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Keine WM für Kulturpessimisten

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Keine WM für Kulturpessimisten

über Dänemarks Stil

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„Wenn sich das Niveau derart annähert, wenn alle fast gleich sind, geben Nuancen den Ausschlag“ kommentiert die FR das bisherigen Geschehen, nachdem gestern der zweite der beiden großen Favoriten – Argentinien – bereits nach der Vorrunde nach Hause geschickt wurde. Die Kräfteverhältnisse eines Großteils der Mannschaften scheinen sich in der Tat derart angeglichen zu haben, dass Kleinigkeiten entscheidende Bedeutung zukommt.Außerdem erteilen die Interpreten dem Faktor Glück eine Aufwertung. „Es gibt sie noch, die Sensationen“, jubelt die NZZ.

„Diese WM, die das Gütesiegel „Total verrückt’ trägt und pro Halbzeit eine neue Wendung vertrauter Muster bietet“, wie die SZ bemerkt – hat einige Prognosen bereits in einem frühen Stadium über den Haufen geworfen und damit die Expertenwelt ebenso auf dem falschen Fuß erwischt wie den privaten Tipper. Folglich sind Voraussagen über das Kommende derzeit die Erfolgsaussichten eines Roulette-Spiels gleichzusetzen, weswegen sich auch kein Autor zu weit aus dem Fenster lehnen will. Nur so weit traut sich die SZ: „Bei allem gewachsenen Respekt für die deutsche Mannschaft käme der Gewinn dieser WM doch dem Kunststück gleich, die Schwerkraft außer Kraft zu setzen.“

Für die bisherigen Überraschungen macht Thomas Kilchenstein (FR 13.6.) eine Angleichung des Niveaus verantwortlich. „Mit Ausnahme von Saudi-Arabien, China, Ecuador sind sämtliche Teams in der Lage, eine Runde weiterzukommen. Alle Teams sind in dieser globalisierten Fußballwelt enger zusammengerückt. Es gibt sie nicht mehr, die großen Unterschiede in der Leistungsdichte, spielerisch und taktisch agieren nahezu alle auf gleich hohem Level, die physische Stärke der Mannschaften ist beeindruckend, das Tempo, das selbst in großer Schwüle gegangen und bis zum Ende durchgehalten wird, ist enorm. Man begegnet sich sozusagen auf Augenhöhe.“

Das Ausscheiden Frankreichs empfindet Mark Schilling (NZZ 12.6.) – ohne Schadenfreude – als prinzipielle „Genugtuung“. Seine gestrigen Anmerkungen haben nach dem Scheitern der Argentinier nichts an Aktualität einbüßen müssen. „In den letzten Jahren hatte sich nämlich im bezahlten Fußball eine Entwicklung angedeutet, die mit einer soziologischen Strömung einherging: Die Reichen werden noch reicher, die Armen noch ärmer. Auch im Fußball öffnete sich in dieser Zeit zusehends der Graben zwischen den Nobodys und den Spitzenklubs (…) Das sportliche Desaster der Franzosen hat nun aber vor Augen geführt, dass ein wichtiges Faszinosum des Sports auch an der Leistungsschau des Weltfußballs noch anzutreffen ist. Diese unglaubliche Überraschung lässt jedenfalls Kulturpessimisten, die bereits das Reißbrett über das aleatorische Element siegen sahen, vorerst verstummen. Es gibt sie noch, die wirklichen Sensationen.“

weitere Themen von heute:

Reaktionen der franz. und internationalen Presse auf das Ausscheiden des Weltmeisters SZ NZZ FR

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