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Jung-Star Kakà führt Milan zum Derby-Sieg – Niedergang Rivaldos

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Jung-Star Kakà führt Milan zum Derby-Sieg – Niedergang Rivaldos

Kometenhafter Auftritt

Anschaulich beschreibt Peter Hartmann (NZZ 7.10.) das ersten große Spiel eines neuen Stars:Kakà führt Milan zum 3:1 im Mailänder Stadtderby gegen Inter: „Solche Sternstunden sind selten. Alle drei, fünf, zehn Jahre? Ein „coup de foudre“, unerwartet, unerklärlich. So wie damals, als Simi Ammann in Salt Lake City aus dem Himmel fiel. Ist Kakà der „weisse Pelé“? José Altafini, der brasilianische Goalgetter der sechziger Jahre, der ihn Milan empfohlen hat, vergleicht ihn eher mit Platini. Andere sehen in ihm den neuen Marco van Basten. „A star is born.“: ein schüchterner, 1,85 Meter hoch aufgeschossener, adrett frisierter junger Mann, der aussieht wie 17, in Anzug und mit Krawatte, hellhäutig, fast bleich, mit einer Harry-Potter-Brille, begleitet von seinem Vater, einem Ingenieur, ein Bursche ohne die stereotype Favela-Biografie, sondern aus mittelständischem Milieu, mit Matura-Abschluss (…) Kakà war der Matchwinner. Ein unbeschwerter Derby-Debütant zerriss das Patt des gegenseitigen Pressings, das die beiden Mannschaften, nur zu gut erinnerlich, in den Halbfinals der europäischen Königsliga vorexerziert hatten. Er durchkreuzte leichtfüssig die Taktizismen des Calcio, er entzog sich dem Obstruktionsprinzip der feindschaftlichen Dauerumarmung, der unerbittlichen Verzahnung der Mannschaften, der Doppel- und Dreifachabsicherung durch das vorauseilende Timing seiner Pässe. Die unsichtbaren Linien, die taktische Fouls auslösen, schien er zu ahnen wie ein Minenhund. Der Schnelldenker Kakà hatte den derzeit besten defensiven Mittelfeldspieler Italiens gegen sich, den robusten Cristiano Zanetti, und als ihn Zanetti doch von den Beinen holte, löste er das Verhängnis aus. Pirlo schoss den Freistoss aus 25 Metern gegen die Mauer, und Filippo Inzaghi, der kaltblütige Opportunist, der in der gegnerischen Mauer stand, versetzte dem Ball mit dem Kopf blitzschnell – ob Absicht oder nicht – noch einen unrettbaren Dreh. Kakà hat an der WM 2002 18 Minuten lang gegen Costa Rica gespielt. Der brasilianische Coach Solari hielt ihn noch für unfertig und bemängelte vor allem sein Kopfballspiel. In San Siro erzielte Kakà sein erstes Tor in der Serie A – mit dem Kopf, nachdem ihn die Milan-Kampfmaschine Gattuso mit einem virtuosen Dribbling freigespielt hatte. Das war der endgültige Dammbruch in diesem Derby (…) Mit Kakà als Passgeber, der das Spiel „vertikalisiert“, in die Tiefe anlegt, funktioniert auch der Zweimannsturm der beiden Solisten Inzaghi und Schewtschenko.Die grössten Schwierigkeiten mit Kakàs kometenhaftem Auftritt hatte Inter-Trainer Hector Cupér, der vom Mäzen und Präsidenten Massimo Moratti im dritten Arbeitsjahr eine letzte Gnadenfrist zugestanden erhielt, der Mannschaft endlich ein Konzept zu schneidern. Moratti erfüllte Cupér auch den Wunsch nach fähigen Aussenläufern. Inter spielte Arsenal in Highbury mit drei Gegenstosstoren aus. Die Champagnerkorken knallten. Doch im Derby tauschte der Coach schon nach 36 Minuten, als das Null-zu-null noch stand, van der Meyde gegen den Abwehrveteranen Helveg aus und nach 65 Minuten, gegen jede Logik, sogar seinen Lieblingsspieler Kily Gonzalez gegen Brechet – mit sechs Verteidigern rannte Inter einem Rückstand nach. „Pazza Inter“, das verrückte Inter, letztmals 1989 Meister: Die unersättliche Slot-Maschine, die das Vermögen der Erdölfamilie Moratti auffrisst, etwa 700 Millionen Franken in acht Jahren.“

Fahrig, unkoordiniert, zum Schluss in tiefer Depression

Birgit Schönau (SZ 7.10.) ergänzt: „Jedenfalls kann man Hector Cuper nicht nachsagen, dass er sich nicht treu bleibt. Ob er gewinnt oder verliert, das Gesicht des Fußballtrainers von Inter Mailand ist immer gleich undurchdringlich. Das Derby gegen den AC Mailand hat Cupers Team noch nie gewonnen, einmal sogar 0:6 verloren, und selbst danach sagte Cuper vor der Presse, er würde jetzt lieber an das nächste Spiel denken. So gesehen war es nach dem 1:3 vom Sonntag für ihn eine leichte Übung. Cuper sagte: „Wir haben auch nicht schlechter gespielt als Milan.“ Vielleicht ist das sein Überlebensrezept – selektive Wahrnehmung. Sich einfach auf zehn, 15 Minuten aus 90 konzentrieren, abspeichern und den Rest vergessen. Massimo Moratti, der Präsident, kann das noch nicht. Er verließ kommentarlos und Türen knallend die Katakomben von San Siro. Cuper angezählt, interpretierte die Presse, und Alberto Zaccheroni in Pole Position. Seit 1997 hat Inter keinen Sieg gegen den Lokalrivalen mehr eingefahren. Nie haben sie dabei so schlecht ausgesehen wie in der Ära Cuper. Fahrig, unkoordiniert, zum Schluss in tiefer Depression.“

Was Rivaldo noch kann, ist schwer zu beurteilen

Dirk Schümer (FAZ 6.10.) stellt den Niedergang Rivaldos fest: „Fünf Jahre sind keine lange Zeit, aber im Fußball können sie eine Ewigkeit bedeuten. Vor fünf Jahren war Rivaldo Star des FC Barcelona und Weltfußballer des Jahres. Mit 23 Toren schoß der schmale und wendige Angreifer seinen Klub zu Titelgewinn und Pokalsieg, hinzu kam dann 2002 der Weltmeistertitel in Fernost nach dem Endspiel gegen Deutschland. Aber das Blatt hat sich abrupt gewendet. Die glanzvolle Karriere des Spielers, der auch mit 31 Jahren glaubt, Weltklassefußball zu spielen, geht derzeit höchst glanzlos zu Ende. Nachdem Rivaldo seinen Wechsel vom Champions-League-Sieger AC Mailand, wo er seit 2002 ohne großen Erfolg spielt, angekündigt hatte, fand sich zunächst kein Abnehmer für den Weltstar, auch, weil die erste Wechselperiode des Fußballs Ende August abgelaufen war. Also blieb Rivaldo nolens volens in Mailand – als geduldeter Ergänzungsspieler (…) Der Niedergang Rivaldos deutete sich schon vor zwei Jahren an, als Barcelona ihn ablösefrei ziehen ließ. Nachdem er zuvor in mehr als jedem zweiten Spiel getroffen hatte, sank seine Quote im italienischen Defensivfußball bedenklich. In der vorigen Saison traf er fünfmal bei 22 Einsätzen, in der Champions League gar nur einmal. Für einen hochbezahlten Angreifer ist das viel zuwenig. Weil die kreative Spielweise der Brasilianer mit überraschenden Anspielen und Kurzpässen sich nicht mit der geradlinigen Kontertaktik all‘ italiana verträgt, ziehen die Spitzenklubs der Serie A im Sturm mittlerweile bullige Zyniker wie Christian Vieri oder opportunistische Schlitzohren wie Filippo Inzaghi den Künstlertypen vor. Meist reicht den Vereinen ein zentraler Torjäger, Flügelspiel mit Flanken kommt kaum vor. Auch Rivaldos sensibler Kollege Ronaldo hatte darum Italien freudig den Rücken gekehrt und war mit eingeschränkten Bezügen zum Offensivklub Real Madrid gegangen. Was Rivaldo wirklich noch kann, ist bei seinen Kurzeinsätzen schwer zu beurteilen. Aber für die Spitzenvereine Europas, die inzwischen allesamt von ihren Stürmern auch robuste Abwehrarbeit einfordern, könnte das zuwenig sein.“

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