Ballschrank
Kurzerhand in ein Heimspiel verwandelt
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| Donnerstag, 25. März 2004
Jörg Stratmann (FAZ 5.5.) hat viele Gästefans gezählt und gehört. „Sechs Wochen lang hat sich der neue Mönchengladbacher Fußballtrainer Ewald Lienen nicht erklären können, warum es seinen Borussen nicht gelang, den Schwung, den sie im eigenen Bökelbergstadion zumeist an den Tag legten, nach draußen mitzunehmen. Dafür sah Lienen keinen vernünftigen Grund. Mit seltsamer Mutlosigkeit auf fremden Plätzen hatte die Mannschaft in bislang 15 Spielen nur fünf Punkte ergattert, so wenige wie kein anderer Bundesligakonkurrent. Auch im 16. Versuch, dem 1:1 beim VfL Bochum, kam nur einer hinzu. Doch womöglich hatten die engsten Vereinsfreunde dabei die zündende Idee: Sie verwandelten den Auftritt ihres Teams im Ruhrstadion kurzerhand in ein Heimspiel und hätten so fast zum zweiten Auswärtssieg der Saison beigetragen. Mehr als 10.000 Fans hatten sich am Samstag auf den Weg ins Ruhrgebiet gemacht und dort unter den insgesamt 33.000 Zuschauern auch noch lange nach dem Spiel für eine Stimmung gesorgt, die den Profis den lange vermißten Schwung vermittelte. So etwas habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt, sagte Borussias Verteidiger Jeff Strasser mitgenommen. Lienen sah sich ebenfalls zu einem Lobgesang auf unseren zwölften Mann, das Publikum, veranlaßt.“
Bekenntnis für den Klub
Auch Christoph Biermann (SZ 5.5.) ist erstaunt. „Eine Dreiviertelstunde war seit dem Abpfiff im Ruhrstadion vergangen, Mönchengladbachs Spieler räkeln sich im Gras. Neunzig Minuten lang hatten sie gekämpft, waren danach ausgelaufen und nun wäre eigentlich der Gang unter die Dusche fällig. Doch immer noch liegen sie da, die Körper der Westkurve zugewandt und möchten mit dem Staunen nicht aufhören. Beinahe dreitausend Borussia-Fans stehen dort auf den Rängen. Sie singen, feiern und verlängern einen selten großen Moment. Mönchengladbach hatte keineswegs den so lautstark beschworenen Auswärtssieg geschafft. Auch der Klassenerhalt ist längst nicht gesichert. Umso höher war daher zu bewerten, was da geschah. Es ließ bei den Spielern, ihrem Trainer und den Chefs der Borussia die Wörter sprudeln – und machte sie zugleich wortlos. „Einfach phantastisch“, fand es Sportdirektor Christian Hochstätter. „Das Haupt senken und sich bedanken“ wollte Ewald Lienen. Beeindruckend war die Haltung, die zu einem Bekenntnis für den Klub geriet. Leicht fiel das nicht, weil die Bilanz der Gladbacher in der Fremde die schlechteste aller Bundesligisten ist. Doch offenbar hat es angesichts dieser fast pathologischen Auswärtsschwäche einen kollektiven Beschluss der Fans gegeben, dem Team über die Hürde zu helfen. Bedingungslos positiv war die Unterstützung – und kam tatsächlich unten auf dem Platz an.“
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