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Interviews mit Joseph Blatter, Fifa-Generalsekretär über Macht, Geld, das Böse und die Ware Fußball – Kommentare über den Machtkampf Blatter contra „G14“
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| Donnerstag, 25. März 2004
Die G14 ist keine anerkannte Organisation des europäischen Fußballs
FR-Interview mit Joseph Blatter
FR: Die in der G 14 zusammen geschlossenen mächtigsten und finanzstärksten europäischen Clubs erwarten Entschädigungszahlungen seitens der Fifa für die Abstellung ihrer Nationalspieler. Zuletzt war die Rede von 122 Millionen Euro für ein WM-Turnier. Sind Sie kompromissbereit?
JB: Ich rede nicht mit der G14. Ich habe das einmal gemacht, und das war nicht gut. Die Fifa ist ein offenes Haus. Jeder Club kann hereinkommen. Aber nicht die G 14 als Gruppe. Die G14 ist keine anerkannte Organisation des europäischen Fußballs.
FR: Die G 14 denkt jedoch darüber nach, zur Not Klage gegen die Fifa einzureichen, um ihr Ansinnen durchzusetzen.
JB: Wegen was sollte sie das tun? Es ist doch so: Wir laden die Landesverbände zu einer WM ein, zahlen Reise und Unterkunft sowie Preisgelder. Was die Landesverbände damit machen, ist deren Angelegenheit. Sie können das Geld den Spielern geben, den Clubs oder sie können dafür Trainingsplätze für die Jugend bauen. Die Clubs können bei ihrem Verband Beschwerde führen, nicht bei der Fifa.
FR: Sie werden nicht verhehlen, dass die Clubs immer mächtiger werden?
JB: Da haben Sie Recht. Da müssen die Verbandspräsidenten reagieren. An der Spitze der Nationalverbände dürfen keine Funktionäre sitzen, sondern professionelle Wirtschaftsführer. In den meisten Ländern haben inzwischen die Ligen das Sagen, und die Verbände stehen hinten an. So darf es nicht sein. Denn Profifußball spielen nur einige wenige im Vergleich zu den vielen, vielen Amateuren.
(…)
FR: Sie fordern die nationalen Ligen auf, sich auf höchstens 16 Clubs zu begrenzen. Da gibt es erheblichen Widerstand auch aus der Bundesliga.
JB: Es wird auf Clubebene zu viel Fußball gespielt. Nicht mit den Nationalmannschaften. Das Angebot ist zu groß, die Nachfrage geht zurück und die Einnahmen sinken. Die Spieler haben ja gar keine Zeit mehr, sich zu erholen. Und was passiert? Plötzlich haben wir Doping im Fußball. Wenn ich die Spieler zu sehr belaste, dann passiert so etwas. Wer das nicht zugibt, verschließt die Augen vor der Realität.
FR: Da verwundert es allerdings, dass Sie die geplante Club-WM unbedingt durchführen wollen.
JB: Ich finde es nicht solidarisch, dass sich, wie auch diesen Monat wieder, die Meister aus Südamerika und Europa ihren Weltpokalsieger ausspielen und alle anderen Kontinente nicht dabei sind. Der internationale Terminkalender lässt es zu, dass in der zweiten Hälfte des Monats Juli 2005 in Südostasien eine Club-Weltmeisterschaft mit zwölf oder 16 Mannschaften gespielt wird. Die Begeisterung bei einigen Clubs ist groß, bei der Uefa aber nicht.
FR: Im Juni 2005 findet der Konföderationen-Cup in Deutschland statt. Da kann man von Erholung nun ganz bestimmt nicht sprechen.
JB: Der Konföderationen-Cup wird auf alle Fälle nicht mehr alle zwei Jahre durchgeführt. Die Deutschen hätten ihn als Generalprobe für die WM 2006 nicht gebraucht. Aber Afrika braucht das Turnier als Generalprobe für die WM 2010.
Tsp-Interview mit Blatter
Tsp: Karl-Heinz Rummenigge, der Vizepräsident der G14, fordert 70 Millionen Euro für die Klubs von der Fifa, wenn die Spieler zur Nationalmannschaft reisen. Ist das der Grund?
JB: Ich verstehe die Debatte nicht. Sollen sie sich an die Landesverbände wenden, die sind zuständig, die bekommen Geld von uns und entscheiden, was sie damit tun. Die G14 ist keine anerkannte Institution in Europa und im Fußball.
Tsp: Sie sind verärgert.
JB: Wissen Sie, wir haben uns getroffen. Die haben aber nicht ihre Manager oder Präsidenten geschickt. Stattdessen kam das Sprachrohr der G14. Das hatte keinen Anstand.
Tsp: Wie deuten Sie die Provokation?
JB: Die Klubs werden mächtiger. Und deshalb werden wir Verbände uns in Zukunft ändern müssen. Wir dürfen keine Funktionäre im klassischen Sinne mehr sein, sondern führende Manager. Der Fußball steht nicht nur für die Reichen, nicht für 100000 Profis weltweit, sondern auch für 250 Millionen normale Fußballer.
Tsp: Das hört sich idealistisch an.
JB: Neulich habe ich mit dem Präsidenten eines italienischen Klubs gesprochen, der hat gesagt: Ihr seid zu romantisch. Ja, vielleicht ist das so. Aber es nutzt auch nichts, wenn Klub-Gewaltige in die Welt hinausschmettern, dass sie vors Gericht gehen. Wir sollten uns an einen runden Tisch setzen. Das kommende Jahr wird nicht nur Festlichkeiten mit sich bringen.
Tsp: Kritisiert wird von den großen Klubs auch Ihr Konzept einer Vereinsweltmeisterschaft. Ist das nicht zu viel Fußball?
JB: Wir überlegen, den Konföderationscup nur noch alle vier Jahre auszutragen. Der Fußball muss sich rar machen, um attraktiv zu sein.
Blatter-Bashing ist out
Roland Zorn (FAZ 3.12.) blickt ins Welt-Zentrum der Fußball-Macht: „Zufrieden wie ein Patriarch, in dessen vier Wänden fast alles zum besten steht, präsentiert sich Joseph Blatter dieser Tage. Der Präsident der FIFA ist stolz darauf, daß wir wieder die Einheit der Familie haben, froh darüber, daß Zucht und Ordnung geschaffen wurde in der Verwaltung der FIFA und dazu erleichtert, daß er nicht mehr der Buhmann der internationalen Medien ist. Das Böse, sagt der im Vorjahr nach einem tumultartigen Vorspiel eindeutig wiedergewählte 67 Jahre alte Schweizer, kam meistens von den britischen Inseln. Blatter-Bashing ist inzwischen out, der Mann ist heraus aus seiner splendid isolation, und so kann der 67 Jahre alte Walliser kraftvoll und energisch wie noch nie seine weltumspannende Organisation anführen. Selbst der alte Streit mit seinem schwedischen Gegenspieler Lennart Johansson ist ausgestanden, dem Präsidenten der UEFA. Wunderbare große weite Welt des Fußballs? Mitnichten. Der Kämpfer Blatter, der die Harmonie sucht und die Konfrontation nicht scheut, hat einen neuen Herausforderer gefunden: die sogenannte G14, die Gruppierung der stärksten und einflußreichsten europäischen Fußballklubs. Diese G14 fordert seit längerem FIFA und UEFA dazu auf, bei Welt- und Europameisterschaftsturnieren Abstellgebühren an die Vereine für die Teilnahme der Profis zu überweisen. 70 Millionen Euro ruft beispielsweise Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München und Vizepräsident der G14, als Entschädigungszahlung für die kommende WM in Deutschland auf. Lächerlich, findet Blatter, der es inzwischen als Fehler ansieht, überhaupt einmal ex officio diesen Großkopferten-Klub zu sich nach Zürich eingeladen zu haben. Die FIFA, hob Blatter hervor, ist ein offenes Haus. Wir können wohl mit den Klubs im einzelnen reden, aber mit der G14 als Gruppierung rede ich nicht mehr. Schließlich handele es sich immer noch um eine weder von der FIFA noch von der UEFA anerkannte Organisation (…) Die G14 möglichst klein zu halten und statt dessen, etwa über das Klubforum der UEFA, im Konsens mit den Vereinen zu leben, ist ein Kernanliegen Blatters und Johanssons. Nahezu süffisant kommentiert der FIFA-Präsident deshalb auch die von Rummenigge artikulierte Drohung, daß die G14 die FIFA wegen ihrer Weigerung, Abstellgebühren zu zahlen, notfalls vor den Europäischen Gerichtshof zerren werde. Die Mitglieder der FIFA, klärt Blatter seine Widersacher auf, sind die Landesverbände und Konföderationen. Nur mit ihnen und nicht etwa mit den Klubs seien die Verträge zur Teilnahme an einer WM ausgehandelt. So gesehen, könne ein Klub die FIFA gar nicht angreifen, es sei denn über das Strafrecht. Hier aber geht es nicht um Straftaten.“
Faktisch sind die Großvereine längst dabei, die Regie zu übernehmen
Thomas Kistner (SZ 3.12.) ergänzt: „Dass er einmal eine Abordnung der G14 am Fifa-Sitz in Zürich empfangen hatte, bedauert er heftig. „Das war ein Fehler. Ich werde nicht mehr mit der G14 reden.“ Gleiches erwartet er von der Uefa, die mit G14-Sprecher Karl-Heinz Rummenigge im Dialog ist – und überhaupt, „die G14 ist ja gar keine anerkannte Organisation im Fußball“. Formal nicht. Faktisch sind die Großvereine längst dabei, die Regie zu übernehmen, vorbei an den meist „nicht von gestandenen Managern, sondern von Volontär-Funktionären“ (Blatter) geführten Verbänden. Hier zu Lande fand so eine Revolution von unten jüngst sogar auf nationaler Ebene statt, als eine aus dem Nichts kreierte G 8 (acht einflussreiche Bundesligaklubs) ohne Vorwarnung und an der DFL vorbei neue Vermarktungsstrategien für den Profibetrieb erörterte. Es geht ums rar gewordene Geld und damit um die künftige Macht im Fußball (…) Es gebe ein Überangebot an Vereinsfußball, klagt Blatter, das schade der Nachfrage, den Einnahmeflüssen – und den Akteuren selbst: Sogar die jüngst wieder häufigeren Dopingfälle führt er auf solche Überbelastungen zurück. Der Fußball als Ramschware der Zukunft – das Thema macht dem Fifa-Chef ähnlich zu schaffen wie der Machtkampf mit den Vereinen. Insofern hat ihn die Preisgestaltung des deutschen WM-Organisationskomitees für 2006 „nicht ganz zufrieden“ gestellt. Das OK nämlich hat eine vierte, preiswerte Kategorie im Ticketverkauf festgesetzt und wird sie mit Stolz in Frankfurt präsentieren – was Blatter wurmt. „Ich habe es zur Kenntnis genommen, wir sind ja ein demokratisches Gebilde. Aber ich finde, jedes WM-Spiel ist etwas Besonderes, und wer an etwas Besonderem teilhaben will, sollte besonderen Aufwand treiben.“ Dass sich dies vielleicht nicht mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Fußballbasis deckt, also mit dem Gros jener 250 Millionen Fußballbegeisterten, mit denen sich der Weltpräsident gerne schmückt, passt in die neue, raue Zeit.“
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