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König Otto von Griechenland – steht der Schweizer Fußball vor guten Zeiten? – Schottland gratuliert Vogts – Scharmützel zwischen Türken und Engländern
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| Donnerstag, 25. März 2004Griechenland – Nordirland 1:0
Otto Rehhagel hatdie gesamte griechische Fußballstruktur verändert
Torsten Haselbauer (FAZ 13.10.) berichtet Leistung und Anerkennung Rehhagels in Griechenland: „Ausnahmsweise ist sich die gesamte, sonst immer völlig zerstrittene griechische Fußball-Öffentlichkeit einmal einig: Diesen Erfolg hat nur Otto Rehhagel nach Griechenland gebracht, und zwar deshalb, weil er fast die gesamte griechische Fußballstruktur verändert hat. Seit Rehhagel für rund 400 000 Euro jährlich in Hellas auf dem Fußballplatz das Sagen hat, ist nicht mehr die Mannschaft der Star, sondern ihr deutscher Trainer. Das überaus harmonisch auftretende Nationalensemble gibt den sonst traditionell zerstrittenen Spielern aus den drei Athener Großvereinen AEK, Panathinaikos und Olympiakos Piräus plötzlich wieder eine Art emotionale Bindungskraft. Es sei wieder schick, im Nationalteam zu kicken, seitdem Rehhagel auf der Bank sitze, erklären die extrem individualistischen und imagesüchtigen griechischen Spieler. Rehhagel machte die Nationalmannschaft wieder populär – bei den Spielern und Fans gleichermaßen. Am Samstag zum Spiel gegen Nordirland reiste Prominenz aus ganz Griechenland ins Athener Panathinaikos-Stadion Leoforos Alexandras an. Darunter der legendäre und von allen Griechen verehrte Komponist Mikis Theodorakis, der eigens eine neue Hymne komponierte, die vor dem Spiel von einer Blaskapelle intoniert wurde. Rehhagel setzte seine Fußballideen konsequent und mit langem Atem im kurzlebigen griechischen Fußballgeschäft durch. Natürlich sicherte sich der deutsche Stratege zuvor bei dem mächtigen Verbandspräsidenten Vassilis Gagatsis ab und ließ sich mit allen Vollmachten ausstatten. Die Zeiten, in denen Journalisten die Mannschaft aufstellen, sind ab jetzt vorbei, so erklärte Rehhagel recht früh den verdutzt dreinschauenden griechischen Sportjournalisten ihren Machtverlust. Die dürfen zwar weiter die Mannschaft zu Auswärtsspielen begleiten, wohnen aber nicht mehr im selben Hotel. Überhaupt schottet der langjährige Bundesligatrainer das griechische Nationalteam auffällig streng gegenüber der Öffentlichkeit ab. Es gibt plötzlich ein für die Hellenen bis dato völlig unbekanntes Geheimtraining oder ein mitunter fünf Tage lang andauerndes und ernsthaft durchgeführtes Trainingslager vor einer bedeutenden Begegnung.“
Tibor Meingast (SZ 13.10.) fügt hinzu: „Alter spielt in Athen nun wirklich keine Rolle. Wo die Akropolis in ihr viertes Jahrtausend geht, was sind da schon die bescheidenen 65 Jahre des Fußballlehrers Otto Rehhagel? Der steht weiter engagiert im Berufsleben; gerade hat sich sein Vertrag um neun Monate verlängert. Und seinen Arbeitseifer im Stadion von Panathinaikos bremst auch nicht, dass längst das Flutlicht erloschen ist. Nach einem letzten Fernsehinterview steht er auf dem Spielfeld und telefoniert, während Ehefrau Beate und seine beiden Spezis aus Kaiserslauterer Zeiten, Robert Wieschemann und Gerhard Herzog, im Dunkel der schmucklosen Sportstätte warten. Die Besucher aus der Heimat durften erleben, wie der griechische Nationaltrainer südländisch gefeiert wurde. Erst holte Rehhagel bei jeder Unterbrechung Spieler zu sich und wies sie mit Hilfe von Assistenztrainer und Übersetzer Joannis Topalidis an, dann schickte er sie in der Schlussphase wild gestikulierend nach vorne. Mit Pressing am gegnerischen Strafraum brachten die Griechen ihren 1:0-Sieg über die Zeit. Griechenland qualifizierte sich für die Europameisterschaft, Rehhagel umhalste Verbandschef Vassilis Gagatsis („Mein Präsident“) und spurtete dann aufs Feld. Jeden Spieler nahm er sich zur Brust und erwies, die rechte Hand in die laue Nacht gereckt, auch dem Publikum seine Reverenz. Das dankte überschwänglich und skandierte, intoniert vom Stadionsprecher, fast eine Minute lang ein dunkles „Otto Rächakel“. Nach je drei Meisterschaften und Pokalsiegen sowie dem Europacupgewinn ein weiterer Triumph für den Essener, über den die griechischen Zeitungen schreiben, er wohne „bei Schalke“.“
Schweiz – Irland 2:0
Tobias Schächter (taz 13.10.) porträtiert den Schweizer National-Coach: „Das ist Anton Kuhn, ein Schweizer Held. Und dieses historische Ereignis, nach langen Jahren des Darbens so sehr herbeigesehnt von den fußballbegeisterten Menschen von Basel bis Zürich, ist sein Erfolg. Denn bevor der ehemalige Juniorentrainer des Verbands und Spieler des FC Zürich vor zwei Jahren die Eliteauswahl übernahm, hatten fünf Trainer erfolglos und oft auch kläglich versucht, den Schweizer Fußball nach der Ära Roy Hodgson (1996) wieder zu einem großen Turnier zu führen. Ausgerechnet dem Köbi, dessen Inthronisierung nicht wenige mit einem Kopfschütteln kommentiert hatten, gelang nun genau dies. Davor hatte der medienscheue Mann, der so gar nicht in die kapitalisierte Welt des Kommerzfußballs zu passen scheint, freilich viele Stürme zu überstehen. Gleich zu Beginn, nachdem er sich mit Altgedienten angelegt und Ciriaco Sforza aus dem Kader geworfen hatte, beispielsweise eine Kampagne des Schweizer Boulevardblatts Blick. Er ist der Größte, für mich gibt es keinen Besseren. Er hat zu 99,9 Prozent richtige Entscheidungen getroffen, preist ihn sein Kapitän und Torhüter Jörg Stiel von Borussia Mönchengladbach, der das Spiel heldenhaft mit einem Kopfverband zu Ende spielte und dabei aussah wie eine Mischung aus Catweazle und Elefantenmensch. Helden. (…) Die Zukunft scheint ohnehin rosig. Zusammen mit Österreich ist die Schweiz Gastgeber der EM 2008, zudem besteht nun die Chance, sich in Europas Spitze zu etablieren. Denn die Talente sprießen aus dem Schweizer Boden wie Loblieder auf den Köbi: Die U17 gewann vor zwei Jahren die Europameisterschaft, die U21 errang im gleichen Jahr die Vize-Europameisterschaft, und der FC Basel mischte im letzten Jahr die Champions League auf.“
Felix Reidhaar (NZZ 13.10.) kommentiert nüchtern: „Das Schweizer Fussballnationalteam hat am Samstagabend an einer wichtigen Kreuzung den richtigen Weg eingeschlagen. Die Endrundenqualifikation zur EM 2004 in Portugal ist dabei ein Etappenerfolg – das vordergründige Ziel zwar, aber mittelfristig von noch weiterreichender Bedeutung: Der Gruppensieg wird einerseits zu einer besseren Einstufung im europäischen Ranking und damit zu einer günstigeren Ausgangslage in der Gruppenauslosung für die WM 2006 (Anfang Dezember in Frankfurt) beitragen – und damit möglicherweise zu einer weiteren Kampagne, in der die Auswahl kompetitiv mitbieten kann, ehe die dritte EM-Teilnahme 2008 im eigenen Land ins Visier rückt. Anderseits stärkt Platz 1, wenngleich mit der geringsten Gesamtpunktzahl erreicht, die Position Jakob Kuhns, indem er den Hyänen vom Boulevard für eine ordentliche Weile die Schnauze stopft. Denn der seines väterlich ruhigen Habitus wegen gerne unterschätzte Coach kennt sowohl personelle wie strukturelle Präferenzen und braucht hiezu keinen Nachhilfeunterricht. Er hat seit Beginn seiner Amtszeit vor rund zwei Jahren nie ein Hehl daraus gemacht, dass ein sorgsamer Umbau und eine allmähliche Blutauffrischung aus dem beachtlichen Reservoir an international erprobten Nachwuchskräften oberste Priorität hat. Deshalb hatte er anfänglich keine grossen Hoffnungen in die EM-Ausscheidung gesetzt, zumal Widersacher wie die WM-Teilnehmer Russland und Irland allgemein als zu stark eingeschätzt wurden. Der durch gütige Mithilfe von Aussenseitern wie Albanien und Georgien begünstigte direkte EM- Vorstoss stellt sich so gesehen zu früh ein – unschweizerischer könnte, auf den Fussball bezogen, diese Entwicklung gar nicht zustande gekommen sein. Doch sie wirkt jetzt vor allem als grosse Aufmunterung.“
Schottland – Litauen 1:0
Raphael Honigstein (taz 13.10.) nennt den Strippenzieher des britischen Fußballs: „Alex Ferguson hat einfach überall seine Finger im Spiel. Unter der Woche hatte Manchester Uniteds Trainer hinter den Kulissen die englische Nationalmannschaft zum Solidaritätsstreik für seinen vergesslichen Schützling Rio Ferdinand angestachelt. Am Samstag mussten die Iren ihre Träume von der EM begraben – unter anderem auch, weil ihr Bester, Roy Keane, auf Wunsch von Sir Alex seine Hüfte nur noch für den Verein ramponiert. Dafür hat der gebürtige Glasgower und ehemalige Nationaltrainer seinen Landsmännern am selben Tag aus alter Verbundenheit aber das Erreichen der Play-offs ermöglicht. Wie, ist schnell erzählt: Bis zur 68. Minute stand es gegen Litauen in einem wahrhaft grässlichen Spiel 0:0 und der zweite Platz hinter Deutschland war ernsthaft in Gefahr. Doch dann fiel dem kurz zuvor eingewechselten Jungnationalspieler Darren Fletcher der Ball an der Strafraumgrenze vor die Füße – und ein knackiger Volley ins kurze Eck erlöste den Hampden Park. Der nach dem 1:0-Sieg umjubelte Held, 19 Jahre alt, gab später zu, in jener entscheidenden Szene gar keine andere Wahl gehabt zu haben. Alex Ferguson hat gesagt, wenn wir nicht gewinnen, brauche ich gar nicht erst zurückzukommen, grinste Manchester Uniteds Mittelfeldspieler. So aber flossen in Glasgow aus allen Richtungen schmissige Dudelsackmelodien ineinander, und in den Katakomben waren noch weitaus wohlklingendere Töne zu vernehmen: Die Journalisten gratulierten Berti Vogts, Berti Vogts gratulierte der Mannschaft, die Mannschaft gratulierte Berti Vogts.“
Türkei – England 0:0
Christian Eichler (FAZ 13.10.) erzählt Scharmützel: „Die Situation schien nur einmal zu eskalieren, als Collina Elfmeter für England gab. David Beckham, eine Reizfigur für die Türken seit einem als Entehrung empfundenen Küßchen, das er seinem Gegenspieler Tugay als offene Beleidigung beim Hinspiel im April zugeworfen hatte, lief an – und rutschte mit dem Standbein weg. Im Fallen erwischte er den Ball so tief, daß der aufstieg wie eine Silvesterrakete und den europäischen Elfmeterhochschußrekord, den Uli Hoeneß im EM-Finale 1976 aufgestellt hatte, locker übertraf. Es war, als habe Beckham sich zuviel von Jonny Wilkinson abgeschaut, dem Kicker des englischen Rugby-Teams, das am Sonntag als Titelfavorit die WM in Australien begann. In einem aktuellen Werbespot bringt Beckham Wilkinson bei, wie man den Fußball über die Mauer schnibbelt, und Wilkinson zeigt Beckham, wie man ein Ei hoch durch die Malstangen jagt. 42 000 Zuschauer johlten hämisch auf, als Beckham Ball und Ei verwechselte. Noch als der Engländer auf dem Hosenboden saß, war der türkische Verteidiger Alpay über ihm. Er packte mich am Ohr und sagte etwas Übles über meine Mutter, schilderte Beckham, der sich nicht provozieren ließ. Erst zehn Minuten später, im Kabinengang auf dem Weg in die Halbzeitpause, sagte er Alpay die Meinung. Es entstand ein kollektives Gerangel, das der Schiedsrichter jedoch umgehend entschärfte. Collina forderte beide Seiten auf, sich die Hände zu geben, und rief sie erfolgreich zur Raison mit den Worten: Es ist ein zu wichtiges Spiel, um es mit solchen Albernheiten zu verderben. Der türkische Trainer Senol Günes beklagte, ihm sei durch das Gerangel im Gang zu wenig Zeit für taktische Anweisungen in seiner Halbzeitbesprechung geblieben: So verloren wir die Konzentration. Abgesehen vom Pausentheater, blieb es ein Abend der kontrollierten Emotionen. Selbst als Torwart Rüstü mit einem gestreckten Bein in Kopfhöhe heraussprang, als wolle er Kieron Dyer skalpieren – eine Aktion, die nicht nur den deutschen Nationalspieler Dietmar Hamann an Toni Schumachers Rammstoß gegen den Franzosen Battiston bei der WM 1982 erinnerte –, und Collina beide Augen zudrückte, ließen sich die Engländer nicht von ihrer kühlen Attitüde abbringen. Es war eine weitere Reifeprüfung des Teams, das immer mehr die kühl professionelle Handschrift von Trainer Sven-Göran Eriksson trägt. Seit der Schwede die Mannschaft im Sommer 2001 übernahm, hat sie sich zu einem europäischen Spitzenteam entwickelt.“
Von Thomas Seibert (Tsp 13.10.) klingt dies anders: „Als die Mannschaften zur Pause in die Kabinen gingen, griff Alpay, der beim englischen Verein Aston Villa unter Vertrag ist, nach Beckhams Ohr und beleidigte den Superstar weiter. Beckham schlug zurück, traf den Türken aber nicht. Darauf mussten die beiden Profis zwar bei Schiedsrichter Pierluigi Collina antreten, der sie aufforderte, sich die Hand zu reichen – aber die restlichen Profis schlugen im Kabinengang aufeinander ein. So lieferten sich Sol Campbell und Hasan Sas erst eine verbale Auseinandersetzung, die dann aber schnell handgreiflich wurde. Am Ende lagen etwa 50 Spieler und Offizielle beider Seiten miteinander im Clinch.“
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