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Interview mit Rudi Völler – Bernd Trautmann, the man who broke his neck, wird 80

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Interview mit Rudi Völler – Bernd Trautmann, the man who broke his neck, wird 80

Der bloße Erfahrungswert ist durch nichts zu ersetzen

SpOn-Interview mit Rudi Völler

SpOn: Bereitet es Ihnen Sorge, dass deutsche Spieler, insbesondere junge, in der Bundesliga nur selten zum Einsatz kommen und stattdessen ausländische Akteure spielen?

RV: Wir sind nun einmal an geltendes EU-Recht gebunden. Allerdings hat man es in anderen europäischen Ligen auch geschafft, den eigenen Nachwuchs intensiv zu fördern, Deutschland nimmt da im Vergleich eher einen hinteren Platz ein. Ich hoffe, dass DFB und DFL eine Lösung finden, wie man jungen Talenten mehr Spielpraxis verschaffen kann. Denn Spielpraxis ist und bleibt das A und O!

SpOn: Also besser bei einem Zweitligisten auf dem Rasen, als bei einem Erstligisten auf der Bank?

RV: Da ist sicher etwas dran. Mein Glück zum Beispiel war, dass ich als junger Spieler bei den Offenbacher Kickers unter Vertrag stand. Die hatten akute Finanzprobleme und konnten nicht einkaufen, so dass ich auch dann eingesetzt wurde, wenn ich vorher dreimal Käse gespielt hatte. Dennoch muss es natürlich das Bestreben sein, sich irgendwann auch in der Bundesliga durchzusetzen.

SpOn: Stuttgarts Trainer Felix Magath meinte in diesem Zusammenhang sogar, dass es ein heilsamer Schock gewesen wäre, sich einmal nicht für die EM zu qualifizieren.

RV: Ich glaube, dass Felix im Nachhinein über sich selbst erschrocken ist. Nein, es muss immer das Ziel sein, an einem solchen Turnier teilzunehmen. Der bloße Erfahrungswert ist durch nichts zu ersetzen. Selbst ein misslungenes Turnier wie die EM 2000 ist besser, als gar nicht dabei zu sein.

SpOn: Dass es keine Fußball-Zwerge mehr gibt, predigen Sie fast wie ein Mantra.

RV: Wäre unsere Nationalmannschaft das einzige Team, dem es manchmal so geht wie gegen die Färöer oder Island, dann könnte man sagen: Was erzählt denn der Völler da, die anderen hauen ihre Gegner 8:0 weg, also muss er das mit seinem Team auch schaffen. Aber man sieht es ja jetzt auch im Uefa-Pokal, wo Hertha und der HSV gegen weitgehend unbekannte Mannschaften ausgeschieden sind. Oder Brasilien: Die gewinnen in Bestbesetzung mit Mühe und Not 1:0 gegen Jamaica. Solche Resultate sind mir dann schon eine kleine Genugtuung.

SpOn: Hängt es Ihnen manchmal zum Hals raus, den Journalisten dies immer wieder erklären zu müssen?

RV: Nein, und ich werde es immer wieder tun, auch wenn das manch einem nicht passt. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir achtmal gegen Albanien gespielt und immer nur ganz knapp gewonnen. Trotzdem glaubt jeder immer aufs Neue, dass wir die mit 5:0 weghauen müssen. Das stimmt einfach nicht. Die können auch Fußball spielen. Würde man Eintracht Frankfurt ihre drei Albaner Skela, Cipi und Dragusha wegnehmen, dann hätte der Club ein Riesenproblem.

In der Reihe „Fußball und Sprachkritik“ schreibt Siegbert Heid (FES): „„Wir wollen Jens gezielt aufbauen und nichts übers Knie brechen“, sagte Leverkusens Trainer Klaus Augenthaler über den Werdegang seines zweimal am Knie operierten Schützlings Jens Nowotny. Augenthaler war schon damals in München und in der Nationalmannschaft ein besonderes „Sensibelchen“ (…) In der Rundfunkübertragung des Spiels 1860 München – 1.FC Köln informierte uns darüber der Reporter mit den Worten: „ Spielerisch liegt der Hase bei den Löwen im Mittelfeld begraben.“ Bis heute hat ihn nämlich noch niemand ausgegraben, nachdem ihn der Löwe offensichtlich nicht gefressen hat. Zur Vulgärsprache setzt jetzt der Schriftsteller Michael Klein den Kontrapunkt. Er hat einen Krimi geschrieben („Nie mehr 2. Liga“), weil er erkannt hat, wie sehr der Fußball in das Alltagsleben eingreift. Deshalb meint er, der Sport habe es längst verdient, auch literarisch mehr gewürdigt zu werden. Er hat sich als Medium Energie Cottbus ausgesucht, weil man dort den Humor nicht verloren hat. Als er nämlich den Pressesprecher anrief und ihn mit der Nachricht schocken wollte, dass er gerade dessen Libero abgemurkst habe, antwortete dieser ungerührt, „ geht nicht, wir spielen mit Viererkette.“ Man kam in Kontakt. Der Schriftsteller war drei Wochen zur Recherche bei der Mannschaft, weil er es nicht wie Karl Marx oder Karl May machen wollte. Beide haben über Rote geschrieben und nie welche gesehen. Ich bin gespannt, wie kultiviert die Sprache im Roman mit dem Fußballgeschehen umgeht. Der Platzwart ist jedenfalls nicht der Mörder.“

Die FAZ (22.10.) gratuliert Bernd Trautmann zum 80. Geburtstag: „Was Trautmann zum Helden (in Manchester) machte, sind seine abenteuerliche Lebensgeschichte und seine Tollkühnheit im Tor: Vom Kriegsgefangenenlager Camp 50 schaffte der deutsche Soldat über den Amateurklub FC St. Helens den Aufstieg ins Tor von Manchester City. 1955 stand er mit City im Cup Final von Wembley, dem ältesten und traditionellsten Ereignis der Fußballgeschichte. Mit zehn Mann verlor City 1:3 gegen Newcastle United. 1956 wurde der deutsche Teufelskerl als erster Ausländer zum englischen Fußballer des Jahres gewählt und anschließend mit Manchester City Cup-Sieger durch ein 3:1 im Finale über Birmingham City. Bei einer im wahrsten Sinne des Wortes halsbrecherischen Rettungstat wurde Trautmann zwanzig Minuten vor Schluß vom Schußbein Peter Murphys mit voller Wucht am Nacken getroffen. Bewußtlos blieb Trautmann liegen. 100 000 Zuschauer hielten im Wembley-Stadion den Atem an. Doch der eisenharte Deutsche rappelte sich wieder auf, spielte im Unterbewußtsein weiter, lief die Ehrenrunde mit, drückte der Queen die Hand, hielt den Cup in den Händen und wußte nicht, daß die Schmerzen im Nacken von einer fast fatalen Verletzung herrührten. Erst vier Tage später wurde bei einer Röntgenuntersuchung festgestellt: Fünf Halswirbel waren ausgerenkt, der zweite war glatt durchgebrochen. Sein Leben hing an einem seidenen Faden. In einem grotesk aussehenden Gipshelm heilte der Bruch. Sechs Monate später stand der Tausendsassa wieder im Tor. Erst acht Jahre danach, im Alter von 41 Jahren, gab Trautmann nach 639 Spielen für Manchester City seinen Abschied in einem rauschenden Testimonial Match an der Maine Road. 47 951 Zuschauer, damals Rekord für ein Farewell Game, verabschiedeten ihren Bert, so sein Vorname in England, mit stehenden Ovationen. Der in England so populäre Weltklasse-Torwart spielte nie für Deutschland. In Deutschland kein Nationalspieler, in England eine Legende. Stoff für einen Film würde der Held von Manchester allemal hergeben wie die Helden von Bern.“

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