die Borussen die ersten 60 Minuten als Lehrstunde auffassen. Der elegante Nesta als Abwehrdirigent, der kluge Rui Costa als Mittelfeldorganisator und der selbstbewußte Rivaldo als stürmischer Alleinunterhalter waren mehr als genug, um in den Dortmundern eine bemühte, aber in ihren Fähigkeiten begrenzte Mannschaft zu erkennen. In der ersten Halbzeit haben wir sehr schlecht gespielt, gab auch Sammer zu. Nach ernsthaften Worten in der Kabine steigerte sich der Meister ein bißchen, aber daß aus dem Anschauungsunterricht in technisch anspruchsvollem Fußball noch ein Sieg wurde, war vielmehr dem immer weiter nachlassenden Ernst der Italiener geschuldet. Europa, ade – nun also Bielefeld.“

Malte Oberschelp (SZ 20.3.) resümiert das Abschneiden des FC Basel. „Wie schwierig es ist, ein Schweizer Team auf internationalem Niveau zu stabilisieren, damit hat Gross seine Erfahrungen. Mitte der neunziger Jahre formte er die Grasshoppers zum besten Team des Landes und schaffte es zweimal hintereinander in die Champions League, auch seine Basler Spieler Pascal Zuberbühler, Murat Yakin und Bernt Haas waren damals dabei. Schon träumte man in Zürich davon, in Europa zur festen Größe zu werden – bis die finanzstarken Klubs auf den Underdog aufmerksam wurden und sich Trainer und Team in alle Winde zerstreuten. Auch der FC Basel hat große Ziele (…) Im Spitzenfußball bleiben die 35 Millionen Franken Budget der Basler Peanuts. Von daher ist es vermutlich kein Zufall, dass der Höhenflug des Vereins in eine Phase fiel, die den großen europäischen Ligen finanzielle Probleme bescherte und den Kapital- wie den Transfermarkt zum Erliegen brachte. In Zeiten des Booms hätte ein Spieler wie Hakan Yakin, der gegen Juve ausnahmsweise an keinem der Tore beteiligt war und bereits im November via kicker eine Stellenanzeige aufgab („Ich könnte schon im Januar wechseln“), die Partie womöglich gar nicht mehr bestritten. 1997 ging Christian Gross von den Grasshoppers zu Tottenham Hotspurs, heuer hatte er nur ein Angebot des maroden 1. FC Kaiserslautern vorliegen.“

Frank Schneller (FTD 20.3.) erkennt einen Konflikt bei den Verantwortlichen von Bayer Leverkusen. „Zu bunt wurden die jüngsten Namensnennungen und das nicht enden wollende Theater abseits des Rasens unlängst dem Sportbeauftragten der Bayer AG, Meinolf Sprink. Er maßregelte Manager Calmund öffentlich: Ein Exprofi sei für das Amt des Sportdirektors nicht vorgesehen. Beobachter der Leverkusener Szene interpretieren das als mittleren Machtkampf mit Calmund. Sprink steht Calmunds Aktionismus zunehmend distanziert gegenüber. Ihm bereitet das Erscheinungsbild der Fußballer zunehmend Kopfzerbrechen: die sogar von Fifa-Präsident Joseph Blatter kritisierten Antiauftritte im Europapokal, der drohende Abstieg – und vor allem die verfehlte Personalpolitik, die Calmund verantworten muss. Kaum einer der Neuzugänge, die vor der Saison für über 25 Mio. Euro verpflichtet wurden, entpuppte sich als Glücksgriff. Auch mit den personellen Nachbesserungen in der Winterpause konnte Calmund nicht überzeugen. Besonders brisant: Die sensible Bayer-Mannschaft gilt als nicht besonders geeignet für den Abstiegskampf. Manchen, bemängelt Nowotny, fehle es an Disziplin, Realitätssinn und Selbstkritik. Kein Wunder: Spieler wie Jörg Butt, Hanno Balitsch oder Thomas Brdaric fanden trotz manch schwacher Darbietung den Weg in die Nationalmannschaft. Nicht zuletzt deshalb gelten sie und viele ihrer Kollegen in der Chefetage Bayers und auch bei Wirtschaftspartnern als verhätschelt. Hauptsponsor RWE etwa gießt über die Kicker in einer Anzeigenserie seit Wochen Hohn und Spott. Eine Kampagne, die zu kommentieren selbst Calmund schwer fällt.“

(19.3.)

Jörg Stratmann (FAZ 19.3.) war auf der abschließenden Pressekonferenz in Leverkusen vor dem Spiel gegen Inter Mailand. „Wir werden, sprach Hörster, genauso vorgehen wie bisher. Heute abend, so ist zu vermuten, atmet der einstige Nationalspieler tief auf, weil er die Bühne der europäischen Fußball-Eliteliga endlich verlassen darf. Vielleicht des ungewohnten Scheinwerferlichts wegen, das hier noch intensiver brennt als in der Bundesliga. Vor allem aber, so sagte er, weil er sich dann endlich auf das konzentrieren könne, wofür sie ihn vor einem Monat eigentlich vom Betreuer der Amateure zum Cheftrainer des Profikaders befördert hatten. Nicht, um unter Champions zu glänzen, und schon gar nicht, um die Medien bei Laune zu halten, wie Calmund sagte: Er hat die Aufgabe, die Klasse zu halten. Punktum. Und daran kann Hörster nun ohne Ablenkung arbeiten. In vier Wochen habe er höchstens sechsmal richtig trainieren können, sagte er. Jetzt kann ich sechsmal in der Woche trainieren. Und weil er nach vier Bundesligaspielen mit sieben Punkten voll im Soll ist, steht Bayer fest zur internen Lösung. Dabei weiß der 46 Jahre alte Trainer selbst, daß seine unaufgeregte, für manche allzu trockene Art nicht überall gut ankommt. Daß er mittlerweile sogar als treffendste Illustration für einen Fußball von der ganz traurigen Gestalt herhalten muß, der auch letzte Reste alten Leverkusener Glanzes vergessen läßt. Der keine weitschweifigen Erläuterungen vorträgt, wo es nichts zu beschönigen gibt. Der sich auch weigert, seinen Mitarbeitern mit Durchhalteparolen Aufbruchstimmung zu vermitteln, wo er rein fachlich gesehen nichts als Defizite erkannt hat. Der allerdings auch allzu knapp positive Erkenntnisse herauspickt, wo sich der Zuhörer gerne eine etwas ausgewogenere Analyse gewünscht hätte. Hörster weiß auch das. Und weil er seine neue Position durchaus als persönliche Chance begreift, macht er kein Hehl daraus, daß er an seinen Schwächen arbeitet, sich beraten und begleiten lässt (…) Sämtliche Experten bestätigten dem neuen Trainer erstklassige Arbeit. Das gelte sogar für die Meinungsführer in der Mannschaft. Neunzig Prozent seien gegen den Trainer? Spielführer Carsten Ramelow, der gerade erst bestätigte, auch für den Fall des Abstiegs bei Bayer zu bleiben, brach eine Lanze für Hörster. Und ich weiß, daß alle wichtigen Spieler so denken wie ich. Hörster nahm es dankbar zur Kenntnis. Ramelow habe auch damit ein Zeichen gesetzt, sagte er. Er hat mir schon sehr geholfen. Alles andere soll die Arbeit im Trainingsalltag richten. Von diesem Donnerstag an kann der Trainer beweisen, daß er sich vor allem darauf versteht.“

Philipp Selldorf (SZ 19.3.). „Die Bundesliga bangt um ihre Fernseheinnahmen, und ihre führenden internationalen Vertreter, der FC Bayern und Borussia Dortmund, sorgen sich, was aus der Champions League wird, die in den letzten Jahren ergiebig war wie ein riesiges Ölfeld. Aus dem in diesem Sommer endenden Fernsehvertrag hat die Champions League so viel Geld wie nie zuvor erwirtschaftet. In der laufenden Saison garantiert die Uefa als Veranstalter eine Einnahme von 1,1 Milliarden Schweizer Franken, die unter den teilnehmenden Vereinen nach einem Schlüssel aufgeteilt werden. Ab der nächsten Saison werden die Einnahmen aus der Vermarktung der Edel-Liga nach Angaben von Karl-Heinz Rummenigge auf 850 Millionen Franken sinken, wobei jedoch wegen der zögerlichen Verhandlungen mit den Fernsehsendern unklar ist, wie sich diese Summe ergeben soll. Für den Vorstandschef des FC Bayern, der auch Sprecher des Großklubgremiums G14 ist, kein Grund zur Unruhe: „Wir sind deswegen nicht gestresst“, behauptet er, „das Produkt behält seinen hohen Stellenwert – es ist das Beste, was der Klubfußball in der Welt zu bieten hat.“ Die Champions League bleibt dabei ihrem Ruf als ewige Baustelle treu. Seitdem der traditionelle Landesmeisterwettbewerb zur Saison 92/93 umgetauft und sein Teilnehmerkreis erweitert wurde, ist der Modus permanent reformiert worden. Auch heute schlägt der Liga wieder eine historische Stunde: Die vier Begegnungen am Abend sind die letzten Treffen einer Zwischenrunde. Ab der nächsten Saison wird der Wettbewerb nicht mehr in zwei Gruppenphasen ausgetragen. Nach der Vorrunde begegnen sich die Klubs im K.o.-Takt. Die maximale Anzahl der Spiele (inklusive Finale, ohne Qualifikation) sinkt von 17 auf 13. Ein reizvoller Akt der Beschränkung.“

Die NZZ (19.3.) berichtet den 2:1-Sieg des FC Basel über Juventus Turin. „Wer zu deutschen Schlagern wie „Wunder gibt es immer wieder“ Zuflucht nimmt, dessen Situation präsentiert sich in der Regel ausweg- und hoffnungslos. In der Regel. Doch an welche Richtlinien hat sich der FC Basel im letzten halben Jahr während seiner Tournee durch die renommierten Stadien Europas denn schon gehalten? Keinen Deut hatte es den Schweizer Titelhalter gekümmert, dass er den vermeintlich übermächtigen FC Liverpool in den Uefa-Cup abgedrängt hatte; Spartak Moskau hat er sowieso nie eine Träne nachgeweint. Und wer hätte eine stattliche Summe darauf gewettet, dass der FCB gegen jeden der sechs reputierten Gegner mindestens einen Punkt gewinnen würde? (…) Stilsicherheit sowie Abgeklärtheit strahlten die Italiener an diesem Abend über weite Strecken aus. Dass die Basler dennoch einen Sieg erreichten, war nicht nur dem Tor Mario Cantaluppis in der 38. Minute zu verdanken, der unverhofft den Ausgleich markiert hatte, sondern dem ausgeprägten Torinstinkt des Argentiniers Giménez, der in der 92. Minute den Siegtreffer erzielte. Damit haben die Basler einen wunderbaren Schlusspunkt unter eine sechsmonatige Kampagne gesetzt und nicht nur ein Spiel, sondern erneut einigen Respekt gewonnen. Mehr lag für die Basler am Abend ihrer Abschiedsvorstellung jedoch nicht drin. Dazu hätte das Feuer (noch) leidenschaftlicher brennen und der Gedanken verdrängt werden müssen, dass hier eine schier unmögliche Aufgabe gestellt worden war (…) Der Leader der Serie A stand im Gleichgewicht, wirkte abgeklärt und strahlte physische Präsenz aus. Als Exempel dieser Qualitäten kann der Kroate Tudor herausgegriffen werden, der die Turiner bereits gegen La Coruña ins späte Glück geschossen hatte. Man hat die Basler im eigenen Stadion vor allem in der ersten Halbzeit allerdings selten so ratlos erlebt; sie rätselten lange, wie sie den dicht gestaffelten, hoch stehenden Turiner Reihen beikommen wollten. Abgesehen von den letzten zwanzig Minuten liessen sich die Italiener nur äusserst selten in ihrer Platzhälfte einschnüren. Dass sie in der Nachspielzeit dennoch in eine für sie unerhebliche Niederlage gedrängt wurden, vermag den Gesamteindruck nur marginal zu schmälern, ist für den FCB aber von moralisch hohem Aussagewert. Zum Schluss mischte sich dann trotz dem Sieg wie erwartet etwas Wehmut in die Basler Festspiele, die auch zu späterer Stunde noch anhielten. Die stille Melancholie überzog den St.-Jakob-Park wohl weniger deshalb, weil einem (unrealistisch) hohen Sieg gegen Juve nachgetrauert worden wäre. Vielmehr trat allmählich ins Bewusstsein, dass der Basler Anhang Abschied nehmen musste von jener Bühne, die der FCB vor mehr als sechs Monaten über eine schmale Hintertüre betreten hatte. Nach zwölf Partien hat er sie unter Standing Ovations und einer Verbeugung verlassen.“

(18.3.)

Felix Meininghaus (FTD 18.3.). „Als Jürgen Kohler am Ende der vergangenen Saison im Westfalenstadion seinen tränenüberfluteten Ausstand gab, waren sich die Fans auf der Südtribüne sicher, im millionenschweren Ensemble von Borussia Dortmund sei die Zeit der Malocher endgültig vorbei. Kicker wie der, den sie einst „Fußballgott“ tauften, so die Überzeugung des harten Kerns im legendären Block 13, werde es nicht mehr geben. Doch mittlerweile haben die Jungs aus der schwarz-gelben Hardcore-Fraktion Kohlers legitimen Nachfolger gefunden: Jan Koller. Liebe auf den ersten Blick war das allerdings nicht, die Liaison zwischen dem anspruchsvollen Dortmunder Publikum und dem tschechischen Spieler, der 2001 für 21 Mio. DM aus dem belgischen Anderlecht geholt wurde. Weil der lange Schlaks oft ungelenk agierte und Chancen verstolperte, rümpften viele verächtlich die Nase. BVB-Trainer Matthias Sammer ist solcher Geringschätzung stets entgegengetreten. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, trat der Coach mit Nachdruck für ihn ein. Dann sagte er Dinge wie diese: „Jan läuft sehr viel und bestreitet unglaublich viele Zweikämpfe. Er ist einer meiner wertvollsten Spieler.“ Zudem gehörte der Stürmer in der Meistersaison zu Dortmunds effektivsten Abwehrleuten. Mit Koller in der Rückwärtsbewegung war der BVB bei den so genannten Standardsituationen unüberwindbar. Den ersten Gegentreffer nach einer Ecke oder einem Freistoß kassierte das Team weit in der Rückrunde bei der Partie in Leverkusen – zu dem Zeitpunkt war Koller vom Platz geflogen. Mittlerweile sind die Kritiker längst verstummt, weil Koller auch noch regelmäßig ins Tor trifft. 20 Treffer in der Bundesliga und 13 in den europäischen Wettbewerben hat der 29-Jährige inzwischen angesammelt. Wenn die Dortmunder heute in Mailand um ihre letzte Chance kämpfen, in der Champions League zu bleiben, ist Koller ihr stärkstes Argument. Auf der großen kontinentalen Bühne wird er in einem Atemzug mit Superstars wie Raul oder van Nistelroy genannt, seitdem er die Abwehr von Real Madrid in Angst und Schrecken versetzte und dabei zwei Tore erzielte.“

Berlusconi verbietet Rotation beim AC Milan SZ

Zur Lage von Lok Moskau sowie in Russlands Liga Tsp

Zur Situation des FC Valencia lesen wir von Georg Bucher (NZZ 18.3.). „Zweimal in Folge Finalist der Champions League und nach 31 Jahren Unterbruch 2002 spanischer Meister geworden, zählt sie unbestritten zur Crème de la Crème des europäischen Fussballs. Hector Cupers erfolgreiche Arbeit hat Rafael Benitez fortgesetzt und durch den Einbau ästhetisch-spektakulärer Elemente, die vor allem Aimar liefert, den Anhang versöhnlich gestimmt. Wer in der Levante nach altitalienischer Art sogenannten Ergebnisfussball praktiziert wie der Argentinier Cuper und zudem alle Endspiele verliert, verscherzt sich die Sympathien der Aficionados. Auch die laufende Saison ist Benitez monatelang nach Wunsch gelaufen. Seine Mannschaft stand in der Primera División immer auf einem Champions-League-Rang und absolvierte die Vorrunde der Champions League en passant. Mit 17 Toren, acht davon gegen Basel, wurde die höchste Trefferquote aller Teilnehmer erzielt. Umso auffälliger ist die Zäsur zur Zwischenrunde. Die auswärts ungeschlagenen Levantiner trafen in fünf Matches nur dreimal ins Tor. Ausgerechnet vom Tabellenletzten AS Rom (0:3) wurde die auf europäischem Parkett während 22 Spielen stabile Mestalla-Festung geschleift. Dank dem überragenden Totti und einer Konterstrategie, die bis dato Valencias kontinentales Markenzeichen war.“

Die NZZ (18.3.) verabschiedet den FC Basel aus der Champions League. „Nicht nur die sportliche Bilanz des Schweizer Meisters hat in den Kernländern des europäischen Fussballs Respekt hervorgerufen und ihn auf der sportlichen Landkarte kenntlich gemacht. Auch die physische Präsenz des Basler Anhangs, der in grosser Zahl Busse und Flugzeuge bestiegen hatte und nach Spanien, England (2500 in Liverpool), Russland und Italien (10.000 in Turin) gereist war, nötigte allenorten Achtung ab. Aber auch wenn sich trotz Fasnacht nochmals Heerscharen (3000) von Baslern nach Manchester aufgemacht hatten, bleibt dennoch der Eindruck haften, dass sich die bedingungslose Begeisterung für das “Abenteuer Champions League“ nach dem Erreichen der Zwischenrunde etwas gelegt hat. Was sich sportlich in der Statistik erhärten lässt (nur noch 3 Tore in 5 Spielen), war auch auf den Rängen zu spüren: Die Voltzahl des Enthusiasmus bewegte sich nicht mehr in den gleichen Werten wie noch im Herbst. Was bleibt, ist die Erinnerung und die Gewissheit, die Werbetrommel für den hiesigen Fussball gerührt zu haben. Das Andenken daran, den renommierten FC Liverpool in den Uefa-Cup verwiesen, eine Stadt in fünf Heimspielen in Freudentaumel versetzt zu haben und an den gestellten Aufgaben mit jedem Match ein bisschen gewachsen zu sein. Vor allem aber hat die Mannschaft rasch aus Fehlern gelernt. Nur zweimal in elf Partien war sie nicht auf der Höhe: in Valencia (2:6) und in Turin (0:4). Dass den Baslern der Zugang zur ausgedünnten Crème de la Crème verwehrt bleiben wird, entspricht dem Abbild der Kräfteverhältnisse in der Gruppe D. Während einer gewissen Zeit kann eine Gruppe über sich hinauswachsen, über einen längeren Zeitraum aber macht sich das kleinste Budget der 16 Mannschaften auch sportlich bemerkbar. Dass Manchester United und Juventus Turin die beiden Viertelfinal-Plätze in der Poule beanspruchen werden, entspricht deshalb der Logik und der Papierform.“

Peter Hartmann (NZZ 18.3.) porträtiert. „Pavel Nedved, der in seiner Jugend auch Eishockey spielte und sich als Mittelstreckenläufer versuchte, stammt aus der Drillschule des Militärklubs Dukla Prag. Fünf Jahre lebte er in Rom, bevor er die Villa über Turin bezog. Sie hatte ihm sofort gefallen, weil er von der Haustüre aus gleich loslaufen konnte. Dann bemerkte er, wer sein Nachbar war: Umberto Agnelli, seit dem Tod seines Bruders Giovanni Präsident von Fiat und Padrone von Juventus. Die beiden grüssen sich. Sonst hat Nedved kaum Kontakte. Partys und Fernsehkameras meidet er, und seine Frau Ivana erzählt, er sei zu Hause so energieschonend faul, dass er am liebsten im Bett esse.“

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