Ballschrank
Juve siegt zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten auf spanischem Boden – van Nistelrooy, Manchesters Wunderstürmer – Rivaldo, der nackte Kaiser von Mailand – Ajax, die Überraschungself
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| Donnerstag, 25. März 2004Zwei offensiv ausgerichtete, keineswegs zweikampfscheue Teams
Die NZZ (23.4.) berichtet vom Weiterkommen Juves. „Hielt das mit vielen Affichen hochstilisierte Aufeinandertreffen zwischen Barcelona und Juventus Turin, zwischen zwei traditionsreichen Grossvereinen des europäischen Fussballs, was es versprach? Oder war es nicht nur eine Kopie so mancher von der nüchternen Kalkulation bestimmter Europacup-Partien? Erfreulicher-, nach dem schwachen Hinspiel vor zwei Wochen eher unerwarteterweise traf Ersteres im Gesamturteil trotz vielen technischen Ungereimtheiten zu. Torszenen zuhauf, ein hoher Rhythmus und zwei offensiv ausgerichtete, keineswegs zweikampfscheue Teams lieferten sich vor allem nach der Pause einen spannenden Kampf auf Biegen oder Brechen, in dem sich letztlich unerwartet die in dieser Saison international einzig in Kiew auswärts erfolgreichen Piemonteser dank einem Lucky Punch durch Zalayeta sechs Minuten vor Schluss trotz numerischer Unterzahl in der Verlängerung durchzusetzen wusste. Ähnlich vom Glück begünstigt wie in diesem Frühjahr im Heimspiel gegen La Coruña – aber auch nicht unverdient (…) Angst müssten nur die Italiener haben, tönte es im dicht gedrängten Publikum schon Stunden vor dem Match vor den Stadiontoren. Zumindest der grösste Teil des Spielgeschehens sollte den katalanischen Fans Recht geben, denn der Platzklub begann wie ein Hausherr, dominant, druckvoll, konzentriert, sicher in den Ballstafetten und liess den Turinern wenig Verschnaufpausen – im Besonderen auch in der Verlängerung. Besonders augenfällig war dabei, wie schnell die Spanier in der Angriffsauslösung das Mittelfeld überquerten, wie effizient Xavi und Luis Enrique die Bälle sofort an die Sturmspitzen Saviola und Kluivert weiterleiteten. Dies hatte einige Male zur Folge, dass die sonst fast hermetische Abwehr des Gastklubs Lücken zeigte.“
Einen, der keine Probleme macht, sondern löst, will jeder
Christian Eichler (FAZ 23.4.) porträtiert den holländischen Wunderstürmer in den Reihen der Mancunians. „Hätte die Trainer-Ikone Alex Ferguson des früheren Gewohnheitsmeisters Manchester United neben dem Luxuskicker Juan Veron, dem Chancentod Diego Forlan und dem 46-Millionen-Euro-Ausputzer Rio Ferdinand nicht wenigstens einen großen Transfertreffer erwischt, er hätte wohl auf die späten Tage noch seinen guten Ruf riskiert. Doch die 74 Tore in 97 Spielen von Ruud van Nistelrooy sind wie ein Schutzschild gegen jede grundsätzliche Kritik am international inzwischen wohl etwas verstaubten Sachverstand von Sir Alex. Die dreißig Millionen Euro, die man dem PSV Eindhoven zahlte, haben sich trefflich rentiert. In diesem Frühjahr legte der reichste englische Klub noch einmal mehr als das drauf, um van Nistelrooy langfristig zu binden. Für einen neuen Vertrag hob man den Stürmer in die Gehaltsklasse von Kapitän Roy Keane und Showstar David Beckham und garantierte ihm für die kommenden fünf Spielzeiten jeweils zwischen sieben und acht Millionen Euro. Van Nistelrooy gilt als intelligent, bescheiden, fleißig, ohne Allüren. Privat ist er häuslich, beruflich aber ständig in Bewegung, und vor allem schießt er Tore. So einen, der keine Probleme macht, sondern löst, will jeder (…) Neun Tore in den letzten sechs Spielen bezeugen unterdessen van Nistelrooys Gefährlichkeit. Noch imposanter ist die Saisonstatistik der Champions League. Für seine elf Tore in nur acht Spielen benötigte er nur 25 Schüsse, von denen nur fünf das Tor verfehlten – eine schier unglaubliche Zielsicherheit, die um Längen vor allen anderen Topstürmern Europas liegt. Diese Effektivität zeigt sich auch in der kühlen Dynamik, mit der van Nistelrooy seine Elfmeter verwandelt. Nachdem er seinen ersten für Manchester verschossen hatte, hat der 26jährige Niederländer 16 Elfmeter in Folge verwandelt, fast alle wuchtig halbhoch in die linke Ecke. Nahezu alle Torhüter wissen das inzwischen, trotzdem kommt keiner hin (…) Nach jedem Training übt er noch ein paar Elfmeter. Sie gehören zu seiner Definition des kompletten Angreifers, gemäß seinem großen Vorbild Marco van Basten, mit dem ihn der frühere Bondscoach Michels längst vergleicht. Anders als etwa Ronaldo oder Henry, die nicht richtig köpfen können, macht er alle Arten von Toren: mit links, mit rechts, per Kopf, aus dem Gewühl oder mit Gefühl. Der mentale Krampf mancher Kollegen, daß ein Tor auch noch schön sein muß, ist ihm fremd.“
Zur Stimmung in Manchester NZZ
Die traurigen Fußballer haben noch nie gewonnen
Birgit Schönau (SZ 23.4.) porträtiert den bislang enttäuschenden Weltmeister in den Reihen des Berlusconi-Klubs. „Jahrelang war Rivaldo von den Großklubs der Serie A umworben worden, als sei er jener taubeneigroße Diamant, der ein kostbares Geschmeide von Weltklasse-Kickern erst zum Funkeln brächte. Die Tifosi von Inter, Lazio und dem AC Mailand träumten von diesem „Außerirdischen“, den ihnen die Präsidenten ihrer Klubs in jedem Sommer wieder versprachen. Märchenhafte Summen zirkulierten in den Sportgazetten, viele Kicker waren ja sündhaft teuer, doch Rivaldos Wert übertraf sie alle. Immer sah es so aus, als müsse er nur noch unterschreiben, aber am Ende blieb er doch in Barcelona. „Es wäre Wahnsinn, ihn zu kaufen“, urteilte Silvio Berlusconi. Man schrieb das Jahr 2000. Rivaldo war damals Weltfußballer des Jahres, und im vergangenen Sommer wurde er auch noch Weltmeister. Da holte Berlusconi ihn tatsächlich nach Mailand. Ablösefrei, mit einem Dreijahresvertrag über fünf Millionen Euro jährlich, selbstredend netto. Die italienische Sportpresse jubelte über diesen Coup, den einzigen auf einem erloschenen Transfermarkt. Rivaldo präsentierte sich den Milan-Fans an einem heißen Augusttag auf dem Balkon des Hotels Gallia. Er war ganz in Schwarz gehüllt, das ließ ihn noch schmaler, noch eleganter und noch härter erscheinen. Der AC Mailand verkaufte im Handumdrehen 50762 Saison-Dauerkarten, ein Rekord (…) Vor allem wollten sie Rivaldo sehen. Auf das erste Tor mussten sie lange warten. Erst am 20. Oktober traf Rivaldo, gegen Atalanta Bergamo. Vorher jedoch zeigte er ein paar artistische Einlagen, die das Publikum zum Raunen brachten und seine Chefs zu Lobeshymnen hinrissen. Im Derby gegen Inter lieferte er seinem Mitspieler Serginho eine perfekte Vorlage zum Siegtor, in der Champions League besiegte er Lokomotive Moskau fast im Alleingang. Doch da war er schon mitten in der Krise. Rivaldo, der Außerirdische, war wie ein Prinz in Mailand eingezogen, und nun sahen die Fans: Der Kaiser war nackt. Langsam, phantasielos, hölzern gar, ein Fremdkörper in einem Gefüge (…) In Mailand hatte Rivaldo sich von seiner Frau getrennt, die mit den beiden Kindern zurück nach Brasilien gezogen ist. Er sieht seine Kinder kaum. Seine Mitspieler berichten, dass sich der große Rivaldo, der bei Barcelona wegen seiner divenhaften Allüren berüchtigt wurde, zusehends in sich selbst verschlossen hat. Auf dem Platz wirkt er ernst, bedächtig, traurig. „Die traurigen Fußballer haben noch nie gewonnen“, lautet eine Zeile des italienischen Liedermachers Francesco De Gregori.“
Die Jungen sind gierig
Zur Situation bei der Überraschungself in der diesjährigen Champions League heißt es bei Andreas Morbach (FR 23.4.). “Jari Litmanen ist der letzte. Blutjunge Kollegen wie Rafael van der Vaart oder Wesley Sneijder haben ihr Lächel- und Autogramm-Pensum zwischen Ajax-Trainingsgelände und Amsterdam Arena in eiliger Routine abgespult, sind längst im Bauch des monströsen Stadions verschwunden. Doch Litmanen, 32, lächelt geduldig für die Fotos, die bald in den Zimmern niederländischer Teenager hängen werden. Der Finne hat Zeit. An ihm rauschen 18-, 19-, 20-jährige Fußballer vorbei, die Ajax Amsterdam in diesem Jahr zu einem unerwarteten Höhenflug durch die Champions League verholfen haben. Und Litmanen klaubt sich in aller Ruhe eine Handvoll von den Orangen- und Mandarinenstückchen zusammen, die ein Mann mit Bauarbeiterhelm den Profis auf einem großen Teller serviert. Dann erzählt der Angreifer, der 1995 dabei war, als Hollands Vorzeigeklub im Finale gegen den AC Mailand zum letzten Mal die Champions League gewann, wie das ist mit der Generation, die viele bereits mit den großen Ajax-Teams der Siebziger, Achtziger und Neunziger vergleichen. Die Zeiten sind wieder besser, sagt Litmanen. Kein Zweifel: Vor vier Jahren lief Ajax in der keineswegs starken Ehrendivision schmachvoll als Sechster ein, im Uefa-Cup schied man gegen schweizerische oder dänische Durschnittsteams aus. Und plötzlich spielen sie heute Abend beim AC Mailand um einen Platz im Halbfinale der Champions League (…) Kein Prophet muss man sein, um zu wissen, dass auch die jetzige Ajax-Generation bald über ganz Europa verstreut sein wird. Denn die Jungen sind gierig. Im Moment bangen sie in ihrer Liga um Rang zwei und um die Chance zu weiteren Glanztaten in der nächsten Champions-League-Saison.“
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