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Jan Simak, kranker Held – Ilja Kaenzig wird in Leverkusen das Sagen übernehmen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Jan Simak, kranker Held – Ilja Kaenzig wird in Leverkusen das Sagen übernehmen

Frank Heike (FAZ 1.10.) berichtet die Krankheit Simaks: „Die sieben Monate alte Aussage Klaus Toppmöllers, Jan Simak sei ein Pflegefall, steht nach den jüngsten Ereignissen um den Bundesligaprofi in einem neuen Licht da. Damals spielte Simak bei Bayer Leverkusen, Toppmöller war sein Trainer. Was seinerzeit viele auf den schwach ausgeprägten Integrationswillen des hochtalentierten 24 Jahre alten Tschechen gemünzt verstanden wollten, scheint unbeabsichtigt recht nah an der Wahrheit gelegen zu haben: Am Dienstag nachmittag teilten Bayer 04 Leverkusen und Hannover 96 in gleichlautenden Presseerklärungen mit, daß Simak bis auf weiteres krank geschrieben sei. Er fühle sich zur Zeit nervlich und körperlich nicht in der Lage, den Druck des Profifußballs auszuhalten. Zuvor war der von Hannover ausgeliehene Simak eine Woche unentschuldigt und ohne Kontakt nach Deutschland verschwunden gewesen und erst am Sonntag von seinem Berater Christoph Leutrum von der Agentur Rogon in Prag gefunden worden. Leutrum hatte von depressiven Phasen bei seinem Klienten gesprochen. Karl-Heinrich Dittmar, der Internist von Bayer 04, diagnostizierte nach seiner Untersuchung am Dienstag ein Erschöpfungssyndrom bei Simak. Der Spieler werde fachärztlich behandelt. Simak habe den Vereinen seine Probleme am Montag in Frankfurt mitgeteilt, hieß es weiter. Möglicherweise sind Versagensängste ein Grund für Simaks unbestimmte Auszeit vom Berufsfußball, die in diesem Verlauf einzigartig in der Geschichte der Bundesliga ist.“

Rundumversorgung garantiert

Frank Hellmann (FR 1.10.) gibt zu bedenken: „Im Amüsierbetrieb Bundesliga ist die Rundumversorgung garantiert. Wohnung suchen, Auto kaufen, Schuhe putzen – wer Profi ist, kann sich das sparen. Was für die einen Annehmlichkeit darstellt, ist für schlichte Gemüter vom Schlage Simak eine Gefahr. Wer in seiner ganzen Karriere vor der wahren Verantwortung davon dribbelt, den fatalen Doppelpass mit falschen Freunden, Frauen und Alkohol ebenso pflegt wie den filigranen Flankenwechsel, für den wird das reale Leben eine größere Herausforderung als die Jagd nach Toren und Punkten. Der perfekte Umgang mit dem Ball hat Simak seit der Kindheit vor unangenehmen Dingen bewahrt. In seiner Kindheit in Mezno bei Prag umging er damit die Hausaufgaben. Als Jugendlicher in Tabor setzte es für geschwänzte Trainingseinheiten keine Strafe – der Spieler Simak war schon zu wichtig. Kaum aus Tschechien nach Deutschland gebracht, rollte ihm Hannover 96 den roten Teppich aus. Und nahm Spielschulden, Führerschein-Entzug und nicht bezahlte Rechnungen hin. Wichtig war nur die Gegenleistung auf dem Platz. Findige Berater, die ihn in der Hochzeit seines Schaffens hofierten, verscherbelten ihn nach Leverkusen. Als Simak dort versagte, lieh ihn sein Ex-Verein in Ehren wieder aus. Alles wieder gut? Simaks Eskapaden hielten an. Samstags die Leistung sei wichtig, der Rest egal, hat Sportdirektor Ricardo Moar daraufhin gesagt. Typischer Fall von Trugschluss. Der Rest von Simak ist jetzt eine labile und orientierungslose Persönlichkeit, die für den Profi-Betrieb nicht mehr taugt.“

Psychische Gebrechlichkeit ist nicht vorgesehen im Millionenzirkus Profifußball

Jörg Marwedel (SZ 1.10.) fragt: „Wie krank ist ein Profi, der keine äußeren Verletzungen hat, kein Fieber und trotzdem keinen Fußball mehr spielen mag? Es muss ein schwieriger Prozess für gestandene Macher wie Leverkusens Manager Reiner Calmund und Hannovers Präsident Martin Kind gewesen sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen: kranker, als sie geglaubt haben. Simaks Krankheit ist nicht sichtbar wie eine Platzwunde am Kopf. Sie verbirgt sich hinter einem modischen Outfit mit feschem T-Shirt und lustiger Halskette, sogar hinter Witzeleien und Besuchen im Spielcasino, wo ihn jemand dieser Tage in seiner Heimat Tschechien gesehen haben will. Aber psychische Gebrechlichkeit ist nicht vorgesehen in der Welt des Millionenzirkus Profifußball.“

Roland Zorn (FAZ 1.10.) fügt hinzu: „Erst als ihn die inzwischen zu alter Klasse zurückgekehrten Leverkusener an Simaks deutschen Stammverein 96 ausliehen, blühte das von Calmund als schlampiges Genie bezeichnete Ausnahmetalent wieder auf. Es war eine trügerische Blüte, wie man inzwischen weiß. In Hannover, wo sie nur den Klassefußballer Simak bewunderten, litt Jan Simak offenbar unter der panischen Angst, die hohen Erwartungen zu enttäuschen und zu versagen. Eine Einbildung, die er bei sich behielt oder nur ganz engen Freunden anvertraute. Wie einsam sich der beste Mittelfeldspieler von Hannover 96 fühlte, konnte niemand wahrnehmen, da kein Mensch auf die Idee kam, die manchmal dunkle Seelenwelt des Spielers genauer ausleuchten zu wollen. Manager Moar begegnete ersten Vermutungen, Simak könne unter depressiven Schüben leiden, mit dem Gestus des Hauruck-Psychologen: Jan hat doch jeden Tag Witze gemacht. Dabei war Simak doch längst der Spaß an der von ihm so eingeschätzten Herkulesaufgabe vergangen. Gefragt aber war nur die Fachkraft am Arbeitsplatz, der Star in den Medien, der Kumpel mit den für verrückt, aber liebenswert gehaltenen Marotten. Mehr wollte niemand wissen. Warum auch? Geschichten wie die von Jan Simak spielen ja auch auf anderen Bühnen des Lebens. Ob Jan Simak noch einmal auf seinen alten Lieblingsspielplatz zurückkehrt? Darüber mochte am Dienstag nicht einmal der notorisch optimistische Calmund im Ernst spekulieren.“

Erik Eggers (Tsp 1.10.) meldet von der Leverkusener Kommandobrücke: „Als Ilja Kaenzig im Frühjahr 1998 zum Vorstellungsgespräch bei der Fußballabteilung von Bayer Leverkusen war, überrollten ihn immer wieder die rhetorischen Kaskaden des Chefs. „Reiner Calmund hat ungefähr 90 Prozent der Zeit bestritten, ab und zu sprach ich, ja, und dann durfte der Kaenzig auch mal ein paar Sätze sagen“, sagt Andreas Rettig, der damals in Leverkusen arbeitete und heute Manager des 1. FC Köln ist. Irgendwann stand Calmund auf, klopfte dem jungen Schweizer auf die Schulter und stellte ihn auf rheinische Art ein: „Mensch, ich glaub, du bist’n juter Mann.“ Kaenzig sei schließlich ein fabelhafter Ruf als „sehr gewissenhafter und korrekter Typ“ vorausgeeilt, sagt Rettig, „er besaß glänzende Referenzen“. Der Vorstellungstermin war nur Formsache. Kaenzig begann bei Bayer als Assistent Calmunds und „Leiter Nachwuchs“, nach einem Jahr wurde er zum „Koordinator Gesamtfußball“ befördert, einer zentralen Schaltstelle des Klubs, in der alle Informationen zusammenliefen. Seit Juli 2002 darf sich der erst 30-Jährige nun Manager nennen. „Ich bin ein Kaenzig-Fan“, sagt der Bayer-Sportbeauftragte Meinolf Sprink, der zwischen Konzern und Fußball-GmbH vermittelt. Kaenzig sei verlässlich, kompetent, analytisch, zielstrebig, und all das sei gepaart mit großem Fußballwissen. Und Geschäftsführer Calmund bezeichnet den stets zurückhaltenden Luzerner gar als „optimalen Nachfolger“ für seinen Posten, den Leverkusens Volkstribun 2007 aufgeben will.“

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