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Ballschrank

„Ich denke, dass ich es verdient hätte, in der Nationalmannschaft zu spielen“

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für „Ich denke, dass ich es verdient hätte, in der Nationalmannschaft zu spielen“

Jens Lehmann im Interview mit der SZ, über seine Ansprüche, die Liga der Enttäuschten, Dieter Hecking, Kurt Jara

Ein Ausschnitt aus einem SZ-Interview mit Jens Lehmann:

JL: Ich habe bisher noch keinen kennen gelernt, der von seinem Können her kompletter ist als ich. Es wird zwar immer Torleute geben, die in manchen Spielen besser halten als ich. Aber ich kann eine höhere Anspannung als viele andere aufbauen und sie länger halten.

SZ: Auch Oliver Kahn nicht?

JL: Nein. Obwohl er ein toller Torwart ist und ich großen Respekt vor seiner Leistung habe. Noch einmal: Es wird immer Torhüter geben, die zwei, drei Monate lang besser halten als ich. Doch nicht länger. Und mit besser halten meine ich: weniger Fehler machen.

SZ: Dann muss es Sie doch ärgern, dass Sie in der Nationalmannschaft Kahn immer vor sich haben?

JL: Das tut es auch. Ich denke, dass ich es verdient hätte, in der Nationalmannschaft zu spielen.

Tristesse und Langeweile

Christoph Biermann (SZ 12.4.) zeichnet ein sehr trübseliges Bild vom hiesigen Ligafußball. „Jeden Montag vergibt der kicker den Bundesligapartien Noten, die jenen in der Schule entsprechen. Man mag über den Sinn solcher Bewertungen debattieren, eine Tendenz zeigen sie trotzdem. Am vergangenen Wochenende etwa gab es für die beste Partie, die in Leverkusen, ein glattes Befriedigend (…) Mit mangelnder Spannung hat die Tristesse übrigens nichts zu tun, auch wenn der FC Bayern als Meister und Energie Cottbus als erster Absteiger schon festzustehen scheinen. Eher liegt das farblose Bild in der Liga der Entnervten daran, dass zur Zeit fast alle Klubs unter ihren Erwartungen bleiben. Ein Jahr der Enttäuschungen ist diese Spielzeit für so viele Mannschaften wie selten zuvor. In Stuttgart mögen sie den zweiten Tabellenplatz ihres VfB bestaunen, in Hamburg über die Position des HSV zwei Ränge dahinter jubeln, doch sonst gibt es kaum lachende Gesichter. Nicht mal beim FC Bayern, wo der fast sichere Meistertitel angesichts des frühen Ausscheidens aus der Champions League den Charakter eines Trostpreises behält und das Team nur noch gegen die eigene Langeweile kämpft (…) Kein Wunder, dass die Leistungen unter diesen Umständen immer schlechter werden. Wenn sich berechtigte Erwartungen nicht erfüllen oder Ziele unrealistisch werden, sinkt das sportliche Niveau. Und lausig ist es in der Rückrunde insgesamt, denn in der Not werden die Bälle am liebsten nur noch hoch und weit nach vorne gehauen. Dann sind sie wenigstens nicht nahe des eigenen Tores, und vielleicht hilft vorne ja das Glück. Ohne Esprit und trostlos anzuschauen ist das, und lässt die ohnehin schon bescheidenen Mittel der Bundesligaprofis noch weiter verkümmern. Deren notorische technische Mängel paaren sich mit taktischen Vorgaben von Trainern, die Realismus predigen und damit doch nur irgendwie über die Runden kommen wollen. So fügt sich in der Bundesliga ein Bild zusammen, das zur allgemeinen Krisenstimmung im Land passt: viel Gewurstel und kein Spaß, nirgends. Fußball mag hierzulande immer eine Note von Kampf und Schweiß gehabt haben, doch wer kann schon so viel Angstschweiß riechen?“

A8

Eine Glosse über einen Kaiserslauterer Autodiebstahl von Wolfgang Hettfleisch (FR 12.4.). „Andy Brehme, ihren WM-Helden und gescheiterten Ex-Trainer, mögen sie rund um den Betzenberg verehrt haben, Gerets lieben sie – zumindest so lange er den FCK vor dem Sturz in die zweite Liga zu bewahren vermag. Längst haben die Fans den Belgier ob dessen mitunter schon rührender Identifikation mit seinem Arbeitgeber zum Pfälzer ehrenhalber erhoben. Unsereins hat ein, zwei Freunde, die für einen durch dick und dünn gehen würden. Gerets, der Pfälzer h. c., hat ein paar hunderttausend – mindestens. Das könnte nun einem Autodieb zum Verhängnis werden, der in der Nacht zum Mittwoch blöderweise ausgerechnet den Audi A 8 des neuen Volkstribuns der roten Stammlande zwischen Ludwigshafen und Pirmasens geklaut hat. Wir werden alles tun, um den Wagen wiederzufinden, droht ein Fanclub-Sprecher. Dem Autoknacker sei so viel Mitgefühl entgegen gebracht, ihm zu wünschen, dass er inzwischen reichlich Land gewonnen hat. Andernfalls droht, vorsichtig ausgedrückt, Klassenkeile. Schließlich: Gerets‘ Audi-Schiff kurzzuschließen ist ungefähr so, als hätte man gewagt, dem legendären Wikinger-Boss und Möchtegern-Amerika-Entdecker Erik (den sie, Obacht jetzt, den Roten genannt haben!) quasi inmitten seiner Blut und Met saufenden Getreuen den Privatkahn zu entwenden? Und wer ist, nomen est omen, aus Pfälzer Sicht gleichsam des wüsten nordmännischen Abenteurers fußballtrainernde Reinkarnation? Eben.“

Bremer Kampf mit der Disziplin

Jörg Marwedel (SZ 12.4.) blickt hinter Bremer Kulissen. „der unverhoffte Erfolg in Dortmund kann nicht übertünchen, dass in dem Team weit mehr Problemfälle stecken als gedacht – und damit sind nicht die Verletzungen gemeint, die am Samstag in München gegen den FC Bayern den Einsatz des früheren Kapitäns Verlaat (Knöchelprellung) oder des 50-Meter-Torschützen Ernst (Muskelfaserriss) verhindern. Der Kampf mit der Disziplin ist für Trainer Thomas Schaaf zu einer täglichen Herausforderung geworden, und manchmal kapituliert er dabei auch. In dieser Woche etwa haben Allofs und Schaaf die Trennung von Razundara Tjikuzu, 23, beschlossen. Der namibische Nationalspieler gilt noch immer als großes Talent. Leider haben weder Geldbußen noch die Strafversetzung zu den Amateuren oder ein Extra-Betreuer verhindert, dass der Flügelspieler vornehmlich außerhalb des Rasens auffiel – mit häufigen Verspätungen, verlängerten Heimat-Aufenthalten und Disco-Affären. „Unsere Härte“, sagt Allofs resigniert, „hat nicht ausgereicht.“ Man könnte das so auslegen, dass es in Bremen noch immer verständnisvoller zugeht als anderswo in der Branche. Und womöglich wird der nicht minder lebenslustige Brasilianer Ailton das sogar bestätigen. Vorigen Monat hat Ailton seine Freundin geschlagen und ist von ihr angezeigt worden, nach dem Spiel in Dortmund fehlte er bei Trainingsbeginn. Doch statt Konsequenzen gab es ernste Gespräche mit den Chefs, was nicht nur damit zu tun hat, dass er laut Schaaf „im Grunde ein anständiger Kerl ist“. Ailton ist das größte Kapital des Klubs.“

Anhaltender Erfolg des ruhigen Trainer

Frank Heike (FAZ 12.4.) erzählt die Geschichte vom Aufstieg des HSV-Trainers Kurt Jara. „Im Oktober 2001 fanden viele, das beste am neuen Trainer des Hamburger SV sei seine Herkunft – ein Österreicher wie Ernst Happel. Der schweigsame Kettenraucher steht schließlich für alle Zeiten als hanseatische Trainer-Ikone, als Folie, auf der sich alle Sehnsüchte nach internationalen Erfolgen des HSV abbilden lassen. Außer der Landsmannschaft schien Jara keine Vorteile mitzubringen. Wie ein grüner Junge wurde ich empfangen, sagt er. Seine Erfolge als Trainer in der Schweiz und in Österreich wurden einfach unterschlagen. Die Geschichte, nach der Masseur Hermann Rieger im Trainingslager in den Bergen beim Betrachten eines Mannschaftsfotos des FC Tirol mit Jara als Trainer auf die Idee kam, den einstigen Duisburger und Schalker Profi als möglichen Nachfolger Frank Pagelsdorfs vorzuschlagen, ließ Jara schon beim Amtsantritt zum Inhalt einer Schmonzette werden. Das waren keine guten Startvoraussetzungen. Als er auch noch seinen Assistenztrainer und zwei österreichische Profis mit nach Hamburg brachte und die beiden – Kitzbichler und Baur – alles andere als überzeugten, stand das Urteil der Medien fest: Mit Kurt Jara als Trainer von Austria Hamburg würde es mit dem HSV nicht aufwärtsgehen. Es kam anders. So richtig gemerkt hat es niemand, daß die Hamburger zu den erfreulichen Überraschungen dieser Spielzeit gehören, und das liegt auch an ihrem ruhigen Trainer. Ich dränge nicht ins Rampenlicht, sagt der 52 Jahre alte Jara, der sich selbst als geradlinig und zurückhaltend beschreibt. So kam es, daß alle über Felix Magath und Erik Gerets schrieben, aber kaum jemand den Hamburger Aufschwung beleuchten wollte, für den Jara steht. Erst jetzt, da man Juventus Turin ganz weit hinten am Horizont sieht, so Jara, wird aufmerksamer in den Norden geschaut. Aber das sei auch klar, denn: Wenn man Vierzehnter ist wie wir in der Vorrunde, dann muß man eher über Meppen sprechen. Damals, im Spätherbst 2002, erreichte der HSV bei der Niederlage in Bielefeld den Tiefpunkt: Jara stand kurz vor dem Rausschmiß. Fans hängten ein Laken an einen Zaun, das der Trainer jeden Morgen auf der Fahrt zur Arbeit sah: Deine Welt sind die Berge. Der nach außen immer freundliche, zugängliche Jara lachte drüber, blieb kühl, änderte wenig und hatte Glück, daß dem HSV in Dortmund eine Woche danach der späte Ausgleich gelang. Das war die Wende.“

Linksfuß der Extraklasse

Herbert Stoffers (FR 12.4.) erinnert an dessen aktive Zeit. „Er war ein Schlitzohr. Als Bundesliga-Fußballer rebellierte Kurt Jara einst gegen seinen Trainer, er schmollte, er grollte und er glänzte. Was er mit seinem linken Fuß anstellte, war Extraklasse. Jara strotzte vor Unternehmungsgeist, er war perfekt am Ball, war schnell, hatte Ideen und konnte vorausdenken. So ist er bis heute geblieben, auch wenn er als Trainer des Hamburger SV gelegentlich sehr bedächtig erscheint. Kurt Jara (52) ist oft weiter als seine Mannschaft. Obwohl die es nach dem schlappen Saisonauftakt immerhin bis in die Bundesliga-Spitze gebracht hat. Wenn wir auch gegen Dortmund gewinnen, dann überdenken wir unser Ziel, sagt Jara. Der HSV und sein Trainer träumen – von der Champions League. Auf Grund dieser Träumerei findet am Samstag in Hamburg eine Art Europapokal-Finale statt. Der Tabellenvierte HSV gegen den Dritten Borussia Dortmund. Die Erwartungen in Hamburg sind groß, die Euphorie riesig, das Stadion seit Wochen ausverkauft. Einzig die Unruhe, die derzeit innerhalb des HSV-Teams herrscht, könnte sich negativ auf diese 90 Minuten auswirken. Die Spieler setzen sich seit Wochen vehement für zwei Wackelkandidaten in ihren Reihen ein. Sie sind der Meinung, bevor andere Spieler verpflichtet werden, sollten die im Sommer auslaufenden Verträge mit Ingo Hertzsch (25) und Erik Meijer (33) verlängert werden. Dieser Meinung ist übrigens auch Kurt Jara, aber der verhält sich vereinsloyal: Mehr als dem Vorstand meine Meinung zu beiden Spielern zu sagen, kann ich nicht. Ich würde beide halten, aber ich kann dem Vorstand nicht vorschreiben, wer bleiben und wer geholt werden soll. Weil die Spieler ihr Ansinnen allzu laut (und zu öffentlich) vorgetragen hatten, musste der Mannschaftsrat in dieser Woche zum Rapport. Quintessenz: Die Herren Profis wurden zurückgepfiffen. Und sahen ihre Verfehlungen ein.“

Aus der Zweiten Liga

Oke Göttlich (FR 12.4.) berichtet aus Lübeck. „Zufrieden sieht anders aus, wenn einen der scharfe Blick von Dieter Hecking streift. Dabei könnte sich der Trainer des Fußball-Zweitligisten VfB Lübeck angesichts der Tabellensituation und 34 Punkten langsam entspannen. Eigentlich. Er selbst sieht das natürlich völlig anders. Noch hat sein Team die von ihm gebetsmühlenartig wiederholte Forderung von 40 Punkten nicht erreicht. Wer Hecking kennt, weiß, dass er sich selbst dann schwer tun würde Zufriedenheit zu artikulieren. Zwar können wir mit der Momentaufnahme und dem neunten Tabellenplatz zufrieden sein, aber natürlich müssen wir uns kritisch fragen, was nach dem guten Start in die Liga mit Platz fünf und 22 Punkten für Fehler gemacht wurden. Der Anspruch, die Lücke zwischen dem von Kollegen wie Volker Finke (Freiburg) und Jürgen Klopp (Mainz) geäußerten Lob über Lübecks Spielweise und einer bisher nicht erreichten Konstanz zu schließen, ist Heckings innerer Antrieb. Er arbeitet energisch an der Stabilisierung des zwischenzeitlich fragil anmutenden Gebildes, das sich als Aufsteiger zunächst im oberen Drittel der Tabelle einnistete, bevor der von Hecking lange erwartete Einbruch kam. Davor hatte ich immer gewarnt, aber auch als Trainer in der ersten Profisaison lernt man ständig dazu.“

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