Nachschuss
Kistner, Thomas Schulze, Ludger – Die Spielmacher. Profiteure und Strippenzieher im deutschen Fußball
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| Donnerstag, 25. März 2004Hinter den Kulissen und auf der Vorbühne des inszenierten Massenspektakels Fußball erscheint ein Ensemble an Figuren (Beckenbauer, Kirch, Mayer-Vorfelder, Blatter, Dassler, Calmund etc.), „die ein eng geflochtenes nationales wie internationales Netz bilden, das sich der öffentlichen Kontrolle entzieht“ (SZ 30.11.). Deren Bedeutung, Handlungsmotive und Vita müssten nach diesen Enthüllungen von der Öffentlichkeit uminterpretiert werden. So werden zB Calmunds und Mayer-Vorfelders angeblich freundschaftliches Verhältnis zu Daum in der Kokain-Affäre jeweils als pharisäerhafte Haltung enttarnt, während Beckenbauers Ämter- und Funktionshäufung sich schlicht als Geld- und Machtgier entpuppt. „Es geht um die die, die das Spiel machen – und es zu ihren Gunsten verändert haben“ (Thomas Kilchenstein in FR 14.12.). Zum eigenen Wohle und dem ihres Vereins scheint so mancher Funktionär sprichwörtlich über Leichen zu gehen und wie die anderen Strippenzieher aus der Medien- und Sportpolitikwelt nur ein Ziel zu kennen: „Geld zu verdienen, egal, was der Fan dazu sagt“ (Eric Eggers in NZZ 12.09.).
Ein flüssig zu lesendes Buch, dem man gar nicht genug Fußballfans als Leser wünschen kann. Doch mindestens so spannend und aussagekräftig wie die Lektüre ist das öffentliche Echo. Es ist nämlich kaum zu vernehmen. An der mangelnden Resonanz ist festzustellen, dass ein Großteil der Fußballinteressierten entweder keine Notiz von diesen skandalverdächtigen Analysen nimmt oder solche Aussagen schlicht für irrelevant hält. Offensichtlich scheint für die kritische Auseinandersetzung mit dem Geschehen rund um den Fußball und dessen Hintergründen lediglich der Nischenplatz der seriösen Tagespresse reserviert zu sein. Wenn ran und kicker die öffentliche Meinung prägen, zählen ausschließlich Titel, Tore, Trennungen und Tragödien.
Vermutlich trägt ebenfalls gegenüber erfolgreichen Fußballfunktionären loyales Verhalten seitens vieler Sportjournalisten zu dieser zahnlosen Behandlung bei. Mit Franz Beckenbauer oder Uli Hoeneß, mittlerweile auch mit Reiner Calmund, sollte man sich besser nicht anlegen, wenn man künftig Zugang zu wichtigen Informationen sowie deren Gunst nicht verlieren will. Außerdem lässt manche Berichterstattung in TV und Presse deutlich die Vereinsbrille erkennen. Für Kistner Schulze gilt diese Kritik keineswegs, da sie sich Neutralität und beruflicher Ethik verpflichtet fühlen. So bleibt zu hoffen, dass diese Art von investigativem – wenn auch hier und da zu Alarmismus neigendem – Journalismus rund um das gesellschaftliche Ereignis Fußball nicht weiter an Boden verliert. „Schließlich hat der Fußball seine Seele verloren“ (Eggers). Viel Aussicht besteht allerdings nicht.
Oli Fritsch
Kistner, Thomas Schulze, Ludger (2001): Die Spielmacher. Profiteure und Strippenzieher im deutschen Fußball. Stuttgart; München: Deutsche Verlags Anstalt.
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