Ballschrank
Jammervoll zurückgefallene Elitetruppe
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| Donnerstag, 25. März 2004
Freddie Röckenhaus (SZ7.4.) beleuchtet Dortmunder Perspektiven. „Spätestens mit der ersten Heimniederlage nach 24 Spielen nämlich beugt sich die Rückrunde des entthronten Meisters zu einer einzigen spielerischen Blamage. Zur bereits akzeptierten Auswärtsschwäche kommt nun der Verlust des Heimnimbus. Noch am Donnerstag hat BVB-Präsident Gerd Niebaum den Rest der Saison zur „Qualifikationsrunde für die Champions League“ erklärt. Doch der Präsident hatte unvorsichtigerweise auch gesagt, man könne „die Saison abhaken“. Nicht ganz zufällig trat die Mannschaft beim Spiel gegen Werder Bremen so leidenschafts- und ideenlos wie selten auf (…) Fabian Ernst und Dortmunds Ersatztorwart Roman Weidenfeller machten das Unglück des BVB perfekt. Als Weidenfeller wieder einmal etwas übereifrig sehr weit aus seinem Tor gegrätscht kam, lupfte Ernst fast von der Mittellinie aus den Ball triumphierend ins leere Dortmunder Tor. „Man muss sich das trauen“, sagte Ernst, „und dann braucht man Glück.“ – „Ein Sonntagsschuss“, fand Matthias Sammer. Weidenfeller wollte Kritik an seinem nicht wirklich notwendigen Herauslaufen nicht gelten lassen: „Ich habe gesehen, dass der Ball in die Gasse kommt und habe reagiert – mehr war nicht.“ Schon zu früheren Anlässen hatte Weidenfeller durch unbeirrbares Selbstbewusstsein mehr geglänzt als durch auffällige Leistung. Bei seiner ersten Vertretung für den damals Gelb-gesperrten Nationaltorwart Jens Lehmann etwa trumpfte er nach dem Spiel auf: „Man wird sehen, wer nächste Woche spielt. Das muss nun der Trainer entscheiden.“ Am Samstag jedenfalls agierte Weidenfeller allzu oft zu weit vor seinem Tor – inklusive einer Einlage, als er im Stile eines Kung-Fu-Kämpfers am trudelnden Ball vorbeimetzelte. Selbsterkenntnis ist eben die schwierigste aller Erkenntnisse. Damit tut sich Dortmunds in der Rückrunde so jammervoll zurückgefallene Elitetruppe schwer. Nach dem Verlust der Großziele Titelverteidigung und Champions League fällt es den meisten sichtlich schwer, in den Alltag zurück zu finden – und Gegner wie Bremen zumindest nieder zu kämpfen, wenn schon die spielerischen Mittel nicht mobilisiert werden können.“
Überforderungsprobleme
Raimund Witkop (FAZ 7.4.) resümiert die bisherige Laufbahn des Torschützen des Tages. „Wer sich im landesweiten Schwärmen über den großen Moment des Fabian Ernst als Nörgler hervortun will, könnte so argumentieren: Vielleicht führt ihn dieser Kunstschuß auf den falschen Weg zurück. Denn Thomas Schaaf, sein Trainer in Bremen, versucht seit langem auf ihn einzuwirken, doch lieber das Einfache und Natürliche zu tun als das Riskante und Spektakuläre. Die noch junge Karriere des 23 Jahre alten Spielers enthält schon eine lange Geschichte von Anspruch und Wirklichkeit, die in der Jugend von Hannover 96 begann. Fabian Ernst durchlief eine Musterkarriere in den Jugend-Auswahlmannschaften des DFB und wurde stets als eines der größten Talente seiner Generation gehandelt. Daß er nach beinahe fünf Erstligajahren – zwei weniger erfreuliche beim Hamburger SV, dann mit aufsteigender Tendenz in Bremen – kein Talent mehr sei, muß Ernst in Gesprächen immer noch regelmäßig beteuern. So bedrückend ist offenbar das Gefühl, für den Beobachter wie für ihn selbst, da müsse noch mehr kommen bei einer so gefeierten Begabung. Die sichtbare Folge war oft genug, wie Ernst sich vor lauter Ambitionen verhaspelte oder mit Führungsansprüchen selbst überforderte (…) Ein perfekter Systemspieler, laut Werder-Manager Klaus Allofs taktisch sogar besser als Torsten Frings. Dieser stets präsente Vergleich hat Fabian Ernst die Aufgabe seiner sportlichen Reifung übrigens nicht leichter gemacht. Der stilistisch verwandte Frings hat in Bremen, jetzt in Dortmund und in der Nationalmannschaft genau jene Entwicklung genommen, von der auch Ernst geträumt hat. Allein Frings‘ Rolle in Bremen ausfüllen zu wollen war dann ein Teil des Überforderungsproblems.“
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