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Ist Augenthaler ein “Feuerwehrmann”? – Abschied von Balakov – Pfiffe bei der Meisterehrung sind so gut wie sicher u.a.
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| Donnerstag, 25. März 2004
Du mußt das, du mußt das, du mußt das beherzigen
Roland Zorn (FAZ 17.5.) skizziert das Aufgabengebiet eines „Feuerwehrmanns“. „Mutig, mutig, Herr Kollege. Das denkt sogar Jörg Berger, der an Furchtlosigkeit unübertroffene Nothelfer deutscher Profifußballvereine. Der zur Zeit in sicheren Verhältnissen beim Zweitligaklub Alemannia Aachen engagierte Trainer hat gestaunt, wie umstandslos Klaus Augenthaler den Hilfeschrei aus Leverkusen erhört und danach prompt einen Vertrag beim Tabellensechzehnten der Bundesliga unterschrieben hat. Zwei Wochen nachdem der 45 Jahre alte Niederbayer beim so gut wie sicheren Absteiger 1. FC Nürnberg wegen Erfolglosigkeit gefeuert worden war. Ich könnte das nicht, gibt Berger zu, unmittelbar nach einer Entlassung habe ich immer eine längere Auszeit gebraucht, um körperlich und geistig zu regenerieren. Der jahrelang mit dem Etikett Feuerwehrmann ausgezeichnete Trainer für aussichtslos anmutende Aufgaben war wie viele seiner Kollegen überrascht, daß die Leverkusener elf Tage vor Saisonschluß noch einmal ihren Cheftrainer austauschten (…) Eine verunsicherte Mannschaft stark zu reden gehört für Berger zur Grundausrüstung jedes Fußball-Reanimators. Der Trainer, der bei Eintracht Frankfurt gleich zweimal, beim 1. FC Köln und beim FC Schalke 04 wertvolle Rettungsdienste leistete, skizziert sein bewährtes Hilfsprogramm so: Du mußt motivieren und immer positiv sein. Du mußt den Eindruck vermitteln, daß du das Unmögliche möglich machst. Du mußt glaubwürdig sein, und du darfst nie Angst haben. Angst habe er nur zweimal in seinem Leben verspürt: Einmal, als ich von meiner Krebserkrankung erfuhr, das andere Mal, als ich aus der DDR geflüchtet bin. Die Titanics der Bundesliga über Wasser zu halten, daran traut sich Berger indes mit Vergnügen. In so einer Situation, sagt der Trainer, mußt du jemand holen, der das schon mal erlebt hat. Dabei komme es auf fachliche Referenzen nicht einmal vorrangig an. Du mußt kein herausragender Trainer sein, aber du mußt führen können. Du mußt das, du mußt das, du mußt das beherzigen, so lauten die imperativen Anleitungen aus dem Rotkreuzkasten des Jörg Berger. Bei ihm hatte Bayer auch schon nachgefragt, als sie Toppmöller verabschiedeten – und sich dann doch für die falsche Lösung Hörster entschieden.“
Mental müde
„Einer der Letzten, die mit dem Ball sprechen können, hört auf.“ Martin Hägele (SZ 17.5.) verabschiedet Krassimir Balakov. „Nicht immer hat der Virtuose, der vor acht Jahren als „Maradona mit all dessen positiven Eigenschaften“ (Rolf Fringer, ehemaliger Trainer) aus Portugal nach Schwaben kam, so getickt. Es gab Zeiten, da spaltete er die VfB- Gemeinde. Die Fußball-Lehrer Ralf Rangnick, Winfried Schäfer oder zuletzt Manager Rolf Rüssmann sind auch an „Bala“ gescheitert, an jenem Status, der ihm vom früheren Klubpräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder vertraglich zugesichert worden war. Balakov hätte auf diesen kuriosen Kontrakt pochen können. Er brauchte nur einen Arzt, der ihm die Fitness für die Bundesliga attestierte – und sein Vertrag hätte sich um ein Jahr verlängert. Jeder Doktor hätte dieses Attest ausstellen können, weil der 37- Jährige heute mehr rennt als je zuvor. Wenige Bundesligaspieler dürften in der laufenden Runde mehr Kilometer auf dem Tacho haben. Es waren aber nicht die Knochen oder die Muskeln, die morgens beim Aufstehen schmerzten; der Kopf sandte Signale: „Ich war 21 Jahre Profi, ich war fast nie verletzt, ich habe mir einen großen Namen gemacht in der Branche und viele Höhen und Tiefen mitgemacht – jetzt bin ich müde, einfach mental müde.“ Künftig darf er sich Assistent des Teammanagers und Repräsentant des Vereins nennen. Spielen wird er nicht mehr, obwohl er auch den Status des „Stand-by-Profis“ erhält. Er könne gar nicht mehr auf den Platz zurückkommen, sagt Balakov, „weil ich in Deutschland Realismus gelernt habe. Hier kann ich nicht machen, was ich in Bulgarien oder Portugal gemacht hätte“ (…) Inzwischen kann er auch vergessen und verzeihen. Rangnick und Schäfer, die Trainer, mit denen er einst im Streit lag, sind Ehrengäste bei seinem Abschiedsspiel. Geleitet wird dies von Markus Merk. Dem Schiedsrichter aus Kaiserslautern verdankt Balakov seinen ersten Platzverweis in der Bundesliga.“
Ohropax besorgen
Jan Christian Müller (FR 17.5.) warnt vor Missfallensbekundungen bei der Meisterehrung. “Spannend wird es am Samstag im ausverkauften Olympiastadion erst nach dem fälligen Fußballpflichtspiel des FC Bayern München gegen den VfB Stuttgart. Denn dann werden mehrere Dutzend fleißiger Helfer in Windeseile eine Bühne aufbauen, es wird bombastische Musik gespielt und Konfetti in den vielleicht sogar wolkenlosen Himmel gesprüht – und dann wird es bald zur Überreichung der Meisterschale kommen. Man muss kein Prophet sein, um sich auszumalen, dass bei Werner Hackmann dann ein ganz klein wenig die Knie schlottern werden. Hackmann ist nämlich Präsident des Ligaverbandes und der ranghöchste Repräsentant der Deutschen Fußball-Liga (DFL). In dieser Funktion ist er gehalten, sich nach Schlusspfiff von seinem Sitz auf der Ehrentribüne aufzumachen zur Siegerehrung. Weil aber Hackmann und die DFL in München ähnlich beliebt sind wie Labskaus oder Beck’s Bier, darf man sich getrost auf ein gnadenloses, gellendes Pfeifkonzert einstellen. Hackmann wäre also dringend angeraten, sich schon mal prophylaktisch diese komischen gelben Ohropax zu besorgen und tief genug in die Hörmuschel einzuschieben. Um sich gar vor tätlichen Übergriffen zu schützen, hat sich der Ligaboss bereits notgedrungen damit einverstanden erklärt, diesmal lediglich als Staffage und Grüßonkel dabei zu sein.“
Gülle in Büchern transportiert
Was macht ein Profi nach Karriereende? Michael Eder (FAZ 17.5.) spekuliert. „Vielleicht Trainer, das ist eine hübsche Möglichkeit; ein gleitender Übergang gewissermaßen von der Jugend ins Alter, von der Trainingshose in den Maßanzug. Wenn schon nicht bei Leverkusen wie Augenthaler, so zur Not auch bei Partizan Belgrad, wohin es den Lothar verschlagen hat und wo er als Mister Matthäus seine Monologe nun vom Dolmetscher übersetzen läßt, damit man wenigstens in Serbien tut, was sonst überall Schwierigkeiten bereitet hatte: ihn verstehen. Immerhin: Mister Matthäus hat die Meisterschaft von Serbien und Montenegro gewonnen, und auch das Allerwichtigste hat ihm der Job beschert: ein paar Interviews, ein paar Schlagzeilen, für die er sonst mit einer Minderjährigen durch die Discos ziehen mußte oder wenigstens die Bayern verklagen wegen eines Abschiedsspiels und fehlender Gelder oder sonst irgendwas. Dem Lothar gilt an dieser Stelle unser Mitgefühl. Der Mann muß sich, da er nicht mehr kicken kann, wirklich arg plagen für die paar Schlagzeilen, für eine Einladung zu Beckmann, für ein paar Fotos in Bild. Das Allerschlimmste aber: Lothars größter Feind, der ehemalige Kollege Effenberg, hat das alles umstandslos viel besser hingekriegt. Der muß nicht Partizan trainieren, nicht einmal mehr Obdachlose mit der Schuhsohle berühren, nein, der muß nur ein Büchlein schreiben, und schon interessiert sich kein Mensch mehr für Kahn und Schumacher, von Matthäus ganz zu schweigen, schon hockt Effe in jeder Talkshow und ist der Star auf dem Boulevard. Das ist eine traurige Geschichte, nicht nur für jene, die meinen, daß man Gülle nicht in Büchern transportieren sollte, auch für Lothar ganz persönlich. So trifft es sich letztlich doch ganz gut, daß es ihn nach Serbien verschlagen hat, denn daheim würde er überall nur Effe sehen: bei Beckmann, bei ran, an der Bushaltestelle, in seiner Lieblingszeitung. Dann doch lieber nach Belgrad, ins Exil.“
Diskussion über die Förderung von Fußball-Nachwuchs FR
Tsp-Interviewmit René Tretschok über das Karriereende
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